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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 23.04.2003
Aktenzeichen: OVG 5 B 9.01
Rechtsgebiete: VwVfG, WoBindG, BGB
Vorschriften:
VwVfG § 41 Abs. 2 | |
WoBindG § 16 Abs. 1 Satz 1 | |
WoBindG § 18 Abs. 1 | |
WoBindG § 25 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 269 Abs. 1 | |
BGB § 270 Abs. 4 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen OVG 5 B 9.01
Verkündet am 23. April 2003
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, die Richter am Oberverwaltungsgericht Dahm und Wähle sowie die ehrenamtlichen Richter Ehmig und Haß
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. September 2000 geändert.
Der Bescheid des Bezirksamtes Wilmersdorf von Berlin vom 13. November 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 1. April 1998 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Geldleistung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1995 erhoben wird.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Von den Kosten des Verfahrens haben der Beklagte % und die Klägerin % zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer 69,02 qm großen Eigentumswohnung in der in Berlin-Wilmersdorf. Im Jahre 1977 übertrug die Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin (WBK) auf sie die Rechte aus einem hypothekarisch gesicherten öffentlichen Baudarlehen, das die WBK dem Rechtsvorgänger der Klägerin im Jahre 1956 in Höhe von 15 900 DM bewilligt hatte. Mit am 31. Dezember 1986 bei ihrem kontoführenden Geldinstitut eingegangenen Auftrag überwies die Klägerin der WBK außerplanmäßig den noch offenen Darlehensrestbetrag einschließlich aller Nebenforderungen. Der Zahlbetrag wurde am 5. Januar 1987 auf dem Konto der WBK gutgeschrieben.
Die Wohnung der Klägerin stand in. derzeit von Oktober 1994 bis einschließlich März 1995 leer; von April bis einschließlich Dezember 1995 war sie freihändig vermietet. Mit Bescheid vom 13. November 1996, geändert durch Widerspruchsbescheid vom 1. April 1998 erlegte das Bezirksamt Wilmersdorf von Berlin der Klägerin eine Geldleistung nach § 25 Abs. 1 WoBindG in Höhe von insgesamt 6.522,39 DM auf, und zwar in Höhe von 9 DM/qm/Monat für die Zeit des Leerstands der Wohnung und in Höhe von 4,50 DM/qm/Monat für die Zeit der Vergabe an einen zur Nutzung einer Sozialwohnung nicht berechtigten Mieter. Zu der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage des Endzeitpunkts der öffentlichen Bindung der Wohnung nach freiwilliger vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel durch die Klägerin führte die Behörde aus, dass durch unanfechtbaren Bescheid des Wohnungsamtes vom 18. Februar 1987 das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" auf Ende 1995 verbindlich festgelegt worden sei, so dass die Wohnung bis dahin der öffentlicher Bindung unterlegen habe.
Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, ein Schreiben des Wohnungsamtes vom 18. Februar 1987 sei ihr nicht zugegangen. Sie habe das Darlehen noch Ende des Jahres 1986 zurückgezahlt, so dass die Wohnungsbindung nach Ablauf der achtjährigen Nachwirkungsfrist am 31. Dezember 1994 geendet habe. Auf den Eingang des Geldes am 5. Januar 1987 auf dem Konto bei der WBK komme es nicht an. Sie habe unter Beachtung der §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB die Leistungshandlung rechtzeitig vorgenommen, denn der Überweisungsauftrag sei noch im Jahre 1986 bei ihrem Geldinstitut bei ausreichender Kontodeckung eingegangen. Eine der Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entgegenstehende Norm oder Vereinbarung sei nicht ersichtlich. Abgesehen davon sei die Wohnung nach der Kündigung der Vormieterin wegen der einjährigen Kündigungsfrist bis zum 30. Juli 1995 rechtlich nicht frei und im Übrigen infolge unterlassener Renovierung unbewohnbar gewesen.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, die öffentliche Bindung der Wohnung habe mit Ablauf des Jahres 1995 geendet, weil die öffentlichen Mittel erst mit dem Eingang der Zahlung bei der WBK am 5. Januar 1987 vollständig zurückgezahlt worden seien. Die abdingbaren Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, die die Verspätungsgefahr einer rechtzeitig abgesandten Geldüberweisung dem Gläubiger auferlegten, kämen hier nicht zur Anwendung, weil das Gesetz insoweit etwas anderes bestimme. Nach § 16 Abs. 1 WoBindG komme es auf den Zeitpunkt der Rückzahlung der öffentlichen Mittel an. Zurückgezahlt seien die Mittel aber erst, wenn der Gläubiger darüber verfügen könne. Auf den Zahlungseingang sei schon deshalb abzustellen, weil Rückflüsse aus der Wohnungsbauförderung nach § 20 II. WoBauG laufend zur Förderung einzusetzen seien. Die Wohnung der Klägerin sei ab Oktober 1994 rechtlich und tatsächlich frei gewesen. Der Renovierungs- und Instandsetzungsbedarf habe im Rahmen des bei Mieterwechsel Üblichen gelegen.
Mit Urteil vom 19. September 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Der Beklagte habe die Klägerin zu Recht zur Zahlung einer Geldleistung herangezogen. Die Klägerin habe die öffentlichen Mittel am 5. Januar 1987 zurückgezahlt, so dass die öffentliche Bindung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 WoBindG in der damaligen Fassung bis zum 31. Dezember 1995 bestehen geblieben sei. Dass die Klägerin die Zahlung noch Ende 1986 veranlasst habe, ändere nichts, weil eine Rückzahlung den Eintritt des Leistungserfolges voraussetze. Auf den Zeitpunkt der Vornahme der Leistungshandlung komme es nicht an. Ein Geldbetrag sei erst dann "zurückgezahlt", wenn der Gläubiger über ihn verfügen könne. Das entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn durch die vorzeitige außerplanmäßige Rückzahlung solle der Darlehensgeber in die Lage versetzt werden, die dadurch frei werdenden öffentlichen Mittel anderweitig zu förderungswürdigen Zwecken einsetzen zu können. Dieser Auslegung stünden die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht entgegen, wonach bei Geldschulden der Gläubiger das Verspätungsrisiko trage, wenn der Schuldner die Leistungshandlung rechtzeitig vorgenommen habe. Abgesehen davon, dass schon im Zivilrecht umstritten sei, wann bei einer Zahlung durch Überweisung die Zahlung erbracht sei, handele es sich bei den genannten Vorschriften lediglich um Auslegungsregeln, die zurücktraten, wenn - wie hier - durch Gesetz etwas anderes bestimmt sei. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen können, dass eine zwischen dem 27. und dem 34. Dezember 1986 in Auftrag gegebene Überweisung noch rechtzeitig vor Jahresende ankommen würde. Die Klägerin habe in den fraglichen Zeiträumen schuldhaft gegen die Bestimmungen des Wohnungsbindungsgesetzes verstoßen, wonach eine Sozialwohnung nicht ohne Genehmigung leer stehen und nicht an Nichtberechtigte vermietet werden dürfe.
Der Senat hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit zugelassen, als der angefochtene Bescheid den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1995 umfasst (4.658,85 DM). Zur Berufungsbegründung trägt die Klägerin vor, ihre Wohnung sei aufgrund der rechtzeitig im Jahre 1986 getätigten Überweisung des Darlehensrestbetrages mit Ablauf des Jahres 1994 aus der öffentlichen Bindung gefallen. Das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil nicht hinreichend zwischen Verlust- und Verspätungsgefahr unterschieden. Nach allgemeiner Ansicht trage nach §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB der Gläubiger einer Geldschuld jedenfalls dann die Verspätungsgefahr, wenn der Geldbetrag fristgerecht vom Konto des Schuldners abgebucht worden sei. Es handele sich um eine auf einer allgemeinen Rechtsüberzeugung beruhende und deshalb auch im öffentlichen Recht anwendbare Regelung. Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 WoBindG stehe dem nicht entgegen. "Rückzahlung" sei ein allgemeiner Begriff, der nicht dazu zwinge, ausnahmsweise auf den Leistungserfolg abzustellen. Auch an anderer Stelle im WoBindG finde sich keine - auch nur mittelbare - Aussage über den Leistungsort bei der Rückzahlung. Es sei nicht erkennbar, dass im Wohnungsbindungsrecht strengere Anforderungen an den Schuldner zu stellen wären als im Sozialrecht, für das das Bundesverwaltungsgericht die §§ 269, 270 BGB für anwendbar erklärt habe. Ein abweichender Regelungswille hätte im Gesetz deutlicher zum Ausdruck kommen müssen. Die Klägerin bestreitet im Berufungsverfahren weiterhin den Zugang eines Schreibens des Bezirksamtes Wilmersdorf von Berlin vom 18. Februar 1987 und ergänzt ihr Vorbringen dahingehend: Es komme gelegentlich vor, dass an sie adressierte Post nicht zugestellt werde. Selbst wenn sie aber ein solches Schreiben erhalten hätte, hätte sie ihm einen regelnden Charakter nicht entnehmen können. Das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" werde allein durch das Gesetz bestimmt und nicht durch formlose Schreiben des Wohnungsamtes.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. September 2000 zu ändern und den Bescheid des Bezirksamts Wilmersdorf von Berlin vom 13. November 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 1. April 1998 aufzuheben, soweit darin eine Geldleistung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1995 gefordert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und vertieft sein Vorbringen: Das Schreiben des Wohnungsamtes vom 18. Februar 1987 enthalte alle Merkmale eines Verwaltungsakts. Es sei Resultat eines Subsumtionsvorgangs gewesen und habe eine - bestandskräftige - Feststellung über eine rechtserhebliche Eigenschaft der Wohnung der Klägerin getroffen. Der Zugang dieses Schreibens sei nicht zweifelhaft. Es sei zwar einzuräumen, dass die Verfügung keinen Absendevermerk trage. Dass aber die Verfügung ausgeführt worden sei, lasse sich dem Vermerk der Absendung von Durchschriften an andere Behörden entnehmen. Auch wenn die Anschrift der Klägerin und die Bezeichnung der Wohnung, auf die sich das Schreiben bezogen habe, auf der Verfügung nicht lesbar seien, könne doch nicht angenommen werden, es seien insoweit unzutreffende Angaben gemacht worden. Ein berechtigter Zweifel am Zugang des Schreibens bestehe nur dann, wenn im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik den Empfänger binnen weniger Tage erreiche, nicht gelte. Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände genügten nicht, einen atypischen Geschehensablauf nahe zu legen. Mit dem Verwaltungsgericht sei eine Anwendung der §§ 269, 270 BGB auf die Rückzahlung öffentlicher Mittel abzulehnen. Näher liege die Anwendung des § 362 Abs. 1 BGB, wonach Erfüllung erst mit der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers eintrete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakten und den Verwaltungsvorgang des Wohnungsamtes Wilmersdorf (1 Halbhefter) und den Förderungsvorgang der WBK (1 Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage gegen den berufungsbefangenen Teil des Bescheides - Zeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1995 - stattgeben müssen. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig.
Die Erhebung einer Geldleistung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz - WoBindG) in der Fassung vom 1. September 1994 (BGBl. I S. 2319), wonach die zuständige Stelle für die Zeit, während der der Verfügungsberechtigte schuldhaft gegen die Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes über die bestimmungsgemäße Wohnungsnutzung verstößt, von dem Verfügungsberechtigten Geldleistungen bis zu 10,00 DM je Quadratmeter Wohnfläche erheben kann, setzt voraus, dass die Wohnung, auf die sich der Verstoß bezieht, den Bestimmungen des Wohnungsbindungsgesetzes im fraglichen Zeitraum unterliegt. Daran fehlt es hier. Das Wohnungsamt hat das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" gegenüber der Klägerin nicht verbindlich festgestellt (1); die Wohnung der Klägerin ist von Gesetzes wegen mit Ablauf des Jahres 1994 aus der öffentlichen Bindung herausgefallen (2).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Bestätigung des Wohnungsamtes nach § 18 Abs. 1 WoBindG, von welchem Zeitpunkt an eine Wohnung nicht mehr als öffentlich gefördert gilt, regelmäßig um einen feststellenden Verwaltungsakt. Der Senat hat dies auch für die hier maßgebliche Gesetzesfassung vor Inkrafttreten der - klarstellenden - Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 WoBindG (eingefügt durch das WoBindG ÄndG vom 17. Mai 1990 [BGBl. I S. 934]) entschieden (vgl. Urteil vom 25. November 1988 - OVG 5 B 32.88 - BBauBl 1990, S. 358 und Urteil vom 3. Dezember 1998 - OVG 5 B 109.96 -, unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Januar 1978 - BVerwG 8 C 9.77 - BVerwGE 55, 170 und vom 12. Juli 1978 - BVerwG 8 C 50.77 - Buchholz 454.31 § 18 WoBindG 1965 Nr. 1; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 17. Februar 1989 - 7 B 87.03104 -DÖV 1989, 590 f.).
Der Senat vermochte jedoch nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Klägerin eine solche Bestätigung wirksam bekannt gegeben worden ist. In den Verwaltungsvorgängen findet sich nur eine rückverfilmte und in weiten Teilen unleserliche Verfügung eines Schreibens des Wohnungsamtes an die Klägerin vom 18. Februar 1987, worin ihr als Datum der Rückzahlung der öffentlichen Mittel der 5. Januar 1987 und als Datum des Endes der Eigenschaft "öffentlich gefördert" der Ablauf des 31. Dezember 1995 mitgeteilt wird. Da eine förmliche Zustellung unstreitig nicht verfügt war und die Klägerin den Zugang des Schreibens bestreitet, hat der Beklagte den Nachweis des Zugangs zu führen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch Post im Inland übermittelt wird, gilt nach § 41 Abs. 2 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen. Diesen Nachweis ist der Beklagte schuldig geblieben.
Regelmäßig wird mit dem durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post ein typischer Geschehensablauf dahingehend in Gang gesetzt, dass im Inland eine Postbeförderung innerhalb von drei Tagen an den Bestimmungsort erwartet werden kann. Kommt das Schreiben nicht als unzustellbar zurück, sind Zweifel am Zugang und am Zugangszeitpunkt - soll die Zugangsfiktion nicht ihren Sinn verlieren - nur gerechtfertigt, wenn der Adressat einen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorträgt. Es kann hier dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin dieser Anforderung genügt. Denn es fehlt bereits auf Behördenseite an einem Nachweis der Absendung des Schreibens vom 18. Februar 1987 und damit am Nachweis des Ingangsetzens des typischen Geschehensablaufs. Die rückverfilmte Verfügung trägt keinen Absendevermerk und lässt auch sonst eine Aufgabe zur Post nicht erkennen. Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Bescheides ergeben sich weiter daraus, dass auf der rückverfilmten Fassung der Verfügung sowohl die Anschrift der Klägerin als auch die Bezeichnung der Wohnung, für die die Feststellung des Endes der Eigenschaft "öffentlich gefördert" getroffen werden sollte, nicht lesbar sind. Es kann somit nicht hinreichend sicher festgestellt werden, dass das Schreiben richtig adressiert war und es die fragliche Wohnung zum Gegenstand hatte.
Der Hinweis des Berichterstatters vom 14. Mai 2001 im Berufungszulassungsverfahren auf einen "Ab-Vermerk" vom 20. Februar 1987 beruht auf einem Versehen. Tatsächlich handelt es sich bei dem handschriftlichen Kürzel auf der Verfügung nicht um einen Vermerk über die Absendung des Schreibens an die Klägerin, sondern um die nachträgliche Verfügung einer Durchschrift des Schreibens an die für die Erhebung der sogenannten Fehlbelegungsabgabe zuständigen Stelle im Wohnungsamt mit Erledigungsvermerk vom 20. Februar 1987. Dass dieser Vermerk den Nachweis der Absendung des Schreibens an die Klägerin nicht zu ersetzen vermag, ist offenkundig; er indiziert auch nicht die Erledigung der Verfügung im Übrigen.
2. Die Wohnung der Klägerin hat infolge Rückzahlung der öffentlichen Mittel ihre Eigenschaft "öffentlich gefördert" von Gesetzes wegen nicht erst mit Ablauf des Jahres 1995, sondern bereits mit Ablauf des Jahres 1994 verloren. Wurden die für eine Wohnung als Darlehen bewilligten öffentlichen Mittel ohne rechtliche Verpflichtung vorzeitig vollständig zurückgezahlt, so galt die Wohnung gemäß, § 16 Abs. 1 Satz 1 des Wohnungsbindungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1982 (BGBl. I S. 972), damals zuletzt geändert durch Art. 2 des Wohnrechtsvereinfachungsgesetzes vom 11. Juli 1985 (BGBl. I S. 1277), unter einem hier nicht einschlägigen Vorbehalt als öffentlich gefördert bis zum Ablauf des achten Kalenderjahres nach dem Jahr der Rückzahlung. Dass die Klägerin die einst als Darlehen gewährten Mittel vollständig und vorzeitig, d.h. vor Ablauf des vereinbarten Tilgungsendes einschließlich aller Nebenforderungen, zurückgezahlt hat, ist unstreitig. Ebenso unstreitig sind die Daten des bargeldlosen Zahlungsvorgangs: Das Postgiroamt Berlin hat als Kontoführendes Geldinstitut der Klägerin am 31. Dezember 1986 den Auftrag zur Überweisung der in Rede stehenden Mittel erhalten, und der Zahlbetrag ist am 5. Januar 1987 auf dem Konto bei der WBK gutgeschrieben worden. Der Senat beantwortet die sich daraus ergebende Rechtsfrage, ob es für die Rechtzeitigkeit der Rückzahlung der öffentlichen Mittel auf den Eingang des Überweisungsauftrags bei der Bank des Schuldners oder auf die Zahlungsgutschrift beim Gläubiger ankommt, im Sinne der ersten Alternative.
Das Wohnungsbindungsgesetz regelt nicht, wie sich eine Verzögerung im bargeldlosen Zahlungsverkehr auf die vollständige Rückzahlung auswirkt. Da die öffentlichen Mittel jedoch in einem bestimmten Kalenderjahr zurückgezahlt werden müssen, damit nach Ablauf des - nach hier gegebener Rechtslage - achten darauffolgenden Jahres die Bindungen entfallen, die Rechtzeitigkeit der Zahlung also in ähnlicher Weise eine Rolle spielt, wie bei einer terminsbestimmten Fälligkeit einer Geldschuld, bestehen keine Bedenken, die Frage nach den im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen als insoweit allgemein rechtlicher Natur zu entscheiden. Denn zwischen den Beteiligten hat ein privatrechtlicher Darlehensvertrag bestanden, mittels dessen die öffentlichen Mittel gewährt wurden und dessen vorzeitige Beendigung durch Rückzahlung die Folgen des § 16 Abs. 1 Satz 1 WoBindG auslöste. Zivilrechtlich ist es unumstritten, dass es für die Rechtzeitigkeit der Leistungen auf die Leistungshandlungen ankommt, und dass die sogenannte Zeit- oder Verzögerungsgefahr vom Gläubiger der Geldforderung getragen wird. Letzteres ist der hier entscheidende Gesichtspunkt: Der Schuldner, der die Leistungshandlung rechtzeitig vorgenommen hat, erleidet durch eine von ihm nicht zu vertretende Verzögerung der Leistung keine Rechtsnachteile.
Dieser vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18. Januar 1978 (a.a.O. S. 173 f.) getroffenen Auslegung des § 16 Abs. 1 Satz 1 WoBindG schließt sich der Senat an. Zwar war in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall die Frage der Vollständigkeit der Rückzahlung im Hinblick darauf umstritten, ob der Schuldner für die Zeit bis zum Eintritt der Erfüllung der Geldschuld, also der Gutschrift auf dem Konto des Darlehensgläubigers, Zinsen zu leisten hatte. Für die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung im Hinblick auf das Jahresende kann jedoch nichts anderes gelten. Abgesehen davon, dass das Bundesverwaltungsgericht die Grundsätze allgemein gültig formuliert hat, spricht alles für deren Übertragbarkeit auf die Rechtzeitigkeit der Rückzahlung zum jeweiligen Jahresende. Denn in beiden Fällen geht es nicht um die Frage, ob die öffentlichen Mittel bei dem Darlehensgläubiger eingegangen sind, sondern einzig darum, ob sie rechtzeitig vor Jahresende eingegangen sind. Damit ist nicht der Leistungserfolg, sondern die Leistungshandlung angesprochen. Aus der Verwendung des Begriffs "zurückgezahlt" in § 16 Abs. 1 Satz 1 WoBindG folgt nichts Gegenteiliges. Rückzahlung ist ein neutraler Begriff, der einen zwingenden Schluss auf die Verteilung der Verzögerungsgefahr im bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht zulässt. Das Gesetz spricht von der vorzeitigen Rückzahlung der "als Darlehen bewilligten öffentlichen Mittel" und knüpft damit für den Lauf der Nachwirkungsfrist ersichtlich an die allgemeinen Rechtsregeln über Geldschulden an. Wie stets bei Geldleistungen ist auch bei der Rückzahlung öffentlicher Mittel zwischen der Erfüllungswirkung der Zahlung (§ 362 BGB) und ihrer Rechtzeitigkeit (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB) zu unterscheiden. Die Erfüllung tritt zweifellos erst mit der Gutschrift auf dem Empfängerkonto ein, wohingegen es für die Rechtzeitigkeit darauf ankommt, ob der Schuldner alles für die Leistung Erforderliche rechtzeitig getan hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat des Weiteren für die Rückzahlung eines nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes gewährten Darlehens entschieden, dass die in § 269 Abs. 1 und § 270 Abs. 4 BGB getroffenen, vornehmlich dem Schuldnerschutz dienenden Regelungen über den Leistungsort bei der Erfüllung von Geldschulden als Ausdruck allgemeiner Rechtsüberzeugungen auch auf öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen entsprechend anzuwenden seien, wenn und soweit nicht eine Vorschrift den Leistungsort abweichend regele (vgl. Urteil vom 24. Juni 1999 - BVerwG 5 C 22.98 - Buchholz 436.36 § 18 BAföG Nr. 21). Zwar ist die Entscheidung auf dem Gebiet des Sozialrechts ergangen. Weil aber der Zweck des Schuldnerschutzes bei der Rückzahlung öffentlicher Mittel im Sozialen Wohnungsbau nicht minder gilt als bei der Rückzahlung von BAföG-Darlehen, hält der Senat die Ausführungen in dem genannten Urteil auf den vorliegenden Fall für übertragbar.
Die vom Verwaltungsgericht unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Dezember 1998 (WuM 1999, S. 581) und auf Bellinger (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Stand November 2002, Bd. 3.1, Anm. 3.1.3. und 3.1.4. zu § 16 WoBindG) angeführte Argument einer Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung vermag nicht zu überzeugen. So richtig es ist, dass der Darlehensgläubiger durch die Möglichkeit der vorzeitigen außerplanmäßigen Rückzahlung der öffentlichen Mittel in die Lage versetzt werden soll, die dadurch frei werdenden öffentlichen Mittel anderweitig zu förderungswürdigen Zwecken einsetzen zu können, so wenig lässt sich damit eine Abweichung von den allgemein gültigen Regeln über die Verzögerungsgefahr begründen. Denn auch andere Darlehensgläubiger haben ein legitimes Interesse an der zeitnahen Wiederverwendung der zurückgezahlten Mittel. Eine ausdrückliche Vorschrift zur zeitnahen Wiederverwendung der rückfließenden öffentlichen Mittel gibt es, abgesehen von der hier nicht einschlägigen, an die Länder gerichteten Vorschrift über den laufenden Einsatz von Rückflüssen aus Bundesmitteln zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in § 20 Abs. 1 II. WoBauG, ohnehin nicht. Der erkennende Senat teilt die Auffassung der Klägerin, dass es, wenn der Gesetzgeber eine Privilegierung der öffentlichen Hand gegenüber anderen Gläubigern von Geldforderungen entgegen §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB gewollt hätte, eines deutlicheren. Hinweises im Gesetz bedurft hätte.
Die Klägerin hat noch im Jahre 1986 rechtzeitig alles für die Übermittlung des Geldes ihrerseits Erforderliche getan. Nach allgemeiner Ansicht bedeutet dies bei der Zahlung durch Banküberweisung, dass der Überweisungsauftrag vor Fristablauf rechtzeitig beim Geldinstitut des Schuldners eingegangen und ausreichend Deckung auf dem Konto vorhanden ist (vgl. Krüger in: Münchener Komm, zum BGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2001, Rdnr. 22 zu § 270 BGB mit zahlreichen Hinweisen auf die obergerichtliche Rechtsprechung; offen gelassen vom Bundesgerichtshof in NJW 1964, S. 499). Denn zur Leistungshandlung gehört nur die Übergabe des Zahlbetrages an die Beförderungsperson am Wohnort des Schuldners; die beteiligten Kreditinstitute werden nicht als Erfüllungsgehilfen des Schuldners tätig. Da der Überweisungsauftrag unstreitig am 31. Dezember 1986 bei der Bank der Klägerin eingegangen und genügend Deckung auf ihrem Konto vorhanden war, war die Zahlung rechtzeitig im Jahre 1986 erfolgt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Klägerin darauf vertrauen konnte, dass eine zwischen dem 27. und dem 31. Dezember in Auftrag gegebene Überweisung noch rechtzeitig vor Jahresende bei der WBK ankommen würde.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil die Sache schwierige Rechtsfragen aufwarf.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.
Ende der Entscheidung
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