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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: OVG 6 B 11.03
Rechtsgebiete: AuslG, JGG, BZRG, AsylVfG
Vorschriften:
AuslG § 50 | |
AuslG § 51 | |
AuslG § 51 Abs. 1 | |
AuslG § 53 | |
JGG § 13 | |
JGG § 27 | |
BZRG § 60 | |
BZRG § 60 Abs. 1 Nr. 2 | |
AsylVfG § 34 | |
AsylVfG § 38 |
OVG 6 B 11.03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2003
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten und des Beteiligten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Juni 1996 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der am 1. April 1978 in Midyat, Provinz Mardin, geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Seinen Angaben zufolge verließ er im März 1992 sein Heimatland und reiste auf dem Landweg am 2. April 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er meldete sich am 9. April 1992 als Asylbewerber.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. November 1993 gab der Kläger zur Begründung seines Asylantrags in kurdischer Sprache an, er habe bereits einmal im Jahre 1991 versucht, nach Deutschland zu kommen. Er sei jedoch auf einem Berliner Flughafen festgehalten und in die Türkei zurückgeschickt worden. In der Türkei habe er eine fünfklassige Grundschule besucht, aber keine Berufstätigkeit ausgeübt. Anlass für seine Ausreise sei der Zwang gewesen, Dorfschützer zu werden. Er habe das nicht mehr aushalten können. Soldaten hätten ihn 1989 wegen des Vorwurfs, die PKK mit Nahrung zu unterstützen, geschlagen, wobei er viele Schläge auf sein linkes Ohr bekommen habe. Er sei dann ohnmächtig geworden. In demselben Jahr sei seine Familie von ihrem Heimatdorf H. nach Midyat gezogen, um nicht zum Dorfschützeramt herangezogen zu werden. Aber auch dort habe man seinen Vater und seine Brüder unter Druck gesetzt, Dorfschützer zu werden. Im Winter 1991 sei in Midyat ein Dorfschützerchef unweit ihres Hauses erschossen worden, woraufhin es von Soldaten überfallen und total durchwühlt worden sei. In diesem Winter sei er auch einmal zur Polizeistation gebracht und dort für drei Tage festgehalten und brutal zusammengeschlagen worden. Im Januar oder Februar 1992 habe er mit seinem Vater in einem Caféhaus gesessen, das nicht weit von einer Polizeistation gelegen habe, die von PKK-Kämpfern überfallen worden sei. Unmittelbar nach dem Anschlag sei das Caféhaus von Soldaten überfallen und die Anwesenden verhaftet worden. Im März 1992 habe er an einer Newrozfeier teilgenommen, die von der Polizei gefilmt worden sei.
Nach seiner Ausreise habe er an vielen kurdischen Veranstaltungen teilgenommen und sei dabei auch einmal kurzfristig in Polizeigewahrsam geraten.
Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers durch Bescheid vom 17. Februar 1994 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung in die Türkei auf, innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Entscheidung, bei Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, auszureisen. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er aus begründeter Furcht vor Verfolgung die Türkei verlassen habe. Er könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass man seine Familie unter Druck gesetzt habe, Dorfschützer zu werden. Auch wenn es entgegen der Rechtslage in der Türkei Zwangsrekrutierungen von Dorfschützern gebe, scheitere das Asylbegehren daran, dass der Kläger selbst nicht direkt zur Übernahme dieses Amts gezwungen worden sei. Die geschilderten Übergriffe von Polizeibeamten begründeten ebenfalls keinen Anspruch auf Asyl. Amtsmissbrauch und Körperverletzung im Amt seien in der Türkei strafbar. Der Kläger habe aber nicht vorgetragen, dass seine Familie in der gebotenen intensiven Weise gegen das rechtswidrige Verhalten der Beamten bei übergeordneten Behörden um Schutz nachgesucht habe. Dass er beim Newrozfest im Jahre 1992 von der Polizei gefilmt worden sei, begründe ebenfalls keinen Anspruch auf Asyl. Die gegenwärtige Politik der türkischen Regierung sei dadurch gekennzeichnet, jedenfalls die Identität der kurdischen Volksgruppe zur Kenntnis zu nehmen und die Konfrontation generell abzubauen sowie allmählich den Kurden in begrenztem Umfang die Ausübung ihrer Kultur zu ermöglichen, auf der anderen Seite aber mit massiven militärischen Mitteln gegen die terroristischen Aktivitäten der PKK vorzugehen.
Der Kläger hat am 19. März 1994 Klage erhoben, eine Klagebegründung erfolgte nicht.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 17. Juni 1996 unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17. Februar 1994 verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen. Der Kläger sei als Asylberechtigter anzuerkennen. Zwar sei zweifelhaft, ob er vor seiner Ausreise asylerhebliche politische Verfolgung aus individuellen Gründen erlitten oder zu befürchten hatte. Es könne dahinstehen, ob der Kläger bis zu seiner Ausreise einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung habe er im Falle seiner Rückkehr in die Türkei in der Provinz Mardin und den weiteren Notstandsprovinzen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit zu befürchten. Als aus den Notstandsprovinzen stammendem, nicht assimiliertem Kurden stehe ihm auch keine Fluchtalternative in anderen Landesteilen der Türkei zur Verfügung.
Der Beteiligte und die Beklagte verweisen zur Begründung der mit Beschluss vom 23. Juli 1997 zugelassenen Berufung darauf, dass die Verfolgungsprognose des Verwaltungsgerichts und die Verneinung einer inländischen Fluchtalternative unzutreffend seien.
Der Beteiligte und die Beklagte beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides vom 17. Juni 1996 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt ergänzend vor, er habe in Deutschland an einer Vielzahl von prokurdischen Veranstaltungen und Demonstrationen aktiv teilgenommen. In der Zeitung "Özgür Politika" vom 18. April 2001 sei er als Teilnehmer einer Veranstaltung im kurdischen Zentrum abgebildet. Mit Urteil vom 5. September 1996 habe ihn das Amtsgericht Tiergarten wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz verwarnt, da er Plakate der verbotenen ENRK angeklebt habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die türkischen Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland von seinen politischen Aktivitäten Kenntnis erlangt und diese Informationen in die Türkei weitergegeben hätten. Im Hinblick auf den zwischen der Türkei und der Bundesrepublik bestehenden Strafnachrichtenaustausch habe die Türkei mit Sicherheit Kenntnis von dem gegen ihn durchgeführten Strafverfahren erhalten. Es bestehe daher bei einer Rückkehr die konkrete Gefahr einer politischen Verfolgung, so dass zumindest das Vorliegen eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchtgrundes zu bejahen sei. Eine politische Verfolgung wegen Sippen- und Geiselhaft sei ebenfalls zu bejahen. Die Familie E. sei 1963 für fünf Jahre nach Erzerum verbannt worden. Mehrere Familienmitglieder, darunter seine Brüder B. und S. sowie ein Onkel und ein Cousin, seien als politische Flüchtlinge in Deutschland anerkannt worden. Eine Cousine habe 1999 aus Protest gegen die Verhaftung des PKK-Führers Öcalan in Kopenhagen eine Selbstverbrennung versucht und diese nur schwer verletzt überlebt. Sein Bruder H. habe in der "Özgur Politika" vom 28. November 2001 bekräftigt, dass das kurdische Volk seine Partei, die PKK, unterstützen müsse. Im August 2003 hätten türkische Polizisten eine Beschneidungsfeier seines Cousins M. E. in Adana überfallen. Da die exilpolitische Tätigkeit seiner Verwandten das Normalmaß überschritten hätte, sei davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr mit politischer Verfolgung wegen der aus dem gleichen Geburtsort stammenden Verwandten gleichen Nachnamens zu rechnen habe.
Der Kläger befindet sich seit dem 15. Mai 2003 in einer auf 12 bis 16 Monate angelegten Drogentherapie, derentwegen er mit Schriftsatz vom 10. November 2003 unter Beifügung einer Bescheinigung der Therapieeinrichtung Verhandlungsunfähigkeit geltend macht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landeseinwohneramtes ?erlin sowie die die Verwandten des Klägers R. E. (VG Potsdam 7 K 473/95.A), F. E. (VG Potsdam 7 K 471/95.A), S. (VG Berlin 36 X 630.95) und H. E. (VG Berlin 36 X 681.96) betreffenden Gerichtsakten Bezug genommen. Die genannten Akten lagen vor und waren - soweit erheblich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung. Des weiteren wird Bezug genommen auf die den Verfahrensbeteiligten übersandte Erkenntnisquellenliste des Senats (Türkei, Stand 1. September 2003).
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und auf Grundlage der mündlichen Verhandlung in der Sache entscheiden. Erhebliche Gründe (vgl. § 227 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO), die eine Terminsverlegung geboten hätten, lagen nicht vor. Der Kläger, der von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens vor dem Termin entbunden worden ist, hat die von seinem Prozessbevollmächtigten behauptete Verhandlungsunfähigkeit nicht, wie regelmäßig erforderlich, durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen belegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1998 - 8 B 162/98 - , Buchholz 310 § 108 Nr. 285; Urteil vom 27. November 1989 - BVerwG 6 C 30.87 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 14 S. 8 f.). Er hat vielmehr lediglich ein Schreiben der Wohngemeinschaft für Drogenabhängige, in der er sich zurzeit zur Durchführung einer Drogenlangzeittherapie aufhält, vorgelegt. Darin wird um eine Terminsverlegung gebeten, um einen positiven Verlauf der Therapie nicht zu gefährden. Eine Verhandlungsunfähigkeit ist damit nicht hinreichend dargetan. Erhebliche Gründe für eine Terminsaufhebung lagen auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der persönlichen Anhörung des Asylsuchenden bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2002 - 1 B 392.01 - NVwZ 2002, 1381 = InfAuslR 2003, 28) nicht vor. Denn der Senat muss vorliegend die Glaubwürdigkeit des Klägers hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Verfolgungsschicksals nicht beurteilen, da er das Vorbringen des Klägers beim Bundesamt zur politischen Verfolgung in Midyat vor seiner Ausreise im Hinblick auf die in diesem Zeitpunkt gegebene inländische Fluchtalternative als wahr unterstellen kann.
Der Senat konnte ferner trotz des Ausbleibens von Vertretern des Beklagten und des Bundesbeauftragten zur Sache verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind ( §§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO).
Die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten und des Beteiligten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG anerkannt zu werden. Er kann auch nicht die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG verlangen.
I.
Eine politische Verfolgung im Sinne von Art. 16 a GG liegt dann vor, wenn der Asylsuchende bei einem Verbleib in seiner Heimat oder bei einer Rückkehr dorthin in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine Volkszugehörigkeit, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten hat, die ihn ihrer Intensität nach aus der Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Der eingetretenen Verfolgung steht die unmittelbar drohende Gefahr der Verfolgung gleich (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 -, BVerfGE 54, 341 [367] und Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a.- BVerfGE 80, 315 [343 f.]). Die Verfolgung muss zielgerichtet sein. Hieran fehlt es bei Nachteilen, die jemand auf Grund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatland erleidet, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a -, BVerfGE 80, 315 [335]).Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung. An asylerhebliche Merkmale anknüpfende Maßnahmen von Privatpersonen sind nur dann asylrelevant, wenn der Staat die Verfolgungsmaßnahmen anregt oder derartige Handlungen billigt oder tatenlos hinnimmt (BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - BVerwG 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 367 [371]).
Die Asylberechtigung setzt eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit des Flüchtlings voraus. Die Gefahr eigener politischer Verfolgung des Asylbewerbers kann sich allerdings auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungswahrscheinlichkeit vergleichbaren Lage befindet (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a.-, BVerfGE 83, 216 [231 ff.]; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 [202]).
Eine solche so genannte Gruppenverfolgung hat - wie jede politische Verfolgung - zur Voraussetzung, dass die festgestellten asylrelevanten Maßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Hinzu kommen muss eine bestimmte Verfolgungsdichte, die die "Regelvermutung" eigener Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds rechtfertigt. Hierfür genügt es nicht, dass jedes Gruppenmitglied nur möglicherweise, latent oder potentiell gefährdet ist. Die Gefährdung auf Grund der Gruppenzugehörigkeit muss vielmehr aktuell sein. Die Verfolgungshandlungen müssen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 - BVerwG 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 [142 f.]; Urteil v. 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 -, a.a.O.).
Die Anerkennung als Asylberechtigter setzt weiter voraus, dass dem Betroffenen bei einer Rückkehr in seinem Heimatland bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung im oben beschriebenen Sinne droht, wobei die insoweit erforderliche Prognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellen und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760; vgl. auch § 77 Abs. 1 AsylVfG). Dem Asylsuchenden muss bei seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohen. Das ist der Fall, wenn aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen eine Rückkehr in sein Heimatland nach Abwägung aller bekannten Umstände unzumutbar erscheint (BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162 [169]). Für die Beurteilung dieser Frage ist zu unterscheiden je nachdem, ob ein Asylbewerber seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist. Einem Asylbewerber, der als Verfolgter aus seinem Heimatland ausgereist ist, kann eine Rückkehr nur zugemutet werden, wenn die Gefahr, erneut Opfer von Verfolgung zu werden, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, mit anderen Worten der Betroffene vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher ist (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 [360]; Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a.-, BVerfGE 80, 315 [344 ff.]). Insoweit gilt bei vorverfolgten Asylbewerbern ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob ein Asylsuchender vor erneuter Verfolgung auf eine inländische Fluchtalternative verwiesen werden kann.
Asylsuchende hingegen, die ihr Heimatland unverfolgt verlassen haben, können sich auf Art. 16 a GG nur berufen, wenn ihnen bei Zugrundelegung des gewöhnlichen Prognosemaßstabs auf Grund von beachtlichen Nachfluchtatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/ 86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 [345 f.]). Für die Abgrenzung, ob ein Asylbewerber sein Heimatland vorverfolgt oder unverfolgt verlassen hat, gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - BVerwG 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 Nr. 166).
II.
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
1. Der Senat unterstellt, dass der Kläger vor seiner Ausreise in seiner (damaligen) Heimatstadt Midyat die von ihm bei seiner Anhörung durch das Bundesamt geschilderten Übergriffe erlebt hat und diese ihrem Ausmaß und ihrer Intensität nach asylerheblich waren. Der Kläger befand sich aber hierdurch im Zeitpunkt seiner Ausreise nicht landesweit in einer ausweglosen Lage. Er war im Westen der Türkei vor politischer Verfolgung hinreichend sicher und dort auch keinen sonstigen vergleichbaren Nachteilen und Gefahren ausgesetzt. Der Senat hat zur inländischen Fluchtalternative zu Beginn der 1990er Jahre in seinem grundlegenden Urteil vom 14. Oktober 2003 - OVG 6 7. 03 - Folgendes ausgeführt:
"a) Eine inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass dem Asylsuchenden in den in Betracht kommenden Gebieten unter Anlegung des so genannten herabgestuften Prognosemaßstabs keine politische Verfolgung droht (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 [342]; BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 - BVerwG 9 C 43.95 -, BVerwGE 105, 204 [207, 211 f.]; vgl. auch VGH Kassel, Urteil vom 5. August 2002 - 12 UE 2982/00.A - S. 17, juris). Auch nach dem herabgestuften Prognosemaßstab genügt für die Bejahung einer Verfolgungsgefahr nicht bereits jede noch so geringe Möglichkeit abermaligen Verfolgungseintritts, d.h. jeder - entfernt liegende - Zweifel an der künftigen Sicherheit des Verfolgten, sondern es müssen hieran mindestens ernsthafte Zweifel bestehen, die einen Übergriff auf Grund objektiver Anhaltspunkte als durchaus "reale" Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 9. April 1991 - BVerwG 9 C 91.90 -, NVwZ 1992, 270). Die Verneinung einer Verfolgungsgefahr setzt mithin nicht voraus, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urteil vom 30. April 1996 - BVerwG 9 C 170.95 -, BVerwGE 101, 123).
b) Die Türkei erlebt seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf Grund des starken Bevölkerungswachstums eine erhebliche Binnenmigration vom Osten der Türkei in deren Westen. Die Kurden sind von diesem Prozess stark betroffen. Ab Mitte der sechziger Jahre sind Kurden in signifikantem Maße in den Westen, insbesondere die industriell entwickelten Städte migriert. Die in den Westen zugewanderten Kurden haben sich überwiegend am Rande von Großstädten in den dortigen Kurdenvierteln angesiedelt. Dabei spielen verwandtschaftliche Beziehungen eine ausschlaggebende Rolle für die Wohnortwahl. Sie bilden die Grundlage für alle sozialen Beziehungen in der Stadt-Land-Migration (ausführlich: Strohmeier, S. 181 f.).
Die Binnenmigration von Kurden in die westlichen Landesteile, insbesondere die dortigen Großstädte, hat durch die militärische Auseinandersetzung mit der PKK zugenommen und die vorhandenen kurdisch geprägten Stadtviertel stark anwachsen lassen. Durch den massiven Zustrom - genannt werden monatlich bis zu 20.000 Zuwanderer allein für Istanbul - ist es zur Anlage von ohne behördliche Genehmigung errichteten Siedlungen (Gecekondu-Viertel) gekommen (vgl. Rumpf, Gutachten vom 3. August 1998 an VG Freiburg, A VIII 20 c; Oberdiek, Gutachten vom 20. Dezember 1996 an OVG Schleswig, A VII 9 e; Gesellschaft für bedrohte Völker, Gutachten vom 23. September 1993 an VG Frankfurt/Main, A III 20 a). Folge der starken Zuwanderung ist ein hoher Assimilationsdruck für die östlichen Zuwanderer, die sich an großstädtische und damit moderne Verhältnisse anpassen müssen mit der Gefahr des Verlustes der eigenen kulturellen Identität. Auf der anderen Seite besteht aus der Sicht der angestammten Bevölkerung die Gefahr, dass die Zuwanderer im Alltag das soziale Leben beherrschen und ihre Kultur prägend in das Großstadtleben einbringen (Rumpf, Gutachten vom 8. Oktober/15. September 1992 an VG Bremen, A II 48). Teilweise wurde bereits Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Dominanz der östlichen Zuwanderer z.B. im Alltag von Istanbul konstatiert (Rumpf, a.a.O. S. 22 f.).
Zugewanderte assimilierte Kurden können in der türkischen Gesellschaft in Industrie, Wissenschaft, Gesellschaftsleben und Militär in herausgehobene Funktionen aufsteigen. Eine große Zahl von Parlamentsabgeordneten ist kurdischer Abstammung (Auswärtiges Amt, Lagebericht, August 1996, S. 5, C I 22). Sie konnten und können außerhalb der (ehemaligen) Notstandsprovinzen unbehelligt leben.
c) Auch aus dem Osten der Türkei stammende nichtassimilierte Kurden konnten im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger und können gegenwärtig im Westen der Türkei leben, ohne politische Verfolgung in Form einer gruppengerichteten staatlichen Verfolgung befürchten zu müssen. Soweit das Verwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 27. Oktober 1995 - VG 36 X 211.95 -, auf das in der angegriffenen Entscheidung verwiesen wird, aus Gutachten von amnesty international, medico international, der Gesellschaft für bedrohte Völker sowie den Stellungnahmen der Gutachter Rumpf, Kaya und Taylan den Schluss zieht, nicht assimilierte Kurden seien auch außerhalb der Notstandsgebiete in ihrem Heimatstaat vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher, vermag dem der Senat nicht zu folgen.
Aus der im Urteil des Verwaltungsgerichts aus dem Gutachten von amnesty international vom 28. Januar 1994 (A IV 2) wiedergegebenen Formulierung, dass jeder erwachsene Kurde verdächtigt werde, den kurdischen Widerstand und den bewaffneten Kampf der PKK zu unterstützen "dessen Aufenthalt aus türkischer Sicht über längere Zeit ungeklärt ist", ergibt sich nicht, dass allein die kurdische Volkszugehörigkeit Anknüpfungspunkt für einen solchen Verdacht ist. Im Gegenteil wird deutlich, dass die türkischen Kräfte eine - wenn auch grobe - Differenzierung vornehmen und allein die kurdische Volkszugehörigkeit nicht zum Anlass von Verdächtigungen nehmen. Die im Gutachten von amnesty international vom 20. April 1994 (A IV 8 a) wiedergegebenen Vorfälle lassen ebenfalls erkennen, dass die geschilderten Übergriffe - den Wahrheitsgehalt der Schilderungen unterstellt - nicht allein wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit erfolgten, sondern auf Grund als separatistisch eingestufter Bekundungen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bereits die Verwendung kurdischer Farben und/oder Symbole, das Singen kurdischer Lieder, das Lesen kurdischer Veröffentlichungen und insbesondere das Begehen kurdischer Festtage, hierbei wiederum in erster Linie des Newrozfestes, in der Vergangenheit von der türkischen Seite als politische Bekundung im Sinne einer Solidarisierung mit den separatistischen Bestrebungen verstanden worden ist und vielfach auch so verstanden werden sollte (amnesty international, Gutachten vom 21. August 1997 an VG Berlin, A VII 13 d; zur gegenwärtigen Situation: Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12. August 2003, C I 35; OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A - S. 97). Auch aus dem vom Verwaltungsgericht in seinem Grundsatzurteil wiedergegebenen Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 1. Februar 1995 (A IV 26 f) ergibt sich nicht, dass die kurdische Volkszugehörigkeit Anknüpfungspunkt für asylerhebliche Übergriffe im Westen der Türkei ist. Vielmehr geht aus diesen Ausführungen deutlich hervor, dass die Gefahr von Festnahmen und asylerheblichen Übergriffen gegen Leib und Leben an den Verdacht des Separatismus oder der Unterstützung separatistischer Bewegungen anknüpft. Die von amnesty international angeführten Fälle willkürlicher Festnahmen in der Westtürkei sind zudem ohne eigene Überprüfung aus der türkischen Presse weitergegeben worden und auch von daher nur mit Zurückhaltung zu bewerten (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 14. Dezember 1995 - A 12 S 2279.93 - S. 23). Die Schilderungen betreffen darüber hinaus in einem nicht unerheblichen Teil Vorfälle aus den unmittelbar an die Notstandsprovinzen angrenzenden Regionen. Dies gilt vor allem für die Berichte aus den Städten Adana und Mersin, die ebenfalls einen starken Zustrom von vor den Auseinandersetzungen im Osten flüchtenden Kurden erfahren haben. Für die Beurteilung einer Fluchtalternative im Westen der Türkei, von dem die beiden Städte rund 800 - 900 km (Entfernung Istanbul - Adana: 940 km) entfernt liegen, geben Berichte aus dieser Region nichts her.
Dass nicht die kurdische Volkszugehörigkeit, sondern das aktive Eintreten im Rahmen prokurdischer Organisationen und Parteien Ausgangspunkt für Maßnahmen der Sicherheitskräfte war, wird deutlich aus der vom Verwaltungsgericht wörtlich wiedergegebenen Passage aus dem genannten Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 1. Februar 1995 (A IV 26 f). In diesem schildert der Vorsitzende der verbotenen Demokratiepartei (DEP) ausführlich Maßnahmen gegen diese Partei bzw. deren Vorgängerorganisationen. Dass Funktionäre und Mitglieder kurdenfreundlicher Parteien und Organisationen in der Vergangenheit und gegenwärtig durch Festnahmen und Folter sowie durch Zensurmaßnahmen auch im Westen der Türkei stark gefährdet sind, bezweifelt der Senat nicht. Asylerhebliche Maßnahmen gegen diese Gruppe lassen aber keinen Rückschluss auf eine politische Verfolgung nichtassimilierter Kurden in Anknüpfung allein an die kurdische Volkszugehörigkeit zu. Die Häufigkeit asylerheblicher Übergriffe gerade gegen diesen Personenkreis belegt vielmehr, dass differenziert wird zwischen "einfachen" Kurden und politisch verdächtigen. Konkret belegte Fälle von Übergriffen, die ausschließlich oder zumindest maßgeblich an die kurdische Volkszugehörigkeit anknüpfen, lassen sich auch der vom Verwaltungsgericht zitierten Stellungnahme von medico international nicht entnehmen. Die dort aufgeführten, vom Verwaltungsgericht als Referenzbeispiele genannten Berichte, lassen oft schon nach den Schilderungen der Betroffenen erkennen, dass die Festnahmen nicht allein wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit erfolgten.
Dies gilt beispielsweise für die erwähnten Verhaftungen von Mitgliedern der prokurdischen Partei HEP oder die geschilderten Festnahmen im Anschluss an Demonstrationen aus Anlass des kurdischen Neujahrsfestes oder des Jahrestages der Gründung der PKK oder im Anschluss an illegale Demonstrationen. Auch hinsichtlich dieses Berichtes ist darüber hinaus festzustellen, dass vielfach Ereignisse außerhalb der hier interessierenden Gebiete der Westtürkei geschildert werden. Die umfangreiche Auflistung von Vorfällen in den Gutachten von Oberdiek vom 2. November 1994 (A IV 26 b) und vom 26. Mai 1995 (A V 20 a) führt zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Gutachten werden ebenfalls zahlreiche Fälle, die die Städte Mersin und Adana sowie die an das Kurdengebiet angrenzenden Regionen betreffen, zitiert. In den für die Beurteilung der inländischen Fluchtalternative vor allem interessierenden Regionen von Istanbul und Umgebung verbleibt die Zahl der konkret geschilderten Vorkommnisse demgegenüber vergleichsweise klein. Zudem lassen die angeführten Verhaftungsfälle vielfach nicht oder nur ungenügend die Ursache der Polizeiaktionen erkennen. Auf diesen Mangel der Zusammenstellung hat das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen. Außerdem liegen in einer Reihe der Fälle konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die betroffenen Personen auf Grund ihres politischen Engagements für die kurdische Sache, nicht aber allein auf Grund ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit, über die in vielen Fällen keine Aussage gemacht wird, betroffen waren.
Auch die vom Gutachter Rumpf in seinem Gutachten vom 21. März 1995 (A IV 26 h) geschilderten Vorfälle lassen nicht erkennen, dass die Opfer - soweit es sich um Kurden handelt - allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt waren. So gilt dies beispielsweise für die erwähnten 37 Familien, die sich darüber beklagt haben sollen, dass sie keine Wohnungen fänden und auch nicht durch offizielle Stellen dabei unterstützt würden. Berichte über "Polizeiaktionen" in kurdisch bewohnten Stadtteilen und Städten sind mangels näherer Angaben über die Art der Aktionen und der betroffenen Städte und Stadtteile nicht verwertbar. Aus dem vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten von Rumpf vom 30. Juni 1994 (A IV 8 b) ergibt sich entgegen der Wertung des Verwaltungsgerichts nicht, dass diese Razzien gerade an die kurdische Volkszugehörigkeit anknüpfen. Bei den wiedergegebenen Beispielsfällen handelt es sich um Razzien gegen eine prokurdische Zeitung bzw. gegen ein prokurdisches Verlagshaus. Soweit über Razzien "hin und wieder" aus Mersin und Adana berichtet wird, handelt es sich - wie erwähnt - um Gebiete an der Südküste in unmittelbarer Nähe zu den (ehemaligen) Notstandsprovinzen bzw. den angrenzenden Provinzen. Die Belegfälle im Gutachten von Kaya (A IV 26 c), das ebenfalls vom Verwaltungsgericht herangezogen wird, sind aus den oben genannten Gründen auch nicht als Indiz für eine allein an die Volkszugehörigkeit anknüpfende Gefährdung von Kurden im Westen der Türkei geeignet. Im Gegenteil, soweit es sich überhaupt um Vorfälle aus dem hier interessierenden Gebiet der Türkei handelt, ergibt sich aus den Schilderungen, dass gegenüber den Betroffenen entweder ein individueller Separatismusverdacht bestand oder die polizeilichen Maßnahmen an eine vorangegangene Aktion (z. B. Anschlag im Basar), die den Separatisten zugeschrieben wurde, anknüpften.
Auch soweit Polizeirazzien in den Großstädten mit dem Ziel der Ergreifung von PKK-Mitgliedern und -Sympathisanten stattfanden und gegenwärtig noch stattfinden und es hierbei zu zahlreichen vorläufigen Festnahmen kommt, kann dies nicht als Beleg für eine allein an die Volkszugehörigkeit anknüpfende Gefährdung angesehen werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Razzien, Durchsuchungen und kurzfristige Festnahmen als solche nach Intensität und Schwere nicht ohne weiteres einen Verfolgungstatbestand erfüllen. Zudem sind Razzien mit einer beachtlichen Zahl von lang andauernden Festnahmen - ohne konkrete Verdachtsmomente oder unter willkürlichen Beschuldigungen - aus den Städten der Westtürkei in erheblichem Umfang nicht bekannt geworden. Meldungen, die von willkürlichen Festnahmen und Folterungen von über 1000 Kurden Anfang August 1992 in Istanbul berichteten, konnten von Sachverständigen nach Zeitungsrecherchen nicht bestätigt werden (vgl. Taylan, Gutachten vom 11. November 1992 an OVG Hamburg, A II 52 a, und Rumpf, Gutachten vom 17. November 1992 an OVG Hamburg, A II 52 b; ebenso: VGH Mannheim, Urteil vom 14. Dezember 1995 - A 12 S 2279.93 - S. 34; OVG Thüringen, Urteil vom 25. November 1999 - 3 KO 165.96 - S. 8). Maßnahmen der Sicherheitskräfte von einem derartigen Ausmaß wären in der Öffentlichkeit aber mit Sicherheit bekannt geworden und hätten auch in Veröffentlichungen türkischer Zeitungen ihren Niederschlag gefunden (vgl. Rumpf, a.a.O., A II 52 b).
d) Selbst wenn man davon ausginge, dass es Übergriffe mit asylerheblicher Intensität in ausschließlicher oder überwiegender Anknüpfung an die kurdische Volkszugehörigkeit außerhalb der Notstandsgebiete im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers gab, kann nicht festgestellt werden, dass die Zahl der Berichtsfälle im Verhältnis zu dem in der Westtürkei lebenden kurdischen Bevölkerungsanteil so groß war und derzeit ist, dass die Gefahr für einen beliebigen in der Westtürkei lebenden Kurden, von der Polizei gerade mit Blick auf sein Volkstum asylerheblichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, mehr als nur eine theoretische Möglichkeit darstellte (ebenso OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A - S. 98; OVG Bremen, Urteil vom 17. März 1999 - OVG 2 BA 118/94 - S. 68; VGH Kassel, Urteil vom 5. August 2002 - 12 UE 2982/00.A - S. 18).
Insoweit ist die Zahl der kriegsbedingten Binnenflüchtlinge aus dem Südosten und Osten der Türkei, die sich im Westen niedergelassen haben - ca. zwei bis drei Millionen -, mit den Zahlen von Folterfällen, Todesfällen in Polizeihaft oder bei Polizeirazzien und Fällen vermuteten Verschwindenlassens in Beziehung zu setzen. Dies ergibt folgendes Bild: Nach Berichten der türkischen Menschenrechtsstiftungen sind danach z.B. im Jahre 1993 827 Fälle erwiesener Folterungen zu verzeichnen gewesen. 29 Personen sind unter mysteriösen Umständen gestorben, während sie sich in staatlichem Gewahrsam befanden, 13 Personen sollen nach ihrer Verhaftung verschwunden sein (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. April 1995, S. 8, C I 18). Der Lagebericht 1995 des TIHV weist insgesamt 1.232 Fälle von Folter aus. Amnesty international gibt die Zahl der zwischen Januar 1995 und Januar 1996 an den Folgen von Folter gestorbenen Menschen mit 93 an (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20. November 1997, S. 12, C I 26). Für 1997 wies der TIHV-Jahresbericht 518 Fälle von Folter aus, wovon 357 auf Polizeiwachen stattfanden. Amnesty international gibt die Zahl der im Laufe des Jahres 1997 in Haft "verschwundenen", durch Folter zu Tode gekommenen oder "außergerichtlich hingerichteten" Menschen mit insgesamt 36 an (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18. September 1998 S. 14, C I 28). Angesichts dieser für die Gesamttürkei ermittelten Zahlen und der Tatsache, dass die weitaus meisten Menschenrechtsverletzungen in Form von Misshandlungen, Folterungen und Tötungen im Osten und Südosten der Türkei in umkämpften Gebieten stattfanden, wird deutlich, dass eine reale Gefahr für die mehrere Millionen zählenden Kurden, die auf Grund der militärischen Auseinandersetzungen mit der PKK aus ihren angestammten Siedlungsgebieten in den Westen der Türkei geflohen sind, nicht bestand.
Hieran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil ist angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Entwicklung, die sich in den Menschenrechtsfragen in der Türkei anbahnt, von einer Verbesserung der Menschenrechtslage auch in der Gesamttürkei auszugehen. Insgesamt sind sowohl die unaufgeklärten Todesfälle als auch die Fälle Verschwundener weiter zurückgegangen. So berichtet der türkische Menschenrechtsverein IHD für das Jahr 2000 von 145 nicht aufgeklärten Todesfällen gegenüber 212 noch im Jahr 1999 und von sieben "Verschwundenen" im Jahr 2002 gegenüber 36 im Jahr 1999 (vgl. Auswärtiges Amt - Lagebericht vom 9. Oktober 2002, C I 34, S. 41 f. und vom 12. August 2003, C I 35, S. 46f. ).
e) Eine hinreichende Verfolgungssicherheit der Kurden in der Westtürkei ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Staatsverfolgung zu verneinen. In der Westtürkei ist es in den letzten Jahren allerdings verschiedentlich zu Ausschreitungen gegen die ortsansässige kurdische Bevölkerung gekommen. So wird von Übergriffen in Istanbul, Izmir und Alanya und anderen Orten der West- und Südküste berichtet. Anlass hierfür waren wiederholt Trauerfeiern für bei den Kämpfen mit der PKK umgekommene Soldaten und Polizisten, aber auch Äußerungen oder Kampagnen offizieller Stellen werden als Ursache genannt. Bei den Ausschreitungen wurden kurdische Bewohner sowie deren Geschäfte und Wohnungen angegriffen und zum Teil zerstört. Opfer von Übergriffen sollen insbesondere Funktionäre prokurdischer Parteien wie der DEP oder HEP und ihnen nahe stehende Personen gewesen sein (Kaya, Gutachten vom 15. September 1997 und Oberdiek, Gutachten vom 20. Dezember 1996 an OVG Schleswig-Holstein, A VII e und f; Rumpf, Gutachten vom 10. Mai 1994 an VG Aachen, A III 19 c; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10. April 1997, C I 24 ).
Auch wenn der soziale Friede zwischen Kurden und nicht kurdischer Mehrheit als teilweise empfindlich gestört eingeschätzt wird, rechtfertigen die dokumentierten Übergriffe nach Zahl und Inhalt nicht die Annahme, Kurden seien in der Westtürkei einer aktuellen Gefährdung durch Übergriffe der türkischen Bevölkerung wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt, ohne in ausreichendem Maße Schutz durch Sicherheitskräfte finden zu können (ebenso OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A -, S. 99; OVG Bremen, Urteil vom 17. März 1999 - OVG 2 BA 118.94 -, S. 73). Aus den dokumentierten Fällen geht hervor, dass es sich vielfach um spontane und situationsbedingte Reaktionen handelte, die nicht als Ausdruck einer generell feindseligen Haltung gewertet werden können (vgl. OVG Bremen, a.a.O.). Die Sicherheitskräfte sind nach den vorliegenden Berichten auch keinesfalls immer untätig geblieben (Gesellschaft für bedrohte Völker, Gutachten vom 23. September 1993 an VG Frankfurt/Main, A III 20 a; Rumpf, Gutachten vom 1. Februar 1998 an VG Berlin, S. 120 f., A VII 13 e ). Gegenwärtig fehlt es ohnehin an ethnisch bedingten Unruhen zwischen türkischen Staatsbürgern mit kurdischer Volkszugehörigkeit und solchen anderer ethnischer Abstammung (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24. Juli 2001, S. 11, C I 32). Angesichts der gegenwärtigen politischen Lage in der Türkei ist auch kein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass sich an dieser Sicherheitslage in absehbarer Zeit etwas zum Negativen ändern könnte."
2. An einer hinreichenden Sicherheit vor politischer Verfolgung im Westen der Türkei fehlte es für den Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht deshalb, weil seine Familie nach seinen hier als wahr unterstellten Angaben dazu gedrängt wurde, Dorfschützer zu stellen. Dass die inländische Fluchtalternative nicht alleine deswegen entfällt, weil sich ein Kurde individuell weigert, das Amt des Dorfschützers zu übernehmen, oder ein übernommenes Dorfschützeramt niedergelegt hat, entspricht der überwiegenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 7. Mai 2002 - A 12 S 196/00 -; OVG Saarlouis, Urteil vom 14. Februar 2001 - 9 R 4.99 -; OVG Magdeburg, Urteil vom 29. April 1999 - A 1 S 155.97 - juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 17. Juni 1997 - 11 L 2620.92 -; OVG Hamburg, Urteil vom 19. März 1997 - BfV 10.91 - juris; VGH Kassel, Urteil vom 5. Mai 1997 - 12 UE 500.96 -; OVG Bautzen, Urteil vom 27. Februar 1997 - A 4 S 434.96 - juris). Ihr hat sich der Senat mit seinem Urteil vom 14. Oktober 2003 - 6 B 7.03 - angeschlossen. Auf die Ausführungen wird verwiesen. Vorliegend kommt hinzu, dass der im Zeitpunkt seiner Ausreise erst knapp 14-jährige Kläger nach seinen eigenen Angaben bei seiner Anhörung nicht selbst zur Übernahme des Dorfschützeramtes angehalten wurde, sondern hiervon allenfalls mittelbar als Familienmitglied betroffen war. Auch im Übrigen ist bei Unterstellung seines Vortrages als wahr nicht erkennbar, dass er im Zeitpunkt seiner Ausreise landesweit gesucht worden wäre. Dies wird dadurch unterstrichen, dass er bei seinen beiden Ausreisen 1991 und 1992 keinerlei Schwierigkeiten mit den türkischen Grenzkontrollen hatte.
3. Eine inländische Fluchtalternative für Kurden ist zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers wie auch gegenwärtig nicht wegen anderer Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, zu verneinen. Kurden droht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung nicht auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 - BVerwG 9 C 33.87-, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104; Urteil vom 23. Juli 1991 - BVerwG 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 375 ff.). Hierzu hat der Senat in dem bereits genannten Urteil vom 14. Oktober grundsätzlich ausgeführt:
"Wie bereits oben dargelegt, sind von der Abwanderung in den Westen der Türkei insbesondere kurdische Provinzen betroffen. Hintergrund dieser Wanderungsbewegung ist der Umstand, dass die Lebensverhältnisse in der Westtürkei in der Regel besser sind als im Osten und Südosten.
Das ausgeprägte West-Ost-Gefälle zeigt sich insbesondere beim Vergleich des durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Einkommens, das 1996 für die Gesamttürkei bei 2138 US-Dollar lag und in Diyarbakir bei 283 US-Dollar (Strohmeier S. 188; Pro Kopf Einkommen in der Gesamttürkei im Jahr 2002: 2.123 Euro, vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12. August 2003, C I 35, S.54). Eine im Jahre 1994 angefertigte Armutsstudie kommt zu dem Ergebnis, dass in Diyarbakir fast 88 v.H. der Bevölkerung und 95 v.H. der aus den ländlichen Gebieten des östlichen und südöstlichen Teils der Türkei stammenden Zwangsemigranten unter der Armutsgrenze leben. In der Gesamttürkei soll es 1/9 der Bevölkerung sein (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12. August 2003, S. 34, C I 35; Strohmeier, a.a.O.). Angesichts dessen und angesichts der Tatsache, dass es kaum Unterstützung bei Arbeitslosigkeit und keine europäischen Standards vergleichbare staatliche Sozialunterstützung in der Türkei gibt (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12. August 2003, S. 55), ist auch bei nur äußerst bescheidenen Lebensumständen in der Westtürkei eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage für Migranten erreichbar. Die anhaltende, durch Inflation, hohe Arbeitslosigkeit und Rückgang des Lebensstandards gekennzeichnete aktuelle Wirtschaftskrise, hat die Disparitäten noch verstärkt, aber an der grundsätzlichen Möglichkeit, im Westen eine Existenzgrundlage zu finden, nichts geändert (vgl.: Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 9. Oktober 2002, S. 48, C I 34; Lagebericht vom 12. August 2003, S. 54, C I 35).
Die in den Westen der Türkei zuwandernden Kurden finden dort auch im Allgemeinen eine Existenzmöglichkeit, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich alle Kurden entsprechend ihrer Religion und ihrer spezifischen Kultur dem unbedingten Gebot der gegenseitigen Hilfe im Rahmen des Großfamilienverbandes unterwerfen und daher Neuankömmlinge auf die Unterstützung bereits im Westen angesiedelter Verwandter rechnen können (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Gutachten vom 28. Januar 1997 an OVG Schleswig, A VII 9 a). Zugewanderte kurdischstämmige Personen haben jedoch kaum eine Chance auf eine dauerhafte Erwerbstätigkeit. Die ohnehin große Arbeitslosigkeit in der Türkei erschwert vor allem, einen regelmäßigen und gut bezahlten Arbeitsplatz zu finden. Es wird geschätzt, dass lediglich zehn Prozent der Zuwanderer eine dauerhafte Arbeitsstelle erhalten können. Die überwiegende Zahl der Zuwanderer ist auf die Sicherung des Lebensunterhalts im so genannten Marginalsektor (Straßenverkauf ohne gewerbliche Lizenz, Dienstleistungen auf der Straße wie Schuhputzer, Lastträger, Parkplatzwächter etc.) oder aber auf Gelegenheitsjobs, insbesondere körperlich schwere Arbeit angewiesen (Sen/Akkaya, Gutachten vom 17. März 1997 an OVG Greifswald, A VII 33 a; Oberdiek, Gutachten vom 20. Dezember 1996 an OVG Schleswig, A VII 9 c, S. 73 ff., 79 ff.). Auch wenn danach im Westen der Türkei die wirtschaftliche Lage für die Zuwanderer prekär ist (vgl. hierzu Kaya, Gutachten vom 15. September 1997 an OVG Schleswig S. 47 ff., A VII 9 f.), sind sie auch durch die Unterstützung der Familienverbände nach Überwindung etwaiger Anfangsschwierigkeiten in der Lage, ihren existenznotwendigen Lebensunterhalt zu sichern. Es gibt weder Hungersnot noch eine sonstige generelle Existenzbedrohung. Dass die Zuwandererviertel keine reinen Elendsviertel waren und sind, zeigt der Umstand, dass fast 100 v.H. dieser Viertel über Leitungswasser und Strom verfügten, knapp 90 v.H. über Bad und Toilette (vgl. die Angaben bei Rumpf, Gutachten vom 1. Februar 1998 an VG Berlin, A VII 13 e, S. 113). Diskriminierungen von Kurden beim Zugang zum Arbeitsmarkt konnten in dieser Zeit im Westen nicht festgestellt werden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass an der Sicherung des Existenzminimums alle Familienmitglieder beteiligt sind (vgl. Rumpf, Gutachten vom 17. November 1992 an OVG Hamburg, A II 52 b)."
Es liegen keine Besonderheiten in der Person des Klägers vor, die zu einer anderen Beurteilung der wirtschaftlichen Existenzmöglichkeiten führen. Solche können bei der Umsiedlung oder Rückkehr unbegleiteter, auf Grund des Alters nicht erwerbsfähiger Minderjähriger gegeben sein, wenn diese keine Möglichkeit haben, im Westen der Türkei bei Verwandten Schutz und Hilfe zu finden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A). Der Kläger, der im Zeitpunkt seiner Ausreise die Schule beendet hatte, und mit knapp 14 Jahren jedenfalls in begrenztem Umfang in der Lage war, im Straßenverkauf oder durch leichte Handlangerarbeiten seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern, konnte jedenfalls auf den familiären Schutz seiner Familie auch in Istanbul zurückgreifen. So ist aus dem Asylverfahren seines zehn Jahre älteren Bruders S. E. bekannt, dass dieser im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers in Istanbul gelebt und als Schneider gearbeitet hat.
4. Dem Kläger drohte im Zeitpunkt seiner Ausreise auch keine gruppengerichtete staatliche Verfolgung. Der Senat muss im vorliegenden Fall nicht klären, ob Kurden im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers (1992) in den östlichen und südöstlichen Landesteilen wegen ihres Volkstums als Gruppe verfolgt wurden. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre - wofür nach Auffassung des Senats allerdings nicht viel spricht - hätte der Kläger - wie dargestellt - die Möglichkeit gehabt, in der Westtürkei, namentlich den dortigen Großstädten, verfolgungsfrei zu leben bzw. hat jetzt diese Möglichkeit.
III.
Der Kläger kann sich nicht auf beachtliche Nachfluchtgründe berufen. Es liegen weder objektive noch subjektive - asylrechtlich oder im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante - Nachfluchtgründe vor.
1. Türkische Staatsangehörige werden allein wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit nicht verfolgt. Dies gilt uneingeschränkt auch für Kurden aus den traditionellen kurdischen Siedlungsgebieten. Ihnen steht - wenn man eine Gruppenverfolgung auch nach vollständiger Aufhebung des Notstandes überhaupt noch in Betracht zieht - jedenfalls in anderen Gebieten der Türkei eine hinreichend sichere innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (vgl. oben II).
2. Der Kläger muss bei der Einreise nicht mit asylerheblichen Übergriffen wegen der Asylantragstellung in Deutschland rechnen. Für zurückkehrende kurdische Asylbewerber stellt die Möglichkeit, an der Grenze oder auf dem Flughafen asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt zu sein, eine bloße theoretische Gefahr dar, sofern in ihrer Person keine Besonderheiten vorliegen (vgl. bereits: Urteil des Senats vom 25. September 2003, a.a.O. UA S. 18 ff.):
"a) Abgelehnte Asylbewerber werden bei ihrer Einreise in die Türkei, wie alle anderen Einreisenden auch, einer Personenkontrolle unterzogen. Die Kontrolle betrifft türkische Volkszugehörige ebenso wie kurdische. Ein türkischer Staatsangehöriger, der über ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument verfügt, kann die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren. Dies gilt auch für Asylbewerber, die vom zuständigen türkischen Konsulat zum Zwecke der Rückkehr einen Pass oder ein Passersatzpapier ausgestellt bekommen haben. Nach den einschlägigen passrechtlichen Bestimmungen in der Türkei werden Pässe von Personen, deren weiterer Aufenthalt im Ausland im Hinblick auf die allgemeine Sicherheit bedenklich erscheint, weder erneuert noch verlängert. Umgekehrt bedeutet die Passerteilung beim türkischen Generalkonsulat, dass keine aktuelle Fahndung vorliegt und die betreffende Person nicht für verdächtig erachtet wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 9. Oktober 2002, S. 45 f., C 1 34; Kaya, Gutachten vom 17. Dezember 2002 an VG Berlin, A X 33 b; Taylan, Gutachten vom 20. November 2002 an VG Berlin, A X 33 a, Oberdiek, Gutachten vom 14. Januar 2002 an VG Berlin, A X 33 c). Die Auslandsvertretungen der Türkei stellen hierzu bei Passbeantragung bezüglich der betreffenden Personen bei den Heimatbehörden (zuständiges Gouverneursamt, Personenstandsamt, Polizei und Staatsanwaltschaft) Nachforschungen hinsichtlich der Identität und des Vorliegens von Hindernissen für die Ausstellung eines Passes an. Bei der Ausstellung eines Reisepasses achten die Auslandsvertretungen auch darauf, ob nachrichtendienstliche Informationen vorliegen. Wird ein Pass ausgestellt, kann daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Betreffende weder wegen eines Strafverfahrens noch wegen seiner politischen Aktivität gesucht wird (Kaya, Gutachten vom 17. Dezember 2002, a.a.O. S. 7).
Verfügt der Zurückkehrende nicht über gültige Reisedokumente oder wird der türkischen Grenzpolizei bei der Personenüberprüfung bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, so wird diese einer Routinekontrolle unterzogen, die aus einer eingehenden Befragung besteht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 13. August 1996, S. 11 f., C I 22). Die Fragen der Vernehmungsbeamten erstrecken sich regelmäßig auf die Personalienfeststellung, unter Umständen auch auf einen Abgleich mit der Personenstandsbehörde und dem Fahndungsregister, auf den Grund und den Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei, den Grund der Abschiebung, evtl. Vorstrafen in Deutschland, eine Asylantragstellung und auf Kontakte zu illegalen türkischen Organisationen. Die Einholung von Auskünften kann, je nach Einreisezeitpunkt (nachts oder am Wochenende) und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. Fälle, in denen die Befragungen sogar Tage dauerten, sind in letzter Zeit nicht mehr bekannt geworden (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12. August 2003, S. 52 f., C I 35). Abgeschobene werden während dieser Zeit in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache festgehalten (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23. Mai 2001 an VG Sigmaringen, A X 14; Kaya, Gutachten vom 17. März 1997 an VG Stuttgart, A VII 25; Oberdiek, Gutachten vom 5. Mai 1999 an VG Stuttgart, A IX 26 a). Es ist davon auszugehen, dass bei der Kontrolle Abgeschobener von den Grenzbehörden durch Kontaktaufnahme mit der Polizeidienststelle des Heimatortes in Erfahrung gebracht wird, ob der Betreffende früher schon einmal politisch auffällig geworden ist. Dabei können die Sicherheitskräfte auf die von Polizei und Geheimdienst geführten Datenblätter (Fisleme oder Fis) zurückgreifen. In diesen Datenblättern können auch Angaben über Verfahren, die mit einem Freispruch endeten, über Vorstrafen trotz Löschung im Strafregister oder über Personen, die verdächtigt werden, Mitglieder einer Terrororganisation zu sein, aufgezeichnet werden. Über die Dauer der Speicherung solcher Daten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Nach Einschätzung des Bundesamtes kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Türkei die erlangten Daten möglichst lange aufgehoben werden (vgl. amnesty international, Gutachten vom 23. November 2000 an VG Augsburg, A X 4 a; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 14. Oktober 1997 an VG Bremen, A VII 97; Rumpf, Gutachten vom 28. Juli 1997 an VG Berlin, S. 20 f., A VII 55 d). Auskünfte über eine Verweigerung des Dorfschützeramtes enthalten die Dateien nicht.
b) Es kann nicht festgestellt werden, dass abgeschobene Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit regelmäßig, also auch beim Fehlen individueller Verdachtsmomente, damit rechnen müssen, bei der Einreise in die Türkei asylerheblichen Misshandlungen oder Folter ausgesetzt zu werden. Die Tatsache der Asylantragstellung bleibt zwar nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes bei der Einreise regelmäßig nicht verborgen. Sie stellt aber im Allgemeinen für sich keinen Umstand dar, der geeignet wäre, bei den türkischen Stellen Argwohn gegen den Betreffenden zu erwecken. Den türkischen Behörden ist bekannt, dass viele ihrer Landsleute aus wirtschaftlichen Gründen einen Asylantrag stellen, um in den Genuss eines sonst nicht gegebenen Aufenthaltsrechts in Deutschland zu kommen. Dies grenzt den Betroffenen noch nicht als illoyal aus (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 1. März 2001 an VG Sigmaringen, A X 5 c). Dass etwas anderes dann gelten soll, wenn der Asylbewerber mit seinem Asylbegehren (zunächst) Erfolg hatte, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn die türkischen Grenzbehörden Kenntnis davon erlangen sollten, dass ein Asylantrag zunächst Erfolg hatte und damit der Antragsteller die deutschen Behörden von seinem Verfolgungsschicksal zu überzeugen vermochte (so amnesty international, Gutachten vom 18. Juli 2003 an VG Frankfurt/Main), ist damit noch nicht gesagt, dass dies zu Lasten des Betroffenen gewertet werden muss. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der (vorübergehende) Erfolg des Asylbegehrens nicht auf individuellen Angaben, sondern auf der Annahme einer Gruppenverfolgung beruhte.
Soweit demgegenüber teilweise davon ausgegangen wird, die Asylantragstellung und ein längerer Aufenthalt führten zu eingehenderen Befragungen mit der Gefahr der Misshandlung (amnesty international, Gutachten vom 3. Februar 1999 an VG Sigmaringen, A VIII 63 a und Dokumentation "Gefährdung von Kurden im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei" vom 3. Februar 1999, Anhang zum Gutachten vom 24. Februar 1999 an VG Berlin, ähnlich: Rumpf, Gutachten vom 4. März 1999 an VG Sigmaringen, A VIII 63 f, A IX, Kaya, Gutachten vom 15. Januar 1999 an VG Sigmaringen, A VIII 63 e) vermag dies an der Einschätzung einer grundsätzlich fehlenden Gefährdung abgelehnter Asylantragsteller bei einer Rückkehr nichts zu ändern (vgl. Urteil des Senats vom 25. September 2003 - OVG 6 B 8.03 - UA S. 20).Die Berichte beziehen sich überwiegend auf abgeschobene Asylbewerber und differenzieren nur unzureichend danach, ob es sich um "vorbelastete" Personen oder um aus der Sicht des türkischen Staates grundsätzlich unverdächtige "Wirtschaftsflüchtlinge" handelt, die lediglich zur Untermauerung ihres Asylantrags Kontakte zu kurdischen und sonstigen oppositionellen Gruppen aufgenommen und unterhalten haben. Rumpf stellt zudem nur die Vermutung auf, dass es auch bei politisch nicht aktiven Rückkehrern nur ein kleiner Schritt zu Verhör und Festnahme sei, betont gleichzeitig an anderer Stelle des Gutachtens, für das Verhalten der Sicherheitsbehörden an den Flughäfen komme es darauf an, ob nach der Routineüberprüfung erste Anhaltspunkte für strafrechtliche Verwicklungen der Rückkehrer oder für das Vorhandensein staatsschutzpolitisch interessanter Informationen vorlägen (Gutachten S. 6 f.). Soweit Kaya in seinem Gutachten schätzt, dass 80 v.H. der abgeschobenen Asylbewerber, insbesondere die aus dem Osten und Südosten eine Zeit lang festgehalten und verhört werden und bei diesen Verhören Misshandlungen drohen, belegt er diese Schätzung nicht und gibt hinsichtlich Art und Ausmaß der Misshandlungen keine Einzelheiten an. In seinen neueren Auskünften zu rückkehrenden Verweigerern des Dorfschützeramtes erwähnt er eine derartige Gefährdung nicht mehr, geht vielmehr sogar bei diesem Personenkreis von einer problemlos möglichen Einreise aus (Gutachten vom 6. April 2003 an VG Frankfurt/Main; ders. differenzierend schon im Gutachten vom 22. Mai 1999 an das VG Gießen, A IX 15 b und vom 17. Dezember 2002 an VG Berlin, A X 33 b; ebenso: Taylan, Gutachten vom 20. November 2002 an VG Berlin, A X 33 a; Rumpf, Gutachten vom 23. Januar 2001 an VG Augsburg, S. 40, A X 4 b). Die Herkunft aus einer ehemaligen Notstandsprovinz oder einem "verdächtigen Gebiet" führt für sich genommen ebenfalls nicht zu einer Gefährdung bei der Rückkehr (Oberdiek, Gutachten vom 12. Dezember 2000 an VG Sigmaringen, A X 5 b, Taylan, Gutachten vom 30. November 2000 an VG Sigmaringen, A X 5 a, Auswärtiges Amt, Auskunft vom 1, März 2001 an VG Sigmaringen, A X 5 c, in Auseinandersetzung mit a.A. in Gutachten von Kaya vom 18. April 1997 und 18. August 1998). Dass die Ablehnung, das Dorfschützeramt zu übernehmen, nicht registriert ist, und daher auch bei intensiveren Nachfragen hierzu von den Grenzbehörden keine Erkenntnisse zu erlangen sind, ist oben schon unter Auswertung des neuesten Erkenntnismaterials ausgeführt worden (II. 2. f).
Auch die Dokumentationen aus den zurückliegenden Jahren über Rückkehrerfälle betreffen ganz überwiegend abgeschobene Personen, denen von den türkischen Behörden Zusammenarbeit mit separatistischen Organisationen oder herausgehobene exilpolitische Tätigkeiten vorgeworfen wurde. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 25. September 2003 - OVG 6 B 8.03 - im Einzelnen ausgeführt (UA S. 20 ).
c) Selbst wenn man die diskutierten Referenzfälle ohne weitere Prüfung zu Grunde legt und darüber hinaus nur die Gesamtzahl der Abschiebungen dagegenstellt, zeigt sich, dass sogar eine hinreichende Sicherheit für Rückkehrer ohne Besonderheiten besteht (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 2. April 1998 - 12 S 1092/96 - S. 36, st. Rspr.; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. November 1995 - 11 L 6076/91 - S. 20 - juris; OVG Bautzen, Urteil vom 27. Februar 1997 - A 4 S 293/96 - S.86 ). So wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 20. März 2002, S. 44, C I 33) im Jahre 1996 4.639 türkische Staatsangehörige abgeschoben, im Jahre 1997 5.979, und 1999 6.083, im Jahr 2002 waren es 4.577. Auch wenn diese Zahlen nicht ausschließlich kurdische Asylbewerber, sondern alle anderen Fälle der Abschiebung türkischer Staatsangehöriger umfassen, wird doch deutlich, dass der in Betracht zu ziehende Personenkreis abgelehnter Asylbewerber erheblich ist (ebenso OVG Bremen, Urteil vom 17. März 1999 - OVG 2 BA 118.94 -, S. 88). Schließlich sind die genannten Referenzfälle auch deshalb nur noch von beschränkter Aussagekraft, da sie sich ganz überwiegend auf Vorfälle in der Zeit des Guerillakrieges der PKK beziehen. Wie bereits erwähnt, ist jedoch nach der Verhaftung Öcalans und der Beendigung der militärischen Auseinandersetzung im Südosten und Osten der Türkei und nach den eingeleiteten Reformen gerade im Menschenrechtsbereich von einer deutlich veränderten Situation auszugehen. Dem entspricht es, dass bezüglich Abschiebungen, die nach dem Oktober 2000 stattfanden, an das Auswärtige Amt nur noch ganz vereinzelt (sechs Fälle) Sachverhalte herangetragen worden sind, in denen Misshandlung oder Folter abgeschobener Asylbewerber behauptet oder vermutet wurde (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20. März 2002, S. 45, C I 33). In keinem Fall haben die Überprüfungen eine Bestätigung der entsprechenden Behauptungen ergeben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12. August 2003, S. 53)."
3. Der Kläger weist keine individuellen Besonderheiten auf, die zu einer anderen Beurteilung der Rückkehrgefährdung führten. Ihm droht weder auf Grund eigener exilpolitischer Betätigung noch auf Grund exilpolitischer Aktivitäten naher und entfernterer Verwandter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich erhebliche Gefahr bei Wiedereinreise oder dem Aufenthalt in der Türkei.
a) Eine Gefährdung wegen exilpolitischen Engagements kommt, wie der Senat in seinem Urteil vom 25. September 2003 - OVG 6 B 8.03 - grundsätzlich entschieden hat, nur bei politisch exponierten Personen in Betracht. Nur derjenige, der politische Ideen und Strategien entwickelt oder auf deren Umsetzung mit Worten oder Taten von Deutschland aus hinwirkt und damit Einfluss insbesondere auf seine hier lebenden Landsleute zu nehmen versucht, ist aus der Sicht des türkischen Staates ein ernstzunehmender politischer Gegner, den es zu beobachten und gegebenenfalls zu bekämpfen gilt (Urteil vom 25. September 2003, a.a.O., UA S. 14). Als Beispiel für exilpolitische Tätigkeiten, die nicht geeignet sind, die Aufmerksamkeit staatlicher türkischer Stellen zu erregen und den Asylbewerber zu gefährden (exilpolitische Tätigkeiten niedrigen Profils), sind zu nennen die schlichte Mitgliedschaft in kurdischen Vereinen und die damit verbundene Teilnahme an Vereinsveranstaltungen, die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, die einfache Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden, Informationsveranstaltungen oder das Verfassen von namentlich gezeichneten Artikeln und Leserbriefen in türkisch- oder kurdisch sprachigen Zeitungen (vgl. Rumpf, Gutachten vom 18. Februar 1999 an VG Ansbach, A IX 6 S. 49; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. September 1999 an VG Kassel, A IX 47 b; Kaya, Gutachten vom 24. April 2003 an VG Wiesbaden, A XI 5; ebenso: OVG Bremen, Urteil vom 19. März 1999 - OVG 2 BA 118/94-, S. 94 f.; OVG Hamburg, Urteil vom 19. März 1997 - OVG BfV 10/91 -, S. 59 f.; VGH Kassel, Urteil vom 29. November 2002 - UE 2235/98.A -, S. 25, 28; VGH Mannheim, Urteil vom 22. März 2001 - A 12 S 280/00 -, S. 24 f.; OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A -, S. 63).
Soweit demgegenüber im zeitlichen Zusammenhang mit der Verhaftung Öcalans teilweise davon ausgegangen wurde, eine besondere Gefährdungslage bestehe bereits dann, wenn die betreffende Person in irgendeiner Weise mit Aktivitäten zu Gunsten der Selbstbestimmung des kurdischen Volkes in Verbindung gebracht werde, kommt diesen Berichten angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung in der Türkei, die von erheblichen Anstrengungen der türkischen Regierung gekennzeichnet ist, den Anforderungen der EU für einen Beitritt der Türkei gerecht zu werden, keine hinreichende Aussagekraft mehr zu (vgl. im Einzelnen Urteil vom 25. September 2003, a.a.O, UA S.15). Den türkischen Stellen ist im Übrigen bekannt, dass die Aktivitäten vielfach in erster Linie der Förderung des Asylverfahrens in Deutschland dienen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. September 1999 an VG Kassel, A IX 47 b; amnesty international, Gutachten vom 27. Juli 1999, an das VG Oldenburg, A IX 38). Das Interesse des türkischen Staates gilt daher nicht der Masse der Teilnehmer und Mitläufer, sondern dem Personenkreis, der als Auslöser solcher Aktivitäten und als Organisator von derartigen Veranstaltungen, als Anstifter oder Aufwiegler angesehen wird (vgl. zu Einzelheiten: Urteil vom 25. September 2002, a.a.O.).
b) An diesem Maßstab gemessen, haben die vom Kläger vorgetragenen eigenen Aktivitäten die Gefährdungsschwelle nicht erreicht.
aa) Dies gilt sowohl für die einmalige Abbildung als einfacher Teilnehmer an einer Großveranstaltung in der "Özgur Politika" vom 18. April 2001 als auch für die Verurteilung des Klägers wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz vom 5. September 1996 durch das Amtsgericht Tiergarten. Die damals vom Gericht wegen des gemeinschaftlichen Vergehens gegen das Vereinsgesetz in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Verunglimpfung des Staates, ausgesprochene Verwarnung nach Jugendstrafrecht ist insbesondere nicht im Rahmen des Strafnachrichtenaustausches den türkischen Behörden zur Kenntnis gekommen. Die Verwarnung als Zuchtmittel im Sinne des § 13 Jugendgerichtsgesetzes (JGG) stellt allerdings eine rechtskräftige Verurteilung dar mit der Folge, dass grundsätzlich die Regelungen über den Strafnachrichtenaustausch zwischen Deutschland und der Türkei zur Anwendung kommen. Dieser findet auf der Grundlage des Art. 22 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 regelmäßig zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem türkischen Justizministerium in der Weise statt, dass von allen durch deutsche Gerichte ausgesprochenen rechtskräftigen Veurteilungen, die türkische Staatsangehörige betreffen, die türkische Seite quartalsweise und in einem Sammelbericht unterrichtet wird. Nicht erfasst werden allerdings Eintragungen, die nach § 60 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) nur in das Erziehungsregister einzutragen sind (Auskunft des Bundesministeriums der Justiz an VG Berlin vom 12. März 1998, A VIII 10 b). Zu den Eintragungen, die nur in das Erziehungsregister eingetragen werden, gehören nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln, es sei denn sie sind - was hier nicht der Fall ist - mit einem Schuldspruch nach § 27 JGG (Vorbehalt der Jugendstrafe), einer Verurteilung zur Jugendstrafe oder der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung verbunden (§ 5 Abs. 2 BZRG). Eine Unterrichtung der türkischen Behörden über Verurteilungen türkischer Jugendlicher oder Heranwachsender durch die Berliner Polizei außerhalb des Strafnachrichtenaustausches erfolgt nicht (Auskunft der Senatsverwaltung für Justiz an VG Berlin vom 13. Mai 1998, A VIII 10 c).
bb) Eine Rückkehrgefährdung des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der verwandschaftlichen Beziehung (Sippenhaft) zu exilpolitisch aktiven Kurden. Eine Sippenhaft findet in Form strafrechtlicher Verfolgung in der Türkei nicht statt (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. September 1999, C I 30; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. März 1999 an VG Mainz, A IX 10 b; amnesty international, Gutachten vom 22. Juli 1996 an VG Stuttgart, A V 41 b; VGH Mannheim, Urteil vom 24. Februar 2000 - A 23 K 1295/94 -, S. 32). Die Gefahr von asylerheblichen Repressalien in Anknüpfung an verwandschaftliche Beziehungen kann allerdings für nahe Angehörige von in der Türkei landesweit per Haftbefehl gesuchten Aktivisten militanter und staatsfeindlicher Organisationen bestehen (Kaya, Gutachten vom 27. Januar 1999 an VG Mainz, A IX 10 a; Rumpf, Gutachten vom 24. Juli 1998 an VG Berlin S. 18 ff., A VIII 8 d.; ders. Gutachten an VG Hamburg vom 15. Mai 1997, A VI 39 d; Vernehmung des eheml. Bundesvorsitzenden der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Verhandlungsniederschrift vom 15. Januar 2003 des VG Gießen, A XI 1). Zu den von den türkischen Sicherheitskräften Gesuchten können auch im Ausland lebende, exilpolitisch in zentraler Leitungsfunktion tätige Ausländer gehören. Der Kreis der in diesem Sinne von einer "Sippenverfolgung" bedrohten Personen ist dabei nach Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung der vereinzelt anzutreffenden abweichenden Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der übrigen Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe bei der Einreise in die Türkei auf Ehegatten, Kinder und Geschwister der Gesuchten, deren verwandtschaftliche Beziehungen mit den Gesuchten auf Grund der Eintragungen im Personalausweis erkenntlich sind, beschränkt (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 27. Februar 1997 - A 4 S 293/96; OVG Bremen, Urteil vom 13. Juni 2001 2 A 17/95.A; VGH Kassel, Urteil vom 29. November 2002 - 6 UE 2235/98.A -; OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Oktober 2000 - 2 L 4591/94; VGH Mannheim, Urteil vom 24. Februar 2000 - 12 S 1825/97; OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A-). Bei weitläufigeren Verwandten können hingegen die Verwandschaftsverhältnisse nicht so leicht über Eintragungen im Personalausweis oder im Personenstandsregister in Erfahrung gebracht werden (Kaya, Gutachten vom 16. März 1997 an VG Gießen, A VII 24; Taylan, Gutachten vom 15. Mai 1997 an VG Gießen, A VII 90). Um derartige Verwandschaftsverhältnisse festzustellen, müssen aufwändige Nachforschungen bis "hinunter" zum Heimatort angestellt werden (Kaya, Gutachten vom 16. März 1997, a.a.O; Taylan, Gutachten vom 15. Mai 1997, a.a.O.). Eine systematische Kontrolle unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" ist daher schon aus praktischen Gründen allenfalls eingeschränkt möglich. Eine solche Praxis ist auch nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial nicht bekannt. Die Einreisekontrollen beschränken sich auf die Prüfung von Einreiseverboten oder Fahndungsersuchen, die den Rückkehrer selbst betreffen. So besteht nach Einschätzung von Kaya nur eine "geringe Wahrscheinlichkeit", dass Verwandte zweiten und dritten Grades bei den Einreisekontrollen unter Druck gesetzt werden (Gutachten vom 16. März 1997, ebenso Taylan, Gutachten vom 15. Mai 1997, jeweils a.a.O). Sogar für die engsten Verwandten einer exilpolitisch tätigen Person, deren exponiertes Engagement auf eine Gefährdung der eigenen Person bei einer Wiedereinreise schließen lässt, besteht nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial keine Gefährdung bei der Einreise (Kaya, Gutachten vom 15. Dezember 2001 an VG Berlin, A X 25 für Ehefrau und Kinder). Dies gilt auch bei Anerkennung naher Angehöriger in Deutschland als Asylberechtigte oder der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (Taylan, Gutachten vom 20. Mai 1995 an VG Mainz, A V 18 b; Kaya, Gutachten vom 10. Mai 1995 an VG Mainz, A V 18 c; vgl. OVG Münster, Urteil vom 27. Juni 2003 - 8 A 4782/99.A S. 83; ebenso: VGH Mannheim, Urteil vom 10. November 1999 - 12 S 2013/97, S. 30; VGH Kassel, Urteil vom 29. November 2002 - 6 UE 2235/98.A). Insbesondere kann in diesen Fällen nicht regelmäßig vom Vorliegen gezielter polizeilicher oder staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen den betreffenden Angehörigen ausgegangen werden. Dies gilt zumal dann, wenn die Ausreise bereits längere Zeit zurückliegt und sich der Angehörige auf Dauer in Deutschland niedergelassen hat. Ein Angehöriger ist auch nicht von vornherein und zwangsläufig dem Verdacht ausgesetzt, er teile die politischen Auffassungen naher Angehöriger oder habe sich an dessen Aktionen beteiligt (Kaya, Gutachten vom 22. Juni 1994 an VG Regensburg, A IV 12 a; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 16. August 1994 an VG Regensburg, A IV 12 d).
Gemessen hieran muss der Kläger weder bei seiner Einreise noch bei einer Aufenthaltsnahme in der Westtürkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" rechnen. Die vom Kläger als "Sippenhaftvermittler" genannten F. E., R. E. und S. E. gehören als Onkel bzw. Cousin und Cousine des Klägers schon nicht zum Personenkreis der nahen Verwandten. Unabhängig davon ist aus den beigezogenen Verfahrensakten der ersten beiden nicht ersichtlich, dass sie vor ihrer Ausreise in der Türkei oder gar gegenwärtig, mehr als neun bzw. elf Jahre nach ihrer Ausreise, vom türkischen Staat wegen des Verdachts der separatistischen Betätigung in der Türkei oder wegen einer zentralen Leitungsrolle in einer kurdischen Exilgruppe landesweit mit Haftbefehl gesucht werden und daher die Grenzbehörden bei einer Einreise des Klägers - selbst wenn sie auch weiter entfernte Verwandte in die Prüfung einbeziehen sollten - überhaupt irgendwelche Informationen erhielten. Der Kläger legt eine solche Suche oder Umstände, die auf eine aktuelle landesweite und zielgerichtete Suche schließen ließen, auch nicht dar. Der mit Schriftsatz vom 16. April 2003 eingereichte Bericht in der "Özgur Politika" über eine Durchsuchung bei den Genannten im November 1998 wegen des Verdachts der Unterstützung der PKK dürfte schon nicht genügen, um eine Rückkehrgefährdung der Betroffenen selbst zu begründen, geschweige denn vermag er nach dem oben Gesagten die Annahme einer Sippenhaftgefährdung für nahestehende oder gar für nicht nahestehende Verwandte zu begründen. Der Selbstverbrennungsversuch einer Cousine in Kopenhagen ist ebenfalls nicht geeignet, den Kläger zu gefährden. Dass die Cousine weitere (politische) Aktivitäten entfaltet hätte, die sie derart dauerhaft in das Visier der türkischen Sicherheitskräfte gebracht hätten, dass auch entfernte Verwandte bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten müssten, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar. Auch die Zuerkennung von Abschiebungsschutz für den Bruder des Klägers S. E. begründet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gefahr für den Kläger. Der Bruder des Klägers hat sich nach seinem für die Zuerkennung des Abschiebungsschutzes ausschlaggebenden Vortrag zwar in Berlin exilpolitisch bei Massenveranstaltungen in einer Weise als Teilnehmer exponiert, die ihn bei einer Rückkehr gefährden mag. Ersichtlich gehört er jedoch nicht zu der zentralen Führungsebene der kurdischen Opposition, die allein für die türkischen Sicherheitskräfte von solcher Bedeutung wäre, dass sie auch auf nahe Verwandte zugriffen, um Informationen über diese Personen zu erhalten und ihrer eventuell habhaft zu werden. Auch der Bruder H. E. rechnet, wie sich aus seiner Akte beim Verwaltungsgericht Berlin ergibt, ersichtlich nicht zu diesem Personenkreis. Weiterhin ist auch die Asylanerkennung des B. E., den der Kläger als weiteren Bruder bezeichnet, für sich nicht geeignet, eine Gefährdung wegen naher verwandtschaftlicher Beziehungen zu begründen. Über die Behauptung der Asylanerkennung hinaus trägt der Kläger nichts zu dessen Verfolgungsschicksal oder dessen exilpolitischen Aktivitäten vor. Schließlich vermag auch der in der Zeitung "Özgur Politika" am 27. August 2003 geschilderte Übergriff der türkischen Polizei - die Richtigkeit der Meldung unterstellt - auf eine Feier, die ein weiterer Cousin des Klägers in Adana in der Türkei ausgerichtet hat, zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Eine allgemeine Sippenhaftgefährdung läßt sich aus diesem Vorfall im Südosten der Türkei weder für die Einreise des Klägers noch bei einem Aufenthalt des Klägers im Westen der Türkei ableiten. Insbesondere ist nicht erkennbar, welche Informationen sich die türkischen Behörden vom Kläger erhoffen sollten. Der Kläger ist erkennbar als Kind bzw. Jugendlicher ausgereist und hat in eigener Person keine nennenswerten asylpolitischen Aktivitäten im Ausland entfaltet.
IV.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Die Voraussetzungen sind deckungsgleich mit denjenigen des Asylanspruchs nach Art. 16 a GG, soweit die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und der politische Charakter der Verfolgung betroffen sind. Der Tatbestand des § 51 Abs. 1 AuslG ist nicht erfüllt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.
2. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG sind nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar und von ihm auch nicht geltend gemacht, dass dem Kläger auf Grund seiner Drogenabhängigkeit, zu deren Behandlung er sich zurzeit in einer Therapie befindet, bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben droht. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte "Befundbericht" der Organisation "X." vom 19. November 2003 gibt hierfür nichts her. Der Bericht stellt selbst klar, dass seit 2002 kein Kontakt mit dem Kläger besteht und sich dessen derzeitiger Gesundheitszustand der Kenntnis von "X." entzieht. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass die derzeitige Drogentherapie erfolglos geblieben ist. Schließlich kann der Kläger bei einem Rückfall auch in der Türkei behandelt werden (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 24. Februar 2003 - A 12 S 939/02 - ).
3. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 17. Februar 1994 sind nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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