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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 23.06.2005
Aktenzeichen: OVG 6 B 23.03
Rechtsgebiete: BSHG, SGB X, VwGO


Vorschriften:

BSHG § 19 Abs. 2
BSHG § 20 Abs. 2
BSHG § 21 Abs. 1
BSHG § 21 Abs. 2 Satz 1
BSHG § 81 Abs. 1
BSHG § 92 Abs. 2
BSHG § 92 a
BSHG § 92 a Abs. 1
BSHG § 92 a Abs. 2
BSHG § 92 a Abs. 3 Satz 2
BSHG § 92 b
BSHG § 92 c
BSHG § 92 c Abs. 1
BSHG § 92 c Abs. 1 Satz 1
BSHG § 92 c Abs. 1 Satz 2
BSHG § 92 c Abs. 2
BSHG § 92 c Abs. 2 Satz 2
BSHG § 92 c Abs. 3
BSHG § 92 c Abs. 3 Nr. 1
BSHG § 92 c Abs. 3 Nr. 2
BSHG § 92 c Abs. 3 Nr. 3
BSHG § 92 c Abs. 4
SGB X § 45
SGB X § 50
SGB X § 104
VwGO § 102 Abs. 2
VwGO § 125 Abs. 1
VwGO § 132 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 B 23.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht D r. Bumke und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Marenbach sowie den ehrenamtlichen Richter Lautemann und die ehrenamtliche Richterin Rickmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. März 2003 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme auf Ersatz von Sozialhilfeleistungen, die seiner im November 1997 verstorbenen Mutter U. G. in der Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1996 durch den Beklagten gewährt worden sind. Die Beteiligten streiten insbesondere um die Frage, ob der Kostenersatzanspruch nach § 92 c BSHG (vgl. jetzt: § 102 SGB XII/ § 35 SGB II) auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Hilfegewährung vor dem Erbfall eingestellt und das in den Nachlass fallende Vermögen im Wesentlichen erst nach Beendigung der Hilfegewährung erlangt worden ist.

Die im Juni 1922 geborene Frau G. lebte seit Mitte Dezember 1986 in einem Seniorenzentrum in Berlin-Lichtenberg. Unter dem 4. Juli 1991 beantragte sie erstmals Sozialhilfe und gab dabei an, über ein Sparvermögen in Höhe von 4.487,30 DM zu verfügen. Rückwirkend zum 1. Juli 1991 übernahm der Beklagte die Kosten der Unterbringung, zahlte einen monatlichen Barbetrag und gewährte auf jeweils gesonderten Antrag verschiedene einmalige Beihilfen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt (Weihnachts- und Bekleidungsbei-hilfen). Die Alters- und Witwenrente der Hilfeempfängerin wurde an den Beklagten überwiesen und zur teilweisen Deckung der Kosten eingesetzt.

Ausweislich eines undatierten Sparkontoauszugs der Berliner Sparkasse hatte Frau G. am 14. Juni 1991 und am 4. Juli 1991 jeweils Beträge in Höhe von 2 000 DM von ihrem Konto abgehoben. Der Bitte des Beklagten vom 31. Oktober 1991, Auskunft über den Verbleib der 4 000 DM zu erteilen und "Kopien von Kontoauszügen bzw. Sparbuch der Monate Januar bis Juni 91" zu übersenden, kam die Hilfeempfängerin nicht nach. Das Sparguthaben erhöhte sich auf Grund einer Zinsgutschrift in Höhe von 217,25 DM am 26. Juni 1992 auf 4 704,55 DM und verringerte sich bis zum Ende der Hilfebedürftigkeit am 30. Juni 1996 trotz Zinsgutschriften für die Folgejahre sowie Überweisung der Barbeträge und der gewährten einmaligen Beihilfen auf 1 226,12 DM, ohne erneut die damalige Schonvermögensgrenze von 4 500 DM zu überschreiten.

Mit Wirkung zum 1. Juli 1996 erhielt die Hilfeempfängerin von der AOK Berlin Leistungen der vollstationären Pflege nach der Pflegestufe I in Höhe von monatlich 2 000 DM. Auf Grund dieser Leistungen und ihrer Renteneinkünfte war sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hilfebedürftig. Nachdem der Beklagte Frau G. in den Folgemonaten unter irrtümlicher Zugrundelegung eines erhöhten Pflegesatzes zunächst weiterhin laufende und einmalige Hilfen gewährt hatte, stellte er mit Bescheid vom 24. Januar 1997 die Zahlung der Sozialhilfe zum 1. März 1997 ein. Da der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 28. Februar 1997 mehr Einnahmen erzielt hatte als Pflegekosten entstanden waren, erstattete er Frau G. den Differenzbetrag von 4 560,39 DM auf deren neu eingerichtetes Girokonto bei der Berliner Sparkasse.

Nachdem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) durch Bescheid vom 29. Januar 1997 die Witwenrente rückwirkend ab dem 1. Januar 1992 neu berechnet und eine Rentennachzahlung bis zum 28. Februar 1997 in Höhe von 37 724,14 DM ermittelt hatte, meldete der Beklagte gegenüber der BfA gemäß § 104 SGB X seinen Erstattungsanspruch für die Frau G. vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1996 zeitgleich gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 32 089,50 DM an. Mit Bescheid vom 2. April 1997 leitete der Beklagte den verbliebenen - nicht angerechneten - Betrag aus der Rentennachzahlung in Höhe von 5 634,64 DM für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 28. Februar 1997 sowie eine Barbetragsnachzahlung von 189,68 DM an die Hilfeempfängerin weiter. Deren (große) Witwenrente betrug ab dem 1. März 1997 monatlich 1 182,83 DM und die Altersrente 1 230,50 DM.

Am 4. November 1997 verstarb Frau G. Das Seniorenzentrum Lichtenberg setzte den Beklagten über den Tod der früheren Hilfeempfängerin in Kenntnis. Der Wert ihres Gesamtnachlasses wurde auf 27 771,55 DM (Bargeld, Kontenguthaben, Sterbegeld der AOK) festgestellt.

Mit Bescheid vom 5. Mai 1998 forderte der Beklagte - gestützt auf § 92 c BSHG - vom Kläger, der nach verschiedenen Erbausschlagungen alleiniger Erbe seiner Mutter geworden war, Kostenersatz in Höhe von 21 871,49 DM. Dabei zog er von dem festgestellten Nachlasswert die Bestattungskosten in Höhe von 2 810,06 DM und den Erbenfreibetrag gemäß § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG in Höhe von 3 090 DM ab. Den Widerspruch des Klägers wies das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin durch Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1998 zurück. Seine dagegen erhobene Klage begründete der Kläger im Wesentlichen mit seiner Vermögens- und Arbeitslosigkeit und verwies darauf, dass das Erbe bereits verbraucht sei. Zugleich berief er sich auf Vertrauensschutzgesichtspunkte wegen der bereits gegenüber der Hilfeempfängerin erfolgten Verrechnung der Sozialhilfeansprüche mit der Rentennachzahlung.

Durch Urteil vom 11. März 2003 hat das Verwaltungsgericht Berlin die angegriffenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung auf die fehlende Anwendbarkeit des § 92 c Abs. 1 BSHG abgestellt, der bereits nach seinem Wortlaut nicht einschlägig sei. Gemäß Satz 1 dieser Bestimmung sei lediglich "der Erbe des Hilfeempfängers" zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Erbe eines Hilfeempfängers könne jedoch nur jemand sein, dessen Erblasser bei Eintritt des Erbfalls noch Hilfeempfänger gewesen sei. Diese Voraussetzung liege nicht vor, weil Frau G. im Zeitpunkt ihres Todes keine Sozialhilfe mehr erhalten habe. Es reiche nicht aus, dass der Erblasser zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod einmal Hilfeempfänger gewesen sei. Von einem Erblasser könne jedenfalls nicht mehr als Hilfeempfänger gesprochen werden, "wenn - wie hier - die Hilfegewährung bereits längere Zeit vor dem Erbfall eingestellt worden" sei. Überdies entspreche allein die enge Interpretation dem Erfordernis der praktischen Durchsetzbarkeit des gesetzlichen Auftrags. Der Beklagtenvertreter habe in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass abgeschlossene Sozialhilfefälle, in denen möglicherweise ein Erbenersatzanspruch geltend zu machen sei, nicht unter Kontrolle gehalten würden. Die Auslegung einer Vorschrift finde dort ihre Grenze, wo ein gesetzlicher Auftrag praktisch nicht mehr umgesetzt werden könne und die Anwendung einer belastenden Regelung vom Zufall abhänge.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der von dem Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung trägt er vor, das Verwaltungsgericht habe die Vorschrift des § 92 c BSHG fehlerhaft interpretiert. Gerade die Begründung des Gesetzgebers für die Einführung des Kostenersatzanspruchs, wonach die in § 92 c BSHG Abs. 1 Satz 2 BSHG vorgesehene Begrenzung der Ersatzpflicht vor allem dazu diene, eine zu starke verwaltungsmäßige Belastung der Träger der Sozialhilfe (laufende Überwachung der Fälle, Einbeziehung von geringen Beträgen) zu vermeiden, lasse nicht den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss zu. Aus dem Begriff der Überwachung folge, dass es sich nicht um solche Sozialhilfeakten handele, die in der laufenden Bearbeitung seien, denn diese würden regelmäßig zur Hand genommen und auf die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen geprüft. Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber die Frist, innerhalb derer aufgewendete Sozialhilfekosten zu ersetzen seien, von ursprünglich fünf auf zehn Jahre mit der Begründung verlängert habe, die den Erben begünstigende kürzere Frist sei sachlich nicht gerechtfertigt, spreche gegen die Annahme, der Erblasser müsse noch im Todeszeitpunkt laufende Hilfe bezogen haben. Im Übrigen ergebe es auch keinen Sinn, den Erbenersatz auf solche Fälle zu begrenzen, denn im Rahmen der Erbenersatzpflicht nach § 92 c Abs. 1 BSHG seien einmalige Leistungen gleichermaßen zu berücksichtigen. Für die Einbeziehung bereits abgeschlossener Hilfefälle spreche zudem § 92 c Abs. 4 BSHG. Danach erlösche der Anspruch auf Kostenersatz drei Jahre nach dem Tod des Hilfeempfängers oder seines Ehegatten. Es sei unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber eine dreijährige Erbenermittlung allein für Fälle habe zu Grunde legen wollen, in denen der Erblasser zum Todeszeitpunkt noch im Sozialhilfebezug gestanden habe. Schließlich überzeuge auch das Argument des Verwaltungsgerichts nicht, wonach die Auslegung einer Norm ihre Grenze an der fehlenden praktischen Umsetzbarkeit des gesetzlichen Auftrags finde. Das habe der Gesetzgeber in anderen Rechtsbereichen ebenfalls nicht stets im Blick. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 92 c BSHG seien erfüllt. Insbesondere seien die Sozialhilfeleistungen rechtmäßig gewährt worden. Hinsichtlich des Verbleibs der im Juni und Juli 1991 von dem Sparkonto abgehobenen Beträge obliege die Beweislast dem Kläger.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. März 2003 abzuweisen.

Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (296 Blatt) sowie die Nachlassakten des Amtsgerichts Lichtenberg (1 Hefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben und - soweit erheblich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleiben des Klägers zur Sache verhandeln und entscheiden, weil er mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht Berlin hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn der auf § 92 c BSHG gestützte Bescheid des Bezirksamts Lichtenberg von Berlin vom 5. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Beklagte nimmt den Kläger zu Recht auf Kostenersatz für die seiner verstorbenen Mutter vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1996 gewährte Sozialhilfe in Anspruch.

Rechtsgrundlage für den Kostenersatzanspruch des Beklagten ist § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG in der am 4. November 1997 (Eintritt des Erbfalls) geltenden Fassung (damals zuletzt geändert durch das Arbeitsförderungs-Reform-gesetz - AFRG - vom 24. März 1997, BGBl. I 594, 707). Danach ist u.a. der Erbe des Hilfeempfängers zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe (mit Ausnahme der vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe) verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nach § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Zweifache des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG übersteigen (I). Gehaftet wird gemäß § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (II), wobei die Ersatzpflicht auf die Kosten der rechtmäßig gewährten Sozialhilfe begrenzt ist, weil rechtswidrig erbrachte Leistungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 50 SGB X - ggf. auch von den Erben (§§ 1922, 1967 BGB) - zurückverlangt werden können (III).

Die Voraussetzungen des § 92 c BSHG liegen hier entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts vor. Anhaltspunkte für eine besondere Härte i.S.d. § 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG oder sonstige Umstände, die einer Inanspruchnahme des Erben auf Kostenersatz entgegenstehen (könnten), sind weder substanziiert dargetan noch ersichtlich (IV).

I. Der Kläger ist "Erbe eines Hilfeempfängers" i.S.d. § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG. Nach der Ausschlagung der Erbschaft durch die übrigen Erben nach Frau G. ist er alleiniger Rechtsnachfolger seiner Mutter geworden, für die der Beklagte innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall am 4. November 1997 unstreitig Sozialleistungen erbracht hat. Der Kostenersatzanspruch ist insbesondere nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der laufende rechtmäßige Hilfebezug zum 30. Juni 1996 - und damit über 16 Monate vor dem Erbfall - eingestellt worden war.

1. Allein aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung "Erbe des Hilfeempfängers" kann nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit auf die Notwendigkeit des Hilfebezugs bis zum Erbfall geschlossen werden.

a) Das Bundessozialhilfegesetz enthält keine Legaldefinition des Begriffs "Hilfeempfänger". Während nach altem Fürsorgerecht sowohl der Hilfesuchende als auch der Empfänger einer Leistung mit dem einheitlichen Begriff "Hilfsbedürftiger" bezeichnet wurden, rückte der Gesetzgeber des Bundessozialhilfegesetzes davon ab, weil die Bezeichnung ebenso wie der Begriff "öffentliche Fürsorge" im allgemeinen Sprachgebrauch in bestimmtem Sinne abwertend verstanden wurde und noch nicht von den Vorstellungen der Armenfürsorge losgelöst war. Außerdem umfasste das Bundessozialhilfegesetz eine Reihe neuer, bisher nicht zur öffentlichen Fürsorge gehörender Leistungen (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, Einf. Rz. 22, 11 f.). Unterschieden wird daher in den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes zwischen "Hilfesuchenden" und "Hilfeempfängern". Für Personen, denen laufende oder einmalige Leistungen bewilligt worden sind, ist - soweit ersichtlich - keine eigenständige Bezeichnung als "ehemalige" oder "frühere Hilfeempfänger" eingeführt. Es liegt daher nahe, dass sich der Begriff "Hilfeempfänger" gerade im Zusammenhang mit der Kostenersatzregelung nach § 92 c BSHG sowohl auf Personen bezieht, denen Hilfe bis zum Todesfall gewährt wird, als auch auf diejenigen, die im Erbfall zwar keine Leistungen mehr bezogen haben, denen aber in den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod (§ 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG) Hilfe zuteil geworden ist.

b) Dass allein der (Teil)Wortlaut des Satzes 1 der Vorschrift ("Erbe des Hilfeempfängers") keine hinreichend klare Antwort auf die Frage gibt, ob Kostenersatz durch Erben auch für abgeschlossene Hilfefälle beansprucht werden kann, lässt das Verwaltungsgericht im Grunde selbst erkennen, indem sich die Kammer dem für die enge Auslegung in Bezug genommenen Urteil der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Dezember 1998 (VG 17 A 470.96) nur "im Wesentlichen" anschließt und einschränkend ausführt, dass "von dem Erblasser ... jedenfalls dann nicht mehr als >>Hilfeempfänger<< gesprochen werden" könne, "wenn - wie hier - die Hilfegewährung bereits längere Zeit vor dem Erbfall eingestellt worden" sei (UA S. 5). Damit verliert die Formulierung "Erbe des Hilfeempfängers" die ihr vom Verwaltungsgericht beigemessene begriffliche Trennschärfe, so dass dem Wortlaut insoweit - isoliert betrachtet - als juristisches Abgrenzungskriterium im Hinblick auf den hier interessierenden Zeitpunkt der Beendigung des Hilfebezugs keine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann. Denn wann es sich um eine "längere" und wann um eine "kürzere" Zeit der Hilfeeinstellung vor dem Erbfall handeln soll, ist völlig offen.

2. Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm bestätigen den Befund und sprechen für die Anwendbarkeit der Regelung auf abgeschlossene Hilfefälle.

a) Nach § 92 c Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG erstreckt sich der Umfang der Ersatzpflicht des Erben auf die "Kosten der Sozialhilfe". Darunter fallen sowohl die Kosten der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 21 BSHG) als auch der Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 27 BSHG). Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 21 Abs. 1 BSHG umfasst ihrerseits nicht nur laufende, sondern gleichermaßen einmalige Leistungen. Diese sind gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 BSHG auch zu gewähren, wenn der Hilfesuchende zwar keine laufende Leistungen zum Lebensunterhalt benötigt, den Lebensunterhalt jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll beschaffen kann. Selbst die Eilfallhilfe des Nothelfers (§ 121 BSHG) wird im Schrifttum als kostenersatzfähig angesehen. Ausgenommen sind lediglich Fälle nach §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 2 und 92 Abs. 2 BSHG sowie die Kosten der vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Tuberkulosehilfe (vgl. Schoch, Sozialhilfe, 3. Aufl. 2001, S. 506; Schellhorn/ Schellhorn, a.a.O., § 92 c, Rz. 12; Mergler/Zink, BSHG, Std. 2004, § 92 c Rz. 19).

Ist somit die Pflicht zum Kostenersatz nicht auf die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beschränkt, sondern umfasst sie ebenso die Kosten anderer Hilfearten, die "innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden" (§ 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG) und innerhalb von "3 Jahren nach dem Tode des Hilfeempfängers" geltend zu machen sind (§ 92 c Abs. 4 BSHG), führt die am vermeintlichen Wortsinn "Erbe des Hilfeempfängers" haftende "begriffsjuristische" Herangehensweise des Verwaltungsgerichts, auf den aktuellen Hilfebezug im Todeszeitpunkt abzustellen, zu einer system- und sinnwidrigen Verkürzung des Regelungsgehalts der Norm.

b) Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts enthält auch die amtliche Begründung zur Einführung des § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG zum 1. Oktober 1969 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BSHG (2. BSHG-ÄndG) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1153; BT-Drs.- V/3495, zu Nr. 30, Abschnitt 6, S. 16) einen Hinweis auf die Einbeziehung bereits abgeschlossener Hilfefälle in den Anwendungsbereich der Vorschrift. In der allgemeinen Vorbemerkung zur Änderung des Abschnitts 6 "Kostenersatz" heißt es wörtlich: "2. Neu aufgenommen werden die Vorschriften des § 92 c über die Ersatzpflicht des Erben des früheren Hilfeempfängers oder dessen Ehegatten". Entsprechend gingen auch die in der Literatur geäußerten Überlegungen zum "Vollzug des § 92 c BSHG in der Praxis" bereits bei Einführung der Bestimmung offenkundig von der Notwendigkeit aus, Kriterien für die Fälle zu entwickeln, "in welchen die Hilfe nicht durch Tod des Hilfeempfängers endet", wobei vermutet wurde, dass dies "wohl die meisten Fälle" seien (so Zeitler, Kostenersatz durch Erben nach § 92 c BSHG, ZfS 1970, 349 ff., 350).

3. Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der selbstständigen Erbenhaftung gegen die enge Wortlautinterpretation des Verwaltungsgerichts. Der Zweck der Kostenersatzpflicht liegt nämlich in erster Linie darin, "im öffentlichen Interesse eine möglichst umfassende >>Refinanzierung<< aufgewendeter Sozialhilfekosten sicherzustellen" (zuletzt BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2003 - BVerwG 5 C 17.02 -, FEVS 55, 124 ff.,127 f.). Dies folgt - wie dargelegt - schon aus dem im Wortlaut des § 92 c Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG ("Kosten der Sozialhilfe") zum Ausdruck kommenden sachlichen Umfang der zu erstattenden Leistungen. Könnte hingegen - wie das Verwaltungsgericht meint - von dem Erben eines Hilfeempfängers nur gesprochen werden, wenn der Hilfeempfänger bis zu seinem Tod Hilfe bezogen hätte, wäre der Anwendungsbereich des § 92 c BSHG in einer dem erkennbaren Gesetzeszweck widersprechenden Weise auf Fälle laufender Leistungen beschränkt. Angesichts der unterschiedlichen Hilfearten, die der originären Ersatzpflicht durch den Erben unterliegen, und des Regelungszwecks der Bestimmung kann es daher auf die jeweilige Dauer des Hilfebezugs innerhalb des maßgeblichen Zeitraums von zehn Jahren seit dem Erbfall nicht ankommen (ebenso Gottschick/Giese, BSHG, 9. Aufl.1985, § 92 c Rz. 2.2.). Im Übrigen dürften den Urteilen des VGH München vom 15. Juli 2003 (- 12 B 99.1700 -, juris), des OVG Münster vom 20. Februar 2001 (- 22 A 2695.99 -, FEVS 53, 378 ff.) und des OVG Lüneburg vom 29. Juli 1987 (- 4 A 40.85 -, juris) mit Blick auf den zeitlichen Ablauf vergleichbare Lebenssachverhalte zu Grunde gelegen haben, ohne dass die Unterbrechung des Leistungsbezugs vor dem Todesfall thematisiert und die Anwendbarkeit des § 92 c BSHG ins Frage gestellt wurde.

4. Etwaige Defizite im Rahmen der praktischen Durchsetzung des Kostenersatzanspruchs seitens des Beklagten, auf die das Verwaltungsgericht seine enge Auslegung der Vorschrift tragend gestützt hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung der Rechtslage. Probleme des Gesetzesvollzugs berühren grundsätzlich nicht die Auslegung der Gesetze (ähnlich VG Berlin, Urteil vom 13. April 2005 - VG 6 A 340.05 -). Es handelt sich insoweit vielmehr regelmäßig um Fragen der Rechtsanwendungsgleichheit. Im Rahmen der Normauslegung ist demgegenüber stets der - möglichst im Wortlaut der Vorschrift hinreichend klar zum Ausdruck kommende - objektivierte Wille des Gesetzgebers zu ermitteln, denn im gewaltenteiligen Staat hat der Rechtsanwender die Regelungskompetenz des Gesetzgebers und somit auch dessen Ziel- und Zweckmäßigkeitsentscheidungen zu achten. Andernfalls würde der Rechtsanwender seine eigene rechtspolitische Entscheidung an die Stelle der gesetzgeberischen Vorgaben setzen. Stellt sich eine Norm im Vollzug als wenig praktikabel oder gar "unvollziehbar" dar, ist daher in erster Linie der Gesetzgeber zur Korrektur berufen. Weder hat es die Verwaltung durch Erklärungen zur (bewusst) unvollkommenen Umsetzung von Gesetzen in der Hand, deren Interpretation zu steuern, noch sind die Gerichte jenseits der ihnen eröffneten gesetzlichen Vorgaben zur Überprüfung möglicherweise verfassungswidriger Regelungen befugt, durch Auslegung des Norminhalts eine Bestimmung der vermeintlichen Vollzugswirklichkeit anzupassen.

Abgesehen von diesen methodischen Bedenken gegen den Ansatz des Verwaltungsgerichts zeigt gerade der Streitfall, dass die Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs trotz Unterbrechung des Hilfebezugs vor dem Erbfall sehr wohl durchführbar ist. Es dürften daher letztlich nur Fragen organisatorischer Art sein, in welcher Weise abgeschlossene Hilfefälle zum Zwecke der Prüfung und ggf. Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs unter Kontrolle zu halten sind. Durch eine vom Verwaltungsgericht offenbar beabsichtigte "verfassungskonforme Auslegung" kann das Vollzugsdefizit jedenfalls nicht korrigiert werden. Das Gericht greift dadurch nicht nur in die Kompetenzen des Gesetzgebers, sondern auch in die des Bundesverfassungsgerichts ein, denn diesem allein ist es nach Art. 100 Abs. 1 GG vorbehalten, ein dem Grundgesetz - hier Art. 3 GG - widersprechendes Gesetz, das unter der Geltung des Grundgesetzes erlassen worden ist, für verfassungswidrig zu erklären (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 -, BVerfGE 8, 28, 33 f.). Im Übrigen hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erklärt, es werde im Hinblick auf den Erbenersatzanspruch (nunmehr) erwogen, eine regelmäßige Überwachung abgeschlossener Sozialhilfefälle durchzuführen.

II. Gehört der Kläger danach zum ersatzpflichtigen Personenkreis nach § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG, haftet er gemäß § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Dazu zählt auch das nach Beendigung des Hilfebezugs erlangte Vermögen. Weder ist es einfachrechtlich geboten noch verfassungsrechtlich gefordert, die Haftung mit dem Wert des Nachlasses (teleologisch) auf das Schonvermögen zu reduzieren.

1. Der Wortlaut der Bestimmung sieht keine Beschränkung des Erbenersatzes auf das während des Hilfebezugs vorhandene Schonvermögen vor. Die in § 92 c Abs. 1 und 2 BSHG verwendeten Begriffe "Erbe" und "Wert des Nachlasses" sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diejenigen des BGB (grundlegend: Urteil vom 23. September 1982 - BVerwG 5 C 109.81 -, FEVS 32, 177 ff., 178 f.). Es besteht kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber diesen Begriffen eine andere, spezifisch sozialhilferechtliche Bedeutung beigelegt wissen wollte.

2. Entstehungsgeschichte und Systematik der Kostenersatznormen des Bundessozialhilfegesetzes (§§ 92 bis 92 c BSHG, vgl. dazu auch: OVG Münster, a.a.O., S. 380-382; BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1987 - BVerwG 5 C 39.85 -, FEVS 37, 1 ff., 4-6) lassen mit Blick auf die Kostenersatzpflicht zwei Entwicklungen klar erkennen: Einerseits die sukzessive Freistellung des ehema-ligen Hilfeempfängers von der Haftung für die Kosten rechtmäßig erhaltener Sozialhilfe, andererseits die Entkoppelung der ursprünglich einheitlichen Haftung des Hilfeempfängers und seines Erben (§ 1922 BGB) sowie - in der Folge - die verstärkte Inanspruchnahme des Erben.

a) Bis zur Einfügung des § 92 c BSHG durch das 2. BSHG-ÄndG unterlag der Erbe eines Hilfeempfängers lediglich einer unselbstständigen Erbenhaftung, d.h. nur die beim Erblasser zu dessen Lebzeiten bereits entstandene Ersatzpflicht ging im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben über. Dessen Haftung beschränkte sich auf den Nachlass. Schonvermögen des Erblassers blieb unberücksichtigt, soweit dies zur Vermeidung einer besonderen Härte für den Erben geboten war (§ 92 Abs. 5 BSHG 1961).

b) Seit Geltung des § 92 c BSHG ist zu unterscheiden zwischen der unselbstständigen und der selbstständigen Erbenhaftung. Erstere beschränkt sich nach mehrfachen Änderungen inzwischen auf § 92 a Abs. 1 und 2 BSHG. Sie setzt voraus, dass der Hilfeempfänger die Gewährung der Sozialhilfe schuldhaft (vorsätzlich oder grob fahrlässig) herbeigeführt hat. In allen anderen Fällen ist Kostenersatz durch den Hilfeempfänger selbst nicht mehr zu leisten. Nachdem der Gesetzgeber den Hilfeempfänger im Jahre 1969 zunächst noch nicht als "endgültig schutzbedürftig" angesehen und ihn daher mit der Schaffung des § 92 b BSHG verpflichtet hatte, "der Allgemeinheit die ihm gewissermaßen als Überbrückungshilfe gewährte Leistung zurückzuzahlen" (BT-Drs. V/4395, zu § 92 b, S. 16), entfiel auch diese - bereits eingeschränkte - Kostenerstattungspflicht mit Wirkung zum 1. April 1974 ersatzlos (3. BSHG-ÄndG vom 25. März 1974, BGBl. I S. 777). Rechtmäßig gewährte Sozialhilfe muss seither vom früheren Hilfeempfänger nicht mehr zurückgezahlt werden. Dies gilt auch, wenn sich dessen wirtschaftliche Lage später wesentlich verbessert (vgl. Schoch, a.a.O., S. 498).

Entscheidend für die schrittweise Einschränkung der Ersatzpflicht des Hilfeempfängers bis hin zur ersatzlosen Streichung des § 92 b BSHG waren im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen hatte sich gezeigt, dass der zur Geltendmachung der Kostenersatzpflicht notwendige Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu den Einnahmen stand, die den Sozialhilfeträgern zugeflossen sind. Zum anderen sollten gerade die Personen, die zuvor mehrere Jahre hindurch Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten hatten, angesichts "ihres anzuerkennenden Nachholbedarfs von der Kostenersatzpflicht freigestellt werden" (BT-Drs. V/4395, zu Nr. 30, S. 16; BT-Drs. 7/308, zu Nr. 33, S. 20). Rechtmäßig gewährte Sozialhilfe sollte und soll für den (früheren) Hilfeempfänger "kein Mühlstein für die Zukunft sein" (Schoch, a.a.O., S. 499). c) Gleichsam im Gegenzug zu dieser dem Hilfeempfänger gewährten Rechtswohltat wurde dessen Erbe verstärkt in die Pflicht genommen, indem ihm gegenüber der Kostenersatzanspruch verselbstständigt und erweitert wurde. § 92 c BSHG begründete erstmals eine unmittelbare Verpflichtung des Erben, die nicht von einem Anspruch gegen den verstorbenen Hilfeempfänger abhängig war. In der Gesetzesbegründung zu diesem selbstständigen, originären Kostenersatzanspruch werden zwar, worauf auch das OVG Münster (a.a.O., S. 380) zutreffend hinweist, die Bestimmungen über das Schonvermögen (§ 88 Abs. 2 und 3 BSHG) ausdrücklich in Bezug genommen. Auch wird festgestellt, dass es nicht gerechtfertigt erscheine, "dass den Erben der Hilfeempfänger...nur deshalb zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen zuwachsen, weil dem Hilfe-empfänger und seinen nächsten Angehörigen selbst die Verwertung dieser Vermögen nicht zugemutet worden ist" (BT-Drs. V/4395, zu § 92 c, S. 16). Dass die Erbenhaftung aber auf dieses frühere Schonvermögen beschränkt bleiben soll, lässt sich der Begründung nicht entnehmen. Vielmehr sollten die dem Hilfeempfänger aus sozialpolitischen Gründen gewährten Privilegien seinen Erben nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers insgesamt nicht zu Gute kommen. Anlässlich der Fristverlängerung von fünf auf zehn Jahre in § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG hat der Gesetzgeber entsprechend allgemein formuliert, dass die den Erben begünstigende Regelung, wonach er nur zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet sei, die dem Erblasser in der letzten fünf Jahren vor seinem Tode zugeflossen seien, sachlich nicht gerechtfertigt sei (BT-Drs. 10/335, zu Nr. 5, S. 92).

3. Sinn und Zweck der originären Haftungsregelung bestätigen die Erstreckung auf das erst nach Einstellung der Hilfegewährung erlangte Vermögen. Wie bereits dargelegt ist Zweck der Kostenersatzpflicht die Sicherstellung einer möglichst umfassenden Refinanzierung aufgewendeter Sozialhilfekosten im öffentlichen Interesse (BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2003, a.a.O., 127 f.). Um dieses Ziel zu erreichen, haftet der Erbe mit dem Wert des - zivilrechtlich definierten - Nachlasses in vollem Umfang. Dabei mag das einzusetzende Schonvermögen des Erblassers den Regelfall darstellen, die Haftung ist jedoch nach dem Normzweck nicht darauf beschränkt (vgl. Schellhorn/Schellhorn, a.a.O, § 92 c, Rz. 1). Der weitgehende Rückgriff auf den Erben ist vielmehr gerechtfertigt durch den Wegfall der sozialpolitisch motivierten Gründe in der Person des Erben, die in der Person des Erblassers zu dessen Lebzeiten noch schutzbedürftig waren. Die sozialen Belange der Erben nimmt § 92 c BSHG nur insoweit in den Blick, als die Kostenersatzansprüche nach Entstehung und Umfang auf den Wert des Nachlasses begrenzt sind und ihre Geltendmachung unter den Voraussetzungen des § 92 c Abs. 3 Nr. 1 bis-3 BSHG ausgeschlossen ist.

4. Vor diesem Hintergrund erfordern weder die Erbrechtgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) noch der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eine Haftungsbegrenzung des Erben auf das Schonvermögen (a.A. Oestmann, Erbenersatz und Schonvermögen, ZFSH/SGB 2003, S. 709 ff., 712).

a) Im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vertritt der Senat mit dem OVG Münster (a.a.O., S. 383 m.w.N.) die Auffassung, dass der durch die Institutsgarantie geschützte Wesensgehalt der Rechtseinrichtung "Erbrecht", der durch die im BGB verankerten essenziellen Ordnungsprinzipien und Grundstrukturen geprägt wird, durch die Erbenhaftung in § 92 c BSHG nicht angetastet wird. Ebenso wenig beeinträchtigt § 92 c BSHG als inhaltsbestimmendes Bundesgesetz im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG das Individualgrundrecht des Erben. Ungeachtet dessen, dass die Erbrechtsgarantie als Individualgrundrecht nicht das unbedingte Recht gewährleistet, den gegebenen Eigentumsbestand unvermindert auf Dritte zu übertragen, stehen dem gegen den Nachlass gerichteten Kostenersatzanspruch entsprechende zuvor erbrachte Leistungen der Sozialhilfe an den Erblasser gegenüber.

b) Auch gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Systemgerechtigkeit hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 92 c BSHG nicht verstoßen. Das Gebot bezeichnet lediglich die Pflicht des Gesetzgebers zu möglichst strukturgerechtem Vorgehen. Es verlangt eine (Grob)Bindung an die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit und Folgerichtigkeit mit Blick auf eine durchgängige Berücksichtigung einmal vorgenommener Wertungen, die im praktischen Ergebnis der Willkürkontrolle entspricht (vgl. Heun in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rz. 36: Gedanke der Folgerichtigkeit). Insoweit besteht hier schon wegen der Verschiedenheit der in den §§ 92 a und 92 c BSHG geregelten Lebenssachverhalte kein Anhaltspunkt für eine Verletzung. Angesichts der gesetzgeberischen Wertung, den Hilfeempfänger grundsätzlich von der Pflicht zur Rückzahlung seiner rechtmäßig erhaltenen Sozialhilfe freizustellen, andererseits aber den Kostenersatzanspruch gegenüber dem Erben zu verselbstständigen und zudem noch durch die Einbeziehung weiterer Hilfearten über die Hilfe zum Lebensunterhalt hinaus zu erweitern, fehlt es an einer Grundlage für die Schlussfolgerung, aus der umfassenden Freistellung des Hilfeempfängers von seiner Ersatzpflicht zu Lebzeiten folge eine damit einhergehende Beschränkung der Ersatzpflicht des Erben auf das Schonvermögen. Vielmehr rechtfertigt gerade die Verselbstständigung der Ansprüche deren abweichende Ausgestaltung, die ihren sachlichen Grund in der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit des Hilfeempfängers und seiner Erben hat. Ein Wertungswiderspruch im Sinne einer Systemwidrigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar.

III. Ist § 92 c BSHG somit grundsätzlich heranzuziehen, setzt das Kostenersatzverlangen des Beklagten die Rechtmäßigkeit der gewährten Hilfe voraus (grundlegend BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1987, a.a.O., 1 ff.). Daran bestehen wegen des ungeklärten Verbleibs der von Frau G. im Juni und Juli 1991 abgehobenen Geldbeträge in Höhe von jeweils 2 000 DM Zweifel. Gleiches gilt mit Blick auf die Zinsgutschrift im Juni 1992, die zu einer Überschreitung der damaligen Schonvermögensgrenze um 204,55 DM geführt hat. Dieser Betrag hätte als einzusetzendes Vermögen im Rahmen der gewährten Sozialhilfe ebenso mindernd berücksichtigt werden müssen wie das die Schonvermögensgrenze überschreitende Barvermögen in Höhe von 3 987,30 DM (insgesamt also 4 191,85 DM).

Entgegen der Auffassung des Beklagten dürfte dem Kläger nicht die Beweislast dafür obliegen, dass der Barbetrag im Zeitpunkt der Hilfegewährung nicht mehr als einsatzfähiges Vermögen vorhanden gewesen ist. Im Rahmen des § 92 c BSHG hat grundsätzlich der Beklagte als Anspruchsteller die Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistungen zu beweisen, deren Kosten er vom Kläger ersetzt haben will. Die Einzelheiten der jeweiligen Darlegungs- und Beweispflichten können jedoch letztlich dahinstehen, denn die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids, durch den von dem Kläger lediglich ein Betrag in Höhe von 21 871,49 DM gefordert wird, steht auch unter Berücksichtigung der möglicherweise rechtswidrig geleisteten Beträge von 4 191,85 DM außer Frage. Selbst wenn diese von den insgesamt ermittelten ungedeckten Kosten in Höhe von 26 459,42 DM abgezogen werden, verbleiben nach wie vor ungedeckte Kosten von 22 267,57 DM für unstreitig rechtmäßig erbrachte Sozialhilfeleistungen.

IV. Schließlich ist der Beklagte auch nicht gemäß § 92 c Abs. 3 BSHG an der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs gehindert.

1. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer "besonderen Härte" i.S.d. § 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG sind weder substanziiert dargetan noch ersichtlich. Zwar können sowohl (gewichtige) Gründe in der Person des Erben als auch Gesichtspunkte wirtschaftlicher Art die Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffs erfüllen (vgl. BT-Drs. V/3495, zu § 92 c a.E., S. 16). Das gilt jedoch nicht für den vom Kläger mit der ergänzenden Widerspruchsbegründung unter Ziffer 3 und der Klageschrift in erster Linie angeführten Aspekt der Entreicherung ("Erbe bereits verbraucht"), denn dies widerspräche der mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung des Spar- und Wachstumsprogramms - 2. SKWPG - vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2374) eingeführten Haftung des Erben mit dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG), die der Rechtsprechung zur alten Fassung des § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG ("...; der Erbe haftet nur mit dem Nachlass") die Grundlage entzogen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1992 - BVerwG 5 C 67.88 -, FEVS 43, 321 ff., 323). Wollte man den Einwand der Entreicherung gelten lassen, würde § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG durch § 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG aufgehoben.

Soweit der Kläger zur Begründung seines erstinstanzlich gestellten PKH-Antrags und der Klage erstmals auch seine Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen sinngemäß als "besondere Härte" geltend macht, dürfte dem Vortrag schon wegen des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts der letzten Behördenentscheidung keine Bedeutung zukommen. Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids hat sich der Kläger nicht darauf berufen. Entsprechend belegter Tatsachenvortrag wäre daher gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Selbst wenn es zur Prüfung des Härtefalls auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommen sollte, könnte der Einwand nicht zum Erfolg führen, denn der Kläger hat seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht einmal im PKH-Verfahren belegen können (vgl. Beschluss des VG Berlin vom 6. Dezember 2001 - VG 18 A 677.98 -). Da er gegen den Beschluss kein Rechtsmittel eingelegt hat und weder im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens noch im Berufungsverfahren zu diesem Gesichtspunkt vorgetragen hat, musste sich dem Senat auch keine weitere Sachaufklärung von Amts wegen aufdrängen.

2. Sonstige besondere Umstände, die der Inanspruchnahme des Klägers entgegenstehen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere kann er sich nicht mit Blick auf die gegenüber Frau G. erfolgte "Verrechnung" entstandener Sozialhilfekosten mit der Rentennachzahlung im Frühjahr 1997 auf Vertrauensschutz berufen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 2. April 1997 an Frau G. nicht zu erkennen gegeben, dass damit alle Ansprüche abgegolten seien. Die "Verrechnung" der aufgewendeten Kosten mit dem (rückwirkend) einzusetzenden Vermögen der Hilfeempfängerin aus der Rentennachzahlung beruhte auf § 104 SGB X und erfolgte nur mit den der Hilfeempfängerin zeitgleich (bis zum 30. Juni 1996) rechtmäßig gewährten Sozialhilfeleistungen. Dafür konnte die bis zum 28. Februar 1997 berechnete Rentennachzahlung nicht in vollem Umfang eingesetzt werden, weil der Beklagte nach Wegfall der Bedürftigkeit zum 1. Juli 1996 nicht mehr zur Leistung verpflichtet war. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang den strukturellen Unterschied zwischen dem von der Hilfeempfängerin zu deren Lebzeiten einzusetzenden Vermögen im Rahmen der Hilfegewährung und dem selbstständigen Kostenersatzanspruch nach § 92 c BSHG, der einen weitergehenden, auf den Wert des Nachlasses des früheren Hilfeempfängers beschränkten Rückgriff im Interesse der Refinanzierung öffentlicher Mittel ermöglicht. Der Beklagte hat weder gegenüber Frau G. noch dem Kläger einen gegenteiligen Anschein erweckt, der auch nur ansatzweise geeignet wäre, den behaupteten Vertrauensschutz zu begründen.

3. Der Anspruch des Beklagten auf Kostenersatz ist auch nicht erloschen, sondern rechtzeitig gemäß §§ 92 c Abs. 4, § 92 a Abs. 3 Satz 2 BSHG innerhalb von drei Jahren nach dem Tode der Hilfeempfängerin im November 1997 geltend gemacht worden. Bescheid und Widerspruchsbescheid ergingen im Jahre 1998.

V. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Ende der Entscheidung

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