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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: OVG 6 B 9.02
Rechtsgebiete: SGB X, BSHG, BGB, SGB I, AsylbLG


Vorschriften:

SGB X § 113
SGB X § 113 Abs. 1
BSHG § 11 Abs. 2
BSHG § 11 Abs. 3
BSHG § 29 Satz 2
BSHG § 92 a
BSHG § 92 c
BSHG § 120
BSHG § 121
BSHG § 121 Abs. 2
BGB §§ 194 ff.
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 11 a.F.
BGB § 196 Ziffer 11 a.F.
SGB I § 1 Abs. 1
SGB I § 2
SGB I § 3
SGB I § 4
SGB I § 5
SGB I § 6
SGB I § 7
SGB I § 8
SGB I § 9
SGB I § 10
SGB I § 36
SGB I § 45
SGB I § 45 Abs. 1
SGB I § 45 Abs. 3
AsylbLG § 1 Abs. 1
AsylbLG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 B 9.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2004 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl und Dr. Bumke sowie die ehrenamtliche Richterin Schroeder und den ehrenamtlichen Richter Holzhey

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. April 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als derzeitige Trägerin des früheren Universitätsklinikums Rudolf Virchow vom Beklagten die Erstattung der Aufwendungen für vier im Jahre 1991 durchgeführte stationäre Behandlungen der jugoslawischen Staatsangehörigen V. R., seit dem 15. Mai 1992 verheiratete K. (R.-K.) und ihres am 20. April 1991 geborenen Sohnes D. (D.). Sie macht eine Gesamtforderung von 51 237,08 DM (entspricht 26 197,10 EUR) geltend.

Die am 22. April 1974 in Innsbruck (Österreich) geborene Frau R.-K. wurde zunächst vom 24. Februar bis zum 8. März 1991 wegen vorzeitig in der 28. Schwangerschaftswoche einsetzender Wehen stationär behandelt. Es entstanden Kosten von 6 725,55 DM. Am 5. April 1991 wurde Frau R.-K. aus denselben Gründen erneut stationär aufgenommen und vier Tage nach der Geburt des Kindes D. am 24. April 1991 aus der Klinik entlassen. Dieser Aufenthalt hat Kosten von 10 347 DM verursacht. Das Kind D. ist wegen Adaptionsstörungen am Tag seiner Geburt in das neonathologische Zentrum des Krankenhauses stationär eingewiesen und dort bis zum 11. Juni 1991 zu Kosten von 27 956,33 DM behandelt worden. Vom 3. bis zum 14. Juni 1991 wurde Frau R.-K wegen Gebärmutterwochenbettfiebers stationär im Klinikum behandelt. Die Behandlungskosten beliefen sich insoweit auf 6 208,20 DM.

Formulare über die so genannte Aufnahmeverhandlung für das Krankenhaus - Vordruck Soz III E 2 - hatte die Klinik von der damals minderjährigen Frau R.-K. in keinem der Behandlungsfälle ausfüllen lassen. Sie wandte sich zunächst mit Schreiben vom 12. April 1991 an den Vater der Frau R.-K., den 1952 geborenen M. R. in Kufstein und bat um Übernahme der Krankenhauskosten für die minderjährige Tochter bzw. um Mitteilung einer etwa bestehenden Krankenversicherung. Nach Angaben des Klinikums ist dieses Schreiben nicht beantwortet worden.

Einen an die AOK Berlin gerichteten Kostenerstattungsantrag lehnte diese Krankenkasse mit Schreiben vom 11. Juni 1991 mit der Begründung ab, nach dem deutsch-österreichischen Abkommen über soziale Sicherheit könne von der aushelfenden deutschen Krankenkasse eine Leistung nur zur Verfügung gestellt werden, wenn es sich nicht um eine bereits in einem anderen Staat eingetretene Erkrankung handle und der Zustand eine sofortige ärztliche Behandlung erforderlich mache, die nicht bis zur Rückkehr in das Heimatland aufgeschoben werden könne. Außerdem müsse ein entsprechender Leistungsauftrag der zuständigen ausländischen Krankenversicherung vorliegen. Hier seien nicht alle Voraussetzungen erfüllt.

Mit Schreiben vom 11. Juni 1991 wandte sich das Klinikum an das Bezirksamt Schöneberg wegen vermuteter Hilfebedürftigkeit der Frau R.-K. Die Klinik wies darauf hin, Frau R.-K. habe ursprünglich bei ihren in Kufstein (Österreich) wohnenden Eltern gelebt, wohne nun jedoch seit einigen Monaten in Berlin in der W. bei D. K. (K.). Sowohl ihr in Kufstein lebender Vater als auch der vermutliche Kindesvater Herr K. hätten auf die Aufforderung zur Kostenübernahme nicht reagiert.

Das Bezirksamt Schöneberg lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass von dort aus Leistungen an Frau R.-K. nicht erbracht würden und kein Vorgang vorhanden sei. Nachdem das Klinikum Rudolf Virchow von der Heirat der Frau R.-K. und dem Sozialhilfebezug beim Bezirksamt Wedding (Antrag auf Sozialhilfeleistungen von Januar 1992) erfahren hatte, wandte es sich unter dem 31. August 1992 an dieses Bezirksamt und legte Kostenübernahmeanträge über die Behandlungskosten vor; beigefügt waren "Unabweisbarkeits-bescheinigungen" vom 24. Februar sowie 5. und 20. April und 3. Juni 1991. Das Klinikum verwies auf die damalige Wohnung der Frau R.-K. und ihrer Familie in der B. in Wedding. Die Eheleute R.-K. verzogen im Januar 1995 nach 86462 Langweid und leben nach Mitteilung des Einwohnermeldeamtes Berlin nunmehr in München.

Nach mehrfachen Erinnerungen des Klinikums und Zwischenbescheiden des Bezirksamts Wedding teilte das Bezirksamt mit Schreiben vom 13. Februar 1995 mit, zur Übernahme von Krankenhauskosten bedürfe es noch weiterer Ermittlungen. 1991 habe für Frau R.-K. keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des BSHG bestanden. Die Klinik habe es versäumt, Aufnahmeverhandlungen nach dem Vordruck III E 2 vorzulegen. Auch fehle die Ablehnung der Krankenkasse für das Kind D. Nach letztem Ermittlungsstand könne eine Kostenübernahme für die in der Zeit vom 20. April bis zum 11. Juni 1991 durchgeführten Behandlungen nicht erklärt werden. Der Vater des Kindes D., habe damals in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und sei entweder bei der AOK Berlin oder der BKK Linde AG krankenversichert gewesen. Das Klinikum möge dort Erstattung beantragen. Bei Fehlanzeige werde um Vorlage der Ablehnungsschreiben sowie der Aufnahmeverhandlungen gebeten.

Das Bezirksamt veranlasste zugleich Ermittlungen zum Wohnort der Familie R.-K. und zu dem Rentenverlauf der Eheleute. Letztere blieben ohne konkretes Ergebnis. Für Frau R.-K. gab es keine Daten, für den Ehemann war ein Versicherungsverlauf nicht gespeichert.

Mit Schreiben vom 31. März 1995 übersandte das Klinikum Ablehnungsschreiben der AOK Berlin vom 1. März 1995 sowie der BKK Linde vom 22. März 1995. Bemühungen des Klinikums, bei Frau R.-K. und ihrem Ehemann wegen der Krankenbehandlungskosten zu vollstrecken, sind erfolglos geblieben.

Am 7. Oktober 1998 hat die Klägerin Klage auf Erstattung der Kosten der stationären Behandlungen der Frau R.-K. und ihres Kindes D. erhoben, und zwar in Höhe von 51 237,08 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung.

Der Beklagte hat sich im Verfahren erster Instanz darauf berufen, die Klageforderungen seien gemäß § 113 Abs. 1 SGB X nach Ablauf von vier Kalenderjahren verjährt.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 19. April 2002 im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig. Sie sei jedoch unbegründet. Es bestünden bereits Zweifel, ob die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 121 BSHG erfüllt seien. So dürfte beispielsweise eine Entbindung nicht als unvorhersehbarer Eilfall im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sein. Außerdem sei der Aufwendungsersatzanspruch nach Aktenlage mit dem Antrag vom 31. August 1992 für die Behandlung in der Zeit bis zum 14. Juni 1991 nicht innerhalb angemessener Frist geltend gemacht worden. Davon abgesehen sei nicht festgestellt, dass der Sozialhilfeträger bei rechtzeitiger Kenntnis Krankenhilfe hätte gewähren müssen. Im Hinblick auf eine damals möglicherweise bestehende Familienmitversicherung der minderjährigen Frau R.-K. über ihre in Österreich lebenden Eltern, welche auch deren Enkelkind D. einschließen könne, sowie eine ggf. bestehende Krankenversicherung des Kindes über den Kindesvater Herrn K. und im Hinblick auf dessen zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber Frau R.-K. und seinem Sohn sei die Frage der Hilfebedürftigkeit ungeklärt. Der Frage, ob insoweit noch eine Aufklärung möglich sei, brauche nicht nachgegangen zu werden, denn ein etwa bestehender Aufwendungsersatzanspruch nach § 121 BSHG sei verjährt. Eine ausdrückliche Verjährungsregelung gebe es zu dieser Vorschrift nicht. Nach Auffassung der Kammer seien die Bestimmungen der § 194 ff. BGB analog heranzuziehen. Maßgeblich sei § 196 Abs. 1 Nr. 11 BGB a.F., wonach unter anderem Ansprüche der öffentlichen Anstalten, welche der Heilung dienen, für die Gewährung der Heilung und für die damit zusammenhängenden Aufwendungen in zwei Jahren verjährten. Nicht übertragbar sei die Rechtsprechung der Sozialgerichte, wonach der Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen eine gesetzliche Krankenkasse wegen stationärer Behandlung eines Versicherten der vierjährigen Verjährungsfrist des § 45 SGB I unterliege, denn die Regelungen des BGB seien jedenfalls im Falle des § 121 BSHG näher liegend. Es sei nicht einsichtig, dass ein Krankenhausträger bezüglich seines Anspruchs auf Erstattung der Aufwendungen für einen Patienten besser stehen solle als bei der Geltendmachung der Behandlungskosten gegen einen selbst zahlenden Patienten. Es sei schließlich nicht treuwidrig, dass der Beklagte sich auf Verjährung berufe. Treuwidrigkeit folge nicht aus dem Umstand, dass er auf diverse Aufforderungen der Klägerin zur Anerkennung von Aufwendungsersatzansprüchen nicht reagiert, bzw. diese vertröstet habe. Denn es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin gehindert gewesen wäre, rechtzeitig die Verjährung durch Klageerhebung zu unterbrechen oder beim Beklagten einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu erwirken.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht bezweifle zu Unrecht, dass die Krankenhausaufnahme der Frau R.-K. wegen vorzeitiger Wehen ein Eilfall im Sinne des § 121 BSHG gewesen sei. Das möge bei einer normalen Entbindung zutreffen, nicht jedoch bei den vorzeitigen Wehen der Patientin R.-K. Der Kostenerstattungsanspruch sei gegenüber der Beklagten auch zur Behandlung vom 3. bis 14. Juni 1991 nicht verspätet geltend gemacht worden. Zwar habe sich das Klinikum erst am 31. August 1992 wegen dieser Behandlungskosten an das beklagte Land gewandt. Das beruhe jedoch darauf, dass nicht vom Beginn der Behandlung der Patientin an von einem Fall der Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger hätte ausgegangen werden können. Das Klinikum habe zunächst versucht, vorrangig Verpflichtete auszumachen und in Anspruch zu nehmen. Erst im Jahre 1992 habe das Klinikum erfahren, dass Frau R.-K. Sozialhilfeempfängerin gewesen sei. Frau R.-K. habe zunächst die österreichische (Tiroler) Gebietskrankenkasse als Kostenträgerin angegeben, diese habe jedoch Zahlungen abgelehnt, wie das Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse vom 11. Juni 1991 zeige. Laut Schreiben der AOK vom 2. März 1995 hätten dort auch keine Versicherungsansprüche des Kindes D. bestanden. Zur Frage der Beweislast für die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit der Frau R.-K. und ihres Kindes sei auf die Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Freien Universität Berlin von 1974 zu verweisen. Danach sei von einer Umkehr zu Lasten des Beklagten auszugehen. Der Erstattungsanspruch sei schließlich nicht verjährt, vielmehr ergebe sich aus § 45 Abs. 1 SGB I die einschlägige vierjährige Verjährungsfrist. Auf die privatrechtlichen Ansprüche der Klägerin und deren Verjährung könne es nicht ankommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. April 2002 das beklagte Land zu verpflichten, der Klägerin die Kosten der stationären Behandlung der Frau K. für die Zeiträume vom 24. Februar bis 8. März, 5. April bis 24. April und 3. Juni bis 14. Juni 1991 sowie die Kosten des stationären Aufenthalts ihres Kindes für die Zeit vom 20. April bis zum 11. Juni 1991, insgesamt 26 197,10 € (51 237,08 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Oktober 1998 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich auf Verjährung etwa gegebener Erstattungsansprüche und verteidigt das angefochtene Urteil. Davon abgesehen scheitere ein Anspruch der Klägerin aus § 121 BSHG schon daran, dass ein entsprechender Antrag nicht innerhalb angemessener Frist im Sinne von § 121 Abs. 2 BSHG gestellt worden sei. Auch nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin einen Erstattungsanspruch erst unter dem 31. August 1992 geltend gemacht und damit weit über ein Jahr nach dem Abschluss der letzten Krankenbehandlung verstreichen lassen. Eine rechtzeitige Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers sei aus einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage der Hilfeempfängerin unterblieben. Von alledem abgesehen sei Frau R.-K. damals auch nicht bedürftig gewesen. Sie habe zum fraglichen Zeitpunkt mit dem Kindesvater zusammen gelebt, und beide hätten keine Sozialhilfe bezogen. Die minderjährige Patientin habe im Übrigen Unterhaltsansprüche gegen ihre Eltern bzw. Ansprüche gegen deren Familienversicherung sowie auch Ansprüche gegen den Kindesvater gehabt. Die Klägerin habe es seinerzeit versäumt, Aufnahmeverhandlungen durchzuführen, um rechtzeitig Ansprüche der Frau R.-K. gegen Dritte klären und geltend machen zu können. Sie habe insoweit auch den Anforderungen der Vereinbarung von 1974 nicht entsprochen und könne sich deshalb auf eine etwaige Beweislastumkehr nicht berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beiden beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis mit Recht einen Erstattungsanspruch wegen der stationären medizinischen Behandlungen der Frau R.-K. und ihres Kindes D. in der Zeit vom 24. Februar bis zum 11. Juni 1991 verneint.

Ein Erstattungsanspruch nach § 121 BSHG setzt voraus, dass die Klägerin Frau R.-K. und deren Kind seinerzeit Hilfe gewährt hat, die bei rechtzeitiger Kenntnisnahme der Träger der Sozialhilfe hätte erbringen müssen. Der Anspruch besteht im Übrigen nur, wenn der Antrag innerhalb angemessener Frist gestellt worden ist.

Es kann dahinstehen, ob Frau R.-K. und ihr Kind damals Ansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz gehabt hätten, oder ob sie zum Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylbLG gehörten und ihnen Krankenhilfe nicht nach § 120 BSHG, sondern nur nach § 4 AsylbLG hätte zustehen können. Zwar spricht vieles dafür, dass sich Frau R.-K. in den Monaten Februar, März sowie April bis Juni 1991 bei dem Vater des Kindes D. besuchsweise und visumfrei aufgehalten hat. Ein Erstattungsanspruch bestünde jedoch auch in entsprechender Anwendung von § 121 BSHG bei Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage - OVG 6 B 17.02 -, UA S. 6 ff.).

Ein Erstattungsanspruch nach § 121 BSHG scheitert hier nicht bereits - wie das Verwaltungsgericht und der Beklagte meinen - am Eintritt der Verjährung. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Verjährung von Ansprüchen nach § 121 BSHG in diesem Gesetz nicht gesondert geregelt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem SGB X. Die vierjährige Verjährungsfrist von Erstattungsansprüchen nach § 113 SGB X betrifft nur Ansprüche der Leistungsträger untereinander (§§ 102 - 114 SGB X). Die Klägerin gehört als Trägerin eines Universitätsklinikums nicht zu den Leistungsträgern im Sinne des Sozialgesetzbuchs; das Klinikum erbringt keine Sozialleistungen im Sinne von § 1 Abs. 1, §§ 2 bis 10 SGB I. Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend anzuwenden, denn es liegt nicht nahe, dass die Erstattungsansprüche von Nothelfern gegenüber einem Träger von Sozialleistungen so ausgestaltet sein müssten, wie die Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander.

Der Senat folgt jedoch auch nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Verjährungsvorschrift des § 196 Ziffer 11 BGB in der bis zum In-Kraft- Treten von Artikel 1 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) gültigen Fassung für die im Jahre 1991 geleistete Nothilfe und die Erstattung der entsprechenden Aufwendungen heranzuziehen sei. § 196 Ziffer 11 BGB a.F. sieht eine zweijährige Verjährungsfrist von Ansprüchen der öffentlichen sowie der privaten Anstalten vor, welche der Heilung dienen, für die Gewährung von Heilung und für die damit zusammenhängenden Aufwendungen. Nach dieser Vorschrift sind zwar die Erstattungsansprüche des Klinikums gegen die Patientin Frau R.-K. nach zwei Jahren verjährt. Der für eine entsprechende Heranziehung angeführte Gesichtspunkt, dass die Klinik bei Erstattungsansprüchen wegen durchgeführter Heilbehandlung nach § 121 BSHG bezüglich der Verjährung nicht besser gestellt werden dürfe als bei Ansprüchen gegenüber dem Patienten selbst, überzeugt jedoch nicht.

§ 121 BSHG enthält einen eigenständigen Anspruch von Privatpersonen bzw. privaten oder öffentlichen Trägern, die einem nach dem Bundessozialhilfegesetz Hilfebedürftigen in einem Eilfall, in dem Hilfe durch den Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig zu erlangen war, Nothilfe geleistet haben. Die Vorschrift hat den Sinn, die Hilfsbereitschaft Dritter zu stärken (vgl. BT-Drs. III / 1799, S. 617 zu § 114 des Regierungsentwurfs sowie BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, NVwZ 1993, 994 f.). Der Anspruch des Nothelfers besteht bei jedweder vom BSHG erfasster Hilfe und beschränkt sich nicht auf Ersatzansprüche von Krankenhausträgern. Wollte man hier für die Verjährung auf die Regelung des § 196 Abs. 1 Nr. 11 BGB a.F. zurückgreifen, so bedeutete das, dass jeweils geprüft werden müsste, ob der Nothelfer im Einzelfall auch Erstattungsansprüche gegenüber dem nach dem Bundessozialhilfegesetz Hilfebedürftigen hat, und wann ggf. diese Ansprüche verjähren. Der Erstattungsanspruch ist jedoch ein öffentlich-rechtlicher Anspruch eigener Art, für den grundsätzlich eigene einheitliche Verjährungsregeln gelten müssen (so zum Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag BGH, Urteil vom 20. April 1967, BGHZ 47, 370 ff., s.a. BGH, Urteil vom 26. September 1991, WM Nr. 1 1992, 38, 40).

Da es sich beim Anspruch nach § 121 BSHG um eine spezielle Ausprägung der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag handelt, könnte ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 bis 687 BGB) erwogen werden; Ansprüche nach diesen Vorschriften verjährten in der Zeit vor dem In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes mangels anderweitiger Regelung in 30 Jahren (§ 195 BGB sowie BGHZ 47, 380).

Ein Rückgriff auf diese allgemeinen Vorschriften verbietet sich jedoch, weil mit § 45 SGB I eine im öffentlichen Recht angesiedelte Verjährungsvorschrift besteht, die hier einschlägig ist und gegenüber den Regeln der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag Vorrang genießt (vgl. zur Verjährung von Ansprüchen nach dem BSHG allgemein BVerwG, Urteil vom 27. November 1986 - 5 C 74.85 - BVerwGE 75, 173). Das SGB I regelt insbesondere Angelegenheiten der Sozialhilfe (§ 9 SGB I). Nach § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Gegen eine Anwendung dieser Vorschrift hat das Verwaltungsgericht eingewandt, der Nothelfer habe als Dritter keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar ist der Nothelfer nicht hilfebedürftig im Sinne der Abschnitte 2 und 3 des Bundessozialhilfegesetzes (Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen, insbesondere bei Krankheit nach § 37 BSHG). Dennoch macht der Nothelfer einen sozialrechtlichen Anspruch geltend. Der Gesetzgeber hat ihm im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes einen eigenständigen Erstattungsanspruch für von ihm quasi als Geschäftsführer ohne Auftrag an einen Hilfebedürftigen geleistete Hilfe eingeräumt.

Dieser Anspruch ist - anders als beispielsweise die Erstattungsansprüche des Sozialleistungsträgers gegenüber Bedürftigen oder Dritten nach §§ 11 Abs. 2 und 3, 29 Satz 2, 92 a und 92 c BSHG ein echter, gegen einen Sozialleistungsträger (hier den Träger der Sozialhilfe) gerichteter Sozialleistungsanspruch. Die Erwägungen der Rechtsprechung zur Verjährung von Ansprüchen des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Hilfesuchenden oder einem Dritten (vgl. dazu z.B. auch BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1977 - BVerwGE 52, 60 ff.) sind daher auf diesen Anspruch nicht übertragbar. In Fällen wie dem Vorliegenden konkurrieren auch nicht Ansprüche des in Not Geratenen und des Nothelfers, sondern der sozialrechtliche Anspruch steht allein dem Nothelfer zu (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, NVwZ 1993, 994; für den Charakter eines solchen Anspruchs als Sozialleistungsanspruch nach dem BSHG vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2004, NJW 2004, 1969;. im Übrigen zum Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 SGB I z.B.: BSG, Urteil vom 1. August 1991, BSGE 69, 158 und Urteil vom 17. Juni 1999, FEVS 51, 259).

Geht man von der vierjährigen Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 SGB I aus, so wäre diese für die 1991 geleistete Nothilfe bei Klageerhebung am 7. Oktober 1998 ebenfalls abgelaufen. Die Verjährung ist jedoch durch den Antrag vom 31. August 1992 auf Gewährung einer Kostenerstattung (Eingang 1. September 1992, Verwaltungsvorgang Sh Bl. 22 ff) gemäß § 45 Abs. 3 SGB I unterbrochen worden. Diese Unterbrechung endete nicht durch eine Bescheidung des Antrags. Denn der Beklagte hat auch mit seinem Schreiben vom 13. Februar 1995 nur erklärt, vorläufig keinen Anlass zu einer Kostenübernahme zu sehen, bis zur Klageerhebung aber keinen die Erstattung endgültig ablehnenden Bescheid erlassen.

Somit stünde die Einrede der Verjährung dem mit der Klage verfolgten Erstattungsanspruch nicht entgegen. Letztlich kann die Frage der Verjährung sowie insbesondere auch die Frage, ob Verjährung nach § 45 SGB I auch im Falle einer damaligen Leistungsberechtigung der Frau R.-K. und ihres Kindes nach dem Asylberwerberleistungsgesetz in Betracht käme, jedoch dahinstehen. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung nach § 121 BSHG scheitert jedenfalls daran, dass sie den entsprechenden Antrag nicht innerhalb angemessener Frist gestellt hat (vgl. Satz 2 dieser Vorschrift).

Zwar hat sich die Klägerin bereits mit Schreiben vom 11. Juni 1991 an das Bezirksamt Schöneberg von Berlin wegen vermuteter Hilfebedürftigkeit der Frau R.-K. gewandt. Sie hat sich dann jedoch mit dem Hinweis dieses Amtes zufriedengegeben, dass von dort aus keine Sozialhilfeleistungen an Frau R.-K. erbracht würden und kein Vorgang vorhanden sei. Sie hat zunächst den Gedanken an eine Kostenerstattung nach § 121 BSHG aufgegeben und andere Ansprüche verfolgt, nämlich solche gegenüber der Hilfeempfängerin selbst, gegenüber ihrem späteren Ehemann, dem Vater des Kindes D., und ihren Eltern sowie gegenüber der AOK stellvertretend für eine etwa in Österreich gegebene Familienmitversicherung.

Der erst am 1. September 1992 (VV Sh. 22) bei einem anderen Bezirksamt, nämlich dem Bezirksamt Wedding eingegangene Antrag auf Kostenübernahme nach § 121 BSHG ist nicht mehr rechtzeitig gestellt worden. Er ist erst mehr als ein Jahr nach Abschluss der letzten Krankenhausbehandlung beim Träger der Sozialhilfe eingegangen. Unterbleibt eine rechtzeitige Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers nicht aus Gründen der Unvorhersehbarkeit und Eilbedürftigkeit der Hilfe, sondern infolge einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage des Hilfeempfängers durch den Helfer, so schließt dies einen Eilfall aus. Der Krankenhausträger hat selbst im Wege der Durchsetzung von Ansprüchen unmittelbar gegenüber dem Hilfeempfänger alles zu tun, um zur Befriedigung seiner Aufwendungen zu gelangen. Der Sozialhilfeträger darf nicht in die Stellung eines Ausfallbürgen gedrängt werden (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2001 - BVerwGE 114, 298 ff. = FEVS 53, 102 ff.). Der Träger der Sozialhilfe hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran, alsbald über einen möglichen Hilfefall unterrichtet zu werden, um ggf. selbst anderweitige Ersatzmöglichkeiten prüfen zu können (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1971, FEVS 18, 121, 124 f.). Hier hat die Klägerin, nach Erhalt der Mitteilung des Bezirksamts Schöneberg, dass Frau R.-K. dort keine Sozialhilfe bezog, offenbar angenommen, diese sei nicht hilfebedürftig, und erst, nachdem sie von der im Januar 1992 aufgenommenen Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt durch das Bezirksamt Wedding erfahren hatte und ihre Bemühungen, die Kosten von Frau R.-K., ihrem Vater, oder über die AOK zu erhalten, bis dahin nicht zum Erfolg geführt hatten, hat sie sich - zu spät - auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 121 BSHG besonnen und versucht, den Beklagten gleichsam zum Ausfallbürgen zu machen.

Die späte Antragstellung rechtfertigt sich auch nicht nach der Vereinbarung zwischen dem Land Berlin als Träger der Sozialhilfe und der Freien Universität Berlin - FU - aus dem Jahre 1974. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der FU für den Bereich des von Frau R.-K. in Anspruch genommenen Klinikums Rudolf Virchow. Nach II Nr. 8 und Nr. 9 dieser Vereinbarung hätte die Klägerin - Unabweisbarkeit der seinerzeit durchgeführten Behandlungen unterstellt - sofort Ansprüche gegenüber der von Frau R.- K. angegebenen österreichischen Krankenkasse (Tiroler Gebietskrankenkasse) einleiten und - bei Fehlanzeige - die Eltern der damals minderjährigen Patientin bzw. den späteren Ehemann und Vater des Kindes D. zur Leistung innerhalb von 10 Tagen auffordern müssen. Bei weiterer Fehlanzeige war nach der Vereinbarung Hilfebedürftigkeit zu vermuten. Alsdann hätte die zuständige Behörde innerhalb von drei Wochen vom Zeitpunkt der vermuteten Hilfebedürftigkeit an in Form einer Aufnahmeverhandlung nach dem Vordruck Soz III E 2 um Kostenübernahme gebeten werden müssen. So ist die Klägerin weder zeitlich noch in der Form verfahren.

Die zu den einzelnen Behandlungszeiträumen fehlenden so genannten Aufnahmeverhandlungen sind nicht mit der 1991 noch gegebenen Minderjährigkeit der Frau R.-K. zu rechtfertigen. Da sich die Eltern der damals 17-jährigen Patientin dauernd im Ausland aufhielten, hätten die Fragen aus dem Bogen Soz III E 2 auch ihr selbst gestellt werden können, zumal es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handelte, sondern um die Vorbereitung von sozialhilferechtlichen Ansprüchen; nach § 36 SGB I kann bereits ein Hilfesuchender, der das 15. Lebensjahr vollendet hat, selbst Anträge auf Sozialleistungen stellen.

Im Übrigen ist nach wie vor ungeklärt und wegen Zeitablaufs auch kaum mehr zu klären, ob Frau R.-K. seinerzeit über ihren Vater, ihren Stiefvater oder ihre Mutter (roter Hefter Bl. 3, 6 und 11) bei der Tiroler Gebietskrankenkasse (oder einer anderen Versicherung) familienmitversichert war. Zur Klärung hätte sich die Klägerin unmittelbar an die von der Patientin genannte Krankenkasse wenden müssen. Sie durfte sich nicht mit der Mitteilung der AOK begnügen, die darauf hingewiesen hatte, sie könne für eine österreichische Krankenkasse u.a. nur dann tätig werden, wenn sie von dieser Kasse dazu aufgefordert worden sei.

Schließlich ist als weitere Voraussetzung eines Anspruchs nach § 121 BSHG die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit der Frau R.-K. im Jahre 1991 ungeklärt. Es ist nicht bekannt, mit welchen Mitteln sie und ihr Kind D. bis zu dem bei dem Sozialamt Wedding im Januar 1992 gestellten Sozialhilfeantrag gelebt haben. Insbesondere ist ungewiss, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen sich damals der Vater des erwarteten und dann im Klinikum geborenen Kindes D. befand. Es ist möglich, dass er seinerzeit in der Lage gewesen wäre, jedenfalls einen Teil der streitbefangenen Heilbehandlungskosten aufzubringen.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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