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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: OVG 6 S 284.03
Rechtsgebiete: JGG, AuslG, BGB, VwGO


Vorschriften:

JGG § 27
AuslG § 30 Abs. 3
AuslG § 30 Abs. 4
AuslG § 55 Abs. 2
AuslG § 55 Abs. 3
BGB § 1684 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 S 284.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 4. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller zu 1), ein aus dem Kosovo stammender serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger, reiste erstmals und unter Angabe falscher Personalien im Dezember 1992 in das Bundesgebiet ein. Ein Asyl- und ein Asylfolgeantrag blieben erfolglos; einen weiteren Asylfolgeantrag nahm der Antragsteller zurück. Im März 1998 wurde er aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Einen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Abschiebung stellte er nicht. Nach eigenen Angaben reiste er Anfang August 1998 wieder und erneut unter Verwendung von Alias-Personalien ins Bundesgebiet ein, wo er bei einem Einbruchsdiebstahl gestellt und am 5. August 1998 inhaftiert wurde. In der Folgezeit offenbarte der Antragsteller seine tatsächliche Identität und gab an, die Antragstellerin zu 2), eine deutsche Staatsangehörige, heiraten zu wollen. Im Juni 2001 wurde der Antragsteller erneut aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben.

Während dieser Voraufenthalte wurde der Antragsteller, der unter insgesamt sechs verschiedenen Alias-Personalien auftrat, mehrfach straffällig. Im Mai 1994 sprach ihn das Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen Diebstahles in zehn Fällen nach § 27 JGG schuldig. Unter Einbeziehung dieses Schuldspruches verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten im Juni 1994 wegen Diebstahles in drei Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wiederum unter Einbeziehung dieser Vorverurteilung verhängte das Amtsgericht Tiergarten im März 1997 gegen den Antragsteller eine Jugendstrafe von zwei Jahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Unterschlagung, Urkundenfälschung in drei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und eines Vergehens gegen das Ausländergesetz. Das Amtsgericht Weiden/Oberpfalz verurteilte den Antragsteller (unter dem Namen Tomislav Skledar) im November 1998 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen. Im Februar 1999 verhängte das Amtsgericht Braunschweig gegen den Antragsteller wegen Diebstahles in 23 Fällen, davon in 22 Fällen wegen Versuchs, eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Die gegen ihn verhängten Freiheitsstrafen hat der Antragsteller nach eigenen Angaben voll verbüßt.

Im September 2001 reiste der Antragsteller erneut und ohne zuvor die Befristung der Wirkungen der Abschiebungen beantragt zu haben, ins Bundesgebiet ein. Seine Papiere verwahrte die Antragstellerin zu 2) im Schlafzimmerschrank ihrer Eltern. Am 25. März 2002 wurde der Antragsteller festgenommen. Bei dieser Gelegenheit wies er sich wie bereits auch bei einer vorhergehenden Ausweiskontrolle mit einem gefälschten italienischen Personalausweis aus, der nach Erkenntnissen der Polizei in Italien als gestohlen registriert war. Weiter führte er einen ebenfalls gefälschten italienischen Führerschein mit sich. Gegenüber der Polizei gab er an, vor drei Wochen illegal eingereist zu sein. Seine Verlobte, die Antragstellerin zu 2), habe ihn vor etwa sechs Monaten in Jugoslawien besucht. Seither sei sie schwanger. Er wolle sie heiraten, habe aber Probleme, weil man ihn nicht legal nach Deutschland kommen lasse. Deswegen sei er illegal über Italien und Österreich eingereist. Er wisse, dass die Papiere, die er im Januar 2002 in Mailand erworben habe, falsch seien. Sein wichtigstes Ziel sei, mit der Antragstellerin zu 2) in Berlin zusammen zu sein. Am 27. März 2002 gab er gegenüber dem Amtsgericht Schöneberg an, er habe die Antragstellerin zu 2) im Jahre 2001 geheiratet. Er habe hier ein Kind. Er möchte freiwillig ausreisen, werde aber immer wiederkommen.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 2. April 2002 drohte das Landeseinwohneramt Berlin dem Antragsteller zu 1) die Abschiebung aus dem Abschiebegewahrsam an. Wegen einer der Antragstellerin zu 2) ärztlich bescheinigten Risikoschwangerschaft verpflichtete das Verwaltungsgericht Berlin den Antragsgegner jedoch im Wege einstweiliger Anordnung, dem Antragsteller zu 1) eine Duldung zu erteilen. Diese erhielt der Antragsteller zu 1) unter wiederholter Verlängerung bis zum 12. Juni 2003; seitdem ist er lediglich im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung. Am 14. Juni 2002 wurde er nachts auf dem Autohof Wollin und damit außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches seiner Duldung angetroffen. Gegenüber dem Antragsgegner gab er dazu an, er habe mit seiner Freundin nach Potsdam in eine Diskothek gewollt und sei einfach nur weiter gefahren. Im November 2002 wurde der Antragsteller zu 3) geboren, für den der Antragsteller zu 1) die Vaterschaft anerkannt und mit der Antragstellerin zu 2) die gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben hat. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für den Antragsteller zu 1) lehnte das Landeseinwohneramt Berlin unter dem 13. Mai 2003 ab. Über die hiergegen erhobene Klage (VG 11 A 534.03) ist noch nicht entschieden.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29. Juli 2003 hat das Verwaltungsgericht den gemeinsamen Antrag der Antragsteller zurückgewiesen, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zu 1) eine Duldung für die Dauer des Klageverfahrens zu erteilen.

Hiergegen haben die Antragsteller am 4. August 2003 Beschwerde erhoben, mit der sie rügen, der Beschluss sei verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen, das Verwaltungsgericht habe die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederholt hervorgehobene überragende Bedeutung des Schutzes der familiären und häuslichen Beistandsleistung eines Ausländers zu seinem berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland lebenden sehr kleinen Kind verkannt, die Rechte des Antragstellers zu 3) nicht gewürdigt und nicht ausreichend berücksichtigt, dass es den Antragstellern lediglich um die Sicherung des Aufenthaltes des Antragstellers zu 1) bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gehe. Der Antragsteller zu 3) sei erheblich auf den Antragsteller zu 1) fixiert, der sich wegen der Berufstätigkeit der Antragstellerin zu 2) in erster Linie um ihn kümmere. Nachdem der Antragsteller zu 1) - am 4. oder 5. August 2003 - in Abschiebehaft genommen worden sei, reagiere der Antragsteller zu 3) auf die Trennung mit Unruhe, verminderter Nahrungsaufnahme, Schlafstörungen sowie heftigem Schreien.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die mit ihr vorgebrachten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung des Beschwerdegerichtes sind (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen eine Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Ein Anordnungsanspruch besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Beschwerde folgt aus der Vater-Kind-Beziehung zwischen dem Antragsteller zu 1) und dem Antragsteller zu 3) weder die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG noch ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 55 Abs. 3 AuslG für die Dauer des Klageverfahrens VG 11 A 534.03; die Abschiebung des Antragstellers zu 1) ist auch nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich.

Rechtlich unmöglich im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG ist eine Abschiebung, wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden darf, wobei sich ein zwingendes Abschiebungshindernis außer aus einschlägigen Bestimmungen des Ausländergesetzes auch unmittelbar aus den Grundrechten ergeben kann (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 9.95 -, InfAuslR 1997, 355, 358; Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 C 19.96 -, InfAuslR 1998, 213, 214). Im Hinblick auf die wertentscheidende Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, liegt ein zwingendes Abschiebungshindernis insbesondere dann vor, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch eine Ausreise zu unterbrechen (vgl. BVerwG, jeweils a.a.O). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG gilt in erster Linie der Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft; in der Familie und der elterlichen Erziehung findet die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes eine wesentliche Grundlage (BVerfGE 80, 81, 90; Kammerbeschluss vom 30. Januar 2002, InfAuslR 2002, 171, 173). Besteht eine solche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit ist und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (BVerfGE 76, 1, 49 ff.; BVerfGE 80, 81, 93 ff.; Kammerbeschluss vom 10. August 1994, InfAuslR 1994, 395; Kammerbeschluss vom 31. August 1999, NVwZ 2000, 59; Kammerbeschluss vom 30. Januar 2002, a.a.O.). In den Schutzbereich der Verfassungsnorm sind auch Väter nichtehelicher Kinder einbezogen, sofern ihre Vaterschaft nach den einschlägigen Vorschriften feststeht (BVerfGE 92, 158, 176).

Nach diesen Maßgaben ist davon auszugehen, dass zwischen dem Antragsteller zu 1) und dem Antragsteller zu 3) eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft besteht. Die Antragsteller leben in einer gemeinsamen Wohnung zusammen, besitzen also einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt; dies spricht bereits vom äußeren Erscheinungsbild für eine familiäre Lebensgemeinschaft in der Form einer Beistandsgemeinschaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1998 - 1 C 28.96 -, NVwZ 1998, 745, 747). Darüber hinaus ergibt sich aus den mit der Beschwerde und in dem Parallelverfahren VG 11 A 778.03 (OVG 6 S 266.03) vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Antragsteller zu 1) und 2) vom 31. Juli 2003 und der Eltern sowie des Bruders der Antragstellerin zu 2) vom 5. August 2003, dass der Antragsteller zu 1) in wesentlichem Umfang Erziehungs- und Betreuungsleistungen für den Antragsteller zu 3) erbringt.

Gleichwohl erweist sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles die Abschiebung des Antragstellers zu 1) nicht als rechtlich unmöglich. Vielmehr ist den Antragstellern, insbesondere den Antragstellern zu 1) und 3) auch angesichts des dem Kind nach § 1684 Abs. 1 BGB zustehenden Anspruches auf Umgang mit jedem Elternteil und der im Kleinkindalter gemeinhin rasch fortschreitenden Entwicklung, eine mit der Abschiebung des Antragstellers zu 1) einhergehende vorübergehende Unterbrechung ihrer familiären Beziehungen zumutbar. Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG überlagert die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Ausländergesetzes nicht schlechthin und ausnahmslos. Das Bundesverfassungsgericht geht vielmehr in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, bei einer bestehenden Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind einwanderungspolitische Belange nur in der Regel zurückdrängt, sofern diese Gemeinschaft allein im Bundesgebiet verwirklicht werden kann (vgl. nur Kammerbeschluss vom 30. Januar 2002, a.a.O., m.w.N.). Im Einzelfall können Belange der Bundesrepublik Deutschland das durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte private Interesse des Ausländers und seines deutschen Kindes an der Aufrechterhaltung der zwischen ihnen bestehenden Lebensgemeinschaft überwiegen. Dies ist allerdings nicht ohne weiteres bereits dann der Fall, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, weil durch das nachträgliche Entstehen der verfassungsrechtlich geschützten Lebensgemeinschaft eine neue Situation eingetreten ist (Kammerbeschlüsse vom 10. August 1994 und vom 31. August 1999, jeweils a.a.O.).

Im Falle der Antragsteller überwiegen die Belange der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Interesse der Antragsteller an einem ununterbrochenen Fortbestand ihrer familiären Gemeinschaft. Der Antragsteller zu 1) hat bei seinen Voraufenthalten in den Jahren 1992 bis 2001 in erheblichem Maße gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen. Er hat sich darüber hinaus für lange Zeit unter verschiedenen Alias-Personalien im Bundesgebiet aufgehalten und sowohl durch die Einreise im Dezember 1992 unter falschem Namen als auch durch die jeweilige illegale Einreise nach vorhergehender Abschiebung gröblich und beharrlich gegen die Bestimmungen des Ausländerrechtes verstoßen. In diesem Verhalten und in seinen Äußerungen nach der Festnahme im März 2002, er sei illegal nach Deutschland gekommen, weil man ihn nicht legal hierher lasse und er werde immer wiederkommen, zeigt sich, dass der Antragsteller seine eigenen Interessen sehenden Auges und unbeeindruckt von gegen ihn ergriffenen Sanktionen bewusst über die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland stellt. Dies kommt weiter dadurch zum Ausdruck, dass er sich im Januar 2002 nach Italien begeben und dort falsche Papiere erworben hat; bei der anschliessenden Rückkehr ins Bundesgebiet ist er ein drittes Mal illegal eingereist und durch die Verwendung der gefälschten Papiere hat er sich - zudem noch zu einem Zeitpunkt, als die Antragstellerin zu 2) bereits schwanger war - strafbar gemacht (§ 267 StGB). Ohne ersichtlichen Grund hat er am 13./14. Juni 2002 die räumliche Beschränkung der ihm erteilten Duldung missachtet, nachdem er zuvor die - seinerzeit risikoschwangere - Antragstellerin zu 2) zu einer Diskothek gebracht hatte. Er hat darüber hinaus im Freiheitsentziehungsverfahren im März 2002 der Wahrheit zuwider behauptet, vor drei Wochen - statt im September 2001 - illegal eingereist, verheiratet und Vater eines Kindes zu sein. Seinen derzeitigen Aufenthalt hat er nur durch den bewussten Verstoß gegen die gesetzlichen Einreisebestimmungen erlangt, wobei ihm die Antragstellerin zu 2) zumindest dadurch behilflich war, dass sie im Schrank ihrer Eltern seinen Pass verwahrte und ihm so den Gebrauch gefälschter Papiere bei etwaigen Kontrollen erleichterte.

Angesichts der kontinuierlichen Verstöße des Antragstellers zu 1) gegen ausländer- und strafrechtliche Bestimmungen über einen Zeitraum von annähernd zehn Jahren kann nicht angenommen werden, dass die Geburt eines Kindes ihn dauerhaft von weiterem illegalen Verhalten abhalten wird. Dies spricht gegen seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Maßgebend tritt hinzu, dass durch die Erteilung der begehrten Duldung der mit der illegalen Einreise angemaßte Aufenthalt des Antragstellers privilegiert und der so geschaffene Zustand mit der Zielrichtung eines Daueraufenthaltes verlängert werden würde. Dies birgt angesichts der nicht von der Hand zu weisenden Vorbildwirkung die Gefahr eines mit den Belangen der Bundesrepublik Deutschland nicht zu vereinbarenden Leerlaufens der Einreisebestimmungen.

Umstände, die gleichwohl geeignet wären, die vorbezeichneten Belange der Bundesrepublik Deutschland wiederum zurücktreten zu lassen, sind nicht ersichtlich. Auf die infolge der Abschiebehaft eingetretene Unterbrechung des Kontaktes zu dem Antragsteller zu 1) hat der Antragsteller zu 3), wie sich insbesondere der mit der Beschwerde vorgelegten Bescheinigung des Kinderarztes vom 11. August 2003 entnehmen lässt, lediglich alters- und entwicklungsgerecht reagiert. Bei dem üblichen Entwicklungsstand eines noch nicht einmal einjährigen Kleinkindes ist davon auszugehen, dass die von den Antragstellern mitgeteilten Verhaltensauffälligkeiten des Antragstellers zu 3) in absehbarer Zeit nachlassen werden, wenn sie nicht bereits abgeklungen sind. Dass die Versorgung und Betreuung des Antragstellers zu 3) wegen der Berufstätigkeit der Antragstellerin zu 2) nicht sichergestellt ist, behauptet die Beschwerde nicht; dies wäre angesichts des Umstandes, dass sich zumindest die Eltern und ein Bruder der Antragstellerin zu 2) in Berlin aufhalten, auch wenig überzeugend.

Der Senat sieht jedoch Anlass zu dem Hinweis, dass es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht zulässig erscheint, den Antragsteller zu 1) länger als zwölf Monate vom Bundesgebiet fern zu halten. Dies gilt jedenfalls, solange nicht weitere gegen eine Wiedereinreise des Antragstellers zu 1) sprechende Umstände, die bislang noch nicht aktenkundig geworden sind, eintreten oder bekannt werden. Der genannte Zeitraum von maximal zwölf Monaten schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Antragsteller zu 1) und 3) am Fortbestand ihrer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Befolgung und Durchsetzung der ausländerrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen andererseits. Den Antragstellern zu 2) und 3) kann zugemutet werden, für einen solchen - überschaubaren - Zeitraum den Kontakt zu dem Antragsteller zu 1) durch Besuchsreisen aufrechtzuerhalten.

Nach allem kommt auch im Hinblick auf § 55 Abs. 3 AuslG eine Duldung des Antragstellers zu 1) bis zu einer Entscheidung über die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht in Betracht. Im Übrigen steht dem Antragsteller zu 1) ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht zu. Die Voraussetzungen der insoweit in Betracht zu ziehenden Regelungen des § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG sind nicht erfüllt. Dies gilt für § 30 Abs. 3 AuslG deshalb, weil die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung nicht gegeben sind. Für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG fehlt es an dem Besitz einer Duldung. Außerdem ist der Antragsteller zu 1) nicht seit mindestens zwei Jahren, sondern erst auf Grund der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung vom 2. April 2002 unanfechtbar ausreisepflichtig; auf die während seiner Voraufenthalte gegen ihn ergangenen unanfechtbaren Ausreiseaufforderungen und Abschiebungsandrohungen kann er sich nicht mehr berufen, nachdem seine diesbezügliche Ausreisepflicht im Wege der Abschiebung durchgesetzt worden ist.

Die von den Antragstellern behaupteten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Nach § 146 Abs. 4 VwGO in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kommt es darauf nicht an; vielmehr trifft das Beschwerdegericht - im Rahmen der Beschwerdebegründung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - eine eigenständige Entscheidung über das streitgegenständliche Begehren (Beschluss des Senats vom 24. Juni 2003 - OVG 6 S 133.03 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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