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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: OVG 6 S 343.03
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
AuslG § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 S 343.03

Beschluss

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 26. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. September 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage (VG 15 A 274.01) des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, soweit sie auf die Erteilung einer unbefristeten, hilfsweise auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist.

Die hiergegen erhobene Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Sie ist bereits unzulässig. Der Antragsteller hat mit der Beschwerdeschrift vom 11. September 2003 ausdrücklich den bestimmten Antrag gestellt, "den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen und von Abschiebungsmaßnahmen Abstand zu nehmen". Einen solchen, auf § 123 Abs. 1 VwGO gestützten Antrag hat der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren nicht verfolgt. Es handelt sich mithin um eine Antragsänderung, die indes im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO unzulässig ist (OVG Berlin, Beschluss vom 11. April 2003 - OVG 4 S 38.02 -; OVG Münster, Beschluss vom 25. Juli 2002 - 18 B 1136.02 -, NVwZ-RR 2003, 72; ablehnend, allerdings in der Sache offen lassend, auch OVG Berlin, Beschluss vom 19. November 2003 - OVG 8 S 124.03 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Oktober 2002 - 4 Bs 257.02 -, juris). Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 4 VwGO nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer mit ihr die Gründe darlegt, aus denen aus seiner Sicht die Entscheidung zu ändern oder aufzuheben ist und er sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzt. Das Beschwerdeverfahren dient folglich weiterhin ausschließlich der rechtlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung; bezog diese sich auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO, so ist für einen im Wege einer Antragsänderung zu verfolgenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren kein Raum (OVG Berlin, Beschluss vom 11. April 2003, a.a.O.; OVG Münster, a.a.O.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beschwerdebegründung vom 26. September 2003 eindeutig auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzielt. Zwar reicht nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 13. Oktober 2003 - OVG 6 S 355.03 -) für das von der Beschwerde zu erfüllende Zulässigkeitserfordernis eines bestimmten Antrages (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) aus, dass dem Beschwerdevorbringen das mit dem Rechtsmittel verfolgte Ziel und damit auch der Beschwerdeantrag entnommen werden kann, sodass es eines ausdrücklich formulierten Antrages nicht bedarf (so auch OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 3 Bs 253.02 -, juris; VGH Mannheim, Beschluss vom 1. Juli 2002 - 11 S 1293.02 -, NVwZ 2002, 1388). Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn die Beschwerdebegründung und der bestimmte (Beschwerde-)Antrag, die nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO gleichberechtigte, kumulativ zu erfüllende Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde darstellen, in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander stehen. § 146 Abs. 4 VwGO belastet in seiner seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung den Beschwerdeführer mit der Obliegenheit, den von ihm gewünschten Umfang der Prüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Beschwerdegericht dadurch zu bestimmen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), dass er sich inhaltlich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und einen bestimmten Antrag formuliert. Unklarheiten, die - wie hier - nicht mehr durch Auslegung zu überwinden sind, gehen damit zu Lasten des Beschwerdeführers. Dies unterliegt angesichts des Vertretungszwanges im Beschwerdeverfahren (§ 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO) keinen durchgreifenden Bedenken. Eine Umdeutung des anwaltlich gestellten Antrages kommt nicht in Betracht (Beschluss des Senats vom 18. Juni 2003 - OVG 6 S 161.03-; OVG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2003 - OVG 3 S 22.02 -, AuAS 2003, 138).

Unbeschadet der vorstehenden Ausführungen bleibt der Beschwerde im Übrigen auch deswegen der Erfolg versagt, weil das - gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende - Beschwerdevorbringen keinen Anlass bietet, den angefochtenen Beschluss zu ändern oder aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen nicht angenommen werden kann, dass der Antragsteller mit seiner zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hat. Mit diesen Ausführungen setzt sich die Beschwerde nicht in der nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise auseinander. Mit den vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Widersprüchen, die bei der getrennten Befragung der damaligen Ehegatten am 21. Juni 1995 zu Tage getreten waren, befasst sie sich im Einzelnen nicht und löst diese nicht auf. Gegenüber dem Umstand, dass der Antragsteller bei einer Hausermittlung im Juni 1998 von den befragten Nachbarn nicht wiedererkannt worden ist, verweist sie lediglich auf die - theoretische - Möglichkeit, dass hierfür auch andere Gründe denkbar seien, etwa mangelndes Wiedererkennen auf den gezeigten Lichtbildern oder mangelnde Kooperationsgemeinschaft mit der Polizei, ohne diese Spekulationen durch weiteren Tatsachenvortrag zu erhärten. Den vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang hervorgehobenen Umstand, dass bei einer Hausermittlung im Januar (richtig: Februar) 1995 die befragten Mieter durchweg angegeben hatten, die damalige Ehefrau des Antragstellers sei nicht verheiratet, erörtert die Beschwerde nicht. Sie unternimmt auch nicht den Versuch, die vom Verwaltungsgericht dargelegten Widersprüche in der eidesstattlichen Versicherung der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers vom 7. Januar 1997 zu erklären oder den vom Verwaltungsgericht gewonnenen Eindruck, dass allenfalls auf Seiten der damaligen Ehefrau der Wunsch und die Absicht bestanden haben, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen, zu widerlegen. Hierfür reicht der Hinweis, dass in den eidesstattlichen Versicherungen eine auch von Emotionen und Enttäuschungen geprägte eheliche Gemeinschaft geschildert sei, und dass sich die damalige Ehefrau in einer im Falle einer bloßen Begegnungsgemeinschaft nicht erklärlichen Weise emotional dem Antragsteller gegenüber verhalten habe, indem sie ihn wiederholt aus Wut abgemeldet habe, nicht aus.

Die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO eforderliche Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung wird durch die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen und schriftlicher Erklärungen von Bekannten des Antragstellers sowie seiner geschiedenen Ehefrau nicht ersetzt. Diese Erklärungen sind vor allem in zeitlicher Hinsicht in hohem Maße vage und unsubstanziiert. Die Verfasser geben im Kern nur aus gelegentlichen Zusammentreffen mit den damaligen Eheleuten gewonnene subjektive Wertungen wieder ("... hatte den Eindruck, dass beide ein Ehepaar waren und ebenso zusammen gelebt haben"; "... habe einen sehr positiven Eindruck ... gehabt"), die sich einer objektiven Prüfung entziehen. Die außerordentlich knapp gehaltene schriftliche "Bestätigung" der geschiedenen Ehefrau und - offenbar - ihres jetzigen Ehemannes ist wenig aussagekräftig und im Übrigen nicht geeignet, entgegen den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses eine eheliche Lebensgemeinschaft annehmen zu lassen.

Mithin steht dem Antragsteller auch kein aus Artikel 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) ableitbarer Anspruch zu. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urteil vom 17. Juni 1998 - 1 C 27.96 -, InfAuslR 1998, 424, 428 = BVerwGE 107, 58 ff.) festgestellt.

Gegenüber der vom Antragsteller zwischenzeitlich geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass der diesbezügliche Aufenthaltserlaubnisantrag nicht geeignet ist, die Fiktionswirkung des erlaubten oder geduldeten Aufenthaltes auszulösen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AuslG) und ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit unzulässig wäre. Dem tritt die Beschwerde nicht entgegen. Im Hinblick auf den von ihr gestellten Antrag sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 27. August 2003 - OVG 6 S 222.03 -) angesichts der in § 69 AuslG zu Tage tretenden Regelungskonzeption des Ausländergesetzes die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus gesetzessystematischen Gründen grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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