Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: OVG 6 S 460.04
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
AuslG § 55 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 S 460.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 16. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. November 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe:

Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den ausschließlichen Überprüfungsgegenstand des Rechtsmittelverfahrens bildet, rechtfertigt keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage so genannter zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse - also insbesondere die Frage der Behandelbarkeit der geltend gemachten psychischen Erkrankung der Antragstellerin zu 1. in ihrer Heimat - mit bindender Wirkung (§ 42 Satz 1 AsylVfG) für die Ausländerbehörde durch die rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren beantwortet ist.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend eine Reiseunfähigkeit und damit eine rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG verneint. Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Entscheidend ist nicht, ob das Verwaltungsgericht zu Recht nicht nachvollziehen konnte, warum die Antragstellerin zu 1. zeitweise von zwei Fachärzten behandelt wurde und auch nicht, ob die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts richtig ist, dass die Anfälle für die Antragstellerin kein Anlass waren, sich unverzüglich in ärztliche Behandlung zu begeben. Maßgeblich ist vielmehr, dass auch mit den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Attesten eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. weder im Sinne einer Transportunfähigkeit noch im Sinne einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung durch den Abschiebungsvorgang selbst glaubhaft gemacht wurde.

Dass die Antragstellerin zu 1. transportunfähig wäre, also auch mit der vom polizeiärztlichen Dienst des Antragsgegners vorgeschlagenen und vom Antragsgegner zugesicherten Begleitung eines Arztes und weiteren medizinischen Personals, nicht einen relativ kurzen Flug in ihre Heimat antreten könnte, ist nicht einmal im Ansatz dargetan. Die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Atteste setzen sich mit dieser Frage nicht auseinander. Die Zweifel an der Reise- und Flugfähigkeit werden nicht näher erläutert und insbesondere im Attest von Dr. I. mit der Problematik der Behandelbarkeit im Heimatland, die im gegenwärtigen Verfahrensstand unbeachtlich ist, sowie mit Anregungen für die Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel vermengt. Dass, wie die Beschwerde meint, Transportunfähigkeit schon deswegen bestehen soll, weil vorsorglich eine medizinische Begleitung bereit gestellt wird, ist nicht nachvollziehbar. Transportfähigkeit ist nicht mit vollkommener Gesundheit gleichzusetzen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragstellerin zu 1. durch den Vorgang der Abschiebung selbst eine wesentliche und dauerhafte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes erleiden wird, sodass die Frage nicht beantwortet zu werden braucht, ob im vorliegenden Zusammenhang ein sich aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebendes Abschiebungshindernis nicht überhaupt erst dann anzunehmen wäre, wenn schwerste Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit einschließlich der geistigen Unversehrtheit drohen (so OVG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2003 - 3 Bs 439/02 - NordÖR 2003, 414; wesentliche Verschlechterung genügt: VGH Mannheim, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2003, 423). Worauf die Annahme gründet, die Rückführung sei sicher mit einer Retraumatisierung verbunden, wird im mit der Beschwerde vorgelegten Attest von Dr. I. nicht erläutert. Hierzu hätte aber besonderer Anlass bestanden, da die bereits 1991 nach Deutschland eingereisten Antragsteller unstreitig keinerlei eigene Bürgerkriegserlebnisse erfahren haben. Die Antragstellerin zu 1. soll lediglich durch Fernsehbilder sekundär traumatisiert worden sein. Warum dann die Rückkehr in ihre Heimat "sicher" zu einer Retraumatisierung führen soll, ist nicht erkennbar. Auch eine sonstige wesentliche und dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht glaubhaft gemacht. In beiden im Beschwerdeverfahren vorgelegten ergänzenden Attesten wird zwar von einer Häufung der Anfälle bei einer zwangsweisen Rückführung ausgegangen. Dies genügt jedoch nicht. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass in den Attesten der die Antragstellerin zu 1. seit langem behandelnden Ärzte nicht dargetan ist, dass die Anfälle gesundheitliche Folgeschäden hätten. Derartige Darlegungen fehlen auch in den im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen. Das Beschwerdevorbringen, dass die Antragstellerin nach einem Anfall "in der Regel" einen Notarzt habe rufen müssen, bleibt unsubstanziiert. Eine Glaubhaftmachung ist nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

Zurück