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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 27.08.2003
Aktenzeichen: OVG 8 B 17.02
Rechtsgebiete: AuslG 1990, VwGO


Vorschriften:

AuslG 1990 § 3 Abs. 1
AuslG 1990 § 3 Abs. 3
AuslG 1990 § 7 Abs. 1
AuslG 1990 § 7 Abs. 2 Nr. 3
AuslG 1990 § 28 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO § 114
Bestehen begründete Bedenkengegen die Rückkehrbereitschaft des Ausländers, kann die Erteilung eines Besuchsvisums durch die zuständige Auslandsvertretung verweigert werden, auch wenn die Intensität der Zweifel noch nicht die Anforderungen des Regelversagungsgrundes des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG erfüllt.

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Besuchsvisums, hilfsweise die Feststellung, dass die Ablehnung des Besuchsvisums rechtswidrig gewesen ist.

Der 23-jährige ledige Kläger indischer Staatsangehörigkeit beantragte am 19. März 2001 bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Neu Delhi die Erteilung eines Besuchsvisums für einen Aufenthalt bei einer deutschen Staatsangehörigen in Hannover für den Zeitraum vom 10. April bis 9. Juli 2001. Bei der Antragstellung gab er an, er sei Student. In den Jahren 1999/2000 hatte er ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen am "Food Craft Institute, Chandigarh" einen Kurs in "Bakery & Confectionery" sowie in dessen Rahmen ein "Job Training" in einer Hotelbäckerei absolviert. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Neu Delhi lehnte den Antrag durch Bescheid vom 20. März 2001 ohne Begründung ab.

Zur Begründung seiner Klage, hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen:

Als kurz vor der Zwischenprüfung stehender Informatikstudent, der noch anderthalb Jahre bis zum Abschluss zu studieren habe, werde er nach Ablauf des Besuchszeitraums nach Indien zurückkehren. Zweifel an seiner Rückkehrbereitschaft seien daher unbegründet. Er lebe in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen und habe daher keinen Grund, sein Studium abzubrechen, um in Deutschland zu bleiben. Er habe die Zwischenprüfung bereits im Februar/März 2001 abgelegt.

Die Klage und die vom Senat wegen eines Verfahrensfehlers zugelassenen Berufung blieben erfolglos.


Gründe:

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages bereits unzulässig, denn insoweit fehlt es am Rechtsschutzinteresse.

Das Begehren, ein Besuchsvisum für den Zeitraum vom 10. April 2001 bis zum 9. Juli 2001 zu erhalten, hat sich durch Zeitablauf erledigt. Von dem ein solches Visum ablehnenden Bescheid vom 20. März 2001 gehen aktuell keine den Kläger unmittelbar belastenden Rechtswirkungen mehr aus. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Kläger an seinem Besuchswunsch prinzipiell festhält. Dabei kann dahinstehen, ob ihm ein Anspruch des Inhalts zustehen könnte (vgl. etwa § 28 Abs. 4 AuslG), ihm einen dreimonatigen Besuchsaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland durch ein zeitlich nicht näher bestimmtes Visum zu erlauben, denn einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bei der zuständigen Botschaft nicht gestellt, sodass ein solches Begehren nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden könnte.

Der Hilfsantrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) indessen zulässig.

Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Obgleich das Gesetz die Fortsetzungsfeststellungklage der Anfechtungsklage zuordnet, ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch auf in der Vergangenheit liegende Rechtsverletzungen durch die Ablehnung eines Verwaltungsakts, also auch auf Verpflichtungsklagen, analog anwendbar (Kopp/Schenke, VwGO, 13 Aufl. 2003, § 113 Rn. 109).

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, dass der Bescheid vom 20. März 2001 rechtswidrig war, ist gegeben.

Nicht anders als beim Feststellungsinteresse gemäß § 43 Abs. 1 VwGO genügt für die Bejahung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses jedes auf Grund vernünftiger Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (Kopp/Schenke, a.a.O. Rn. 129). Das Feststellungsinteresse ist ferner zu bejahen bei Wiederholungsgefahr, sofern diese hinreichend konkret ist (Kopp/Schenke, a.a.O. Rn. 141). Konkrete Wiederholungsgefahr ist hier gegeben. Da der Kläger, wie er ausdrücklich hat erklären lassen, trotz der bereits erfolgten Ablehnung des beantragten Visums an seinem Wunsch festhält, die in Hannover lebende deutsche Staatsangehörige zu besuchen, läuft er Gefahr, dass ein erneuter Visumsantrag bei gleicher Sachlage wiederum mit der Begründung abgelehnt werden wird, es bestünden Zweifel an seiner Bereitschaft, nach Ablauf der zeitlichen Gültigkeit eines Besuchsvisums nach Indien zurückzukehren, denn er erstrebe in Wahrheit einen Daueraufenthalt in Deutschland.

Der Hilfsantrag ist aber unbegründet.

Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht ein Besuchsvisum verweigert, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die vom Kläger vor der Einreise in Form des Sichtvermerks einzuholende (§ 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG) Aufenthaltsgenehmigung zum Besuch der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen als Aufenthaltsbewilligung zu erteilen wäre, die gemäß §§ 7 Abs. 1, 28 Abs. 1 AuslG im gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren (§ 114 VwGO) Ermessen der zuständigen deutschen Auslandsvertretung steht (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. § 28 AuslG Rn. 8; Remmel, in GK-AuslR, § 28 Rn 21; Hailbronner, Ausländerrecht, § 28 AuslG Rn. 9 und 10; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 28 AuslG Rn. 12). Dieses hat die Beklagte, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, ermessensfehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass dem Kläger das begehrte Besuchsvisum verweigert worden ist. Bei ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte das private Interesse des Klägers an dem Besuch seiner deutschen Bekannten mit den dagegen sprechenden öffentlichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abgewogen und dem öffentlichen Interesse an einer kontrollierten und gesteuerten Einreise in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Vorrang eingeräumt.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG wird eine Aufenthaltsgenehmigung in der Regel versagt, wenn der Aufenthalt des Ausländers Interessen der Bundesrepublik Deutschland aus sonstigen, nicht in § 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AuslG angeführten Gründen beeinträchtigt oder gefährdet. Zu den in der Vorschrift angesprochenen Interessen gehört das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Aufenthaltsrechts einschließlich der Einreisevorschriften, um insbesondere dem Versuch einer unerwünschten Einwanderung vorzubeugen. Danach hat ein Ausländer, soweit er nicht vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung befreit ist bzw. die Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise eingeholt werden kann (§§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 AuslG, 1 ff. und 9 DVAuslG), eine Aufenthaltsgenehmigung vor der Einreise in der Form des Sichtvermerks (Visums) einzuholen (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AuslG). Die Art der vom Ausländer beantragten Aufenthaltsgenehmigung hat dabei dem angestrebten Aufenthaltszweck zu entsprechen. Reist ein Ausländer mit einem Visum ein, das ihn nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt berechtigt, während seine Einreise und der geplante Aufenthalt von vornherein einen anderen, etwa auf Dauer gerichteten Aufenthaltszweck verfolgen, ihm also der erforderliche Rückkehrwille nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Aufenthaltstitels fehlt, beeinträchtigt er Interessen der Bundesrepublik Deutschland (vgl. OVG NW, Urteil vom 31. Mai 1995 - 17 A 3538.92 - EZAR 011 Nr. 5; Remmel, a.a.O. Rn. 13).

Ob die Gefährdung bzw. Beeinträchtigung dieses öffentlichen Interesses im vorliegenden Fall eine solche Intensität erreicht, dass sogar der Regelversagungsgrund vorliegt, das begehrte Visum zwingend abzulehnen, für die Ausübung von Ermessen also nur Raum wäre, wenn besondere Gründe eine Ausnahme von der Regel rechtfertigten, mag dahinstehen. Auch Gefährdungen und Beeinträchtigungen von geringerer Intensität, die im Regelfall eine Ermessensausübung nicht ausschließen, können zur Versagung des Visums führen (Remmel, a.a.O. Rn. 21). Im Falle des Klägers liegen gewichtige, konkrete Anhaltspunkte für den Versuch vor, dass er einen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland dazu nutzen könnte, sich hier auf Dauer niederzulassen, sodass keine Rede davon sein kann, dass er als junger Inder generell verdächtigt werde, ein Besuchsvisum zur Erschleichung eines Daueraufenthaltes zu missbrauchen. Denn er hat zunächst über seine wahren persönlichen Verhältnisse in Indien zu täuschen versucht. Bei seinen Angaben, er sei "Student" von Beruf, er studiere "in seinem Heimatland Informatik bzw. ein Fach, welches diesem deutschen Fach ähnelt", er lege in Kürze die Zwischenprüfung ab bzw. habe diese schon abgelegt, müsse also heimkehren, um sein Studium alsbald erfolgreich abzuschließen, handelt es sich um offensichtliche Unwahrheiten und nicht nur, wie er glauben machen will, um Missverständnisse zwischen ihm und seiner deutschen Bekannten. Denn später musste er einräumen, dass er Bäcker und Konditor gelernt hat. Seine angeblichen Versuche, die Hochschulreife zu erwerben und danach zu studieren, rechtfertigen ebenso wenig eine andere Beurteilung, wie der Umstand, das er angeblich eine Hühnerfarm betreibt und Miteigentümer eines oder mehrerer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in Indien sein mag. Nichts anderes gilt für seine durchaus bescheidenen sonstigen Vermögensverhältnisse, zumal es bei dem ledigen noch ziemlich jungen Kläger auch an einer tragfähigen familiären Verwurzelung im Heimatland fehlt.

Dass erstmals im Berufungsverfahren zur Sicherung der Rückkehr eine Kaution von bis zu 15.0000 € angeboten worden ist, konnte die Beklagte bei Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigen. Für die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung ist dieser Aspekt unerheblich, da insoweit nur die Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung am 20. März 2001 bestanden hat.

Ende der Entscheidung

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