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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: OVG 8 N 70.03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 N 70.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch die Vizepräsidentin des Oberverwaltungsgerichts Xalter und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Weber am 21. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Februar 2003 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Antragsgegenstandes wird auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe:

Der allein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Für den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine der Klägerin günstige Erfolgsprognose erlauben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Hieran fehlt es.

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der von der Klägerin am 31. Juli 1991 erworbene Bildungsabschluss an der Fachschule für Betriebswirtschaft Berlin in der Fachrichtung Groß- und Außenhandel ("Außenwirtschaftsökonom") nicht mit einem Fachhochschulabschluss in den alten Bundesländern gleichwertig ist und ihr der akademische Grad "Diplom-Betriebswirtin (FH)" nicht zuerkannt werden kann. Es hat darauf abgestellt, dass die beiden Abschlüsse nicht niveaugleich seien und der begehrte Diplomgrad nur zuerkannt werden könne, wenn eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit vorliege und der Fachschulabschluss bis zum 31. Dezember 1990 erworben worden sei. Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe dabei nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie ihr Studium lediglich wegen einer Risikoschwangerschaft nicht bis zum 31. Dezember 1990 habe abschließen können, greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Schutzbereich des Artikel 6 Abs. 1 und 4 GG nicht tangiert.

Nach Artikel 37 Abs. 1 Satz 2 Einigungsvertrag (EV) stehen in dem in Artikel 3 EV genannten Gebiet oder in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) abgelegte Prüfungen oder erworbene Befähigungsnachweise einander gleich und verleihen die gleichen Berechtigungen, wenn sie gleichwertig sind. Das bedeutet, dass die Klägerin bei Feststellung der Gleichwertigkeit ihres Abschlusses mit einem Fachhochschulabschluss in gleicher Weise die Zuerkennung des begehrten Diplomgrades beanspruchen kann, wie sie dies als Inhaberin eines Fachhochschulabschlusses könnte. Der unbestimmte Rechtsbegriff "gleichwertig" unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Der Maßstab für die Bestimmung dessen, was unter Gleichwertigkeit zu verstehen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Einigungsvertrag (vgl. BVerwGE 106, 24, 29).

Zielsetzung des Einigungsvertrages war es, die Zusammenführung der Bevölkerung der alten Bundesländer und der Bevölkerung des Beitrittsgebiets in dem nunmehr gemeinsamen Staats- und Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland für die Zukunft anzubahnen und dafür Mittel und Wege bereitzustellen. Gleichzeitig ging es bei den für diesen Bereich getroffenen Regelungen auch darum, negative wirtschaftliche und berufliche Folgen des Zusammenbruchs des Staats- und Wirtschaftssystems der ehemaligen DDR für die Berufstätigen - soweit notwendig und möglich - zu begrenzen. Um die systembedingten Nachteile beim Start in den Wettbewerb soweit irgend vertretbar auszugleichen, haben die Vertragsparteien im Einigungsvertrag Gleichstellungsregelungen getroffen (BVerwGE 106,24,29). Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte bei fehlender Niveaugleichheit der Abschlüsse den entsprechenden Diplomgrad nur dann zuerkennt, wenn zusätzliche Qualifikationen erworben wurden oder eine mindestens dreijährige einschlägige Berufstätigkeit vorliegt. Dass in einem solchen Fall ein Stichtag für das Ablegen der Prüfung festgelegt wird, ist - angesichts der mit der Wiedervereinigung zusammenhängenden Übergangssituation - rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 28. Februar 2002 - 1 A 3/01 - Urteilsabdruck S. 15 f.) und wird von der Klägerin auch nicht gerügt. Ihr Einwand bezieht sich nur darauf, dass bei der Anwendung der Stichtagsregelung gegen Artikel 6 Abs. 1 und 4 GG verstoßen worden sei. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

Das Beeinträchtigungsverbot bezüglich Ehe und Familie (Art 6 Abs. 1 GG) erfasst nicht jede Rechtsfolge, die sich negativ auf Ehe und Familie auswirken kann, an sich aber nicht auf die Stellung des Einzelnen in Ehe und Familie ausgerichtet ist (vgl. Seifert/Hömig, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. Artikel 6 Rdnr. 7). Die Auslegung des Begriffs "gleichwertig" und die Anwendung der Stichtagsregelung knüpft nicht an den familienrechtlichen Status einer Person an; sie erfasst vielmehr alle Bewohner des Beitrittsgebiets unabhängig davon, aus welchem Grund sie ihre Prüfung erst nach dem 31. Dezember 1990 abgelegt haben. - Die Anerkennung einer unverhältnismäßigen Härte im Falle der Klägerin hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung verneint.

Ebenso wenig ist Artikel 6 Abs. 4 GG tangiert. Die Fürsorgepflicht des Staates bedeutet nicht, dass der Staat jede mit der Mutterschaft zusammenhängende Belastung auszugleichen hat (BVerfGE 60, 68, 74; BVerwGE 91, 130, 134).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über den Wert des Antragsgegenstandes ergibt sich aus § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG a.F.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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