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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.04.2003
Aktenzeichen: OVG 8 S 10.03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 55 Abs. 2
Die Abschiebung eines auf eigenen Antrag ausgebürgerten, ehemals rumänischen Staatsangehörigen mit einem EU-Laissez-Passer ist nicht tatsächlich oder rechtlich unmöglich, wenn rumänische Behörden dem Bundesministerium des Innern die Rückübernahme dieser Person zugesagt haben. Die Weigerung dieser Person, sich auf rumänischem Staatsgebiet niederzulassen, ist für die Vollstreckung der Ausreisepflicht unbeachtlich.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS

Aktenzeichen: OVG 8 S 10.03

In der Verwaltungsstreitsache

Ausländerangelegenheiten,

Tenor:

wird die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2002 zurückgewiesen.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die beantragte Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nicht.

Soweit sich die Antragstellerin zur Begründung des geltend gemachten Duldungsanspruchs auf das Schreiben des Leiters der Direktion Passangelegenheiten im rumänischen Ministerium des Innern vom 6. Dezember 1999 beruft, wonach die Antragstellerin und ihre Familie "sich nicht auf der von den deutschen Behörden erstellten Liste mit nach Rumänien zurückzuschiebenden Personen befindet", ist diese Auskunft durch Zeitablauf überholt. Denn der Name der Antragstellerin befindet sich auf einer dem Antragsgegner vom Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 30. April 2002 übersandten Aufstellung staatenloser Personen ehemals rumänischer Staatsangehörigkeit, deren Rückübernahme die rumänischen Behörden nach Überprüfung zugesagt haben und denen nach Angaben des Bundesministeriums des Inneren eine visumsfreie Einreise nach Rumänien mit einem sog. EU-Laissez-Passer möglich ist. Diese Mitteilung beruht zwar nicht auf der Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Inneren der Bundesrepublik Deutschland und dem Innenministerium von Rumänien über die Rücknahme von staatenlosen Personen vom 20. Januar 1999 (BGBl. II 1999, 173), die nach Artikel 1 Abs. 2 dieser Vereinbarung nur für Personen gilt, welche nach dem 1. Februar 1999 aus der jeweiligen Staatsangehörigkeit entlassen worden sind; außerdem ist nur für diesen Personenkreis die Erteilung eines Visums vorgesehen (Artikel 3 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung).

Die Mitteilung des Bundesministeriums des Inneren vom 30. April 2002 über die von rumänischen Behörden zugesagte Rückübernahme der Antragstellerin findet ihre Grundlage aber in der abgestimmten Niederschrift vom 9. Juni 1998, die anlässlich der Erörterungen am 8./9. Juni 1998 zwischen Vertretern der deutschen und rumänischen Regierung in Bonn zu Fragen der Rückübernahme von staatenlosen Personen ehemals rumänischer Staatsangehörigkeit erstellt und von beiden Delegationsleitern unterzeichnet wurde - Niederschrift -. Nach Nummer II 2 der Niederschrift erklärte sich die rumänische Seite grundsätzlich bereit, auch für die Vergangenheit zu einer Lösung im Sinne der Rückübernahme ehemaliger rumänischer Staatsangehöriger zu kommen. Zu diesem Zweck verpflichtete sich die rumänische Seite, Personen zurückzunehmen, die ihre Entlassung aus der rumänischen Staatsangehörigkeit entweder aufgrund falscher Angaben oder falscher Dokumente erreicht hatten oder - bei aus rumänischer Sicht rechtmäßiger Entlassung aus der Staatsangehörigkeit - illegal nach Deutschland eingereist bzw. erwerbstätig gewesen waren oder in Deutschland einen Aufenthaltstitel erschlichen oder hier Straftaten von bestimmtem Gewicht begangen hatten (II 2. b [2] und [3] der Niederschrift). Die in II 2. c) zunächst vereinbarte Verfahrensregelung zur Rückübernahme von Personen wurde nach dem Vortrag des Antragsgegners im Frühjahr 2001 durch eine Absprache der Innenminister beider Staaten dahin modifiziert, dass das den früheren rumänischen Staatsangehörigen zu erteilende EU-Laissez-Passer nicht mehr durch rumänische Behörden visiert werden müsste.

Auf der Grundlage der sich aus der abgestimmten Niederschrift, der zusätzlichen Absprache der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland und Rumäniens ergebenden Vereinbarungen sowie der darauf basierenden rumänischen Rückübernahmezusage ist die Abschiebung der Antragstellerin weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich i.S.v. § 55 Abs. 2 AuslG, so dass die Antragstellerin eine weitere Aussetzung ihrer Abschiebung (Duldung) nicht beanspruchen kann. Namentlich kann sie sich nicht unter Verweisung auf Anfragen rumänischer Parlamentarier an den rumänischen Innenminister vom 25. März 2002 und dessen Antwort vom 15. April 2002 darauf berufen, die Absprachen zwischen deutschen und rumänischen Regierungsstellen seien völkerrechtlich unverbindlich. Abgesehen davon, dass derartige Einwände nur den Vertragsstaaten, nicht aber der Antragstellerin zustünden, werden die genannten zwischenstaatlichen Vereinbarungen - wie der eigene Vortrag der Antragstellerin und die gegenüber dem Bundesministerium für Inneres abgegebene Zusage der Rückübernahme staatenloser Personen ehemals rumänischer Staatsangehörigkeit durch Rumänien belegen - praktiziert: Die Ausreise nach Rumänien mit einem EU-Laissez-Passer ist möglich; die rumänischen Behörden gestatten den weiteren Aufenthalt im Transitbereich des Flughafens Bukarest und auch das Betreten des rumänischen Staatsgebietes, wenn - wie die Antragstellerin selbst vorträgt - in Rumänien eine Niederlassung beantragt oder ein Wiedereinbürgerungsantrag gestellt wird.

Auch wenn die Antragstellerin sich weigern sollte, den nach der rumänischen Einreisepraxis erforderlichen Niederlassungs- oder Wiedereinbürgerungsantrag zu stellen, wäre ihre Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland nicht unmöglich. Denn in diesem Fall würde sie nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeführt werden; sie könnte im Transitbereich des Flughafens in Bukarest verbleiben, um von dort aus ihre Weiterreise in ein Drittland zu betreiben. Unter diesen Umständen kann nicht von einem von vornherein aussichtslosen Abschiebungsversuch (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 1996 - 1 B 78.96 -, Buchholz 402.240 Nr. 1 zu § 55 AuslG 1990) gesprochen werden; die Abschiebung der Antragstellerin i.S. der Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht wäre vielmehr vollzogen.

Daran änderte es nichts, wenn die Antragstellerin - wie sie unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Menschenrechtsorganisation Human Rights & International Communication vom 5. September 2002 vorträgt - in der Flughafentransitzone unter menschenunwürdigen Umständen untergebracht wäre (der rumänische Staat soll den dort wohnenden Personen allerdings medizinische und rechtliche Hilfe leisten; Antwort des rumänischen Innenministers vom 15. April 2002 auf eine Anfrage rumänischer Parlamentarier). Dabei kann offen bleiben, ob unter den Umständen des vorliegenden Falles eine rechtliche Verpflichtung oder Obliegenheit der Antragstellerin bestünde, ihre derzeitige, durch Verzicht bewirkte Staatenlosigkeit durch einen Wiedereinbürgerungsantrag in Rumänien zu beseitigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1996 - 1 C 30.93 - BVerwGE 101, 295 [301] zum Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen; Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 8.98 - BVerwGE 108, 21 [26 f.] zum Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis). Jedenfalls ist der Antragstellerin zuzumuten, (durch einen entsprechenden Niederlassungsantrag) in Rumänien einzureisen und damit die befürchtete vorübergehende Unterbringung im Transitbereich des Flughafens Otopeni zu vermeiden. Ihre etwaige Weigerung, sich in Rumänien niederlassen zu wollen, nur um dadurch in der Bundesrepublik Deutschland - wenn auch lediglich geduldet - verbleiben zu können, wäre (anders als eine fehlende Rückübernahmebereitschaft Rumäniens oder fehlende Ausreisepapiere) kein objektives, der Durchsetzung ihrer gesetzlichen Ausreisepflicht (§ 42 Abs. 3 Satz 1 AuslG) entgegenstehendes Vollstreckungshindernis (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 - BVerwGE 105, 232 [236] = DVBl. 1998, 278).

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 000 ? festgesetzt (§§ 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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