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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: OVG 8 S 101.04
Rechtsgebiete: SchulG


Vorschriften:

SchulG § 8 Abs. 3
SchulG § 18 Abs. 3 n.F.
SchulG § 28 Abs. 1
SchulG § 28 Abs. 2
SchulG § 28 Abs. 2 Satz 2 a.F.
SchulG § 55 Abs. 1 n.F.
SchulG § 55 Abs. 4 n.F.
SchulG § 129 Abs. 6 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 S 101.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch die Vizepräsidentin des Oberverwaltungsgerichts Xalter sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Weber am 25. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Beschwerdevorbringen, das den Umfang der obergerichtlichen Prüfung des angefochtenen Beschlusses bestimmt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt nicht dessen Änderung oder Aufhebung.

Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Begehrens der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller zu 1. zum Besuch der Vor-klasse der J. (Staatliche Europa-Schule Berlin - SESB -) aufzunehmen, sind nicht die Bestimmungen des am 1. Februar 2004 in Kraft getretenen Schulgesetzes für Berlin vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 26 - SchulG n.F.). Maßgebend sind vielmehr für die hier in Rede stehende vorzeitige Aufnahme in die Schule bis zum Beginn des Schuljahres 2004/2005 (einschließlich) die §§ 28 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 3 des Schulgesetzes für Berlin - SchulG - in der Fassung vom 20. August 1980 (GVBl. S. 2103), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juli 2003 (GVBl. S. 251, ber. S. 306 - SchulG a.F.). Das ergibt sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt und im Einzelnen ausgeführt hat, aus den Übergangsbestimmungen in § 129 Abs. 6 SchulG n.F. Danach werden in die Vorklasse als Teil der Grundschule (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SchulG a.F.) Kinder aufgenommen, die am 30. September eines Kalenderjahres fünf Jahre alt sind (§ 28 Abs. 2 Satz 2 SchulG a.F.) und deren Eltern den Besuch der Vorklasse wünschen (§ 28 Abs. 2 Satz 3 SchulG a.F.). Für die Aufnahme in die Vorklasse gilt § 8 Abs. 3 entsprechend (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SchulG a.F.).

Der Antragsteller zu 1. erfüllt nicht die altersmäßige Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Satz 2 SchulG a.F. für die Aufnahme in eine Vorklasse der J., da er am 18. Oktober 1999 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag (30. September) geboren ist. Der Gesetzgeber hat, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen anhand der Entstehungsgeschichte des Schulgesetzes in der Fassung vom 26. Januar 2004 nachgewiesen hat, die mit dem Stichtag verbundenen Härten und Probleme zum Beginn des Schuljahres 2005/2006 (erhöhte Anzahl von Erstklässlern) erkannt, aber dennoch an ihm festgehalten. Hierauf wird Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Den Gerichten ist es daher verwehrt, sich im Wege der Rechtsfortbildung über den Stichtag hinwegzusetzen; dies gilt auch in den Fällen, in denen bereits Geschwisterkinder dieselbe Schule besuchen. Denn die Einbeziehung der Kinder, die die altersmäßigen Voraussetzungen für den Besuch der Vorklasse nicht erfüllen, würde die Zulassungsaussichten der Bewerber, die am 30. September bereits das fünfte Lebensjahr vollendet haben, in einem wegen eines Bewerberüberhangs durchzuführenden Auswahlverfahren rechtswidrig schmälern. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend erkannt, dass gegen die Stichtagsregelung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 5. Juli 1979 - OVG III S 87.79 - und vom 5. September 1979 - III S 94.79 -). Das gilt selbst dann, wenn beim Antragsteller zu 1. Vorschulreife gegeben ist, denn jede Stichtagsregelung kann im Einzelfall mit Härten verbunden sein, ohne dass dadurch ihre Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt werden kann. Maßgebend ist ferner nicht, dass nach Auffassung der Antragsteller zwischen Kindern, die bis zum 30. September und solchen, die bis zum 31. Dezember fünf Jahre alt werden, kein entscheidender Unterschied besteht.

Dass der Gesetzgeber für die Aufnahme in die Vorklasse einer Grundschule eine Altersgrenze festsetzen durfte und musste, liegt auf der Hand. Die Bestimmung des 30. September als Stichtag ist auch sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat den bis 1980 geltenden Stichtag 30. Juni (vgl. 14. Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Berlin - 14. ÄndSchulG - vom 5. Dezember 1978, GVBl. S. 2257) mit dem 15. ÄndSchulG vom 24. Juli 1980 (GVBl. S. 1375) auf den 30. September geändert, um den Kindern den Besuch der Vorklasse zu ermöglichen, die erst etwa zum Unterrichtsbeginn im Schuljahr fünf Jahre alt werden (vgl. Begründung zum 15. ÄndSchulG, Abgh.-Drs. 8/382 S. 8). Die Veränderung der Stichtagsregelung wurde im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutiert, weil streitig war, ob Vierjährige bereits schulreif sind; der Stichtag 30. September fand schließlich aus pädagogischen Gründen Zustimmung bei allen Parteien, zumal da bei den gleitenden Ferienterminen der Beginn des Schuljahres auch im September sein kann und alle Kinder, die in die Vorklasse kommen, in diesem Monat das fünfte Lebensjahr vollenden (vgl. Plenarprotokoll des Abgh. 8/26 S. 1127 ff.; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Schulwesen, Abgh.-Drs. 8/458 S. 6; Plenarprotokoll des Abgh. 8/31 S. 1389 ff.). Dieser Ansatz des Gesetzgebers ist sachgerecht und rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung der Kinder, die bis zum 30. September geboren worden sind, gegenüber später Geborenen. Hinzu kommt, dass die Härten des Stichtages für die zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember geborenen Kinder durch die praktische Handhabung der Aufnahme in die Vorklasse gemildert werden, indem sie aufgenommen werden können, wenn die Aufnahmekapazität nicht durch die bis zum 30. September geborenen Kinder ausgeschöpft wird. Ergänzend kann auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung verwiesen werden (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Verbindlichkeit der Stichtagsregelung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport mit einem auch an die SESB gerichteten Schreiben vom 21. Januar 2004 angeordnet hatte, hinsichtlich der Aufnahme in die Vorklassen der Staatlichen Europa-Schule Berlin zum Schuljahr 2004/2005 "alle Kinder, die bis zum 31. Dezember 2004 das fünfte Lebensjahr vollenden, gleich zu behandeln". Für eine rechtmäßige Vergabe knapper Vorklassenplätze sind die gesetzlichen Bestimmungen maßgeblich. Behördliche Anordnungen können, auch soweit sie von einer obersten Landesbehörde erlassen worden sind, nur insoweit verbindlich sein, als das Gesetz sie vorsieht oder regelungsfreie Räume enthält, die der Ausfüllung durch solche Anordnungen bedürftig und zugänglich sind. Das ist hier nicht der Fall. Daran ändert es nichts, dass die Senatsverwaltung durch § 18 Abs. 3 SchulG n.F. ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung Schulen besonderer pädagogischer Prägung einzurichten, die von einzelnen Vorschriften des Schulgesetzes, insbesondere von Aufnahmevorschriften, abweichen können. Eine solche Rechtsverordnung ist bisher nicht erlassen. Sie würde die Aufnahmebedingungen für das Schuljahr 2004/2005 nicht abweichend von § 28 Abs. 2 Satz 2 SchulG a.F. regeln können. Denn die Übergangsregelung des § 129 Abs. 6 SchulG n.F. bestimmt ausdrücklich, dass für den Beginn der Schulpflicht, für das Alter für eine vorzeitige Aufnahme in die Schule und für die Feststellung der Schulreife die bisherigen Regelungen (§§ 8 Abs. 1 und 2, 9 SchulG a.F.) weiterhin - unverändert - bis zum Beginn des Schuljahres 2004/2005 (einschließlich) anzuwenden sind und dass § 28 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Aufnahme in die Vorklasse letztmalig zum Schuljahr 2004/2005 erfolgt. Die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 129 Abs. 6 SchulG n.F. für Schulen i.S.v. § 55 Abs. 4 SchulG n.F. sowie für Geschwisterkinder sieht der Senat nicht. Nach § 55 Abs. 4 SchulG n.F. werden für Grundschulen oder einzelne Züge von Grundschulen, die auf Grund einer Rechtsverordnung (§ 18 Abs. 3 SchulG n.F.) als Schulen besonderer pädagogischer Prägung errichtet worden sind, abweichend von § 55 Abs. 1 SchulG n.F. keine Einschulungsbereiche festgelegt und erfolgt die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler nach Maßgabe der Rechtsverordnung. Solche Schulen hat es mangels der erforderlichen Rechtsverordnung zu Beginn des Schuljahres 2004/2005 indessen (noch) nicht gegeben. Für Geschwisterkinder gebietet Art. 6 Abs. 1 GG ebenfalls keine Ausnahme von § 129 Abs. 6 SchulG n.F.

Soweit die Antragsteller rügen, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung verletze Art. 3 Abs. 1 GG ist ihnen nicht zu folgen. Eine Benachteiligung des Antragstellers zu 1. gegenüber den Kindern aus dem Einschulungsjahrgang 2004/05 und 2006/07 liegt nicht vor, weil der Antragsteller, der zum Einschulungsjahrgang 2005/06 gehört, mit diesen jüngeren bzw. älteren Kindern nicht vergleichbar ist. Die Rüge der Beschwerde, der Antragsteller zu 1. werde innerhalb seines Einschulungsjahrganges schlechter gestellt, als die zwischen dem 1. Juli 1998 und 30. September 1999 geborenen Kinder, hat keinen Erfolg. Denn die unterschiedliche Behandlung ist nicht willkürlich, sondern ist vom Gesetzgeber aus pädagogischen Gründen für erforderlich gehalten worden (s.o.) und daher zulässig.

Der Auffassung der Beschwerde, der Antragsteller zu 1. habe faktisch keine Chance mehr, in die 1. Klasse der J. aufgenommen zu werden, folgt der Senat nicht. Die Kapazität der ersten Klassen der SESB wird regelmäßig nicht durch aufrückende Vorklassenkinder ausgeschöpft, denn deren durchschnittliche Frequenz liegt mit 24 Schülern über derjenigen der Vorklassen (durchschnittlich 16 Schüler, hier 19 Schüler). Darüber hinaus unterliegen die Schülerinnen und Schüler im deutsch-spanischen Zug der SESB einer einjährigen Probezeit, so dass auch durch das Ausscheiden von Kindern nach der Vorklassenzeit Plätze für andere Kinder frei werden können. Dass der Antragsteller zu 1. als Geschwisterkind in einem solchen Fall Chancen hat, in eine der Vorklassen der SESB aufgenommen zu werden, liegt auf der Hand.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1, 72 Nr. 1 GKG n.F.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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