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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: OVG 8 S 195.02
Rechtsgebiete: AuslG 1990
Vorschriften:
AuslG 1990 § 32 |
OVG 8 S 195.02
In der Verwaltungsstreitsache
des Landes Berlin,
Tenor:
wird die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Juli 2002 zurückgewiesen.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ablehnung der am 8. Januar 2001 beantragten Verlängerung der den Antragstellern am 11. Juli 2000 nach Rücknahme ihrer Asylanträge (Antragsteller zu 1. bis 6.) bis zum 10. Januar 2001 befristet erteilten Aufenthaltsbefugnis im Ergebnis zu Recht entsprochen. Es bestehen auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11. Januar 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landeseinwohneramts Berlin vom 14. November 2001 (§ 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 analog VwGO).
Der angefochtene Bescheid, der in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), stützt sich auf § 32 AuslG i.V.m. der dazu ergangenen Härtefallregelung für Ausländer mit langjährigem Aufenthalt (Weisung B.32.1, jetzt geltend i.d.F. vom 25. Januar 2002). Nach Nr. II.2.d) dieser Weisung wird die Aufenthaltsbefugnis nur verlängert, wenn Ausweisungsgründe nach §§ 46 Nr. 1 - 4 und 47 Abs. 1 und 2 AuslG nicht vorliegen. Nach der Begründung des Widerspruchsbescheides sind nach Überzeugung des Landeseinwohneramts Berlin, ungeachtet der Tatsache, dass der Antragsteller zu 1. deswegen nicht bestraft, sondern das Strafverfahren nach § 170 StPO mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26. Februar 2002 eingestellt worden ist, Ausweisungsgründe nach § 46 Nr. 2 AuslG gegeben, weil der Antragsteller zu 1. unter Verstoß gegen das Asylverfahrensgesetz einen selbständigen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen betrieben und daneben im Zeitraum vom 3. November 1997 bis zum 31. Oktober 2000 Sozialhilfe bezogen habe; dadurch habe er sich gleichzeitig des Sozialhilfebetruges schuldig gemacht, weil er die aus dem Handel erzielten Einnahmen sowie das Eigentum an einem Kfz nicht dem Sozialamt angegeben habe.
Ob der Auffassung des Verwaltungsgerichts gefolgt werden könnte, es bestünden erhebliche Rechtmäßigkeitszweifel gegen den angefochtenen Bescheid, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Antragsteller zu 1. mit dem Kraftfahrzeughandel Einnahmen erzielt habe, es sei nicht auszuschließen, dass er diese Tätigkeit nur ausgeübt habe, um einem Landsmann gefällig zu sein, mag nach Lage des Falles und im Hinblick auf die Begründung der Beschwerde zweifelhaft sein. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, denn bei summarischer Prüfung liegt die Annahme nahe, der Antragsgegner habe sich bei der Ausübung des ihm bei der Entscheidung über die beantragte Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse zustehenden Ermessens ohnehin nicht (mehr) auf den in Rede stehenden Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 2 AuslG berufen dürfen, nach dem er in Kenntnis dessen wesentlicher tatsächlicher und rechtlicher Umstände bereits eine, wenn auch zeitlich auf sechs Monate befristete Aufenthaltsbefugnis erteilt hat. Damit spricht einiges dafür, dass der Ausweisungsgrund bereits "verbraucht" sein könnte, weil insbesondere die Antragsteller zu 1. und 2. (diese auch für die Antragsteller zu. 3. - 6.) bei Rücknahme ihrer Asylanträge, die Voraussetzung für Erteilung der Aufenthaltsbefugnisse war, darauf vertraut haben und dies auch durften, dass einem Antrag auf deren Verlängerung der Ausweisungsgrund nicht (mehr) entgegengehalten werde (AuslG-VwV Nr. 7.2.1.0.2 Satz 1; HessVGH, Beschluss vom 14. März 1996 - 12 TG 360.96 - EZAR 030 Nr. 5; Funke-Kaiser, in GK-AuslR, II-§ 45 Rn. 733; Renner, Ausländerrecht in Deutschland 1998, 5. Teil Rn. 472, 7. Teil Rn. 100; Hailbronner, Ausländerrecht § 7 AuslG Rn. 18 ff.; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 7 Rn. 62; einschränkend Fraenkel, Einleitende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1992 S. 128), jedenfalls ist dies einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
Dem Antragsgegner war der Ausweisungsgrund - entgegen seiner Darstellung - bereits vor Erteilung der Aufenthaltsbefugnis in seinen wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Bezügen bekannt. Bereits geraume Zeit vor dem 11. Juli 2000 war beim Antragsgegner die Mitteilung eingegangen, dass gegen den Antragsteller zu 1. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig war, in dem es um den Verdacht illegalen Autohandels ging (Ausländerakte des Antragstellers zu 1. Bl. 183 ff.); ihm war sogar die Liste der gehandelten Fahrzeuge zugeleitet worden. Spätestens jedoch mit der danach, nämlich am 19. Mai 2000 (Ausländerakte des Antragstellers zu 1. Bl. 200) zugegangenen "Mitteilung über Ermittlungsverfahren gegen Ausländer", musste ihm klar sein, dass gegen den Antragsteller zu 1. wegen Sozialhilfebetruges und Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz staatsanwaltlich ermittelt wurde. Bei dieser Sachlage hätte es sich angeboten, zunächst von der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis abzusehen und den Antragstellern Erfassungsbescheinigungen auszustellen, sie, die Antragsteller zu 1. und 2., auch nicht zur Rücknahme ihrer und der Asylanträge der Antragsteller zu 3. - 6. zu veranlassen. Der Antragsgegner hat damit möglicherweise konkludent zum Ausdruck gebracht, dass dieser mögliche Ausweisungsgrund für ihn keine nach der Weisung B.32.1 die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis hindernde Bedeutung hat. Dementsprechend ist der ablehnende Ausgangsbescheid auch nicht auf einen Ausweisungsgrund i.S.v. Nr. II.2.d) der Weisung gestützt, sondern auf Sozialhilfebedürftigkeit. Erst nachdem dieser Aspekt nicht mehr tragfähig erschien, wurde im Widerspruchsbescheid auf den Ausweisungsgrund abgestellt.
Dass dem Antragsgegner der kriminalpolizeiliche Schlussbericht erst per Fax am 13. Februar 2001, also nach der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis zugegangen ist, dürfte keine andere Beurteilung rechtfertigen, weil Bedeutung und Umfang des in Rede stehenden Kfz-Handels schon vorher bekannt und in ihrer ausländerrechtlichen Qualifikation abschätzbar waren und dieser Abschlussbericht wesentliche zusätzliche Erkenntnisse nicht gebracht hat.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf 7.158,09 € (= 14.000,- DM) und für das Beschwerdeverfahren auf 7.000,- € festgesetzt (§ 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG), denn für die bereits bei der erstinstanzlichen Antragstellung volljährige Antragstellerin zu 3. kommt nach der ständigen Streitwertbemessungspraxis des Senats ein Familienabschlag nicht in Betracht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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