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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.10.2004
Aktenzeichen: OVG 8 S 90.04
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
AuslG § 45 Abs. 1
AuslG § 46 Nr. 2
AuslG § 70 Abs. 1
AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 S 90.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch die Vizepräsidentin des Oberverwaltungsgerichts Xalter und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Weber am 4. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Juni 2004 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung - geändert.

Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofort vollziehbare Ausweisung und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Antragsgegners vom 19. Mai 2004 ablehnen müssen.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt bzw. angeordnet werden, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung überwiegt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs maßgebliches Gewicht zu. Je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind, desto eher überwiegt das private Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO als allgemeine Regel), während umgekehrt die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ein Grund für die Bestätigung der sofortigen Vollziehung sein kann.

Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglich und geboten ist, ergibt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der Abschiebungsandrohung bestehen; die vom Antragsgegner angeordnete sofortige Vollziehung der Ausweisung ist ausreichend begründet.

Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 45 Abs. 1 AuslG i.V.m. §§ 46 Nr. 2, 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Nach § 45 Abs. 1 AuslG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Insbesondere kann ausgewiesen werden, wer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat (§ 46 Nr. 2 AuslG). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Der Antragsteller hat gegen die Rechtsvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verstoßen, indem er gegenüber dem Antragsgegner unrichtige Angaben gemacht hat, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. Der Antragsteller hat am 1. August 2003 gegenüber dem Antragsgegner wahrheitswidrig erklärt, er wohne mit seiner Ehefrau in der A. Straße in Berlin, 13. OG, und führe dort in ehelicher Lebensgemeinschaft einen gemeinsamen Hausstand mit seiner Ehefrau; die Eheschließung diene allein dem Zweck, eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zu begründen. Tatsächlich hat der Antragsteller in der angegebenen Wohnung nicht gewohnt, keinen gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau geführt, sondern ist nur sporadisch dorthin gekommen, um seine Post abzuholen. Dies ergibt sich aus dem Schlussbericht des Landeskriminalamtes vom 16. Februar 2004 in dem gegen die Ehefrau des Antragstellers geführten Ermittlungsverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist dieser polizeiliche Schlussbericht ausreichend für die Feststellung des Antragsgegners, dass der Antragsteller gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verstoßen hat. Die Behörde durfte sich dieses polizeiliche Ermittlungsergebnis im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 24 VwVfG) zu Eigen machen; insbesondere musste sie eine strafgerichtliche Verurteilung des Antragstellers nicht abwarten. Denn § 46 Nr. 2 AuslG setzt nicht voraus, dass der Ausländer wegen des Gesetzesverstoßes, der eine Straftat darstellt, verurteilt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1998 -, 1 C 27.96 - BVerwGE 107, 58, 63). Nach der Anhörung zur beabsichtigten Ausweisung war der Antragsteller vielmehr gehalten, auf Grund der ihm nach § 70 Abs. 1 AuslG obliegenden Mitwirkungspflicht, die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse beizubringen. Da er dies nicht getan hat, sondern durch seinen Verfahrensbevollmächtigten lediglich vortragen ließ, er habe seine Ehefrau aus Zuneigung geheiratet und sei über die Bewertung der Aussage seiner Ehefrau erschrocken, durfte die Behörde die Ausweisung aussprechen.

Die Feststellungen der Behörde im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsentscheidung werden darüber hinaus bestätigt durch den vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgelegten Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Mai 2004, rechtskräftig und vollstreckbar seit dem 16. Juli 2004, wonach der Antragsteller wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Geldstrafe von insgesamt 1 500 € verurteilt worden ist (vgl. zur Berücksichti-gung von nachträglich entstandenen Erkenntnismitteln: BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2001 - BVerwG 1 B 125.00 - InfAuslR 2001, 312).

Hat der Antragsteller damit den Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 2 AuslG verwirklicht, lag seine Ausweisung im pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners. Dieser hat hiervon in zweckgerechter Weise und unter Beachtung der Grenzen seines Ermessens Gebrauch gemacht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung der formellen Vorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet. Auch das erforderliche besondere öffentliche Interesse, das über jenes Interesse hinausgehen muss, das die Ausweisung rechtfertigt, liegt vor (vgl. zu den Anforderungen: BVerfG, DVBl. 1995, 1297). Der Senat hat wiederholt die vom Antragsgegner zur Begründung der Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeführten Überlegungen bei einer Ausweisung wegen einer Scheinehe für ausreichend erachtet (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 14. Mai 2002 - 8 SN 7.02 -). Ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung würde der Antragsteller voraussichtlich für mehrere Jahre faktisch in den Genuss des von ihm durch falsche Angaben erlangten aufenthaltsrechtlichen Status gelangen. Denn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Ausweisung können mehrere Jahre vergehen. Die Ausweisung würde zumindest teilweise leer laufen und wäre einer ihrer wesentlichen Rechtswirkungen (Durchsetzbarkeit der Ausreisepflicht) beraubt. Ausländern in vergleichbarer Situation müsste sich der Eindruck aufdrängen, sie könnten, ohne ein alsbald spürbares ausländerrechtliches Risiko zu laufen, die Ausländerbehörde über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung täuschen. Dies würde einen besonderen Anreiz zu gleichartigem Fehlverhalten schaffen, dessen sich die Ausländerbehörde nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand erwehren könnte

Die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO Bln) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 50 AuslG).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG n.F.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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