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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.02.2002
Aktenzeichen: OVG 8 SN 164.01
Rechtsgebiete: VwGO, JFKG, SchulG


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1
JFKG § 1 Abs. 2 Satz 1
JFKG § 3 Abs. 1
SchulG § 26 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 SN 164.01

Berlin, den 22. Februar 2002

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird der Antrag der Antragstellerin, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. August 2001 zuzulassen, abgelehnt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag, für dessen Zulässigkeit noch das Verfahrensrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung maßgeblich ist (§ 194 Abs. 2 VwGO i.d.F. des Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3987]), ist zulässig, aber unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Verwaltungsgerichtsbeschlusses sowie grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§§ 146 Abs. 4 VwGO a.F. i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) sind nicht gegeben.

Für den erstgenannten Zulassungsgrund sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine der Antragstellerin günstige Erfolgsprognose erlauben (vgl. Beschluss des Senats vom 19. August 1997 - OVG 8 SN 295.97 -, NVwZ 1998, 197). Es müssen erhebliche Gründe dargelegt und gegeben sein, die dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung also wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 1999 - OVG 8 N 10.99 - und vom 29. Juli 1999 - OVG 8 N 33.99 - und ständig HessVGH, InfAuslR 2000, 497; vgl. auch Seibert, NVwZ 1999, 113, 115 mit zahlreichen Nachweisen). Das ist nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Antragstellerin habe entgegen den Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren einstweiliger Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie in eine Vorklasse der John-F.-Kennedy-Schule aufnehmen müsse und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit im Klageverfahren unterliegen werde; vielmehr sei die Ablehnung der Aufnahme rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Antragstellerin keines der Kriterien für eine bevorzugte Vergabe der verfügbaren 95 Vorschulplätze erfülle, sondern nur an dem dann vorgesehenen Losverfahren habe teilnehmen können, wo sie ohne Erfolg blieb.

Zu Unrecht beanstandet die Antragstellerin demgegenüber, dass die Frage der Anzahl der Klassenzüge erstinstanzlich nicht beantwortet, sondern in dem Beschluss völlig offen gelassen werde, wieviele Vorschulklassen nebeneinander einzurichten seien. Damit sind Richtigkeitszweifel an der Ablehnungsentscheidung nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass an der John-F.-Kennedy-Schule im laufenden Schuljahr fünf Vorschulklassen mit einer Gruppengröße von je 19 Kindern eingerichtet worden sind. Unrichtig könnte die angegriffene Entscheidung mit Auswirkung auf das Aufnahmebegehren der Antragstellerin in diesem Zusammenhang nur sein, wenn das Verwaltungsgericht diese Vorklassenzahl hätte überprüfen und feststellen müssen, dass sie unzureichend sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Antragstellerin steht ein allgemeines Recht auf Bildung zu. Daraus mag in Verbindung mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zwar ein subjektives Recht auf Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen herzuleiten sein. Ein solches Teilhaberecht berechtigt gegebenenfalls jedoch nur dazu, bei der Verteilung der verfügbaren Leistungen schulischer Bildung nicht ohne vertretbaren Grund schlechter behandelt zu werden als andere Schüler. Ansprüche auf Erfüllung individueller Interessen, namentlich auf Ausweitung der vorhandenen Kapazitäten durch Errichtung oder Erweiterung von Bildungseinrichtungen ergeben sich daraus indes grundsätzlich nicht (vgl. insgesamt Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2000, Rdnrn. 361, 364; VGH Mannheim, NVwZ 1990, 87, 89).

Im Übrigen ließe sich die Anzahl der Vorklassen auch nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben entgegen den Vorstellungen der Antragstellerin nicht ohne weiteres erhöhen. Die John-F.-Kennedy-Schule ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die John-F.-Kennedy-Schule (Deutsch-Amerikanische Gemeinschaftsschule) - JFKG - vom 3. November 1987 (GVBl. S. 2574), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Oktober 1995 (GVBl. S. 664) eine Schule besonderer pädagogischer Prägung, die Elemente des deutschen und des amerikanischen Schulwesens verbindet. Nach § 3 Abs. 1 JFKG sollen deshalb zu etwa gleichen Teilen Kinder und Jugendliche aufgenommen werden, die deutsche Staatsangehörige oder Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika sind. Daraus ergibt sich, dass die Anzahl der jeweils einzurichtenden Vorklassen, außer von der Raum-, Material- und Personalausstattung vor allem auch von dem Vorhandensein einer ausreichenden Zahl amerikanischer Vorschüler abhängt. Dass indes über die 45 im amerikanischen Kontingent aufgenommenen Kinder hinaus überhaupt weitere Bewerber vorhanden waren (erforderlich wären je 9 pro zusätzlicher Vorklasse), ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, nach Aktenlage vielmehr eher auszuschließen, weil von Ablehnungen insoweit nicht die Rede ist.

Die Auffassung der Antragstellerin, dass der Antragsgegner insoweit seiner Darlegungslast nicht genügt habe und das Verwaltungsgericht dies hätte berücksichtigen müssen, kann ernstliche Richtigkeitszweifel ohnehin nicht rechtfertigen. Selbst wenn nämlich Darlegungsanforderungen zur Einrichtung von Klassenverbänden bestanden hätten, folgte aus der Nichterfüllung kein Aufnahmeanspruch, weil die Einrichtung von fünf Vorklassen auch ohne Beibringung der Berechnungsgrundlagen die Mittelausstattung erschöpfen kann, jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unzureichend sein muss.

Ebenso wenig ergeben sich ernstliche Richtigkeitszweifel aus der Bemessung der Klassenfrequenz. Die Ablehnung der Aufnahme der Antragstellerin in eine Vorklasse der John-F.-Kennedy-Schule ist nicht deshalb zu beanstanden, weil die Gruppengröße auf jeweils 19 Kinder beschränkt worden ist. Die tragende Erwägung des angegriffenen Beschlusses, dass die Frequenzvorgabe in der einschlägigen Richtlinie der Schulbehörde von 16 Kindern je Vorschulgruppe, die hier rechtlich beanstandungsfrei (vgl. § 3 Abs. 5 JFKG) sogar überschritten wird, mangels abweichender Regelung auch für die John-F.-Kennedy-Schule gelte, begegnet keinen Bedenken. Die Rüge der Antragstellerin, die Festlegung der Klassenfrequenz durch Organisationsrichtlinien im Verwaltungswege statt durch Rechtsnorm sei von Verfassungs wegen zu beanstanden, geht fehl. Abgesehen davon, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG in der Gestalt der Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte, auf das sich die Antragstellerin insoweit beruft, nicht berührt ist, weil die Vorklasse als Teil der Grundschule, die - möglicherweise anders als weiterführende Schulen - keine berufsspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, schon nicht die normativen Grundrechtsvoraussetzungen erfüllt (Scholz in Maunz-Dürig, GG Komm. Stand 2000, Art. 12, Rdnr. 180; vgl. auch BVerfGE 41, 241, 261; 58, 257, 272 f.), beruht die Ablehnung nicht auf einer absoluten, durch Erschöpfung der gesamten Ausbildungskapazität gekennzeichneten Zulassungsbeschränkung (vgl. zum absoluten numerus clausus und seinen rechtlichen Konsequenzen BVerfGE 33, 303 ff.). Denn die Antragstellerin kann ohne weiteres Aufnahme in die Vorklasse einer anderen, für den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts zuständigen Grundschule (§ 8 Abs. 3 Satz 1 SchulG) beanspruchen. Mit dieser gesetzlichen Berechtigung wird dem allgemeinen Bildungsanspruch angemessen entsprochen. Insofern nimmt die Vorklasse der John-F.-Kennedy-Schule als Bestandteil der dortigen Grundschule und damit wiederum als Gliederungseinheit der Berliner Schule gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 SchulG ungeachtet ihrer besonderen pädagogischen Prägung keine Sonderstellung ein. Das gilt umso mehr, als die Elemente des amerikanischen Schulwesens, die die Schule mit solchen des deutschen Schulwesens verbindet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 JFKG), nicht ihrerseits Gegenstand grundrechtlicher Teilhabeansprüche am Bildungsangebot sind (vgl. VGH Mannheim NVwZ 1990, a.a.O. für ein dt.-franz. Gymnasium).

Im Übrigen verbietet sich eine Gruppengröße von mehr als 19 Vorschülern wiederum aus den besonderen Bestimmungen des Gesetzes über die John-F.-Kennedy-Schule. Denn das gegenwärtige Verhältnis von ohnehin bereits zehn deutschen zu neun amerikanischen Kindern lässt sich nicht einseitig zugunsten des deutschen Kontingents weiter verändern, ohne gegen die Vorgabe einer Aufnahme "zu etwa gleichen Teilen" (§ 3 Abs. 1 Satz 1 JFKG) zu verstoßen. Bereits bei einem Verhältnis von nur neun zu elf Kindern je Vorklasse wäre nicht nur die allgemeine Frequenzvorgabe um ein Viertel überschritten, sondern es betrüge der Überschuss der deutschen Kinder zehn Prozent bezogen auf die Gesamtklassenstärke bzw. sogar mehr als 22 Prozent bezogen auf den Anteil amerikanischer Kinder. Solches Übergewicht würde die pädagogisch erwünschte und gesetzlich angestrebte Ausgewogenheit beseitigen und damit den Charakter als Deutsch-Amerikanische Gemeinschaftsschule ändern.

Richtigkeitszweifel weist auch die Beanstandung der gesetzlichen Regelung einer bevorzugten Aufnahme von Kindern nicht auf, deren Geschwister bereits Schüler der John-F.-Kennedy-Schule sind (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 JFKG). Da die Privilegierung durch Rechtsnorm erfolgt ist, könnte die Rüge nur im Falle der Verfassungswidrigkeit von Bedeutung sein. Selbst eine unterstellte Nichtigkeit würde sich im vorliegenden Zulassungsverfahren indes im Ergebnis nicht zugunsten der Antragstellerin auswirken können. Zwar erhöhte sich nämlich das durch Los zu vergebende Kontingent der Vorschulplätze, wenn die beanstandete Privilegierung entfiele. Das bedeutet jedoch lediglich, dass die Erfolgschancen der Antragstellerin bei einer Wiederholung des Losverfahrens wüchsen. Ihr Rechtsschutzbegehren ist jedoch nicht hierauf, sondern unmissverständlich unmittelbar auf (vorläufige) Aufnahme in die Vorklasse gerichtet.

In der Sache hat das Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen das Willkürverbot in Anbetracht des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes fehlerfrei verneint. Es drängt sich auf, dass der Besuch der John-F.-Kennedy-Schule mit ihrem spezifischen Bildungsangebot sich auf die familiäre Lebensgestaltung in Alltagsbereich und Planungsperspektiven derart bestimmend auswirkt, dass insoweit die Gleichstellung der Kinder einer Familie wenn nicht unerlässlich, so doch ratsam erscheint und deshalb tunlich zu ermöglichen ist. Dass nicht zuletzt angesichts des spezifischen Auftrags dieser Schule (§ 1 Abs. 1 JFKG) ein gemeinsamer Schulbesuch mehrerer Geschwister bzw. von Kindern dort tätiger Lehrer ein schulpädagogisch sinnvolles Differenzierungskriterium darstellt, das gerade nicht willkürlich, sondern sachgerecht ist, dürfte außer Frage stehen. Demgegenüber ist die von der Antragstellerin in den Vordergrund gestellte Frage nach der Anzahl der für das Losverfahren verbleibenden Vorschulplätze als Willkürkriterium unergiebig.

Die Beschwerde kann auch nicht wegen einer Grundsatzbedeutung der Rechtssache zugelassen werden. Die von der Antragstellerin für klärungsbedürftig und fallübergreifend bedeutsam gehaltenen Fragen erfordern für ihre Beantwortung nicht die Durchführung des dazu angestrebten Beschwerdeverfahrens. Die Notwendigkeit und Form einer Regelung der Einrichtung von Klassenverbänden wäre dort nicht zu untersuchen. Ob nämlich die Anzahl von fünf Vorschulklassenverbänden genügt oder zu gering ist, müsste im Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden, weil der Antragstellerin insoweit nur ein Recht auf Teilhabe an den Bildungsangeboten allein der Grundschulvorklassen der Berliner Schule zusteht und weil diese Teilhabe ohnehin keine subjektive Anspruchsberechtigung auf Errichtung neuer oder Ausweitung bestehender Ausbildungseinrichtungen beinhaltet. Dass sich die Anzahl der Vorklassenverbände aufgrund der besonderen normativen Vorgaben des Gesetzes über die John-F.-Kennedy-Schule im konkreten Einzelfall nach Aktenlage auch nicht würde erhöhen lassen, weil dafür neben den vorhandenen deutschen Schülern eine (etwa) gleich große Anzahl amerikanischer Schüler erforderlich wäre, kommt hinzu. Aus den gleichen rechtlichen Erwägungen bedarf auch die bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend verneinte Frage nach dem Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt für die konkrete Festlegung von Klassenfrequenzen zu ihrer Beantwortung nicht der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens. Das ergibt ebenfalls bereits die Erörterung der vermeintlichen Richtigkeitszweifel. Nichts anderes gilt für die angebliche Grundsatzbedeutung im Kontext des gerügten Verstoßes gegen das Willkürverbot. Es ist nicht klärungsbedürftig, entspricht vielmehr allgemeiner Meinung, dass bestimmte Schulbewerber im Rahmen von Vorabquoten nach sachgerechten Kriterien willkürfrei privilegiert werden können. Auch steht prinzipiell außer Frage, dass dazu je nach den besonderen Umständen (vgl. Niehues, a.a.O., Rdnr. 371) Geschwister von Schülern und Kinder von Lehrern gehören können (vgl. VGH Mannheim, a.a.O.). Ob solche besonderen Umstände - wie hier - gegeben sind, ist keiner grundsätzlichen Klärung fähig, sondern eine Frage des Einzelfalls.

Die Kosten des Antragsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Der Wert des Antragsgegenstandes wird auf 2 045,17 € (=4 000 DM) festgesetzt (§ 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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