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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 2 A 314/04.Z
Rechtsgebiete: VwGO, GKG Bbg, ZwVerbStabG, GG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
GKG Bbg § 8 Abs. 4
GKG Bbg § 9 Abs. 2 Nr. 6
ZwVerbStabG § 9 Abs. 1
ZwVerbStabG § 9 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 A 314/04.Z

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Benutzungsgebühren;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat durch

den Richter am ..., die Richterin am ... und den Richter am ...

am 27. Oktober 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das nach Beratung am 23. Juni 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 394,96 6 festgesetzt.

Gründe:

Der allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Auffassung vertreten, dass die dem angegriffenen Bescheid zugrunde liegende Gebührensatzung des Verbandes zur Fäkalschlammentsorgung vom 24. Mai 1995 (FGS) wegen einer fehlerhafter Bekanntmachung in den verbandsangehörigen Gemeinden ..., ... und ..., die anders als die übrigen Mitgliedsgemeinden des Zweckverbandes ... nicht im Landkreis Oder-Spree liegen, sondern dem Landkreis Dahme-Spreewald angehören, insgesamt unwirksam sei. Im Wesentlichen (vgl. näher UA S. 4 ff.) hat es dies damit begründet, dass die für die Form der öffentlichen Bekanntmachung des Zweckverbandes maßgebliche Regelung des § 25 Abs. 1 der Verbandssatzung vom 28. Juli 1994 unwirksam sei, weil sie rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht entspreche. Die Bekanntmachung der Gebührensatzung in der Regionalausgabe Beeskow und Fürstenwalde der Märkischen Oderzeitung genüge auch nicht den reduzierten Anforderungen des § 9 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes zur rechtlichen Stabilisierung der Zweckverbände für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung - ZwVerbStabG -, weil sie nicht geeignet gewesen sei, den Bekanntmachungsgegenstand bzw. den Hinweis auf die Bekanntmachung allen betroffenen Einwohnern zur Kenntnis zu bringen. Die genannten Regionalausgaben der Zeitung seien nämlich im Zeitpunkt der Umsetzung der Bekanntmachung im Jahre 1995 nicht in den Verbandsgemeinden ..., ... und ... vertrieben worden.

Der Beklagte hält unter Anknüpfung an die in dem angefochtenen Urteil vertretene - mit dem Zulassungsvorbringen nicht angegriffene und daher für die rechtliche Beurteilung im Zulassungsverfahren durch den Senat zugrunde zu legende - Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung die - die Rechtsfolge des Fehlers betreffende - Frage für grundsätzlich bedeutsam, "inwieweit die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Teilnichtigkeit aus dem Rechtsgedanken des § 139 BGB zur Anwendung kommen, wenn der Rechtsfehler nicht die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen, sondern die Rechtsgültigkeit aller Satzungsregelungen beschränkt auf einen klar abgrenzbaren räumlichen Bereich betrifft."

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Sie ist in einem Berufungsverfahren weder klärungsbedürftig noch hat die Beklagte dargelegt, dass sie entscheidungserheblich ist.

Voraussetzung für eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist, dass die aufgeworfene Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf. Das ist nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der übrigen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (vgl. Beschlüsse des Senates vom 28. Juni 2000 - 2 A 45/00 -, LKV 2001, S. 34, und vom 25. Juni 2001 - 2 A 69/01.Z - B A S. 2; für das Beschwerdeverfahren betreffend die Nichtzulassung der Revision etwa BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 - 4 B 167/96 -, NVwZ - RR 1998, S. 457).

Hiernach bedarf es zur Klärung der aufgeworfenen Frage nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Die Frage ist vielmehr auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Regelungen dahin zu beantworten, dass eine fehlerhaft bekannt gemachte Gebührensatzung eines Zweckverbandes insgesamt unwirksam ist und nicht nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB regional Geltung beanspruchen kann, auch wenn der Bekanntmachungsfehler nur einen klar abgrenzbaren räumlichen Bereich betrifft. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Gemäß § 8 Abs. 4 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg - GKG - i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg - GO - sind die Satzungen eines Zweckverbandes öffentlich bekannt zu machen. Für die Form der öffentlichen Bekanntmachung des Zweckverbandes ist die Bestimmung der Verbandssatzung maßgebend (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 6 GKG; zur Frage der Bekanntmachung der Verbandssatzung nach den Regelungen des § 11 Abs. 1 GKG, vgl. Beschluss des Senates vom 22. September 2004 - 2 B 401/03 -). Die öffentliche Bekanntmachung ist dabei ähnlich wie die Verkündung eines formellen Gesetzes integraler Bestandteil der förmlichen Rechtssetzung, also Geltungsbedingung der Satzung (vgl. u.a. Beschlüsse des Senats vom 28. Juni 2000 a.a.O. u. vom 7. Oktober 2004 - 2 A 92/03.Z; BVerfG; Beschluss vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 281 [291]). Die Bedeutung der öffentlichen Bekanntmachung als wesentlicher Teil des Normsetzungsverfahrens ergibt sich insbesondere aus § 8 Abs. 4 GKG i. V. m. § 5 Abs. 4 Satz 2 GO, wonach diesbezügliche Fehler nicht nach § 5 Abs. 4 Satz 1 GO unbeachtlich werden können. Hiernach führt eine fehlerhafte Bekanntmachung grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Satzung (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteile des Senats vom 19. August 1999 und - 2 D 34/98.NE - LKV 2001, 36 und - 2 D 17/98.NE - UA S. 19 ff. ). Eine fehlerhafte Bekanntmachung liegt regelmäßig vor, wenn nicht sämtliche Anforderungen der einschlägigen Bekanntmachungsvorschriften erfüllt sind. Wenn in den Regelungen des § 9 Abs. 1 und 3 ZwVerbStabG gefordert ist, dass die öffentliche Bekanntmachung geeignet sein muss, den Bekanntmachungsgegenstand "allen betroffenen Einwohnern" zur Kenntnis zu bringen, ist das Normsetzungsverfahren noch nicht vollständig abgeschlossen und damit eine Geltungsbedingung der Satzung nicht erfüllt, wenn die Satzung in einem Teil der verbandsangehörigen Gemeinden und damit in einem wesentlichen Teil ihres Geltungsbereiches nicht bekannt gemacht wurde.

Aus den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Teilbarkeit von Normen, die aus dem in § 139 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken abgeleitet werden, ergibt sich nichts anderes.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2001 - 4 B 23/01 - NVwZ 2002, 205; Urteil vom 27. Januar 1978 - DVBl 1978, 536; Urteil des Senats vom 14. Juli 2000 - 2 D 27/00.NE - m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teiles einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Auch in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (seit BVerfG, Beschluss vom 12. November 1958 - 2 BvL 4/56 u.a. -, BVerfGE 8, 274, 301) ist anerkannt, dass aus der Nichtigkeit einzelner Vorschriften die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes jedenfalls dann folgt, wenn sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, dass die übrigen mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbstständige Bedeutung haben; ferner dann, wenn die verfassungswidrige Vorschrift Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlöre, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus, wenn also die nichtige Vorschrift mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann.

Die genannten Grundsätze sind, wie ihre Formulierung selbst zeigt und auch das Verwaltungsgericht näher ausgeführt hat, für Konstellationen entwickelt worden, in denen einzelne Bestimmungen eines Gesetzes oder einer Satzung aufgrund eines materiellen Fehlers unwirksam sind, die übrigen Bestimmungen aber nicht unter diesen Fehlern leiden. Dementsprechend kommt nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 14. Juli 2000 - 2 D 27/00.NE - m.w.N.) eine Teilnichtigkeit von Normen nur dann in Betracht, soweit sich der materielle Fehler auf den abtrennbaren Teil einer Norm oder ihren zeitlichen Anwendungsbereich beschränkt. Bei Abgabensatzungen ergeben sich darüber hinaus erhebliche Einschränkungen für die Anwendbarkeit der genannten Grundsätze, weil materielle Fehler, die zur Ungültigkeit von einzelnen, zu den Mindestbestandteilen einer Abgabensatzung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG gehörigen Satzungsbestimmungen führen, stets bewirken, dass die Satzung insgesamt den gesetzlich erforderlichen Mindestgehalt nicht aufweist. Formelle Fehler des Satzungsgebungsverfahrens, insbesondere solche, die nach § 5 Abs. 4 Satz 2 GO stets beachtlich sind, betreffen hingegen bereits den äußeren Geltungsanspruch und erfassen deshalb alle Vorschriften der Satzung. Daher sind die Grundsätze zur Teilnichtigkeit von Normen insoweit ebenfalls nicht anwendbar.

Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, bei Straßenbaubeitragssatzungen nach dem Grundsatz der "regionalen Teilbarkeit" die Möglichkeit einer bloßen Teilnichtigkeit, anerkannt wird (vgl. dazu näher Urteil vom 24. Juli 2000 a.a.O.; zur Rechtslage in NW Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des KAG NW, 4. Aufl., S. 147 f. m.w.N.). Danach ist es zulässig, die Satzung ungeachtet bestimmter, durch Teilnichtigkeit entstehender oder sonst bestehender Regelungslücken für einzelne Abrechnungsgebiete in anderen Abrechnungsgebieten insoweit anzuwenden, als ihr Regelungsgehalt für die Beitragserhebung und -bemessung gerade der einschlägigen abzurechnenden Straßenbaumaßnahme im sich darauf beziehenden Abrechnungsgebiet im Sinne der gesetzlichen Vorschriften ausreicht. Diese regionale Teilbarkeit stellt indes eine Ausnahme dar, die an die beitragsrechtliche Besonderheit des Straßenbaubeitragsrechts anknüpft, nach der es dort stets um die Abrechnung konkret sachlich und räumlich abgrenzbarer Maßnahmen geht. Diese Besonderheit liegt bei Benutzungsgebühren nicht vor, die als Entgelt für die Inanspruchnahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung, wie hier der Fäkalschlammentsorgung des Zweckverbandes, zu entrichten sind.

Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede zeigt der Beklagte zudem nicht auf, inwieweit sich die von ihm als grundsätzlich bezeichnete o. g. Rechtsfrage in dem von ihm angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellen würde. Das Verwaltungsgericht hat nämlich die Frage, ob in der hier vorliegenden Konstellation der aus dem Rechtsgedanken des § 139 BGB folgende Grundsatz der Teilnichtigkeit von Normen zur Anwendung kommt, ausdrücklich "dahinstehen" lassen (vgl. UA S. 8), denn nach der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts fehlt es selbst bei Anwendung dieser Grundsätze an der jedenfalls erforderlichen Teilbarkeit der Gesamtregelung, weil die Gebührensatzung eine in sich untrennbare Einheit bildet, die nicht für einen Teil des Geltungsbereiches teilbar sei. Die Zulassungsbegründung erläutert nicht hinreichend, warum diese Auffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein sollte; sie beschränkt sich darauf, die Teilbarkeit zu behaupten, ohne sich näher mit der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander zu setzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 Gerichtskostengesetz).

Ende der Entscheidung

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