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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 2 A 349/04.Z
Rechtsgebiete: VwGO, KAGBbg, KAGBbg, GG


Vorschriften:

VwGO § 84 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
KAGBbg § 12 Abs. 5 b)
AO § 233 Abs. 1
AO § 236 Abs. 1
VwVfG Bbg § 49a Abs. 3
GG Art. 20 Abs. 3
Erfolgt die zur Erstattung führende Aufhebung eines Heranziehungsbescheides zu Straßenbaubeiträgen im Widerspruchsverfahren und damit vor Eintritt der Rechtshängigkeit, ist der von der Gemeinde zu erstattende Beitrag mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu verzinsen; § 49a Abs. 3 VwVfG Bbg ist nicht anwendbar.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 A 349/04.Z

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Straßenbaubeitrag (hier: Erstattungszinsen)

hier: Antrages auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und den Richter am ...

am 29. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Juli 2004 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf unter 300 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheides (vgl. §§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) hat keinen Erfolg.

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils oder des Gerichtsbescheides in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich und wahrscheinlicher erscheint als deren Misserfolg (st. Rspr. des Senats, Beschlüsse des Senats vom 17. November 1999 - 2 A 112/98 - und vom 2. August 2002 - 2 A 682/01.Z -, LKV 2003, 92; vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838). Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist das Gericht auf die vom Zulassungsbewerber geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt; eine Prüfung von Amts wegen findet nicht statt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 8. Mai 2002 - 2 A 407/00.Z -, LKV 2003, 91).

Nach diesen Grundsätzen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheides. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch für den vom Beklagten nach Aufhebung des Heranziehungsbescheides im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Straßenbaubeitrag für die Zeit der Zahlung des Beitrages durch den Kläger bis zur Rückzahlung des Beitrages durch den Beklagten nicht besteht.

Gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 5 b) KAG werden Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Erfolgt die zur Erstattung führende Aufhebung eines Heranziehungsbescheides zu Straßenbaubeiträgen im Widerspruchsverfahren und damit vor Eintritt der Rechtshängigkeit, ist der vom Beklagten zu erstattende Betrag demnach nicht zu verzinsen, weil es dafür im KAG und in den Bezug genommenen Vorschriften der AO sowie den sonstigen gesetzlichen Regelungen keine Rechtsgrundlage gibt (vgl. auch Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 KAG NW, 4. Aufl. Rdnr. 336; Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Kommentar -, § 12 Rdnr. 215).

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, scheidet insbesondere die Regelung über die Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 5 b KAG) als gesetzliche Rechtsgrundlage für den hier geltend gemachten Erstattungszinsanspruch nach Aufhebung eines Heranziehungsbescheides im Widerspruchsverfahren aus. Diese Regelung ist nur anwendbar, wenn die Abgabe durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung herabgesetzt worden ist und ordnet als Rechtsfolge nur die Verzinsung vom Tag der Rechtshängigkeit bis zum Tag der Auszahlung an (vgl. näher Driehaus, a. a. O., § 12 Rdnr. 215; OVG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 1982 - IV 165/81 - KStZ 1982 S. 234).

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers lässt sich der Anspruch auf Erstattungszinsen auch nicht auf Grundlage von § 49a Abs. 3 VwVfG Bbg herleiten. Diese Regelung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes ist hier nicht anwendbar, weil § 12 KAG zur Verzinsung von Kommunalabgaben auch insoweit auf bestimmte Vorschriften der Abgabenordnung verweist und insoweit abschließend ist.

Der vom Kläger geltend gemachte Erstattungszinsanspruch kann auch nicht auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruches hergeleitetet werden. Dieser auf dem Bundesverfassungsrecht, insbesondere aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) herzuleitende Anspruch ist darauf gerichtet, bestimmte rechtswidrige Folgen eines hoheitlichen Verhaltens (in natura) zu beseitigen. Es soll der ursprüngliche Zustand durch Beseitigung der Folgen des rechtswidrigen Verwaltungshandelns hergestellt werden. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist dabei kein allgemeiner Wiedergutmachungsanspruch (vgl. näher BVerwG Urteil vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., § 29 Rdnr. 5). Mit diesem Inhalt begründet der Folgenbeseitigungsanspruch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen als Wertersatz für entgangene Kapitalnutzungen (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 1982, a.a.O.).

Als gesetzliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungszinsanspruch kommt - entgegen der Ansicht des Klägers - auch nicht unmittelbar das Rechtsstaatsprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz in Betracht. Das Rechtsstaatsprinzip enthält keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote. Es bedarf vielmehr der Konkretisierung. Es ist Sache der jeweiligen zuständigen Organe. Es ist hier also in erster Linie Sache des Gesetzgerbers, durch gesetzliche Vorschriften zu konkretisieren, ob und wann Erstattungszinsen zu zahlen sind. Angesichts der Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips ist bei der Ableitung konkreter Folgen aus diesem Prinzip durch die Rechtsprechung behutsam vorzugehen (vgl. u. a. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 [86]). Soweit der Kläger sich insoweit auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung beruft, welches nach dem "Verpackungssteuerurteil" des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1004/95 -, BVerfGE 98, 106 [118 f.]; kritisch insoweit u. a. Jobs, DÖV 1998, S. 1039 [1043]) den Inhalt des Rechtsstaatsprinzips verdeutlichen soll, lässt sich hieraus keine gesetzliche Grundlage für den geltend gemachten Erstattungszinsanspruch herleiten. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet danach alle rechtssetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Dieses Gebot richtet sich an den Gesetzgeber, der Regelungen so aufeinander abstimmen muss, dass Normkollisionen vermieden werden. Eine selbständige Rechtsgrundlage für den Beklagten als Teil der Verwaltung, abweichend vom Grundsatz des § 233 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 5 b KAG Erstattungszinsen zu zahlen, lässt sich hieraus nicht entnehmen. Überdies hat der Kläger schon nicht substantiiert dargelegt, dass die Rechtsordnung ohne Regelung des geltend gemachten Erstattungszinsanspruches in sich widersprüchlich wäre, also ein solcher Erstattungszinsanspruch von Verfassungswegen geboten sein könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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