Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 28.10.2003
Aktenzeichen: 2 A 369/02.AZ
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
AsylVfG § 78 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 86 Abs. 2
VwGO § 138 Nr. 3
VwGO § 173 Satz 1
ZPO § 227 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 A 369/02.AZ

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Asylverfahrensrecht;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat

am 28. Oktober 2003

durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2002 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat den hier allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - i. V. m. § 138 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG entsprechend dargelegt.

Im Zulassungsantrag sind gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, unter Bezeichnung und näherer Erläuterung der tatbestandlichen Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Einzelnen darzulegen. Für die Prüfung des Zulassungsgrundes ist dementsprechend nur von den Darlegungen des Rechtsmittelführers zum jeweiligen Zulassungsgrund bzw. zu seiner Begründung auszugehen.

Darlegung bedeutet allgemein, dass sich dem Antrag nähere und substantiierte Ausführungen dazu entnehmen lassen, warum ein Zulassungsgrund im konkreten Fall als gegeben erachtet wird (vgl. u. a. Beschlüsse des Senats vom 9. April 1999 - 2 A 95/98.A -, NVwZ 2000, 591 und vom 2. Oktober 2003 - 2 A 360/02.AZ - EA. S. 2). Zur Rüge der Versagung des Anspruches auf rechtliches Gehör gehört auch die substantiierte Darlegung, dass der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen. Will jemand eine Verletzung von §§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO bzw. Art. 103 Abs. 1 GG mit Erfolg rügen, muss er nämlich die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 -, BVerfGE 74, 220 [225]; BVerwG, Beschluss vom 3. September 1979 - 2 B 16/78 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 30). Zudem muss der Kläger substantiiert darlegen, welche Ausführungen er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehöres noch gemacht hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997 - 2 B 178/96 -; veröffentlicht in juris; BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1986 - 1 BvR 857/85 -, BVerfGE 72, 122 [132]). Hierdurch wird das Rechtsmittelgericht in die Lage versetzt zu überprüfen, ob das Urteil auf dem geltend gemachten Gehörsverstoß beruhen kann.

Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör nicht hinreichend dargelegt.

Soweit der im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Kläger rügt, das Gericht habe das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass es aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2001 die Klage abgewiesen und nicht den Rechtsstreit vertagt hat, da der Kläger persönlich krankheitsbedingt an der Verhandlung nicht habe teilnehmen können, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass seine (damalige) Prozessbevollmächtigte alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, um dem Kläger persönlich rechtliches Gehör zu verschaffen. Angesichts der von dem Kläger vorgetragenen, laut ärztlichen Attestes in der Zeit vom 19. bis 29. Juli 2002 und damit auch am Tag der mündlichen Verhandlung bestehenden Erkrankung hatte die Bevollmächtigte des Klägers die prozessuale Möglichkeit, eine Terminverlegung oder -aufhebung zu beantragen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 ZPO). Von dieser Möglichkeit hat sie jedenfalls in der gebotenen Weise keinen Gebrauch gemacht. Ob die von der Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 22. Juli 2002 geäußerte "Bitte", wegen der Erkrankung des Klägers - dessen persönliches Erscheinen nach § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht angeordnet war - den Verhandlungstermin aufzuheben, als regelgerechter Antrag zu bewerten war oder es sich nur um eine bloße Anregung, das Ermessen des Gerichtes im Sinne einer Terminaufhebung auszuüben, handelte, mag in diesem Zusammenhang offen bleiben. Selbst wenn es sich bei dem Schreiben vom 22. Juli 2002 um einen förmlichen Antrag auf Terminaufhebung gehandelt hätte, wäre damit den prozessualen Obliegenheiten nicht hinreichend Genüge getan worden, um mit Erfolg eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör rügen zu können. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers war in der betreffenden Verhandlung vom 23. Juli 2002 anwesend. Sofern in diesem Zeitpunkt ein noch unbeschiedener Terminaufhebungsantrag anhängig gewesen wäre, an dem weiter hätte festgehalten werden sollen, hätte sie auf einer Bescheidung dieses Antrages bestehen bzw. förmlich die Vertagung der Verhandlung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO) beantragen müssen. Stattdessen ist ausweislich des Protokolls vom 23. Juli 2002 nur "hilfsweise" beantragt worden, über den Gesundheitszustand des Klägers Beweis zu erheben. Das genügt nicht den Anforderungen an einen förmlichen Terminaufhebungs- bzw. Vertagungsantrag.

Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass das Gericht von Amts wegen die Verhandlung hätte vertagen müssen. Zwar ist eine persönliche Anhörung des Klägers zur Aufklärung von tatsächlichen oder vermeintlichen Unklarheiten oder Widersprüchen im Sachvortrag des Asylbewerbers durch dessen Befragung im Asylprozess regelmäßig geboten, wenn es entscheidungserheblich auf die Glaubhaftigkeit des Vertrages oder die Glaubwürdigkeit des Asylantragstellers ankommt (vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Oktober 2001 - 2 BvR 690/99 - und vom 20. Oktober 1994 - 2 BvR 676/94 - veröffentlicht in juris). Soweit es diesbezüglich um die Wahrung der Möglichkeit der Rüge einer Gehörsverletzung wegen fehlender Vertagung geht - die aus Art. 16 a Abs. 1 GG folgenden asylspezifischen Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungstiefe zur Glaubwürdigkeit (vgl. näher: Jobs, ZAR 2002, 219 [220] m.w.N.) wären im Rahmen des gerügten § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO allerdings ohnehin kein Zulassungsgrund -, kommt es indessen vorrangig nur darauf an, dass die den Kläger vertretende Rechtsanwältin alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, eine solche Anhörung zu erreichen. Dies ist hier wegen des fehlenden Vertagungsantrages nicht geschehen. Ein Rechtsanwalt kann sich ohne Hinweis des Gerichts zur voraussichtlichen Würdigung des bisherigen Vertrages des Klägers und dessen Glaubwürdigkeit grundsätzlich nicht darauf verlassen, dass die Würdigung zugunsten des Klägers ausgeht. Dementsprechend ist es - ungeachtet der Aufklärungspflicht des Gerichtes - gerade auch seine Obliegenheit, auf einer Anhörung des Klägers zu bestehen, sofern er sie für erforderlich hält. Tut er dies nicht, wird das dem Kläger zugerechnet. Nur ausnahmsweise kann die Möglichkeit der Gehörsrüge auch ohne Vertagungsantrag in Betracht gezogen werden, etwa wenn sich das Ermessen des Gerichtes wegen des Vorliegens erheblicher Gründe derart verdichtet hat, dass von Amts wegen eine Vertagung der Verhandlung hätte erfolgen müssen. Der Kläger hat für das Vorliegen einer solchen Ausnahme aber nichts vorgetragen.

Darüber hinaus hat der Kläger in der Zulassungsbegründung nicht hinreichend substantiiert darlegt, was er bei Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte, um der Würdigung des Verwaltungsgerichts, sein Verfolgungsschicksal sei unglaubhaft, entgegenzutreten. Seine pauschale Ankündigung, ein Berufungsverfahren werde ergeben, dass Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit nicht durchgreifen, reicht hierzu nicht aus. Das Oberverwaltungsgericht wird durch die Zulassungsschrift nicht in die Lage versetzt zu überprüfen, ob das angegriffene Urteil auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör infolge krankheitsbedingter Nichtteilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung beruhen kann.

Auch durch den Vortrag, das Verwaltungsgericht habe den Hilfsbeweisantrag zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger am 23. Juli 2002 verhandlungsfähig erkrankt gewesen sei, das Zeugnis der behandelnden Ärztin einzuholen, mit einer "rechtlich restlos unhaltbaren Begründung" nicht stattgegeben, hat der Kläger eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör nicht dargelegt. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO bieten keinen Schutz dagegen, dass ein angebotener Beweis aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht erhoben wird. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 876/84 -, BVerfGE 69, 145 [148]). Der Kläger hat nicht hinreichend begründet, dass der genannte Beweisantrag erheblich war und dass seine Nichtberücksichtigung im Prozessrecht keine Stütze findet. Es wird weder erläutert, weshalb es für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts darauf ankam, dass der Kläger krankheitsbedingt gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, noch warum sich die Aufklärung insoweit für das Gericht aufdrängen musste. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Verwaltungsgericht den Antrag nicht nach § 86 Abs. 2 VwGO durch einen Beschluss in der mündlichen Verhandlung, sondern erst durch seine Würdigung im Urteil beschieden hat. Der Kläger hat nämlich lediglich einen Hilfsbeweisantrag gestellt, d.h. für den Fall, das es auf das Beweisthema ankommen sollte, wodurch er auf seinen Anspruch auf Bescheidung durch Beschluss verzichtet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1968 - V C 111.67 -, BVerwGE 30, 57; BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1992 - 2 BvR 633/91 -, NVwZ 1992, 659).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

Zurück