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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 2 B 303/03
Rechtsgebiete: VwGO, AO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
AO § 220 Abs. 2
KAG § 2 Abs. 1 Satz 2
KAG § 6 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 B 303/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Benutzungsgebührenrecht;

hier: Beschwerde gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung

hat der 2. Senat durch

den Vorsitzenden Richter am ... den Richter am ... und den Richter am ...

am 27. November 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 95,10 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 und 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Beschluss (vgl. Ziffer 2 der Entscheidungsformel; Mitt. StGB Bbg. 2003, 538) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festsetzung der Benutzungsgebühr als Entsorgungsgebühr für Fäkalwasser im Gebührenbescheid vom 8. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2001 zu Recht angeordnet.

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO überprüft das Oberverwaltungsgericht in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - in einer ersten Prüfungsstufe (vgl. dazu Beschlüsse des Senats vom 1. Juli 2003 - 2 B 13/03 - u. vom 30. September 2003 - 2 B 165/03 -, veröffentlicht in Juris) - nur die dargelegten Gründe. Soweit es danach um die Frage geht, ob die Begründung des Verwaltungsgerichtes geeignet ist, das Beschlussergebnis zu tragen, ist demnach die Prüfung des Oberverwaltungsgerichtes auf die von dem Beschwerdeführer dargelegten Gründe beschränkt.

Die Darlegungen der Beschwerdeschrift rechtfertigen eine Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides ernstlichen Zweifeln im Sinne von § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 Satz 3 VwGO begegnet.

Hinsichtlich des Entscheidungsmaßstabes für den vorläufigen Rechtsschutz gegen Abgabenbescheide (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stellt das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend darauf ab, dass ernstliche Zweifel erst gegeben sind, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg und der Prüfungsrahmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber der Vollprüfung im Hauptsacheverfahren eingeschränkt ist. Regelmäßig ist von der Gültigkeit der einer Abgabenerhebung zugrunde liegenden Satzungsvorschrift auszugehen, es sei denn, sie wäre offensichtlich rechtswidrig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren (formellen) Gültigkeit der Norm und sich ersichtlich aufdrängender materieller Satzungsfehler sowie die Prüfung spezieller Einwände des Antragstellers gegen das Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragstellers dort ihre Grenze findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht (vgl. u. a. Beschlüsse des Senats vom 23. September 1996 - 2 B 53/96 - Mitt. StGB Bbg. 1997, S. 22, vom 24. April 2003 - 2 B 292/02 -, EA S. 2 f. und vom 2. Oktober 2003 - 2 B 75/03 -, veröffentlicht in Juris, S. 1).

Zu Recht erkennt das Verwaltungsgericht nach diesen Grundsätzen auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung, weil die der Gebührenerhebung zugrunde liegende Satzung nichtig ist. Die Fehlerhaftigkeit und Ungültigkeit der Satzung drängen sich auf. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Entscheidung auf mehrere Satzungsfehler gestützt und selbständig tragend u. a. damit begründet, dass der Gebührenerhebung die Gebührensatzung zur Grundstücksentwässerungssatzung (Fäkaliensatzung) des Trinkwasser- und Abwasserzweckverbandes ... vom 13. März 1997 (Amtsblatt für den Landkreis Potsdam-Mittelmark vom 28. April 1997 Nr. 4, S. 4) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 9. Dezember 1999 (Amtsblatt für das Amt Ziesar vom 12. Januar 2000, S. 2), diese geändert durch die 2. Änderungssatzung vom 26. Juli 2000 (Amtsblatt für das Amt Ziesar vom 13. Januar 2001, S. 1) - im Folgenden GGES - zugrunde liegt und dass diese Satzung den Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr nicht angibt und daher nichtig ist. Diese Begründung vermag die Beschwerde, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ebenfalls nur auf diese Satzungsfassung abstellt, nicht zu erschüttern.

§ 2 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) regelt die Mindestanforderungen an kommunale Abgabensatzungen. Die Satzung muss danach u. a. den Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe angeben. Ohne eine solche Angabe über die Fälligkeit fehlt einer Abgabensatzung der notwendige Mindestregelungsgehalt. Ein solcher Mangel führt ungeachtet bestimmter gesetzlicher Anforderungen für die in der Satzung notwendig zu regelnden Vorschriften zur Ungültigkeit der Satzung insgesamt (vgl. Urteil des Senats vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 [138], Beschluss des Senats vom 12. März 1998 - 2 B 36/98 -, Entscheidungsumdruck S. 3 f.). Dies gilt auch hinsichtlich der Fälligkeit. Im Übrigen wäre die gesetzliche Fälligkeitsregelung des § 220 Abs. 2 AO auch schon mangels Verweisung in § 12 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG nicht entsprechend anwendbar (vgl. näher Beschluss des Senats vom 19. August 2002 - 2 A 125/02.Z -, EA S. 7). Der Gebührensatzung fehlt die erforderliche Fälligkeitsregelung. Zwar ist § 7 GGES mit "Gebührenerhebung und Fälligkeit" überschrieben. Die Vorschrift nennt aber keinen Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe und regelt ihn auch sonst nicht. Entgegen den Darlegungen des Antragsgegners enthält § 7 Abs. 2 GGES, wonach die "Abrechnung der Benutzungsgebühr" "im Zusammenhang mit dem Gebührenbescheid für Trinkwasser" erfolgt, keine Verweisung auf eine andere Norm, insbesondere nicht auf die Fälligkeitsregelung für Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung in § 18 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung des Zweckverbandes vom 24. August 1995 (Amtsblatt für das Amt Ziesar vom 1. Juli 2000, S. 2). Offen bleiben kann deshalb, ob unter welchen Voraussetzungen zur Erfüllung des Mindestgehaltes nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG auf Vorschriften in anderen Satzungen verwiesen werden darf. Eine Verweisung im Sinne, dass eine Satzung eine Regelung nicht selbst festlegt, sondern auf eine andere Rechtsnorm Bezug nimmt, würde jedenfalls nur dann den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG und dem Gebot der Rechtssicherheit genügen können, wenn sie entweder ausdrücklich (vgl. Beschluss des Senats vom 30. August 2002 - 2 A 48/01.Z -, S. 5) oder jedenfalls bei verständiger Auslegung so erfolgt, dass sie für den Abgabenpflichtigen klar erkennen lässt, dass eine Verweisung erfolgen soll und welche Vorschrift im Einzelnen gelten soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. November 1967 - 2 BvL 7/64 u. a. -, BVerfGE 22, 330 [346]). Dies ist hier nicht der Fall. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht § 7 Satz 2 GGES sich nur auf ein bestimmtes "Abrechnungsverhalten" des Zweckverbandes. Es ist aus dieser Satzungsbestimmung aber nicht klar erkennbar, ob hinsichtlich der Fälligkeit der Entsorgungsgebühr auf eine andere Norm verwiesen wird und erst recht nicht, um welche Vorschrift es sich dabei handeln soll. Der rechtsunterworfene Bürger kann daher nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob und welche Fälligkeitsregelung gelten soll.

Die vom Antragsgegner zur Rechtfertigung des Regelungsdefizits dargelegten besonderen Umstände, wonach bei der Bevölkerung im Verbandsgebiet der Zwang zur Abwasserentsorgung über den Verband und damit der Systemwechsel auf ein neueres Entsorgungssystem auf Widerstand treffe, dass Interessenvertreter Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Zweckverbandes nähmen und notwendige Maßnahmen zur Satzungsänderung verhindern würden sowie dass der Zweckverband seine Auflösung beschlossen habe (wofür die erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde noch nicht erteilt worden sei), vermögen die Nichtigkeitsfolge nicht auszuschließen. Die Bewältigung solcher Schwierigkeiten liegen bei der Satzungsgebung im Risikobereich des Verbandes. Sie befreien den Zweckverband nicht von der Notwendigkeit, seine Gebührensatzung - deren Erlass, Änderung und Aufhebung unübertragbare Aufgabe der Verbandsversammlung ist (§ 15 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit - GKG -, § 4 Nr. 5 Verbandssatzung des Trink- und Abwasserzweckverbandes ..., Amtsblatt für den Landkreis Potsdam-Mittelmark vom 28. September 1999 Nr. 9, S. 12) - den gesetzlichen Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG anzupassen, zumal auch im Falle seiner Auflösung der Zweckverband bis zum Ende seiner Abwicklung als fortbestehend gilt, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert (vgl. § 20 b Abs. 1 Satz 2 GKG).

Die darüber hinaus vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage, ob der sog. Frischwassermaßstab als Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG auch im Bereich der dezentralen Entsorgung des anfallenden Abwassers über abflusslose Gruben (vgl. § 66 Abs. 1 Satz 2 BbgWG; siehe dazu VG Frankfurt [Oder], Urteil vom 29. Mai 2002 - 1 K 2597/96 -, Mitt. StGB Bbg. 01/2003, S. 59) in der hier vom Satzungsgeber gewählten Ausgestaltung (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 GGES) unter Berücksichtigung der im Bereich des hiesigen Zweckverbandes bestehenden tatsächlichen Gegebenheiten ein für die Bemessung der Benutzungsgebühr zulässiger Maßstab ist, bedarf hiernach schon mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung und müsste im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als schwierige Rechts- und Tatsachenfrage auch sonst als offen behandelt werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes hat der Senat die Frage der Voraussetzungen zur Anwendung des Frischwassermaßstabes bei Gebühren für die Fäkalienentsorgung noch nicht entschieden. Das Urteil des Senats vom 22. Januar 2003 - 2 A 581/00 - (Mitt. StGB Bbg. 2003, S. 255) zu Gebühren für die Fäkalentsorgung hatte nicht die Frage des Gebührenmaßstabes, sondern die eines Verstoßes des Gebührensatzes gegen das Kostenüberschreitungsverbot (§ 6 Abs. 1 Satz 3 KAG) in Hinblick auf die kalkulatorische Zuordnung der fixen Kosten einer gemeinschaftlich genutzten Kläranlage zur (leitungsgebundenen) Schmutzwasserentsorgung einerseits und zur dezentralen Fäkalienentsorgung (u. a. mit abflusslosen Gruben) andererseits zum Gegenstand und enthält Ausführungen zu dem insoweit angewandten "Trinkwasserschlüssel", die nicht ohne weiteres einer Bemessung der Benutzungsgebühr für die Entsorgung abflussloser Gruben nach dem Frischwassermaßstab entgegenstehen. Bei Letzterem geht es um die (gleichmäßige) Verteilung von Kosten zwischen den gebührenpflichtigen Benutzern und nicht um die Zuordnung von Kosten zwischen verschiedenen öffentlichen Einrichtungen. Die Zulässigkeit eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes in diesem Sinne beurteilt sich gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG danach, ob der von der Maßstabsregelung vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Gebührenbemessung und Art und Umfang der Inanspruchnahme denkbar und nicht offensichtlich unmöglich ist (vgl. OVG NW, Urteil vom 25. August 1995 - 9 A 3907/93 -, NVwZ-RR 1996, S. 700, Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Kommentar - § 6 Rn. 208 m. w. N.). Der Frischwassermaßstab ist grundsätzlich zur Bemessung von Entwässerungsgebühren ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995, a. a. O. S. 594 [595]); J. Schmidt, LKV 1998, 177 [197] zu leitungsgebundener Abwasserentsorgung), solange er nicht "in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme" steht (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG). Ein solches offensichtliches Missverhältnis dürfte auch im Bereich der dezentralen Entsorgung des Abwassers bei abflusslosen Gruben nicht bereits dann anzunehmen sein, wenn deren Erzielungsgrad, d. h. die Menge des Fäkalwassers, die aus einer bestimmten Frischwassermenge entsteht, abgesehen von sonst auf dem Grundstück zurückgehaltenen Wassermengen, nicht gegen 100 v. H. geht.

Auch die Interpretation des Verwaltungsgerichts, wonach das Urteil des Senats vom 22. Januar 2003 (a. a. O., S. 261) dahin gehend zu verstehen sei, dass der Senat die Verfolgung von Lenkungszwecken bei der Wahl des Gebührenmaßstabes für unzulässig hielte, trifft so nicht zu. Solange und soweit der Satzungsgeber sich im Rahmen der Bemessungsvorschriften des § 6 KAG hält, ist es nicht zu beanstanden, wenn mit der gesetzeskonformen Ausgestaltung von Gebührenmaßstab und Gebührensatz weitere Zwecke verfolgt werden als nur die Deckung der Kosten und ihre § 6 KAG entsprechende Verteilung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren in Höhe eines Viertels der noch in Streit stehenden Entsorgungsgebühr beruht auf §§ 13 Abs. 1 und 2, 14 Abs. 1 Satz 1 und 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Anlehnung an I Nr. 7 Satz 1 des Streitwertkataloges (NVwZ 1996, 563).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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