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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 3 B 274/03.NE
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB, VwGO, BVerfGG


Vorschriften:

BauNVO § 11
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 11
BauGB § 11 Abs. 2
BauGB § 12 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 12 Abs. 3 Satz 1
BauGB § 12 Abs. 3 Satz 2
BauGB § 36
BauGB § 14 Abs. 1
BauGB § 14 Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 47 Abs. 6
BVerfGG § 32
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

3 B 274/03.NE

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Gültigkeit einer Veränderungssperre;

hier: Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat der 3. Senat am 13. Januar 2004 durch

den Vizepräsidenten des ..., den Richter am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Die am 27. Januar 2003 beschlossene Satzung der Gemeinde ... über eine Veränderungssperre für den Bebauungsplan "Windpark OT ..." wird bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine von der Antragsgegnerin, einer amtsangehörigen Gemeinde, erlassene Veränderungssperre.

Am 27. Januar 2003 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans "Windpark OT ...", dessen Geltungsbereich sich auf die unter Punkt 1 des Beschlusses genannten Flurstücke der Flur 4 der Gemarkung ... erstrecken soll. Punkt 2 und 3 des Beschlusses lauten:

"1. Die in Pkt. 1 genannte Fläche ist in den Flächennutzungsplan der Gemeinde als Sondergebiet gem. § 11 BauNVO aufzunehmen. Als Planziel wird die Realisierung eines Windparks entsprechend der gemeindlichen Vorstellung angestrebt. Mit der Aufstellung des Bebauungsplanes soll eine geordnete Entwicklung in Bezug auf Anzahl, nähere Spezifikation sowie Standorte der Windenergieanlagen erreicht werden.

2. Mit dem Vorhabenträger der WKA ist ein städtebaulicher Vertrag gemäß § 11 BauGB abzuschließen, mit der Festlegung, dass die erforderliche Bauleitplanung, die Erschließung sowie sämtliche mit dem B-Plan anfallenden Kosten vom Vorhabenträger übernommen werden."

Zur Begründung der Beschlussvorlage wurde ausgeführt:

"Die im Regionalplanentwurf festgelegte Fläche ist im Flächennutzungsplan des OT ... als Vorrangfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen.

Im Regionalplan III wurde die Fläche Vorranggebiet für Windkraftanlagen erweitert. Diese Erweiterung ist im FNP nicht enthalten."

Ebenfalls am 27. Januar 2003 beschloss die Gemeindevertretung zur Sicherung des mit dem o.g. Beschluss eingeleiteten Bauleitverfahrens für die Fläche "Windpark OT ..." die hier streitgegenständliche Veränderungssperre als Satzung, die im Amtsblatt für das Amt Unterspreewald Nr. 2/2003 vom 14. Februar 2003 öffentlich bekannt gemacht wurde.

Am 24. Februar 2003 wurde zwischen dem Geschäftsführer der Antragstellerin und dem Bürgermeister der Antragsgegnerin die Möglichkeit des Abschlusses eines städtebaulichen Vertrages erörtert. Ob der Bürgermeister in diesem Zusammenhang Forderungen nach Zahlungen an die Gemeinde gestellt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 14. April 2003 beschloss die Gemeindevertretung, "mit den Vorhabenträgern: ... mbH [...] und ... GmbH [...] einen städtebaulichen Vertrag zum Bauvorhaben 'Windpark OT ...' abzuschließen." Nach § 1 Abs. 1 ist "Grundlage dieses Vertrages ... der Bau und Betrieb von 6 in Planung befindlichen Windkraftanlagen der Megawattklasse durch die Vorhabensträger."

Die Vorhabenträger übernehmen die ihnen obliegende Erschließungspflicht im Erschließungsgebiet nach den sich aus § 3 dieses Vertrages ergebenden Vorgaben (§ 1 Abs. 2 Satz 1). Sie verpflichten sich, die noch nicht vorhandenen Erschließungsanlagen auf eigene Kosten zu erstellen und in ihre Unterhaltung zu nehmen (§ 1 Abs. 3 Satz 1) und die in beigefügten Plänen dargestellten Erschließungsanlagen sowie die Wegeflächen und Grünanlagen bis spätestens drei Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung fertig zu stellen (§ 3 Abs. 1). Nach § 8 Satz 2 verpflichten sich die Vorhabenträger ferner "für die Nutzung der gemeindlichen Infrastruktur sowie die Unterstützung der Gemeinde bei der Kabelführung, der Umsetzung der notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, deren Unterhaltung und die Mithilfe bei der Gewährleistung des laufenden Anlagenbetriebes" zur Zahlung einer "Entschädigung", die eine "Einmalzahlung in Höhe von 7.500,00 EURO pro errichteter Windkraftanlage, zahlbar 4 Wochen nach Inbetriebnahme" sowie eine "jährliche Zahlung von 1.500,00 EURO pro errichteter Windkraftanlage, zahlbar bis 31.03. des Folgejahres" umfasst. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 wird die Gemeinde Dritten keine weitere Zustimmung für Windkraftvorhaben oder andere Bauvorhaben erteilen, welche den Ertrag oder Betrieb der im Rahmen dieses Vertrages geplanten 6 Windkraftanlagen "erheblich beeinträchtigen verringern würden" oder den Bau und die Inbetriebnahme dieser Anlagen erschweren oder verteuern würden. Nach § 11 Satz 1 werden die Vorhabenträger Möglichkeiten zur Beteiligung an den Windkraftvorhaben für Bürger, Landwirte oder Firmen aus der Gemeinde oder der Region anbieten. Bei der Auftragsvergabe sollen geeignete regionale Fachfinnen vorrangig berücksichtigt werden. Nach § 12 wird "der Lageplan der Windkraftanlagen, Zuwegungen und Erschließungsanlagen (Anlage 1) ... nach seiner endgültigen Fertigstellung Bestandteil dieses Vertrages."

Die Antragstellerin stellte unter dem 16. April 2003 Anträge auf Baugenehmigung für die Errichtung jeweils einer Windenergieanlage auf zwei von den jeweiligen Grundstückseigentümern gepachteten Flächen im Geltungsbereich der Veränderungssperre. In ihrer Sitzung vom 19. Mai 2003 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin, das gemeindliche Einvernehmen für die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem im Geltungsbereich der Veränderungssperre gelegenen Flurstück 95 der Flur 4 in der Gemarkung ... nicht zu erteilen, weil die Gemeinde für eine Windkraftanlage auf dem Nachbargrundstück das Einvernehmen erteilt habe und der Abstand der Windkraftanlagen zueinander zu gering sei. In ihrer Sitzung vom 12. Juni 2003 beschloss die Gemeindevertretung, das gemeindliche Einvernehmen für die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem im Geltungsbereich der Veränderungssperre gelegenen Flurstück 18 der Flur 4 in der Gemarkung ... nicht zu erteilen, "da auf dem Grundstück 15 gem. städtebaulichem Vertrag bereits der Errichtung einer WKA zugestimmt wurde und somit der Abstand der WKA untereinander zu gering wäre". Mit Schreiben vom 6. August 2003 teilte der Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald als Baugenehmigungsbehörde der Antragstellerin unter Hinweis auf die Veränderungssperre mit, dass insoweit eine "baurechtliche Prüfung" ihres Bauantrages "zur Zeit nicht möglich" sei.

Die Antragstellerin hat am 21. August 2003 einen Normenkontrollantrag (3 D 86/03.NE) und gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:

Ihre Antragsbefugnis ergebe sich u.a. daraus, dass ihre Baugenehmigungsanträge mit der Begründung abgelehnt worden seien, sie verstießen gegen die Veränderungssperre. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht entfallen, da bisher weder durch einen Bebaungsplan noch durch Baugenehmigungen vollendete Tatsachen geschaffen worden seien. Der Antrag sei begründet, weil die Veränderungssperre aus mehreren Gründen rechtswidrig sei. Die Antragsgegnerin missbrauche die Veränderungssperre, um entgegen § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu sichern. Um einen solchen handele es sich, weil sich die Vorhabenträger zur Buchführung der Vorhaben- und Erschließungsmaßnahmen sowie zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten in einem Durchfuhrungsvertrag verpflichtet hätten. Darüber hinaus sei die zu Grunde liegende Planung rechtswidrig, weil der Erschließungs- und Durchführungsvertrag nichtig sei. Die in § 8 des Vertrages vereinbarten Zahlungen verstießen gegen § 11 BauGB, weil der Gemeinde keine entsprechenden Kosten oder sonstigen Aufwendungen entstünden; auf einen Machtmissbrauch komme es hierbei nicht an. Die Verpflichtung zur Vergabe von Bauleistungen unter Einbeziehung örtlicher Fachbetriebe bzw. vorrangiger Berücksichtigung geeigneter regionaler Fachfirmen nach § 4 Abs. 1 bzw. § 11 Abs. (gemeint: Satz) 3 des Vertrages verstoße gegen Vergaberecht. Da der von den Vorhabenträgern anzufertigende Lageplan nach § 12 Bestandteil des Vertrages sei, fehle es an einer eigenen Planung der Antragsgegnerin. Bei der in § 10 des Vertrages geregelten Verpflichtung, Dritten unter näher genannten Voraussetzungen keine weitere Zustimmung für Windkraftanlagen zu erteilen, handele es sich um einen verfassungswidrigen Vertrag zu Lasten Dritter. Die an der Planung Beteiligten hätten sich zudem u.a. wegen Bestechlichkeit strafbar gemacht. Die Antragsgegnerin habe keine eigene Abwägung vorgenommen und die Planungen rechtmäßig handelnder Vorhabenträger nicht in die Abwägung eingestellt. Die Gemeindevertreter seien im Hinblick auf § 11 des Vertrages befangen gewesen. Eine eigene planerische Konzeption der Antragsgegnerin sei nicht vorhanden. Die Veränderungssperre sei nur erlassen worden, um die Forderung nach rechtswidrigen direkten Zahlungen und die Bevorzugung ortsansässiger Firmen durchzusetzen. Ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung bestehe die Gefahr, dass die Verwirklichung der konkurrierenden Planung die Vorhaben der Antragstellerin unmöglich machen würde.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die am 27. Januar 2003 beschlossene Satzung der Gemeinde ... über die Veränderungssperre für den Bebauungsplan "Windpark OT ..." bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Ihre Antragsbefugnis könne die Antragstellerin weder aus ihrer Stellung als Nutzungsberechtigte an Grundstücken im Geltungsbereich der Veränderungssperre noch aus dem drittschützenden Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB oder der Behauptung strafbarer Handlungen der an der Planung Beteiligten herleiten. Zudem bestünden auf Grund der "Bestandskraft der Ablehnungsbescheide" Zweifel am Rechtsschutzinteresse. Die vorläufige Außervollzugsetzung der Veränderungssperre sei nicht mehr geeignet, zu Gunsten der Antragstellerin etwas zu bewirken, weil die Festsetzungen des Bebauungsplans durch Verwaltungsakte bereits nahezu vollständig umgesetzt seien. Die Veränderungssperre sei rechtlich nicht zu beanstanden. Aus dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan ergebe sich, welche Ziele mit der Planung verfolgt würden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass für die Bebauungsplanung eines außerhalb zu bebauender Gebiete gelegenen Bereichs für Windenergieanlagen naturgemäß weniger umfassende planerische Festsetzungen in Betracht kämen "als im Rahmen eines Bebauungsplans für zu bebauende Gebiete". Regelungen der maximalen Höhe und der zulässigen Anzahl von Windenergieanlagen beträfen wesentliche bauplanungsrechtliche Eigenschaften von Bereichen für Windenergieanlagen. Die Antragsgegnerin verfolge auch keine bloße Verhinderungsplanung. Gründe für die Nichtigkeit des Erschließungs- und Durchführungsvertrages bestünden nicht. Die Überwälzung von Personal-, Verwaltungs- und Sachkosten sei in städtebaulichen Verträgen üblich. Dafür, dass das Gebot der Angemessenheit nach § 11 Abs. 2 BauGB verletzt sein könnte, habe die Antragstellerin keine Tatsachen vorgetragen; insbesondere sei der Vertrag nicht "Folge des Machtmissbrauches" der Gemeinde. Bei Verstößen gegen Vergaberecht bestünden entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten. Strafbare Handlungen der an der Planung Beteiligten seien nicht ersichtlich. Die Veränderungssperre unterliege auch nicht dem Abwägungsgebot. Für eine Befangenheit der Gemeindevertretung habe die Antragstellerin ebenfalls keine Tatsachen vorgetragen. Schließlich sei auch kein Anordnungsgrund ersichtlich, da die Antragstellerin seit geraumer Zeit in der Sache untätig gewesen sei.

II.

1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 6 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragstellerin ist gemäß § 47 Absatz 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie hat hinreichend substanziiert Tatsachen vorgetragen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass sie durch die von der Antragsgegnerin erlassene Satzung über die Veränderungssperre in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt wird. Dass sie nicht Eigentümerin des Grundstücks oder in sonstiger Weise dinglich berechtigt an den Grundstücken ist, auf denen sie die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen beabsichtigt, ist dabei ohne Belang. Für die Bejahung einer Antragsbefugnis genügt es bereits, dass der Antragsteller einen Bauantrag mit Zustimmung der Grundstückseigentümer gestellt hat, denn damit wird nicht nur die Beachtlichkeit und Ernsthaftigkeit des Begehrens unterstrichen, sondern auch eine ausreichende Beziehung zur Bodennutzung und zum Grundeigentum hergestellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994 - 4 NB 27.93 - UPR 1994, 308, 309). Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin das besondere Interesse am vorläufigen Rechtsschutz gegen die Veränderungssperre fehlen könnte. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass die vorläufige Außervollzugsetzung der Veränderungssperre nicht mehr geeignet sei, zu Gunsten der Antragstellerin etwas zu bewirken, weil die Festsetzungen des Bebauungsplans durch Verwaltungsakte bereits nahezu vollständig umgesetzt und die "Ablehnungsbescheide" bestandskräftig seien, ist dies nicht nachvollziehbar. Nach den von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Angaben der Antragstellerin sind bislang weder ihre eigenen Baugehmigungsanträger noch diejenigen etwa konkurrierender Antragsteller beschieden worden. Mit den im Verwaltungsvorgang befindlichen Schreiben vom 6. August 2003 hat der Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald als Baugenehmigungsbehörde der Antragstellerin lediglich unter Hinweis auf die Veränderungssperre mitgeteilt, dass insoweit eine baurechtliche Prüfung ihres Bauantrages "zur Zeit nicht möglich" sei, und ihr die Möglichkeit gegeben, dass die Bearbeitung des Antrages "bis zur Planreife ausgesetzt wird" oder die Antragstellerin "den Antrag gebührenfrei zurückziehen" könne. Dass die Erteilung der Baugenehmigung aus anderen Gründen als der Veränderungssperre offensichtlich rechtswidrig wäre, ist nicht ersichtlich. Darauf, dass die Versagung bzw. Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB keine unmittelbare Außenwirkung hat, weist die Antragstellerin zutreffend hin.

2. Der Antrag ist auch begründet. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die im Rahmen des § 47 Abs. 6 VwGO anzustellenden Erwägungen decken sich weitgehend mit den zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz entwickelten Grundsätzen; beide Vorschriften entsprechen sich in ihrer Zielrichtung. Weil eine Rechtsnorm außer Vollzug gesetzt werden soll, ist es notwendig, bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO einen strengen Maßstab anzulegen. Die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe müssen so schwer wiegen, dass sie ihren Erlass als unabweisbar erscheinen lassen. Es sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber in der Hauptsache Erfolg hätte, mit den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache später erfolglos bliebe. Hierbei kommt der Frage der Rechtsgültigkeit der im Normenkontrollverfahren angefochtenen Satzung grundsätzlich keine Bedeutung zu, es sei denn, dass die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Norm bereits bei summarischer Prüfung offensichtlich ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 3 B 241/03.NE -).

Nach diesem Maßstab ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO im vorliegenden Fall geboten, weil die angegriffene Satzung offensichtlich ungültig ist. Dies lässt sich zwar entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht schon damit begründen, dass es sich bei dem künftigen Plan im Hinblick auf den mit den Vorhabenträgern abgeschlossenen Erschließungs- und Durchführungsvertrag materiell um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handeln würde, den die Antragsgegnerin missbräuchlich, unter Umgehung des § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB mit der Veränderungssperre zu sichern versuche; denn ein vorhabenbezogener Bebauungsplan setzt nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht nur den Abschluss eines Durchführungsvertrages voraus, in dem sich der Vorhabenträger zur Durchführung des Vorhabens sowie zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten verpflichtet, sondern vor allem die Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes, der nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans wird. Für die beabsichtigte Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes, der Art und Maß der baulichen Nutzung und die Erschließung regelt, ist hier indes nichts ersichtlich. Ohne Belang ist im vorliegenden Zusammenhang übrigens auch die von der Antragstellerin in den Vordergrund gerückte Frage der strafrechtlichen Würdigung des Verhaltens einzelner an der Planung beteiligter Personen.

Die angegriffene Satzung ist jedoch deshalb offensichtlich ungültig, weil es an den Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre fehlt. Zwar setzt die Wirksamkeit einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB neben dem Planaufstellungsbeschluss lediglich voraus, dass ein Bedürfnis zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich besteht. Da die Veränderungssperre die Gemeinde nach der gesetzgeberischen Zielsetzung in die Lage versetzen soll, planerische Vorstellungen umzusetzen, ist es auch nicht erforderlich, dass die Planung bereits einen Stand erreicht hat, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - IV C 39.74 - BVerwGE 51, 121). Es genügt vielmehr, dass sich aus dem Planaufstellungsbeschluss oder weiteren Verfahrensschritten wenigstens ansatzweise ersehen lässt, was Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans sein soll (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Februar 1990 - 4 B 191.89 - Buchholz 406.11 § 15 BauGB Nr. 6 und vom 27. April 1992 - 4 NB 11.92 - Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 5). Das schließt es aus, bereits ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept zu fordern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1993 - 4 NB 40.93 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 23). Unzulässig ist die Veränderungssperre jedoch, wenn sich der Inhalt der beabsichtigten Planung im Zeitpunkt ihres Erlasses noch in keiner Weise absehen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 1991 - 4 B 135.91 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 17). Darüber hinaus ist die Veränderungssperre als Sicherungsmittel ungeeignet, wenn der Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1993, - 4 NB 40.93 -, a.a.O.). Der Förderung von Zielen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, dient eine Veränderungssperre insbesondere auch dann, wenn sich aus den Umständen des konkreten Einzelfalles ergibt, dass die im Aufstellungsbeschluss dargestellten Planungsüberlegungen der Gemeinde offensichtlich nur vorgeschoben sind.

Hiervon ausgehend dürfte der Aufstellungsbeschluss vom 27. Januar 2003 zwar formal ein "Mindestmaß" dessen erkennen lassen, was Inhalt des aufzustellenden Bebauungsplans sein soll, da unter Punkt 1 als Planziel die Realisierung eines Windparks und - wenn auch mit Bezug auf den "Flächennutzungsplan der Gemeinde" - die Ausweisung als Sondergebiet gem. § 11 BauNVO genannt wird. Nach Lage des Falles spricht jedoch alles dafür, dass die dargestellten Planungsüberlegungen der Gemeinde nur vorgeschoben sind und die Veränderungssperre damit tatsächlich der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind.

Bereits die Formulierung unter Punkt 2 des Aufstellungsbeschlusses lässt es äußerst zweifelhaft erscheinen, dass tatsächlich - wie unter Punkt 1 ausgeführt - "die Realisierung eines Windparks entsprechend der gemeindlichen Vorstellung angestrebt" wird. Wenn mit dem "Vorhabenträger der WKA (...) ein städtebaulicher Vertrag gemäß § 11 BauGB" abgeschlossen werden soll, in dem festgelegt wird, dass nicht nur "die Erschließung sowie sämtliche mit dem B-Plan anfallende Kosten", sondern auch "die erforderliche Bauleitplanung (...) vom Vorhabenträger übernommen werden", gibt die Antragsgegnerin hiermit zu erkennen, dass sie keine eigene Planungskonzeption verfolgt, sondern allenfalls eine Übernahme der Planung eines Vorhabenträgers beabsichtigt. Dies wird durch die Bestimmungen des mit der ... mbH und der ...GmbH abgeschlossenen "Erschließungs- und Durchführungsvertrages" bestätigt, in dem mehrfach (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 und § 12) auf einen als Anlage 1 beigefügten "Lageplan der Windkraftanlagen, Zuwegungen und Erschließungsanlagen" verwiesen wird, der "nach seiner endgültigen Fertigstellung Bestandteil dieses Vertrages" werden soll. Ob eine derartige Verweisung auf einen durch die Vorhabenträger - ohne geregelte Mitwirkung der Gemeinde - zu erstellenden "Lageplan" mit der gesetzlichen Vorgabe vereinbar ist, dass die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren unberührt bleibt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.E. BauGB), ist äußerst zweifelhaft. Entscheidend ist hier indes nicht die durch die Antragstellerin in erster Linie thematisierte Frage der Nichtigkeit des "Erschließungs- und Durchführungsvertrages", sondern das in der Vertragsgestaltung zum Ausdruck kommende Ziel der Antragsgegnerin, mit Ausnahme des Baugebietstyps alle wesentlichen Elemente der Planung vorbehaltlos in die Hände der Vorhabenträger zu legen. Welcher Spielraum für die mit dem Aufstellungsbeschluss vom 27. Januar 2003 eingeleitete Planung der Gemeinde daneben noch bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Schon dies lässt nur den Schluss zu, dass eine positive Planungskonzeption der Antragsgegnerin nicht besteht.

Dass die im Aufstellungsbeschluss dargestellten Planungsüberlegungen der Antragsgegnerin offensichtlich nur vorgeschoben sind, ergibt sich darüber hinaus aus ihrer Praxis bei der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens mit Entscheidungen über Ausnahmen von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB. In ihren Sitzungen vom 19. Mai 2003 und vom 12. Juni 2003 hat die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin ihr Einvernehmen mit der von der Antragstellerin geplanten Errichtung von zwei Windkraftanlagen auf im Geltungsbereich der Veränderungssperre gelegenen Flächen im Hinblick darauf versagt, dass sie jeweils bereits für Windkraftanlagen auf Nachbargrundstücken das Einvernehmen erteilt habe und der Abstand der Windkraftanlagen zueinander zu gering sei. Mit Rücksicht auf welche Erwägungen die Antragsgegnerin ihr Einvernehmen mit den für die erwähnten Vorhaben auf Nachbargrundstücken zugelassenen Ausnahmen von der Veränderungssperre erteilt hat, ist nicht ersichtlich. Dass die angebliche Planung hierdurch nicht gefährdet wird und der Sicherungszweck der Veränderungssperre unbeeinträchtigt bleibt, kann nicht angenommen werden. Vielmehr dürfte die Zulassung gleich mehrerer Ausnahmen von der Veränderungssperre die Aufstellung eines Bebauungsplans, mit dem "eine geordnete Entwicklung in Bezug auf Anzahl, nähere Spezifikation sowie Standorte der Windenergieanlagen erreicht werden" soll (vgl. Punkt 1 des Aufstellungsbeschlusses), sinnlos machen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Verhalten der Antragsgegnerin nicht anders deuten, als dass die im Aufstellungsbeschluss genannten Planungsziele nur vorgeschoben sind, um die Veränderungssperre erlassen und auf diesem Wege solche Vorhaben abwehren zu können, die die Antragsgegnerin aus Gründen, die jedenfalls in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Verwirklichung einer positiven städtebaulichen Planungskonzeption stehen, für unerwünscht hält.

Da demnach von einer offensichtlichen Ungültigkeit der Veränderungssperre auszugehen ist, die zu einem Erfolg des Normenkontrollantrags führen muss, ist die einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO aus wichtigen Gründen dringend geboten. Auf die Frage, ob darüber hinaus auch die Folgenabwägung zu Ungunsten der Antragstellerin ausgefallen wäre, kommt es bei dieser Sachlage - ausnahmsweise - nicht mehr an (vgl. Beschluss des Senats vom 4. November 2002 - 3 B 28/01.NE -).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG); hinsichtlich der Höhe des Streitwerts hat sich der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung in vergleichbaren Verfahren orientiert (vgl. Beschluss vom 24. September 2003 - 3 B 116/03.NE -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindunng mit § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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