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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.11.2002
Aktenzeichen: 4 A 457/01.Z
Rechtsgebiete: BSHG, AGBSHG


Vorschriften:

BSHG § 93 Abs. 2 a. F.
BSHG § 100 Abs. 1 Ziff. 1
BSHG § 100 Abs. 1 Ziff. 5
AGBSHG § 2 Abs. 2
AGBSHG § 2 b Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 A 457/01.Z

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Sozialhilferechts

hat der 4. Senat

durch den ..., den ... und den ...

am 27. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2001 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam zuzulassen, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, das gerichtskostenfrei ist.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt. Weder bestehen an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe des Zulassungsantrages ernstliche Zweifel, noch weist die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat sie grundsätzliche Bedeutung über das vorliegende Verfahren hinaus, vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO.

Gemäß § 124 Abs. 2 VwGO ist die Berufung nur zuzulassen, wenn einer der in dieser Vorschrift genannten Zulassungsgründe dargelegt wird und vorliegt. Darlegen des Zulassungsgrundes bedeutet dessen Benennung, Erläuterung und Substantiierung. Der Streitstoff muss hinsichtlich der die Entscheidung tragenden Aspekte aufbereitet werden, und zwar derart, dass es dem Oberverwaltungsgericht möglich ist, allein anhand der Ausführungen des Rechtsmittelführers i. V. m. der angegriffenen Entscheidung zu erkennen, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegt. Bei der Überprüfung ist das Gericht auf die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt. Das entspricht dem fristgebundenen Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO. Die sich daraus ergebende Beschränkung betrifft nicht nur die gemäß § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemachten Gründe, sondern beschränkt die Prüfung im Zulassungsverfahren grundsätzlich auf die vom Zulassungsantragsteller vorgetragene inhaltliche Begründung seines Rechtsschutzbegehrens (ständige Rechtsprechung des Senats: vgl. nur Beschluss des Senats vom 2. Juni 1999 - 4 A 207/97 -, ZfB 1999, 127, 128; Beschluss vom 17. März 1998 - 4 B 28/98 -, NVwZ-Beilage 7/1998, 75).

Davon ausgehend liegt der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil den geltend gemachten Leistungsantrag auf Zahlung eines weiteren Betrages von 28.576,85 DM (14.611,10 Euro) mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe keinen Anspruch auf ein erhöhtes Pflegeentgelt für sieben Heimbewohnerinnen seines Altenpflegeheimes ... in ... für den Zeitraum 1. August 1996 bis einschließlich Dezember 1997. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Sozialhilfe vom 23. Juli 1996 -BSHG a.F. - (BGBl. I, S. 1088) unmittelbar, noch im Zusammenhang mit der zwischen dem Kläger und dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe geschlossenen Leistungsvereinbarung vom 16./24. Januar 1996 in Verbindung mit dem ergänzenden Schreiben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe vom 29. Juli 1996. § 93 Abs. 2 BSHG a.F. konkretisiere lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Kosten von Hilfemaßnahmen in Einrichtungen durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe übernommen werden müssen. Die besagte Leistungsvereinbarung stelle auch keinen Rechtsgrund dar, denn durch sie seien lediglich die Tagessätze gestaffelt nach Pflegestufen in allgemeiner Form festgelegt worden. Diese Pflegesatzvereinbarung im Sinne des § 93 Abs. 2 BSHG a.F. habe daher lediglich Rahmencharakter und binde den Beklagten auch deshalb nicht, weil er in diesem Vertragsverhältnis nicht Vertragspartner geworden sei. Gleiches gelte sinngemäß für die vom Kläger herangezogene Anspruchsgrundlage des § 49a des Ersten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 14. Juni 1996 - 1. SGB XI-Änderungsgesetz - 1. SGB XI-ÄndG (BGBl. I, S. 830). Diese Übergangsvorschrift sei nur auf bestehende Vergütungsregelungen anwendbar. Da eine verbindliche Vergütungsregelung nicht bestehe, könne auch nicht übergangsweise ein Vergütungsanspruch nach §§ 5 ff. des Art. 49 a 1. SGB XI-Änderungsgesetz entstanden sein.

Hiergegen wendet der Kläger im Wesentlichen ein, der Vereinbarung vom 16./24. Januar 1996 in Verbindung mit dem ergänzenden Schreiben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe vom 29. Juli 1996 sei durchaus ein Rechtsbindungswille zu entnehmen. Ansonsten entsprächen die darauf beruhenden Vereinbarungen nicht der Neuregelung des § 93 BSHG und wären geradezu sinnlos. Der Umstand, dass das Landesamt für Soziales und Versorgung als Vertragspartei aufgetreten sei, beruhe auf der Zuständigkeitsregelung des § 100 Abs. 1 Satz 1 BSHG, berühre aber nicht den Willen der Vertragsparteien, mit Wirkung für und gegen den Beklagten eine Vergütungsverpflichtung zu schließen.

Dies überzeugt nicht. Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat, stellen Pflegesatzvereinbarungen der Träger der Sozialhilfe mit freien Wohlfahrtsverbänden eine Form der gesetzlich vorgeschriebenen Zusammenarbeit dar. Dabei dient das den Trägern der Sozialhilfe durch § 93 Abs. 2 BSHG a. F. eingeräumte Abschlussermessen unter anderem auch dem Interesse der Träger freier Einrichtungen an einer rechtlichen Verfestigung dieser Zusammenarbeit. So erleichtert es die Abrechnung zwischen dem Einrichtungsträger und dem Träger der Sozialhilfe und verleiht ihren Rechtsbeziehungen eine gewisse Dauer, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit (vgl. BVerwGE 92, 202, 204 f.). Welchen Inhalt eine Vereinbarung zu diesem Zweck im Einzelnen hat, lässt sich nicht pauschal beurteilen, sondern hängt von der konkreten Ausgestaltung ab (vgl. Urteil des Senats vom 27. Januar 2000 - 4 A 111/97 - S. 22 des E. A. - FEVS 51, 555 ff.). Die erstinstanzliche Würdigung der Leistungsvereinbarung vom 16./24. Januar 1996 durch das Verwaltungsgericht lässt in diesem Punkt keinen Fehler erkennen, denn zum einen deutet der von ihm hierfür angeführte Absatz 4 der Ziffer 2 der Leistungsvereinbarung auf einen gerade (noch) nicht individualisierten Anspruch des Klägers auf Entgeltzahlung aus der Vereinbarung hin, zum anderen ist der Beklagte nicht vertragschließende Partei gewesen.

Dies führt aber auch nicht, wie der Kläger meint, zur Sinnlosigkeit der Vereinbarung, denn sie hat durchaus Rechtswirkungen, welche auf eine rechtliche Verstetigung der Rechtsbeziehungen zwischen ihm und den Trägern der Sozialhilfe abzielen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Das vertragsschließende Landesamt für Soziales und Versorgung ist nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AG-BSHG) der überörtliche Träger der Sozialhilfe im Land Brandenburg. Die ihm daraus erwachsende sachliche Zuständigkeit für stationäre oder teilstationäre Hilfeleistungen nach § 100 Abs. 1 Ziffer 1 und 5 BSHG, die auch den Abschluss darauf bezogener Pflegeentgeltvereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG a.F. umfasst, hat der Landesgesetzgeber nach Maßgabe des § 100 Abs. 1 BSHG in den Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2 und 2 b AG-BSHG zwischen den örtlichen Trägern und dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe aufgeteilt. Für die vorliegendenfalls relevante Zuständigkeit zum Abschluss von Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG a.F. hat er festgelegt, dass der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist, wenngleich er solche Vereinbarungen nur im Benehmen mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe schließen kann. Dieser im Gesetzestext namentlich als Steuerungskompetenz benannten Befugnis korrespondiert die im Übrigen nach § 2 Abs. 2 AG-BSHG grundsätzlich gegebene Zuständigkeit der örtlichen Träger der Sozialhilfe für die Aufgaben nach § 100 Abs. 1 Ziff. 1 und 5 BSHG als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Schließt der überörtliche Träger im Benehmen mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe eine Pflegesatzvereinbarung mit einem Einrichtungsträger, so vermag der überörtliche Träger die örtlichen Träger der Sozialhilfe kraft seiner Befugnisse nach § 2 Abs. 2 und § 2b Abs. 1 Ziffern 1. und 2. AG-BSHG zur Einhaltung der in der Leistungsvereinbarung bestimmten Pflegesätze je nach Pflegestufe anzuhalten. Auf der anderen Seite ist der Einrichtungsträger durch die Pflegesatzvereinbarung verpflichtet, seinen Heim- oder sonstigen Betreuungsverträgen mit den Hilfeempfängern eben diese Pflegesätze zugrunde zu legen. Im Ergebnis werden durch die Pflegesatzvereinbarung für alle Beteiligten die voraussichtlichen Unterbringungskosten in diesen Punkten transparent und berechenbar, ohne dass dies die im Sozialhilferecht üblicherweise allein bestehenden Rechtsbeziehungen zwischen Hilfeempfänger und Einrichtungsträger einerseits sowie zwischen Träger der Sozialhilfe und dem Hilfeempfänger andererseits berühren würde (vgl. BVerwGE 96, 71, 77; Urteil des Senats vom 27. Januar 2000, a.a.O.; OVG Münster, FEVS 46, 77, 80; Schellhorn/Schellhorn, BSHG 16. Aufl. 2002, § 93 Rn. 23a; Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl. 1999, § 93 Rn. 37, 48; Mergler/Zink, BSHG, § 93 Rn. 30c).

Dies berücksichtigend kann bei der Auslegung von Kostenübernahmeerklärungen seitens der Träger der Sozialhilfe (vgl. hierzu BVerwG a.a.O.; OVG Münster a.a.O.), aber auch bei Pflegesatzvereinbarungen zwischen ihnen und Einrichtungsträgern u.a., nur dann von einem eigenständigen - das Dreieckverhältnis sozusagen schließenden - Rechtsanspruch auf Kostenübernahme ausgegangen werden, wenn zwischen dem Einrichtungsträger und dem sachlich und örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe eine Vereinbarung getroffen wird, welche ihrem Inhalt nach den Rechtsbindungswillen der vertragsschließenden Parteien unmissverständlich zum Ausdruck bringt und eine Abrechnung der entstehenden Kosten nicht lediglich als verwaltungstechnische Abwicklung des Zahlungsverkehrs zulässt (vgl. BVerwG a.a.O.; Urteil des Senats vom 27. Januar 2000, a.a.O.). Andernfalls bleibt es dabei, dass es sich lediglich um eine Rahmenvereinbarung handelt, welche keinen eigenen Rechtsanspruch zwischen Einrichtungsträger und Sozialhilfeträger begründet, sondern lediglich mittelbar verbindliche Eckwerte des Entgelts zeitabschnittsweise festlegt.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die mit Gesetz zur Reform der Sozialhilfe vom 23. Juli 1996 (BGBl. I, S. 1088) vorgenommene Novellierung des § 93 BSHG das System der selbstkostendeckenden Pflegesätze auf ein System prospektiver und pauschalierender Pflegesatzvereinbarungen umgestellt habe und daher die Einrichtungsträger nicht mehr im eigenen Auftrag, sondern als Leistungserbringer tätig würden, wird nicht deutlich, inwieweit dieses Argument entscheidungserheblich wäre. Tatsächlich sind Einrichtungsträger schon immer Leistungserbringer gegenüber dem Hilfeempfänger gewesen. Die Umstellung der Pflegesatzvereinbarungen auf ein im Bereich der gesetzlichen Pflege- und Krankenversicherung damals schon bekanntes pauschalisierendes Vergütungssystem erfolgte vielmehr aus Gründen der Kostendämpfung und Qualitätssicherung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 13/2440 Vorspann und S. 28), lässt aber nicht erkennen, dass es zugleich auch der Schaffung weitergehender Leistungsbeziehungen zwischen Einrichtungs- und Sozialhilfeträgern dienen sollte.

Bestehen an der Richtigkeit der Entscheidung nach den von dem Kläger vorgetragenen Gesichtspunkten keine ernstlichen Zweifel, sind Anhaltspunkte für besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache oder ihre grundsätzliche Bedeutung mangels weiterer Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht erkennbar. Gegen die Klärungsbedürftigkeit spricht im Übrigen auch, dass der Senat in der angegebenen Entscheidung die maßgeblichen Gesichtspunkte in grundsätzlicher Weise bereits geklärt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO.

Ende der Entscheidung

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