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Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 13.05.2005
Aktenzeichen: 4 B 275/04
Rechtsgebiete: VwGO, KitaG, SGB VIII, BGB, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 152 Abs. 1
VwGO § 154 Abs. 2
VwGO § 166
VwGO § 188 Satz 2
KitaG § 1
KitaG § 1 Abs. 2 Satz 2
KitaG § 12 Abs. 1
KitaG § 12 Abs. 1 Satz 2
KitaG § 16 Abs. 5
KitaG § 16 Abs. 5 Satz 2
SGB VIII § 5
SGB VIII § 5 Abs. 1
SGB VIII § 5 Abs. 2 Satz 1
BGB § 133
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 154 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 B 275/04

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Kindergartenrechts;

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat am 13. Mai 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am ... die Richterin am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. September 2004 abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig in der Kindertagesstätte "...", ..., hilfsweise in einer anderen, über freie Betreuungsplätze verfügenden Kindertagesstätte aufzunehmen und im Umfang von sechs Stunden pro Tag zu betreuen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Instanzen des gerichtskostenfreien Verfahrens.

II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. September 2004 und der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen die die begehrte einstweilige Anordnung ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist begründet. Die einstweilige Anordnung erscheint im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich. Der Antragsteller hat sowohl den geltend gemachten Anspruch auf Betreuung in der Kindertagesstätte "...", hilfsweise in einer anderen, über freie Betreuungsplätze verfügenden Kindertagesstätte, (Anordnungsanspruch) als auch die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass der am 17. September 2003 geborene Antragsteller gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 des Kindertagesstättengesetzes (i.d.F. der Bekanntmachung v. 27. Juni 2004, GVBl. 2004, 384; i.F.: KitaG) zwar einen Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung mit einem täglichen Betreuungsumfang von bis zu sechs Stunden habe, dass der Anspruch auf Betreuung gerade in einer Kindertagesstätte aber auch unter Berücksichtigung des - räumlich nicht auf den örtlich zuständigen Träger der Jugendhilfe begrenzten - Wunsch- und Wahlrechts des § 5 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163, zul. geändert durch Gesetz v. 21. März 2005, BGBl. I S. 818, i.F.: SGB VIII) an den dadurch im Verhältnis zur Tagespflege verursachten, um 61,5 % höheren (Mehr-)Kosten scheitere. Derartige Mehrkosten könnten nur gerechtfertigt sein, wenn individuelle Belange erheblichen Gewichts vorlägen. Solche seien indes vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Demgegenüber hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen geltend gemacht, dass der Antragsgegnerin durch die von ihm gewünschte Betreuung in der Kindertagesstätte "..." keine unverhältnismäßigen Mehrkosten im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII entstünden, weil seine Heimatgemeinde den Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte in Cottbus mit Bescheid vom 10. Juni 2004 anerkannt habe und die Kosten für seine Betreuung übernehme. Dieser Einwand greift jedenfalls im Ergebnis durch. Denn wenn eine Gemeinde über freie Kindertagesstättenplätze verfügt, kann sie ein nicht zur Gemeinde gehörendes Kind jedenfalls dann nicht unter Hinweis auf unverhältnismäßige Mehrkosten auf eine andere als die gewünschte Betreuung verweisen, wenn der aufnehmenden Gemeinde wegen des Anspruchs auf angemessenen Kostenausgleich durch die Wohnortgemeinde gem. § 16 Abs. 5 KitaG keine unangemessenen Mehrkosten entstehen können (i.d.S. bereits Beschluss des Senats vom 19. April 2001 - 4 B 37/01 -, LKV 2002, 32 f.). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der gem. § 5 SGB VIII grundsätzlich beachtliche Wunsch nach Betreuung gerade in einer Kindertagesstätte vom für den Wohnort des Kindes zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe - bzw. der gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG für diesen tätigen Stelle - gewährt worden ist

Zwar ist eine Prüfung der Angemessenheit des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII auch in denjenigen Fällen nicht entbehrlich, in denen gem. § 16 Abs. 5 KitaG die Wohnortgemeinde - bzw. der entsprechende Gemeindeverband - auf Verlangen der aufnehmenden Gemeinde einen angemessenen Kostenausgleich für Kinder zu gewähren hat, die aufgrund des Wunsch- und Wahlrechts des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII in Kindertagesstätten außerhalb des eigenen Wohnortes aufgenommen werden. Denn danach sind auch im Verhältnis zwischen Wohnortgemeinde und aufnehmender Gemeinde nur diejenigen Kosten auszugleichen, die aufgrund des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 Abs. 1 SGB VIII entstehen und "angemessen" sind. Einen Anspruch auf Erstattung auch unverhältnismäßiger Mehrkosten, die durch eine die Grenze des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII missachtende Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts entstehen, hat die aufnehmende Gemeinde danach gerade nicht.

Vom - danach eindeutig zu bejahenden - "Ob" der Prüfung zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wem die Prüfung und ggf. Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 Abs. 1 SGB VIII in diesen Fällen obliegt. Adressat des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII ist grundsätzlich der zuständige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe als Leistungsverpflichteter (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 KJHG; § 12 Abs. 1 Satz 1 KitaG). Im Fall des Antragstellers ist dies der für seinen Wohnort zuständige Landkreis als örtlicher Träger der Jugendhilfe (§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) bzw. - im Fall einer Übernahme dieser Aufgabe durch eine kreisangehörige Gemeinde oder ein Amt gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG - diejenige Gemeinde oder das Amt, dass die Durchführung der Aufgabe für den örtlichen Träger aufgrund eines entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vertrags übernommen hat. Für den Wohnort des Antragstellers dürfte dies ausweislich des Bescheides vom 10. Juni 2004 das Amt Neuhausen sein.

Nach der im hiesigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen Prüfung gilt - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - im Fall der Betreuung eines Kindes in einer anderen als seiner Wohnortgemeinde grundsätzlich nichts anderes. Weder dem Wortlaut des § 16 Abs. 5 KitaG noch den diesbezüglichen Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum Dritten Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes ist zu entnehmen, dass für Fälle dieser Art eine von der dargelegten gesetzlichen Zuständigkeit des für den Wohnort zuständigen örtlichen Trägers der Jugendhilfe für Leistungen der Jugendhilfe, zu denen nicht nur die Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege nach dem SGB VIII (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. §§ 22 ff. SGB VIII), sondern gem. § 12 Abs. 1 KitaG auch die Gewährleistung des Betreuungsanspruchs nach dem Brandenburgischen Kindertagesstättengesetz gehört, geändert werden sollte. Ausweislich der Begründung zu § 16 Abs. 5 KitaG sollte durch die Neufassung dieser Vorschrift "die Verpflichtung zum Kostenausgleich an die Prüfung und Gewährung des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, gegen den sich dieses Recht unmittelbar richtet, gebunden werden" (LT-Drucks 3/6374, Begründung S. 4). Unmittelbar - d.h. ohne weiteres und direkt - zuständig bleibt aber auch im Fall der gewünschten Betreuung in der Kindertagesstätte einer anderen Gemeinde die für den Wohnort des Kindes zuständige Stelle. Gem. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VIII hat diese - und nicht etwa der Träger der aufnehmenden Einrichtung oder der für diese zuständige örtliche Träger der Jugendhilfe - der Wahl der Einrichtung eines anderen Trägers durch den Leistungsberechtigten zu entsprechen, sofern diese Wahl nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Eine Übertragung der Entscheidung über die Gewährung des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII von dem für das Kind zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf den (nur) für die aufnehmende Einrichtung zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe dürfte mit Wortlaut, Systematik und Zweck des § 5 SGB VIII nicht vereinbar sein. Unabhängig davon sollte die Zuständigkeit für die Prüfung und Gewährung des Wunsch- und Wahlrechts des Antragstellers aber auch deshalb bei der für seinen Wohnort zuständigen Stelle verbleiben, weil die Wohnortgemeinde - bzw. der für diese zuständige Gemeindeverbund, § 16 Abs. 5 Satz 2 KitaG - unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 KitaG für den Kostenausgleich einzustehen und auch etwaige Mehrkosten zu tragen hat. Mit Blick darauf erscheint es allein sachgerecht, der für diese Gemeinde zuständigen Stelle auch die Prüfung und Entscheidung darüber zu überlassen, ob der Wunsch eines Anspruchsberechtigten mit - nach den Maßstäben des örtlich zuständigen Trägers der Jugendhilfe - unverhältnismäßigen Mehrkosten i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verbunden ist oder ob und ggf. unter welchen Umständen entstehende Mehrkosten im konkreten Einzelfall der Berücksichtigung des Wunsches des Leistungsberechtigten nicht entgegenzuhalten sind. Dem steht auch nicht etwa entgegen, dass der für den Wohnort zuständige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe - oder die für diesen tätige Stelle - nicht über die für eine sachgemäße Prüfung und Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb die aufnehmende Gemeinde - die auch für den Fall einer eigenen Prüfung der Mehrkosten über die entsprechenden Informationen verfügen müsste - nicht in der Lage sein sollte, der Wohnortgemeinde auf entsprechende Nachfrage die Höhe des von ihr geltend zu machenden, ggf. je nach Art der Betreuung unterschiedlich hohen Ausgleichsanspruchs mitzuteilen.

Davon ausgehend dürfte für die Prüfung des auf Betreuung gerade in einer Kindertagesstätte in Cottbus gerichteten - und insoweit von vornherein nur im Rahmen der dort tatsächlich vorhandenen freien Plätze beachtlichen (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 19. April 2001 - 4 B 37/01 -, LKV 2002, 32 f.) - Wunsches des Antragstellers allein das Amt Neuhausen zuständig sein. Hat dieses dem geäußerten Wunsch entsprochen, hat es damit zugleich die Voraussetzungen für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs der Antragsgegnerin als aufnehmender Gemeinde gem. § 16 Abs. 5 KitaG geschaffen; unangemessene Mehrkosten können der Antragsgegnerin unter diesen Voraussetzungen nicht entstehen (i.d.S. bereits Beschluss des Senats vom 19. April 2001 - 4 B 37/01 -, a.a.O.).

Hier hat das Amt Neuhausen - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - mit Bescheid vom 10. Juni 2004 auch bereits einen Anspruch des Antragstellers auf Betreuung in einer Kindertagesstätte - und nicht (nur) in einer Tagespflegestelle - bestandskräftig anerkannt. Maßgebend für die hier gebotene Auslegung des Bescheides ist gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere Wille der Behörde, sondern der im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. dazu nur BVerwG, Urteil vom 3. November 1998 - 9 C 51/97 -, NVwZ-RR 1999, 277 f.; Urteil vom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C 55.79 -, BVerwGE 60, 223, 228 f.).

Hiernach spricht Überwiegendes dafür, dass mit dem Bescheid des Amtes Neuhausen jedenfalls auch die vom Antragsteller gewünschte Betreuung gerade in einer Kindertagesstätte gewährt wurde. Denn ausweislich des Gesamtkontexts des Bescheides wurde mit diesem nicht nur der im konkreten Fall bestehende zeitliche Betreuungsumfang festgestellt, sondern ein "Antrag auf Bedarfsfeststellung zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz vom 10.06.04 für eine Kindertagesstätte in Cottbus" geprüft und positiv beschieden. In der Begründung des Bescheides wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mutter des Antragstellers damit berechtigt sei, ihr "Kind in der Kindertagesstätte anzumelden und einen Betreuungsvertrag abzuschließen". Da der Antragsteller gerade eine Betreuung in einer Kindertagesstätte wünschte, musste er danach jedenfalls nicht davon ausgehen, dass sein Betreuungsanspruch unter Ablehnung des Wunsches nach Betreuung in einer Kindertagesstätte auf die Tagespflege als alleinige Betreuungsmöglichkeiten beschränkt werden sollte. Der Umstand, dass in der Überschrift des formularmäßig erstellten Bescheides - "Leistungsbescheid für die Betreuung in einer Kindertagesstätte/Tagespflegestelle gemäß § 1 des Kindertagesstättengesetzes des Landes Brandenburg" - keine der beiden alternativ nebeneinander gestellten Arten der Betreuung gestrichen ist, sondern beide Möglichkeiten gleichrangig nebeneinander stehen, legt ebenso wie der im Weiteren ohne Konkretisierung auf die Art der Betreuung festgestellte "Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung" im Umfang von bis zu sechs Stunden im Gegenteil nahe, dass die gewährte Betreuung sowohl in einer Kindertagesstätte als auch in einer Tagespflegestelle erfolgen kann, die konkrete Auswahl also der Wahl des Leistungsberechtigten überlassen bleibt. Auch irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Art der Betreuung - Kindertagesstätte oder Tagespflegestelle - einer weiteren Prüfung gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorbehalten bleiben sollte, sind dem Bescheid nicht zu entnehmen. Da etwaige diesbezügliche Unklarheiten ebenso zu Lasten der Behörde gehen wie Fehler bei der Vorbereitung und Erstellung des - bisher jedenfalls nicht aufgehobenen - Bescheides, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob das Amt Neuhausen die Voraussetzungen für eine solche, die gewünschte Art der Betreuung und die damit nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin möglicherweise verbundenen Mehrkosten umfassende Entscheidung tatsächlich geprüft und seinen dem Wunsch des Antragstellers nach Betreuung gerade in einer Kindertagesstätte entsprechenden Bescheid in Kenntnis der dadurch etwa entstehenden Mehrkosten getroffen hat und treffen wollte.

Da die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Betreuung in der von ihm gewünschten oder einer anderen Kindertagesstätte danach jedenfalls nicht unter Berufung auf § 5 Abs. 2 SGB VIII versagen kann, kommt es auf die sich insoweit stellenden weiteren Fragen, insbesondere nach der zutreffenden Ermittlung der sich durch eine Betreuung des Antragstellers in einer Kindertagesstätte gegenüber der Betreuung in Tagespflege im Bereich der Antragsgegnerin ergebenden Mehrkosten sowie nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine trotz dieser Mehrkosten unter bestimmten Umständen im Wege der Einzelfallentscheidung mögliche Aufnahme des Antragstellers in eine Kindertagesstätte (in Betracht kommt hier insbesondere die aufgrund der wechselnden Arbeitszeit seiner Mutter erforderliche Mithilfe anderer Familienmitglieder beim Bringen und Abholen) nicht an.

Auch die von der Antragsgegnerin als örtlicher Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe für ihren Zuständigkeitsbereich verfolgte, für Kinder unter zwei Jahren grundsätzlich Tagespflegestellen vorsehende Entwicklungskonzeption für die Kindertagesbetreuung kann dem Anspruch des Antragstellers nicht entgegengehalten werden. Wären lediglich Tagespflegestellen vorhanden, so hätte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin zwar keinen Anspruch auf Schaffung eines für ihn geeigneten Platzes in der vorrangig gewünschten oder einer anderen, im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin gelegenen Kindertagesstätte. Darum geht es hier jedoch auch nicht. Denn der Antragsteller hat durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung der Leiterin glaubhaft gemacht, dass in der von ihm gewünschten Kindertagesstätte "..." ausreichend freie Krippenplätze vorhanden sind. Dem ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten. Soweit die Antragsgegnerin sich für die Ablehnung der gewünschten Krippenbetreuung darauf beruft, dass Kinder im Alter von bis zu 2 Jahren in ihrem Zuständigkeitsbereich vorbehaltlich des Vorliegens bestimmter, im Fall des Antragstellers nicht festgestellter besonderer Umstände nur in Tagespflege vermittelt würden und eine Ausnahme von dieser Regel deshalb eine Durchbrechung des Prinzips der Gleichbehandlung bedeute, verkennt sie, dass die mit Bescheid vom 10. Juni 2004 erfolgte bestandskräftige Anerkennung des Wunsches des Antragstellers nach Betreuung in einer Kindertagesstätte ebenfalls einen besonderen Umstand darstellt, der eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Verhältnis zu anderen Fällen, in denen es an einer derartigen Anerkennung durch den zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe fehlt, ausschließen dürfte und der von ihr bei der Vergabe der bestehenden freien Kapazitäten zu berücksichtigen ist. Dem insoweit auch von der Antragsgegnerin zu beachtenden Wahlrecht des Antragstellers (zur Beachtlichkeit des Wunsch- und Wahlrechts auch für die "aufnehmende" Gemeinde vgl. Entscheidung des Senats vom 19. April 2001 - 4 B 37/01 -, a.a.O.) können rein konzeptionelle Überlegungen, Planungs- und Steuerungsentscheidungen (vgl. dazu Münder u.a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder- und Jugendhilferecht, 4. Aufl. 2003, § 5 Rn 12) grundsätzlich nicht entgegengehalten werden.

Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung war hier auch geboten, denn ohne eine einstweilige Regelung würde der Antragsteller unwiederbringliche Nachteile erleiden. Es ist ihm nicht zuzumuten, das Ergebnis eines sich eventuell anschließenden Hauptsacheverfahrens abzuwarten, denn die bereits für die Zeit vor Vollendung des 2. Lebensjahres gewünschte und vom zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährte Betreuung in einer Kindertagesstätte kann nach Abschluss eines solchen Verfahrens nicht nachgeholt werden; sein diesbezüglicher Anspruch würde endgültig vereitelt. Davon ausgehend entfällt die Dringlichkeit des geltend gemachten Anspruchs auf Betreuung gerade in einer Kindertagesstätte auch nicht wegen der von der Antragsgegnerin angebotenen Betreuung in einer Tagespflegestelle, da diese dem durch § 5 Abs. 1 SGB VIII bzw. den o.g. Bescheid des zuständigen Trägers gestützten und den Betreuungsanspruch konkretisierenden Wunsch- und Wahlrecht gerade nicht entspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 188 Satz 2 VwGO.

II. Mit der unter I. getroffenen, gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Entscheidung, mit der der Senat dem mit Eilverfahren und Beschwerde verfolgten Begehren des Antragstellers entsprochen und die Kosten des Verfahrens beider Instanzen allein der Antragsgegnerin auferlegt hat, sind die Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. September 2004 sowie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die geltend gemachten Ansprüche auf Prozesskostenhilfe entfallen ist. Er bedarf der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr, weil ihm durch die für sein Prozesskostenhilfebegehren in beiden Instanzen maßgebliche Rechtsverfolgung aufgrund der unter I. getroffenen Entscheidung endgültig keine Kosten der Prozessführung (mehr) entstehen können. Einer weiteren Aufklärung der teilweise unklaren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers bzw. seiner ihm unterhaltspflichtigen Eltern (u.a. Höhe des Einkommens der inzwischen wieder erwerbstätigen Mutter des Antragstellers?) bedarf es deshalb nicht mehr.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren zu II. beruht auf § 154 Abs. 2 und § 188 Satz 2 VwGO sowie § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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