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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.02.2003
Aktenzeichen: OVG 4 B 195/02
Rechtsgebiete: VwGO, VermG, VwVfGBbg


Vorschriften:

VwGO § 60
VwGO § 78 Abs. 1
VwGO § 78 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a Abs. 1
VwGO § 80 a Abs. 3
VwGO § 146 Abs. 4
VermG § 3 Abs. 3
VermG § 34 Abs. 1 Satz 3
VwVfGBbg § 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 B 195/02

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

hat der 4. Senat

am 5. Februar 2003

durch den ..., die ... und die ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 4. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 80.359,74 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevortrages keinen Erfolg.

I. Die Beschwerde ist zulässig, denn dem Antragsteller ist hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren. Nachdem der angefochtene Beschluss am 19. Juli 2002 dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt worden ist, hätte die Beschwerde bis zum 2. August 2002 (Freitag) beim Verwaltungsgericht eingelegt werden müssen, um die Beschwerdefrist nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu wahren. Tatsächlich ist der Beschwerdeschriftsatz erst am 3. August 2002 in den Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts eingeworfen worden (Vermerk des diensthabenden Richters vom 3. August 2002). Indessen ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er binnen der 14-Tage-Frist des § 60 Abs. 2 VwGO die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat und ihm das Verschulden des Boten des beauftragten Kurierdienstes nicht zuzurechnen ist. Die Regelung des § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich auf das Verschulden etwaiger Hilfspersonen, deren sich der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter bei der Wahrnehmung seiner verfahrensrechtlichen Aufgaben bedient, keine entsprechende Anwendung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 1980 - 6 B 63/79 -, DÖV 1981, 180; Beschluss vom 1. März 1988 - 7 B 144/87 -, NVwZ 1989, 1058; Urteil vom 8. Mai 1991 - 3 C 68/89 -, NJW 1992, 63, 64). Den Prozessbevollmächtigten trifft erkennbar auch kein Auswahlverschulden in der Weise, dass er den Beförderungsauftrag einer Hilfsperson erteilt hätte, die entweder infolge ihres jugendlichen Alters oder aus anderen Gründen nicht als zuverlässig anzusehen wäre.

Dem in der Sache weiterverfolgten Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 29. Dezember 1999 wiederherzustellen und die Vollziehung des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1999 aufzuheben, fehlt nicht das Rechtsbedürfnis. Der Antragsteller muss bei Fortbestand der sofortigen Vollziehbarkeit und Fortdauer der Vollziehung damit rechnen, die von ihm genutzten Wohnflächen des Wohnhauses ... in C... an den Beigeladenen herausgeben zu müssen, soweit sie vom Antragsteller nicht schon infolge des Mietvertrages vom 9. Mai 1975 genutzt worden, sondern erst aufgrund der Durchführung des Kaufvertrages vom 28. Juni 1990 in seinen Besitz geraten sind. Ein solcher Herausgabeanspruch kann sich auf die Eigentümerposition des Beigeladenen stützen, die jener als Antragsteller eines vermögensrechtlichen Verfahrens bereits aufgrund des ihn begünstigenden Widerspruchsbescheides, der mit Bescheid vom 18. Januar 2000 nachträglich mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit versehen worden ist, erlangt hat (vgl. Beschluss des Senats vom 6. Juli 1998 - 4 B 131/97 - ZOV 1998, 382, 384; BGH, Urteil vom 12. April 1996 - V ZR 310/94 -, VIZ 1996, 458 ff.). Selbst wenn man - wie der Antragsteller - an diesem Zeitpunkt zweifelt und auf den des grundbuchlichen Vollzuges der Eigentumsübertragung abstellt, hätte der Beigeladene spätestens mit seiner Eintragung als Eigentümer am 19. Juni 2000 in das Grundbuch von C.. diejenige Rechtsposition erlangt, die ihm die Geltendmachung der sich aus § 985 BGB ergebenden Rechte ermöglicht. Im Unterschied zu dem oben genannten Beschluss des Senats vom 6. Juli 1998 (a.a.O.) hat der Beigeladene hier bereits Räumungsklage gegen den Antragsteller beim Landgericht Potsdam (Az.: 10 O 20/01) erhoben und beabsichtigt unbestrittener Maßen im Falle des Obsiegens eine Weitervermietung und ggf. Umbauten am Gebäude. Ob und inwieweit sich der Antragsteller in jenem Verfahren auf ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB - berufen kann (vgl. Vossius, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, 2. Aufl. 1996, Einl. Rn. 68; Hartmann in: Soergel, BGB Einführungsgesetz, 12. Aufl. 1996, Art. 233 § 2a Rn. 20), ist hier nicht zu entscheiden, denn es reicht zur Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses aus, dass die Voraussetzungen für ein solches Besitzrecht, welches sich nach Lage der Dinge nur auf die Durchführung eines Sachenrechtsbereinigungsverfahrens nach § 121 SachenRBerG stützen könnte, als offen zu bezeichnen sind. Auch der Umstand, dass das Verfahren über die Räumungsklage nach Angabe des Beigeladenen derzeit ruht, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Aufnahme eines ruhenden Verfahrens gem. § 250 ZPO ohne Zustimmung des Gerichts oder der anderen Partei jederzeit möglich ist.

Das Rechtsschutzinteresse wird auch durch den nach § 34 Abs. 1 Satz 3 VermG zugunsten des Antragstellers im Grundbuch eingetragenen Widerspruch nicht beseitigt, denn die Rechtswirkung des Widerspruchs erschöpft sich darin, den guten Glauben nach § 899 BGB zu zerstören bzw. einem gutgläubigen Eigentumserwerb die Grundlage zu entziehen. Einem Herausgabeanspruch des Beigeladenen im Rahmen der anhängigen Räumungsklage und einer nachfolgenden wirksamen Begründung eines Miet- oder Pachtverhältnisses mit einem Dritten steht es nicht entgegen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Beigeladene den Verfügungsbeschränkungen des § 3 Abs. 3 VermG unterliegen würde und der Antragsteller daher keines gerichtlichen Schutzes bedürfte. Die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG trifft nur den Verfügungsberechtigten und nicht denjenigen Antragsteller im Sinne des § 30 VermG, der aufgrund eines angeordneten Sofortvollzugs des ihn begünstigenden vermögensrechtlichen Bescheides seine aus dem Eigentumsrecht herrührende Verfügungsgewalt schon vor Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides betätigen kann. Angesichts der in § 34 Abs. 1 Satz 3 VermG für den Fall der Anordnung einer sofortigen Vollziehung ausdrücklich (nur) vorgesehenen Sicherung des Verfügungsberechtigten durch Eintragung eines Widerspruchs sowie der sich - insbesondere aus der vorherigen Prüfung der Rückübertragungsberechtigung wie auch des Vollzugsinteresses durch die zuständige Behörde ergebenden - erheblichen Unterschiede zwischen beiden Fallkonstellationen dürfte auch eine entsprechende Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 VermG auf den bereits vor rechtskräftiger Entscheidung der Hauptsache als Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Rückübertragungsantragsteller nicht in Betracht kommen. Jedenfalls wäre eine derartige, in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - nicht einmal diskutierte Analogie mangels Offensichtlichkeit nicht geeignet, das Rechtsschutzbedürfnis des Verfügungsberechtigten gegenüber einer Anordnung der sofortigen Vollziehung des Rückübertragungsbescheides auszuschließen.

II. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Antragsteller hat sein Aussetzungs- und Aufhebungsbegehren zwar zu Recht gegen den Antragsgegner gerichtet (L). Im Übrigen ist die Beschwerde aber unbegründet, denn die Vollziehungsanordnung weist keine der gerügten formlichen Mängel auf (2.), und in der Sache begegnet die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung keinen durchgreifenden Bedenken (3.).

1. Wie der Senat bereits (mit Beschluss vom 6. Juli 1998 - 4 B 131/97 - ZOV 1998, 382 f.) in grundsätzlicher Weise geklärt hat, ist das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ungeachtet seiner partiell speziellen prozessualen Ausgestaltung ein dem Verfahren der Hauptsache zugeordnetes Nebenverfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1982 - 4 ER 401/81 -, BVerwGE 64, 347, 355), weshalb die Beteiligten der Hauptsache in ihrer jeweiligen Beteiligtenstellung auch Beteiligte am Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind. Richtiger Gegner für einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist danach zwar regelmäßig die Ausgangsbehörde als diejenige Behörde, deren Verwaltungsakt aufgrund einer gesetzlich bestehenden oder behördlich angeordneten Vollziehbarkeit Gegenstand des Verfahrens ist (§ 78 Abs. 1 Nr. 1, 2 VwGO, § 8 Abs. 2 BbgVwGG). Wird eine Klage gem. § 78 Abs. 2 VwGO jedoch gegen die Widerspruchsbehörde gerichtet, weil ein erlassener Widerspruchsbescheid - wie hier - erstmalig eine Beschwer enthält, so ist diese Beteiligtenstellung der Widerspruchsbehörde auch für das Aussetzungsverfahren maßgeblich.

2. Der Antragsgegner ist entgegen der andeutungsweise in der Beschwerdeschrift geäußerten Ansicht des Antragstellers auch nach Rechtshängigkeit des Klageverfahrens am 29. Dezember 1999 für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zuständig gewesen. Es kann offen bleiben, ob die Sachherrschaft der Widerspruchsbehörde zum Erlass eines Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO regelmäßig nur bis zur Beendigung des Widerspruchsverfahrens andauert oder aber unabhängig davon in Anlehnung an die Aussetzungskompetenz nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO stets parallel zu der Anordnungskompetenz der Ausgangsbehörde gegeben ist (vgl. zum Meinungsstand Kaltenborn, DVBl. 1999, 828, 829 f.; Schoch in Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 172). Jedenfalls dann, wenn der Widerspruchsbescheid eine selbständige Beschwer enthält und daher - wie hier - nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO isoliert Gegenstand einer Anfechtungsklage ist, spricht der Umstand, dass das Hauptsacheverfahren gegen die Widerspruchsbehörde geführt wird, dafür, dass deren Sachherrschaft auch hinsichtlich der Befugnis zur Anordnung eines Sofortvollzugs über das Ende des Widerspruchsverfahrens hinaus bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit andauert (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 80 Rn. 81; VGH München, Beschluss vom 17. Juli 1990 - 14 AS 90.1387 -, NVwZ-RR 1990, 594).

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2000 genügt auch den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Sie ist insbesondere durch die eingehende inhaltliche Abwägung des Interesses des Antragstellers an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage einerseits und des Vollzugsinteresses des Beigeladenen unabhängig von den Erfolgsaussichten des anhängigen Klageverfahrens andererseits in einer § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend Rechnung tragenden Weise begründet worden. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kommt es hierbei nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung an, sondern nur darauf, dass der Antragsgegner sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung mit Blick auf den grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsbehelf eintretenden Suspensiveffekt bewusst wird und die Frage des Sofortvollzugs sorgfältig prüft. Zugleich dient die Begründung dem Zweck, den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gründe des von ihr angenommenen überwiegenden Sofortvollzugsinteresses zu informieren (vgl. Beschluss des Senats vom 5. Februar 1998 - 4 B 134/97 -, Zusammenfassung in NJ 1998, 271). Dem genügt die im Bescheid vom 18. Januar 2000 gegebene Begründung ohne weiteres.

Dass dem Erlass der Vollziehungsanordnung eine Anhörung vorangehen musste, wie der Antragsteller meint, erscheint zweifelhaft, denn es handelt sich hierbei nicht um einen, eine Anhörungspflicht nach § 28 VwVfGBbg auslösenden belastenden Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1966 - II C 197.62 -, BVerwGE 24, 92, 94; Beschluss des erkennenden Senats vom 4. März 1996 - 4 B 3/96 - NVwZ 97, 202, 204; Beschluss vom 21. April 1999 - 4 B 162/98 -; Beschluss des 8. Senats vom 22. Juli 1997 - 8 B 56/97.G; VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Juni 1990 - 10 S 797/90 -, NVwZ-RR, 1990, 561; Puttler in Sodan/Ziekow, NK-VwGO, § 80 Rn. 82 f.; Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Auf. 2000, § 80 Rn. 41; Kaltenborn, a.a.O., S. 830) und die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfGBbg aus rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere aus dem auch für das Verwaltungsverfahrensrecht geltenden Gebot eines fairen Verfahrens ist durchaus umstritten (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2000 - 1 BvR 321/96 -, NJW 2000, 1709 f.; Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 66/01, 1 BvR 71/01 -, NJW 2001, 1482 ff; BVerwG, Beschluss vom 31. August 2000 - 11 B 30/00 -, NVwZ 2001, 94, 95; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 82; verneinend Puttler, a.a.O.). Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch nicht, denn eine etwa erforderliche Anhörung ist hier jedenfalls in der Weise nachgeholt worden, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. März 2000 unter Bezugnahme auf die für die Vollziehungsanordnung gegebene Begründung die Aussetzung nach § 80 Abs. 4 VwGO beantragt und der Antragsgegner diesen Antrag mit weiterem Bescheid vom 7. April 2000 ablehnend beschieden hat.

3. Der Antragsteller hat schließlich keine Gesichtspunkte dargelegt, die abweichend von der angefochtenen Entscheidung eine Güterabwägung zu seinen Gunsten erforderte.

Inhaltlicher Maßstab der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine umfassende Interessenabwägung. Das Gericht prüft im Falle einer behördlich angeordneten sofortigen Vollziehung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse und gegebenenfalls das private Interesse eines sonstigen Beteiligten an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens dem Verwaltungsakt nicht folgen zu müssen. In diese Interessenabwägung fließen auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit bzw. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ein, der vollzogen werden soll, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (vgl. Beschluss des Senats vom 12. August 1998 - 4 B 31/97 -, NJW 1998, S. 3513).

Davon ausgehend ist die zulasten des Antragstellers ausgefallene Güterabwägung des Verwaltungsgerichts aus den von dem Antragsteller substantiiert dargelegten und allein einer Überprüfung im Beschwerdeverfahren zugänglichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass angesichts der entstandenen Zweifel an einer künftigen Beachtung der Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG ein besonderes Vollzugsinteresse des Beigeladenen bestehe, dem gleichwertige oder gar überwiegende Interessen des Antragstellers nicht gegenüberstünden.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass nach dem Vermögensgesetz im Regelfall erst im Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Rückübertragungsbescheides die Eigentumsrechte auf den Berechtigten übergehen und dass diese Regelungstechnik auf der Überlegung beruhe, dass sich der Verfügungsberechtigte zwischenzeitlich an die in § 3 Abs. 3 VermG niedergelegten Verfügungsverbote halte. Dem ist zuzustimmen, denn solange sich der Verfügungsberechtigte an diese - lediglich schuldrechtlich wirkenden - Beschränkungen hält, vermag das Interesse des Rückübertragungsberechtigten an der Sicherung seines Anspruchs gegen Beeinträchtigungen durch den Verfügungsberechtigten eine Anordnung der sofortigen Vollziehung des Rückübertragungsbescheides nicht zu begründen. So liegt es hier aber gerade nicht. Das Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit stützt sehr wohl die diesbezüglichen Zweifel des Verwaltungsgerichts.

Dies gilt zunächst für die Bestellung einer Grundschuld über 102.000,- DM zugunsten der Investitionsbank des Landes Brandenburg - ILB -, die der Antragsteller am 30. September 1992 vornahm, obwohl er laut seiner Aussage vor dem Polizeipräsidium Potsdam vom 4. November 1996 jedenfalls durch das Schreiben der Rechtsanwälte von M.. /H.. vom 16. Juli 1992 von einem vermögensrechtlichen Antrag Kenntnis erlangt hatte. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers vermag nicht zu begründen, dass die dennoch vorgenommene Bestellung der Grundschuld entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit § 3 Abs. 3 VermG vereinbar gewesen wäre.

So geht die Annahme des Antragstellers fehl, er habe den Rückübertragungsantrag seinerzeit für unbegründet halten dürfen. Zwar ist zuzugestehen, dass tatsächlich nur nicht offensichtlich unbegründete Restitutionsanträge die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG auslösen (vgl. Beschluss des Senats vom 10. September 2001 - 4 B 42/01.Z - VIZ 2002, 40, 41 f. m. w. N.; BGH, Urteil vom 15. April 1994 - V ZR 79/93 -, NJW 1994, 1723, 1725). An die Offenkundigkeit des Nichtbestehens eines Rückübertragungsanspruchs sind jedoch strenge Maßstäbe anzulegen. Sie kommt nur in Betracht, wenn für den Erfolg der Restitution keine vernünftigen Anhaltspunkte bestehen. (BGH, Urteil vom 15. April 1994 - V ZR 79/93 -, NJW 1994, 1723, 1725; vgl. auch Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Stand 38. Lfg. September 2002, B 100 § 3 VermG Rn 316). Davon war hier indes nicht auszugehen, denn das Anwaltsschreiben vom 16. Juli 1992 bezog sich durch die Angabe der postalischen Adresse des Vermögenswertes auf einen hinreichend konkretisierten Vermögensgegenstand, benannte die ehemaligen Eigentümer Z als Antragsteller und begründete schlüssig den Rückübertragungsanspruch (vgl. BGH, a.a.O.; Rapp in Kimme, Offene Vermögensfragen, Stand 20. Lfg. November 2002, § 3 VermG Rn. 53). Angesichts dessen wäre der Antragsteller zumindest verpflichtet gewesen, sich von der Antragstellung beim zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen nähere Kenntnis zu verschaffen. Mit der Zurückweisung der geltend gemachten Ansprüche durch anwaltliches Schreiben vom 7. September 1992 kam der Antragsteller dieser Obliegenheit offenkundig nicht nach.

Der Antragsteller hat auch nicht substantiiert dargelegt oder gar glaubhaft gemacht, dass die Bestellung der Grundschuld aufgrund einer gesetzlichen oder vor Kenntniserlangung von der Restitutionsbelastung eingegangenen vertraglichen Rechtspflicht erfolgte (zur Beachtlichkeit solcher Rechtspflichten vgl. Wasmuth, a.a.O., § 3 VermG Rn 347 ff.). Soweit er mit der Beschwerde vorträgt, dass er sich im "Darlehensvertrag mit der ILB" zur Bestellung der Grundschuld verpflichtet gehabt habe und dieser Darlehensvertrag bereits vor Kenntnis über den Restitutionsantrag abgeschlossen worden sei, weicht diese Darstellung erheblich vom erstinstanzlichen Vorbringen ab, wonach am 28. April 1992 lediglich ein "Antrag auf Gewährung eines Darlehens" gestellt worden sei und eine Verweigerung der grundbuchlichen Sicherung - mit der Folge der Nichtauszahlung des Darlehens - als "natürlich möglich" bezeichnet wurde. Einen Darlehensvertrag, aus dem sich die nunmehr sinngemäß behauptete Rechtspflicht ergeben könnte, hat der Antragsteller mit der Beschwerde nicht vorgelegt, und der insoweit allein in Bezug genommene, auf einen Antrag vom 28. April 1992 ergangene Bewilligungsbescheid der ILB vom 10. August 1992 vermag das Vorbringen bereits deshalb nicht zu stützen, weil er seinem Wortlaut nach nicht das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen über 102.000,- DM, sondern einen Zuschuss in Höhe von 18.000,- DM zum Gegenstand hat. Dass das durch die Grundbuchbestellung gesicherte Darlehen zur Erhaltung des Vermögenswertes erforderlich und daher die zugrunde liegenden schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte ausnahmsweise nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b) VermG zulässig waren (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. April 1994 - V ZR 79/93 -, NJW 1994, 1723, 1724), klingt im Vortrag des Antragstellers zwar ebenfalls an. Eine Substantiierung fehlt indes auch insoweit. Eine hinreichend substantiierte Darstellung der im Einzelnen erforderlichen Maßnahmen und ihrer durch das aufgenommene Darlehen gesicherten Finanzierung und Realisierung hätte dem Antragsteller um so mehr oblegen, als im Verfahren der ersten Instanz seitens des Beigeladenen die Erforderlichkeit solcher Erhaltungsmaßnahmen in Frage gestellt und vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss inzident verneint worden sind. Eine weitere Aufklärung beider Gesichtspunkte von Gerichts wegen war infolge der fristgebundenen Darlegungspflicht seitens des Beschwerdeführers nicht zu besorgen.

Aber auch der am 28. Dezember 1995 geschlossene Schenkungsvertrag zwischen dem Antragsteller und seinen Töchtern gibt Anlass zu der Besorgnis, dass sich der Antragsteller nicht an die Verfügungssperre hält. Der Vollzug der Schenkung hätte nämlich einen vollständigen Verlust des Vermögenswertes nach sich gezogen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Alteigentümer mit weiterem Schreiben vom 12. Januar 1995 unter Angabe des Antragsdatums und des Aktenzeichens, unter welchem das Verwaltungsverfahren des Beigeladenen beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises Potsdam-Mittelmark geführt wurde, den Antragsteller eindringlich auf das Restitutionsverfahren hingewiesen und um Stellungnahme gebeten, inwieweit Interesse an einer gütlichen Einigung bestehe. Gleichwohl schloss der Antragsteller den notariell beurkundeten Schenkungsvertrag vom 28. Dezember 1995, in dessen Rahmen er die Auflassung erklärte und eine Vormerkung zugunsten seiner beiden Töchter bewilligte. Der im Laufe der Vertragsdurchführung mit notariellem Schreiben vom 22. April 1996 zum Amtsgericht - Grundbuchamt - gestellte Antrag auf Eigentumsumschreibung wurde erst durch weiteres Schreiben vom 17. August 1998 zurückgenommen, allerdings nicht aus Einsicht des Antragstellers in die Beschränkungen des § 3 Abs. 3 VermG, sondern wegen eines zwischenzeitlich erfolgten Widerrufs der Schenkung wegen groben Undankes durch den Antragsteller, worauf das Verwaltungsgericht richtig hinweist.

Beide Vorfälle belegen eindringlich, dass eine rechtstreue Beachtung der den Schutz des Beigeladenen als Rückübertragungsantragsteller bezweckenden Vorschrift des § 3 Abs. 3 VermG durch den Antragsteller nicht hinreichend sicher gewährleistet ist. Zulasten des Antragstellers durfte das Verwaltungsgericht aufgrund der Mitteilung seines Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Juni 2002, wonach er zur Zahlung der Ende Juni 2002 fälligen Rate an die ILB nicht mehr in der Lage sei, auch berücksichtigen, dass damit eine Zwangsversteigerung des Vermögenswertes (durch die ILB, sofern nicht der Beigeladene die fällige Darlehensrate aus eigener Tasche begleicht, oder - wie bereits 1997 nur knapp abgewendet - durch einen anderen Gläubiger des Antragstellers) zu besorgen sei.

Die sich daraus ergebenden Zweifel vermag die vorgelegte eidesstattliche Erklärung des Antragstellers vom 19. Mai 2000 nicht zu beseitigen, denn diese enthält keineswegs eine Zusicherung, dass der Antragsteller "zukünftig keine weiteren Grundstücksbelastungen eintragen wird", sondern begnügt sich mit der Feststellung, die Antragsschrift vom 18. Mai 2000 sei zutreffend und "insbesondere" die dort angegebenen Tatsachen entsprächen der Wahrheit. Angesichts der oft fließenden Grenze zwischen Tatsachenbehauptungen und rechtlicher Argumentation kann eine solche, auf eine eigene Sachdarstellung verzichtende Versicherung Unklarheiten darüber nicht verhindern, inwieweit die Ausführungen in der 31 Seiten umfassenden Antragsschrift von der Versicherung gedeckt sein sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 - IVa ZB 13/98 -, NJW 1988, 2045 f.). Dass der Antragsteller nicht nur objektive Tatsachen, sondern - wie mit der Beschwerde vorgetragen - darüber hinaus Zusicherungen über sein zukünftiges Verhalten glaubhaft machen wollte, ist der Versicherung jedenfalls nicht zu entnehmen. Hinzu kommt, dass jedenfalls die für das Vollzugsinteresse des Beigeladenen allein erhebliche Einhaltung einer Zusicherung des Antragstellers, die - über den Verzicht auf die Eintragung von Grundstücksbelastungen hinausgehenden - Beschränkungen des § 3 Abs. 3 VermG zukünftig beachten zu wollen, als zukünftiger, bisher weder feststehender noch beweisbarer Umstand einer Glaubhaftmachung durch eine eidesstattliche Versicherung im Übrigen ohnehin nicht zugänglich wäre.

Nach alledem bestehen an der Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Güterabwägung keine ernstlichen Zweifel.

Andere Gesichtspunkte zugunsten des Antragstellers waren nach seinem insoweit maßgeblichen Beschwerdevorbringen nicht einzustellen. Die weitergehende pauschale Bezugnahme auf sein Vorbringen in den Schriftsätzen vom 18. Mai und 23. Juni 2000 genügte den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht und war daher nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO keiner weiteren gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Im Hinblick darauf, dass der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich daher nach § 154 Abs. 3 VwGO keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, sind seine etwaigen außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller nicht aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1, 14 GKG, wobei der Senat der Streitwertberechnung des Verwaltungsgerichts folgt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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