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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 09.03.2009
Aktenzeichen: 1 A 138/08
Rechtsgebiete: VwVfG, BGB


Vorschriften:

VwVfG § 54
VwVfG § 62 S. 2
BGB § 154 Abs. 1
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, mit der die Pflicht zur Beseitigung baurechtswidriger baulicher Anlagen vom Grundstückseigentümer auf die Behörde übergeht, wirksam zustande gekommen ist (hier: Bereinigung des Kleingartengebiets "Waller Fleet").
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 1 A 138/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch Richter Göbel, Richter Prof. Alexy und Richterin Feldhusen am 09.03.2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 1. Kammer - vom 06.02.2008 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren ebenfalls auf 755,65 € festgesetzt.

Gründe:

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben.

1.

Entgegen der Ansicht der Kläger bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

Ernstliche Zweifel i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Ein darauf gestützter Antrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründe diese ernstlichen Zweifeln begegnen und warum diese Zweifel eine andere Entscheidung wahrscheinlich machen. Dazu reicht es, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 - NordÖR 2000, S. 453).

Die Richtigkeit des Urteils vom 06.02.2008 begegnet nach diesem Maßstab keinen ernstlichen Zweifeln. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Pflicht, die baurechtswidrige Bausubstanz auf dem Grundstück Fasanenweg 15 im Kleingartengebiet "Waller Fleet" zu beseitigen, nicht von der Klägerin auf die Beklagte übergegangen ist. Eine entsprechende Vereinbarung ist entgegen der Ansicht der Klägerin zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Aus diesem Grund darf die Beklagte die Klägerin weiterhin als Pflichtige in Anspruch nehmen.

Die Beklagte hat der Klägerin zwar den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung zur Beseitigung der baurechtswidrigen Bausubstanz auf ihrem Grundstück angeboten. Diesbezüglich ist wegen der behördlichen Kostenübernahme auch bereits eine grundsätzliche Einigung zwischen den Beteiligten erzielt worden. Ein wirksamer Vertrag ist aber, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zustande gekommen, weil die Betreffenden sich nicht über alle für den Vertragsabschluss maßgeblichen Punkte geeinigt haben. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit auf §§ 56 Abs. 1, 62, Satz 2 VwVfG, 154 Abs. 1 BGB gestützt. Nach § 154 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, solange sich die Parteien nicht über alle Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden sollte.

Mit der Vereinbarung, die die Klägerin am 14.08.2004 unterzeichnet hat, waren noch nicht alle für das Zustandekommen eines wirksamen Vertrags relevanten Punkte zwischen den Beteiligten geregelt worden. Mit dieser Vereinbarung hatte die Klägerin akzeptiert, dass die Beklagte die auf ihrem Grundstück vorhandenen baurechtswidrigen Anlagen auf behördliche Kosten beseitigt (Nr. 4 der Vereinbarung). Allerdings war die Klägerin nicht bereit, die ihr zugleich zugeleitete Erklärung betreffend den "Auftrag zum Abbruch; Betretensgenehmigung und Verzichtserklärung" zu unterzeichnen. Hierbei handelte es sich um eine Erklärung, nach der die Klägerin ihr Einverständnis zum Betreten des Grundstücks (Nr. 1) und zur Beseitigung der baulichen Anlagen (Nr. 2) erteilen sowie auf etwaige Ersatzansprüche nach Beseitigung der Anlagen verzichten (Nr. 4) sollte. Das Verwaltungsgericht hat den Umstand, dass die Klägerin nicht bereit war, diese Erklärung abzugeben, zutreffend dahin gewürdigt, dass damit über einen für das Zustandekommen eines Vertrags wesentlichen Punkt keine Einigung erzielt worden war, mithin der Vertrag nicht wirksam wurde.

Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, dass nach dem seinerzeitigen Verhalten der Beklagten für die Klägerin kein Zweifel daran bestehen konnte, dass die Abgabe dieser Erklärung Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrags war. Es hat dazu die Vertragskontakte der Beteiligten ausgewertet und etwa darauf hingewiesen, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin als Gegenstand der einvernehmlichen Regelung stets die genannte Vereinbarung und die zusätzliche Erklärung bezeichnet hat (S. 7 des Urteils). Das Verhalten der Beklagten trug dabei erkennbar den inneren Zusammenhang zwischen der Vereinbarung und der Erklärung Rechnung, die für die Vertragsrealisierung notwendige Regelungen enthält. Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass diese Vorgehensweise ihrer ständigen Praxis bei der Bereinigung des Kleingartengebiets "Waller Fleet" entsprochen hätte.

Der Zulassungsantrag hält dem entgegen, bei der am 14.08.2004 unterzeichneten Vereinbarung handele es sich sehr wohl um einen Vertrag, in dem bereits über alle maßgeblichen Punkte eine Einigung getroffen worden und der deshalb wirksam zustande gekommen sei. Bei der genannten Vereinbarung und der zusätzlichen Erklärung handele es sich jeweils um selbständige Regelungen. Die Beklagte habe ihr zwei verschiedene "Klauselwerke" vorgelegt, und daran müsse sie sich jetzt festhalten lassen. Dass sie die Erklärung nicht abgegeben habe, berühre nicht die Wirksamkeit der am 14.08.2004 erzielten Vereinbarung.

Dieser Vortrag wird erkennbar dem Sachzusammenhang zwischen der Vereinbarung vom 14.08.2004 und der zusätzlichen Erklärung nicht gerecht. In dem angefochtenen Urteil wird, wie dargelegt, im Einzelnen ausgeführt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel am Bestehen eines solchen Zusammenhangs hat aufkommen lassen. Der Zulassungsantrag setzt sich mit dieser konkreten Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts nicht ansatzweise auseinander.

Die Klägerin ist dementsprechend weiterhin für den baurechtswidrigen Zustand auf ihrem Grundstück verantwortlich. Sie darf von der Beklagten als Pflichtige in Anspruch genommen werden.

Die Klägerin hat weiterhin nicht dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache dann, wenn mit ihr eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Fortentwicklung des Rechts einer Klärung durch das Rechtsmittelgericht bedarf. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung setzt die Formulierung noch ungeklärten und für die Berufungsentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

Daran fehlt es hier. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein Eigentümer eines Grundstücks im Kleingartengebiet, der, wie in ihrem Fall, mit der Behörde eine Vereinbarung über die Beseitigung der baurechtswidrigen Bausubstanz geschlossen hat, weiterhin Pflichtiger ist. Sie hält weiterhin für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung von der Unterzeichnung eines angeforderten Abbruchauftrags abhängt. Hierbei handelt es sich nicht um klärungsbedürftige Grundsatzfragen. Die aufgeworfenen Fragen beurteilen sich, wie aus Vorstehendem folgt, nach den konkreten Umständen des Falles. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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