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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 1 A 196/04
Rechtsgebiete: GFK, AuslG, StAG


Vorschriften:

GFK Art. 34 Satz 2
AuslG § 90
StAG § 38 Abs. 2
1. Art. 34 Satz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, soweit er ein Wohlwollensgebot enthält, das auf das Ermessen der Einbürgerungsbehörden bei der Bemessung der Gebühren einwirkt, unmittelbar anwendbar.

2. Dem Wohlwollensgebot des Art. 34 Satz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist jedenfalls dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Einbürgerungsgebühren nicht über die Deckung des Kostenaufwandes hinausgehen und im Bedarfsfall so weit ermäßigt werden, dass sie auch für finanziell schlecht gestellte Flüchtlinge kein Hindernis für die Einbürgerung darstellen. Eine weitergehende zusätzliche Gebührenermäßigung allein im Hinblick auf den Flüchtlingsstatus des Einbürgerungsbewerbers verlangt das Wohlwollensgebot nicht.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: 1 A 196/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy sowie die ehrenamtlichen Richter S. Dellinghausen und H. Hildebrandt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 26. April 2004 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Ermäßigung der Gebühr für seine Einbürgerung.

Der 1938 geborene Kläger war ursprünglich iranischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1987 in Bremen. Nach seiner Anerkennung als Asylberechtigter erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560). Nach mehr als achtjährigem rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland wurde er am 06.10.2003 gemäß § 85 Abs. 1 AuslG eingebürgert. Mit Bescheid vom 17.09.2003 setzte die Beklagte für die Einbürgerung "unter Berücksichtigung des Wohlwollensgebotes des Art. 34 der Genfer Konvention, ... (der) wirtschaftlichen Situation und ... (des) Lebensalters" des Klägers eine - ermäßigte - Gebühr von 130 Euro fest. Gegen die Festsetzung legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, die Gebühr sei nach der Genfer Flüchtlingskonvention soweit wie möglich herabzusetzen und daher zu erlassen; zudem werde der Kläger ungleich behandelt, denn in anderen Verfahren anerkannter Flüchtlinge seien geringere Gebühren festgesetzt worden. Mit Bescheid vom 29.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus: Art. 34 GFK begründe keinen unmittelbaren Anspruch auf Gebührenbefreiung oder -ermäßigung. Dazu bedürfe es einer weiteren normativen Ausfüllung dieser selbst nicht ausreichend bestimmten Vertragsvorschrift. Die Einbürgerungsbehörde habe bei der Frage, ob die Gebühr zu erlassen oder zu ermäßigen sei, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des Flüchtlings und die persönlichen Billigkeitsgründe einerseits mit dem durch § 90 AuslG zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interesse an einer Kostenerhebung für die gewährte Verwaltungsleistung andererseits abzuwägen. Diesem Gesichtspunkten werde dadurch Rechnung getragen, dass die Gebühr nahezu halbiert worden sei. Die festgesetzte Gebühr stelle für den Kläger keine unzumutbare Härte dar, denn der Kläger verfüge über ein regelmäßiges monatliches Einkommen von ca. 660 Euro aus Arbeitslosenhilfe und Wohngeld; er habe die Gebühr ohne Ratenzahlung begleichen können. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die Einbürgerung einen bedeutsamen Status und erhebliche Vorteile etwa bei Reisen und bei der Arbeitsplatzsuche erwerbe. Gleichbehandlung mit den Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die gebührenfrei eingebürgert würden, könne der Kläger nicht verlangen, da für diesen Personenkreis andere Rechtsgrundlagen maßgeblich seien.

Gegen die Gebührenbescheide hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Er hat vorgetragen, die Beklagte sei zum Erlass oder doch zumindest zur weiteren Ermäßigung der Gebühr verpflichtet. Mit Urteil vom 26.04.2004 (InfAuslR 2004,357) hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag auf Erlass, hilfsweise Minderung der Einbürgerungsgebühren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. In der Begründung seines Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Beklagte habe dem Wohlwollensgebot des Art. 34 GFK nicht hinreichend Rechnung getragen. Wie sich aus der Begründung ihres Widerspruchsbescheids und auch aus ihren einschlägigen Verwaltungsvorschriften ergebe, lasse sich die Beklagte von der Auffassung leiten, dass der Flüchtlingsstatus allein noch nicht zu einer Gebührenermäßigung führe. Infolgedessen habe sie versäumt, das Wohlwollensgebot zusätzlich zu den übrigen Gründen zu berücksichtigen, die für eine Ermäßigung sprächen. Eine solche Privilegierung der Asylberechtigten entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Er habe nämlich an der Möglichkeit der Ermäßigung festgehalten, obwohl er die Einbürgerungsgebühr generell abgesenkt habe.

Gegen das Urteil, das ihr am 21.05.2004 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 21.06.2004 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. In der Berudungsbegündung vom 21.07.2004 trägt sie vor: Nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften sei eine generelle Privilegierung von Asylberechtigten bei der Einbürgerungsgebühr nicht mehr vorgesehen. Der Gesetzgeber habe eine abschließende Regelung für gruppenspezifische Ermäßigungen getroffen, von der Asylberechtigte nicht erfasst seien. Der völkerrechtlichen Verpflichtung aus Art. 34 GFK habe der Gesetzgeber dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er die Einbürgerungsgebühr generell so deutlich abgesenkt habe, dass sie auch für Asylberechtigte kein Hindernis mehr für eine Einbürgerung sei, und das öffentliche Interesse an der Erleichterung der Einbürgerung für diesen Personenkreis im übrigen in die einzelfallbezogene Ermessensentscheidung einzustellen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 26.04.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor: Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention sei dahin zu verstehen, dass der vom Staat gesetzte Rahmen bei der Gebührenmessung vollständig zugunsten des Einbürgerungsbewerbers ausgeschöpft werden müsse, wenn dieser Asylberechtigter sei. Das bedeute, dass von der Erhebung einer Gebühr abzusehen sei, wenn die Gebührenregelung - wie hier - eine vollständige Befreiung zulasse.

Dem Oberverwaltungsgericht hat die den Vorgang betreffende Behördenakte der Beklagte vorgelegen. Ihr Inhalt war, soweit das Urteil auf ihm beruht, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Neubescheidung verpflichtet.

A.

Für eine Verpflichtung zur Neubescheidung ist schon deshalb kein Raum, weil der Kläger sein Prozessziel - eine erneute Entscheidung über die Befreiung von der erhobenen Gebühr oder zumindest deren weitere Ermäßigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - bereits dadurch erreichen kann, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden. Über die Befreiung und Ermäßigung nach § 90 Satz 3 AuslG ist nämlich nicht in einem besonderen nachträglichen Erlass- oder Ermäßigungsverfahren zu entscheiden, dessen eventuelle Fehlerhaftigkeit die Festsetzung selbst unberührt lässt (wie z.B. etwa beim Billigkeitserlass nach § 163 AO), sondern schon bei der Festsetzung der Gebühr selbst mit der Folge, dass eine zu Unrecht unterbliebene Befreiung oder Ermäßigung die völlige oder teilweise Rechtswidrigkeit des Festsetzungsbescheids nach sich zieht (vgl. zur Problematik allg. Eyermann-Happ, 11. Aufl. 2000, Rn 60 zu § 42; Pietzcker, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 116 zu § 42). Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht klargestellt, dass Ziel seines Begehrens allein die Aufhebung der ergangenen Bescheide sei.

B.

Die Klage ist - auch in diesem eingeschränkten Umfang - unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

I.

1.

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 90 AuslG. Die - inzwischen außer Kraft getretene, hier aber noch anzuwendende - Vorschrift bestimmt:

"Die Gebühr für die Einbürgerung nach diesem Gesetz beträgt 255 Euro. Sie ermäßigt sich für ein minderjähriges Kind, das miteingebürgert wird und keine eigenen Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes hat, auf 51 Euro. Von der Gebühr kann aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden."

Von dem ihr in Satz 3 eingeräumten Ermessen hat die Beklagte Gebrauch gemacht, indem sie eine Gebühr von 130 Euro für die Einbürgerung des Klägers festgesetzt hat. Die Überprüfung dieser Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte ist darauf beschränkt, ob die Behörde ihr einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat, sich vom Zweck der Ermächtigung hat leiten lassen und sonst aus der Rechtsordnung folgende Grenzen beachtet hat (§ 114 Satz 1 VwGO). Maßgebend ist der Widerspruchsbescheid (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

2.

Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erschließen sich aus der historischen Entwicklung der Einbürgerungsgebühr:

§ 38 Abs. 2 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) in der Fassung des Kostenermächtigungs-Änderungsgesetzes vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 805) ermächtigte zum Erlass einer Rechtsverordnung über die Erhebung von Gebühren für Einbürgerungen bis zu einer Höhe von 5.000 DM. Zugleich bestimmte das Verwaltungskostengesetz (VwKostG) vom gleichen Tage (BGBl. I S. 821) in § 9 Abs. 1, dass dann, wenn Rahmengesetze für Gebühren vorgesehen sind, bei der Festsetzung der Gebühr im Einzelfall der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand und die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Amtshandlung für den Gebührenschuldner sowie dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu berücksichtigen waren. Die auf § 38 Abs. 2 RuStAG und den 2. Abschnitt des VwKostG gestützte Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung (StAGebV) vom 28. März 1974 (BGBl. I S. 809) sah in § 2 Abs. 1 für die Einbürgerung einen Gebührenrahmen von mindestens 100 DM und höchstens 5.000 DM vor. § 2 Abs. 3 StAGebV ordnete eine pauschale Ermäßigung der vorgesehenen Gebühr um die Hälfte bzw. ein Viertel bei Vorliegen bestimmter typisierter Merkmale an; dazu gehörte u.a. auch die Ermäßigung um ein Viertel bei Asylberechtigten (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b). Darüberhinaus war in § 5 StAGebV vorgesehen, dass eine Gebührenermäßigung oder -befreiung aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses gewährt werden könne.

Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) wurde eine Reihe neuer Einbürgerungstatbestände im Ausländergesetz (§§ 85 bis 89) geschaffen. Für diese Einbürgerungen bestimmte § 90 AuslG eine Einheitsgebühr von 100 Deutsche Mark. Durch die geringe Gebührenhöhe sollte die Einbürgerung erleichtert werden (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 11/632, S. 84 zu § 88).

Die Gebühren für die übrigen Einbürgerungstatbestände (Ermessenseinbürgerungen nach dem RuStAG) wurden durch das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1062) neu geregelt. § 38 Abs. 2 RuStAG bestimmte nunmehr eine Gebühr von 500 DM, von der aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden konnte. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/4450, S. 36) diente die Neuregelung "einer Verbilligung der großen Masse der auf der Grundlage des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vorgenommenen Einbürgerungen, der Vermeidung einer gebührenrechtlichen Schlechterstellung für bisher privilegierte Personengruppen sowie einer möglichen Klarheit und Einfachheit der Berechnung". Der ersten und dritten Zielsetzung werde durch die Einführung eines Festbetrags Rechnung getragen, "der deutlich unterhalb der Kostendeckungsgrenze" liege. Die folgenden Einzelregelungen gälten der Aufrechterhaltung bestehender Gebührenermäßigungen und -befreiungen. Zwar könne nicht völlig ausgeschlossen werden, dass der Übergang von der bisherigen Rahmengebühr zur Festgebühr "in ganz besonders gelagerten Fällen" zu einer Erhöhung der Gebührensätze führe. Diese Fälle dürften aber nur äußerst selten sein, unbillige Härten könnten insoweit "auch" über die vorgesehenen Ermäßigungs- oder Befreiungsmöglichkeiten vermieden werden.

Durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juni 1999 (BGBl. I S. 1618) wurde eine entsprechende Regelung auch für die Einbürgerungen nach dem Ausländergesetz getroffen, indem § 90 AuslG die hier anzuwendende Fassung erhielt. In der Gesetzesbegründung wurde dazu ausgeführt, die Gebühr werden von bisher 100 DM "auf einen kostendeckenden Betrag" erhöht (BT-Drs. 14/533, S. 20).

3.

Zusammenfassend lässt sich danach feststellen, dass § 90 Satz 1 AuslG für die Einbürgerung eine Einheitsgebühr vorsieht, die die Kosten des durch die Amtshandlung verursachten Verwaltungsaufwands jedenfalls nicht überschreiten soll. Die Ermäßigungs- und Befreiungsbefugnis in § 90 Satz 3 AuslG ermächtigt zur Reduzierung der Gebühr oder zum Verzicht auf sie aufgrund von Erwägungen, die bei der Festsetzung der Einheitsgebühr durch den Gesetzgeber noch keine - positive oder negative - Berücksichtigung gefunden haben. Die Tatsache, dass ein Einbürgerungsbewerber zu einer Personengruppe gehört, die früher durch eine pauschale Gebührenermäßigung privilegiert wurde, reicht allein als Begründung für eine Ermäßigung nicht aus, denn die frühere Begünstigung wird durch die niedrige Einheitsgebühr nicht geschmälert, sondern im Ergebnis beibehalten. Sie schließt andererseits aber auch nicht aus, die Gebühr im Einzelfall allein wegen der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe zu reduzieren. Zu entsprechenden Erwägungen besteht immer dann Anlass, wenn dem öffentlichen Interesse oder den Billigkeitsgründen, die zu der früheren Privilegierung geführt haben, durch die - niedrige - Einheitsgebühr noch nicht hinreichend Rechnung getragen wird.

Liegen diese tatbestandlichen Voraussetzungen vor, ist die Ermessensentscheidung vorgeprägt (vgl. Berlit, in: GK-StAR, Rn 19 zu § 90 AuslG): Sind Gründe der Billigkeit oder ein öffentliches Interesse gegeben, die gegen die Erhebung der vollen Gebühr sprechen, widerspräche es in der Regel Sinn und Zweck der Ermächtigung, gleichwohl die volle Gebühr festzusetzen.

II.

1.

Für die Festsetzung der Gebühren für Einbürgerungsbewerber, die als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, gilt zusätzlich Art. 34 GFK. Die Vorschrift lautet:

"Die vertragschließenden Staaten werden soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern. Sie werden insbesondere bestrebt sein, Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dieses Verfahrens soweit wie möglich herabzusetzen."

Zu den Kosten des Verfahrens gehören auch die Gebühren. Das ergibt sich unmissverständlich aus der englischen Fassung von Satz 2

"to reduce as far as possible the charges and costs of such proceedings".

2.

Die Vorschrift ist in innerstaatliches Recht umgesetzt und, soweit sie ein Wohlwollensgebot enthält, das auf das Ermessen der Einbürgerungsbehörden einwirkt, unmittelbar anwendbar. Das ist in der Rechtsprechung für Art. 34 Satz 1 GFK und die Einbürgerung selbst seit langem geklärt (BVerwG, stRspr seit BVerwGE 49,44 <47f.>, zuletzt NVwZ 1998,183 <184>; OVG Bremen InfAuslR 1999,504 = NVwZ-RR 2000,58), und Gründe, die es nahe legen könnten, die Bedeutung von Art. 34 Satz 2 GFK für die Einbürgerungsgebühr anders zu verstehen, sind nicht erkennbar. Beide Vorschriften stehen nämlich in einem systematischen Zusammenhang, der durch das Wort "insbesondere" in Art. 34 Satz 2 GFK gekennzeichnet ist.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Wohlwollensgebot, soweit es in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, durch die Neuregelung der Einbürgerungsgebühren beschränkt worden ist. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Vorschriften ermöglichen will (vgl. für die EMRK: BVerfGE 74,358 <370>). Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Gebührenvorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts stehen der Berücksichtigung des Wohlwollengebots für Asylberechtigte nicht entgegen. Soweit die Auslegungsspielräume einer Vorschrift reichen, ist ihrer Auslegung in Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland der Vorrang zu geben (für die vergleichbare Problematik der EMRK: BVerfGE 74,358 <370>; zuletzt NJW 2004,3407 <3411> m.w.Nwn.). Ließe sich aus Art. 34 GFK die Notwendigkeit einer abstraktgenerellen einzelfallunabhängigen Gebührenermäßigung für die Einbürgerung von Asylberechtigten ableiten, hätten die Einbürgerungsbehörden dem im Rahmen des ihnen nach § 90 S. 3 AuslG zustehenden Ermessens Rechnung zu tragen.

3.

Eine solche Notwendigkeit lässt sich dem Wohlwollensgebot indes nicht entnehmen.

a.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann aus der Formulierung "soweit wie möglich herabzusetzen" keine Verpflichtung zur generellen vollständigen Kostenbefreiung abgeleitet werden. Zwar stellt der Verzicht auf eine Gebührenerhebung die weitestgehendende mögliche Kostenreduzierung dar. Wäre ein völliger Verzicht gemeint gewesen, hätte es aber nahegelegen, das auch in einer entsprechenden Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Das ist nicht geschehen. Die vertragsschließenden Parteien sind deshalb nicht generell gehindert, auch von Flüchtlingen Gebühren zu erheben.

b.

Jedenfalls dann, wenn die Gebühren - wie hier - lediglich dazu dienen, den Verwaltungsaufwand (ganz oder teilweise) zu decken, kann der Vorschrift auch keine Privilegierung in dem Sinne entnommen werden, dass die Einbürgerungsgebühren für Flüchtlinge in jedem Fall geringer sein müssten als für andere nicht in gleicher Weise begünstigte Einbürgerungsbewerber. Für eine solche generelle Besserstellung von Flüchtlingen besteht kein sachlicher Grund.

Die Konvention ist in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren Bestimmungen im Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte ihres Ziels und Zwecks auszulegen (vgl. Art. 31 der Wiener Vertragskonvention - WVK). Sinn und Zweck der Regelung über die Gebühren in Satz 2 bestehen darin, dass die erleichterte Einbürgerung von Flüchtlingen, zu der sich die vertragsschließenden Parteien in Satz 1 verpflichten, "insbesondere" nicht daran scheitern soll, dass die Flüchtlinge die finanziellen Hürden einer Einbürgerung nicht überwinden können (vgl. Weis, The Refugee Convention 1951, Cambridge 1995, S. 344: "reducing the financial obstacles which procedural charges and costs may represent to destitute refugees"). Daraus folgt aber, dass dann, wenn die Gebühren so niedrig bemessen sind, dass ihre Erhebung kein Hindernis für eine erleichterte Einbürgerung von Flüchtlingen darstellt, eine weitere Reduzierung speziell für diesen Personenkreis nicht von der Konvention verlangt wird.

Die vorbereitenden Arbeiten, die ergänzend zur Auslegung der Konvention herangezogen werden können (vgl. Art. 32 WVK), verdeutlichen dies. Gegen den - mit der später verabschiedeten Fassung textgleichen - Entwurf wandte der Vertreter des Vereinigten Königreichs in der Sitzung des zuständigen ad-hoc-Kommittees des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen ein, die Gebühren und Kosten der Einbürgerung in seinem Land seien so niedrig, dass sie kaum noch weiter ermäßigt werden könnten. Er schlage deshalb vor, sich auf den ersten Satz der Vorschrift zu beschränken und allenfalls hinzuzufügen, dass Flüchtlingen die Einbürgerung nicht wegen ihres Unvermögens verweigert werden solle, die Kosten zu tragen. Der Vertreter Belgiens wies darauf hin, dass in gewissen Ländern die Einbürgerung nicht so preiswert sei wie im Vereinigten Königreich. Es sei deshalb wünschenswert, in den Artikel eine Aufforderung an solche Länder aufzunehmen, die Gebühren für Flüchtlinge zu reduzieren. Daraufhin wurde der vorgeschlagene Entwurf angenommen (Protokoll der Sitzung vom 02.02.1950, abgedruckt in: Takkenberg/Tahbaz, The Collected Travaux Préparatoires for the Geneva Convention Relating zu the Status of Refugees, Band I, Amsterdam 1989, S. 308 <309>; vgl. auch Weis, a.a.O., S. 346).

4.

Der Verpflichtung aus Art. 34 S. 2 GFK ist deshalb jedenfalls immer dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Einbürgerungsgebühren nicht über die Deckung des Kostenaufwandes hinausgehen und im Bedarfsfall so ermäßigt werden , dass sie auch für finanziell schlechter gestellte Personen kein Hindernis für die Einbürgerung darstellen. In einem Vertragsstaat, der eine entsprechende Gebührenregelung für alle Einbürgerungsbewerber vorsieht, bedarf es deshalb keiner weitergehenden generellen Reduzierung der Gebühren für Flüchtlinge mehr.

Die Auswirkungen des Wohlwollensgebotes nach Art. 34 Satz 2 GFK auf die Ermessensentscheidung im Einzelfall nach § 90 Satz 3 AuslG beschränken sich darauf, dass dann, wenn die Einheitsgebühr eine finanzielle Hürde für die Einbürgerung darstellt, deren Reduzierung nicht nur aus Gründen der Billigkeit, sondern zusätzlich auch wegen des öffentlichen Interesses an der erleichterten Einbürgerung von anerkannten Flüchtlingen geboten sein kann. Diese zusätzliche Rechtfertigung verstärkt zwar das Gewicht der für die Ermäßigung sprechenden Gründe, erfordert aber nicht eine zusätzliche oder weitergehende Reduzierung der Gebühr.

III.

Die Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid tragen der dargestellten Rechtslage Rechnung.

1.

Die Widerspruchsbehörde hat anerkannt, dass die Entrichtung der Einheitsgebühr von 255 Euro die Einbürgerung des Klägers unzumutbar erschweren würde, weil dieser nur über regelmäßige Einnahmen von ca. 660,00 Euro aus Arbeitslosenhilfe und Wohngeld verfügte. Sie hat die Gebühr deshalb um fast die Hälfte reduziert. Anhaltspunkte dafür, dass auch die Belastung des Klägers mit der ermäßigten Gebühr noch unbillig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Sie werden auch vom Kläger selbst nicht geltend gemacht.

2.

Bei der Ermessenserwägung hat die Widerspruchsbehörde dem öffentlichen Interesse an der Zahlung der vollen Einheitsgebühr nicht nur die persönlichen Billigkeitsgründe, sondern auch das öffentliche Interesse an der Umsetzung des Wohlwollensgebot gegenübergestellt. Weiterreichende Rechtsfolgen als die, die sich bereits aus den Gründen der Billigkeit ergeben, hat sie aus dem Wohlwollensgebot zu Recht nicht abgeleitet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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