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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 1 A 236/05
Rechtsgebiete: StVZO


Vorschriften:

StVZO § 31 a
Zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, wenn sich bei einem Firmenfahrzeug nach einer Verkehrszuwiderhandlung der Fahrzeugführer nicht feststellen lässt.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 1 A 236/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 12.01.2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 5. Kammer - vom 09.06.2005 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren ebenfalls auf 3.600,-Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist nicht gegeben.

Ernstliche Zweifel i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Ein darauf gestützter Antrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen und warum diese Zweifel eine andere Entscheidung wahrscheinlich machen. Dazu reicht es, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, B. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 - NordÖR 2000, S. 453).

Die Richtigkeit des Urteils vom 09.06.2005 begegnet nach diesem Maßstab keinen ernstlichen Zweifeln. Gemäß § 31 a Abs. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber dem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Verkehrszuwiderhandlung nicht möglich war. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen dieser Vorschrift als erfüllt angesehen.

(a) Eine Fahrtenbuchauflage darf nur angeordnet werden, wenn der jeweilige Verkehrsverstoß einiges Gewicht besitzt. Liegt eine nur unwesentliche Verkehrszuwiderhandlung vor, ist eine Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt. Auch Verstöße, die nach dem Punktekatalog mit nur einem Punkt bewertet werden, können danach wesentlich sein (st. Rspr. des BVerwG, vgl. Urt. v. 17.05.1995 - 11 C 12.94 - NJW 1995, S. 2866; B. v. 09.09.1999 - 3 B 94.99 - NZV 2000, S. 386).

Die mit dem Fahrzeug - HB - am 17.08.2004 begangene Verkehrszuwiderhandlung (Überschreitung der innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h) besitzt einiges Gewicht. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich nicht um einen "relativ leichten Verstoß".

(b) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht weiter angenommen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich gewesen ist. Die Feststellung ist daran gescheitert, dass die Klägerin nicht in der gebotenen Weise an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt hat.

Bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die Geschäftsleitung muss zumindest in der Lage sein, der Bußgeldbehörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Denn es kann nicht Aufgabe der Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzuspüren, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht (OVG Münster, Urt. v. 31.03.1995 - 25 A 2798/93 - NJW 1995, S. 3335; VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.1999 - 10 S 114/99 - VRS 97, S. 389; OVG Magdeburg, B. v. 1609.2003 - 1 L 90/03 - juris).

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin keine entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen. Sie hat auch sonst keine Angaben gemacht, die für die Feststellung des Fahrzeugführers zweckdienlich gewesen wären. Sie hat der Bußgeldstelle auf das Anhörungsschreiben vom 21.09.2004 drei Personen genannt, die als Nutzer des Fahrzeugs in Betracht zu ziehen waren; zwei davon aber sogleich wieder als Fahrzeugführer ausgeschlossen, weil sie zum Tatzeitpunkt Sommerurlaub genommen hätten (Schreiben vom 26.10.2004 an das Stadtamt). Die dritte Person, gegen die die Beklagte daraufhin ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleitete, wurde im Folgenden von der Kläger wegen von ihr wahrgenommener anderweitiger dienstlicher Termine ebenfalls als Fahrzeugführer ausgeschlossen (Schreiben vom 17.11.2004 an das Stadtamt). Damit hat die Klägerin der Bußgeldstelle im Ergebnis nur mitgeteilt, wer das Fahrzeug nicht geführt hat. Für eine positive Täterfeststellung hat sie nicht ansatzweise Anhaltspunkte geliefert.

Die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers ist auf dieses Verhalten der Klägerin zurückzuführen. Die Tatsache, dass die Anhörung zur Verkehrszuwiderhandlung nicht innerhalb der grundsätzlich einzuhaltenden 2-Wochen-Frist erfolgte (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 13.10.1978 - 7 C 77.74 - NJW 1979, S. 1054), hatte ersichtlich keinen Einfluss auf das negativ verlaufende Ermittlungsverfahrens. Verzögerte Ermittlungshandlungen schließen die Fahrtenbuchauflage nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (BVerwG, B. v. 25.06.1987 - 7 B 139/87 - VRS 73, S.400).

(c) Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, steht gem. § 31 a Abs. 1 StVZO im Ermessen der Behörde. Die Beklagte hat die Anordnung, die für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen - HB - für die Dauer von neun Monaten gilt, maßgeblich mit dem Gewicht der begangenen Zuwiderhandlung begründet. Das ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, nicht fehlerhaft. Im Zulassungsverfahren hat die Beklagte ihre Ermessenspraxis dahin erläutert, dass sie seit dem Jahr 2004 bei erheblichen Verkehrsverstößen (und dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 31 a Abs. 1 StVZO) wiederum regelmäßig das Führen eines Fahrtenbuchs anordne. In den Jahren 1999 bis 2003 sei die Anordnung demgegenüber aufgrund von Personalengpässen nur in gravierenden Einzelfällen erfolgt. Damit kann zum derzeitigen Zeitpunkt in Bezug auf erhebliche Verkehrsverstöße von einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis ausgegangen werden. Für ein willkürliches Einschreiten, wie im Zulassungsantrag geltend gemacht, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 153 Abs. 2 ZPO; die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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