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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 04.04.2003
Aktenzeichen: 1 B 131/03
Rechtsgebiete: LMEV, BremPolG
Vorschriften:
LMEV § 6 Abs. 3 | |
BremPolG § 23 |
OVG: 1 B 131/03
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 04.04.2003 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 8. Kammer - vom 20.03.2003 mit Ausnahme der darin enthaltenen Streitwertfestsetzung aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verfügung des Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienstes des Landes Bremen vom 17.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales vom 14.08.2002 und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ergänzungsverfügung des Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienstes des Landes Bremen vom 18.03.2003 wiederherzustellen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 17.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
I.
Im Sommer 2002 wurden von Lebensmittelüberwachungsbehörden außerhalb Bremens mehrere Tonnen Geflügelfleisch und Shrimps aus Thailand sichergestellt, die mit dem Antibiotikum Nitrofuran belastet waren. Dieses Antibiotikum, das in der Tierzucht zur Parasitenbekämpfung eingesetzt wird, gilt als erbgutschädigend und krebserregend. Nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang IV der (EWG-) Verordnung Nr. 2377/90 des Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs (ABl. L 224, S.1) kann für Rückstände von Nitrofuranen (einschl. Furazolidon) keine Höchstmenge festgesetzt werden, weil Rückstände dieses Stoffes in Lebensmitteln tierischen Ursprungs in jeder Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) ist es verboten, vom Tier gewonnene Lebensmittel, die mit diesen Stoffen belastet sind, in Verkehr zu bringen. Mit der an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidung der Kommission vom 27.03.2002 über Schutzmaßnahmen betreffend Gelügelfleisch und bestimmte Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse aus Thailand, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind (Entsch. 2002/1319; ABl. L 84, S. 77), ordnete die Kommission der Europäischen Gemeinschaft an, dass die Mitgliedstaaten alle aus Thailand eingehenden Sendungen von Geflügelfleisch und Garnelen insbesondere im Hinblick auf Nitrofurane untersuchen, um sicherzustellen, dass die betreffenden Erzeugnisse keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, und die Einfuhr dieser Erzeugnisse nur genehmigen, wenn die Untersuchungen einen Negativbefund ergeben haben. Nachdem diese Entscheidung im Bundesanzeiger vom 09.04.2002 (Nr. 70, S. 7942) bekannt gemacht worden ist, dürfen die genannten Erzeugnisse auch nach § 6 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 der (deutschen) Lebensmitteleinfuhr-Verordnung (LMEV) nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Nach § 6 Abs. 3 LMEV kann die zuständige Behörde, wenn sie festgestellt hat, dass Lebensmittel nicht den lebensmittelrechtlichen Anforderungen entsprechen, dem Empfänger gestatten, die Sendung innerhalb einer Frist von 60 Tagen in einem mit dem Absender vereinbarten Bestimmungsort außerhalb der Europäischen Union zurückzuverbringen, sofern gesundheitliche Bedenken dem nicht entgegen stehen (Satz 1); ansonsten sind die Lebensmittel einem Verfahren zur Unbrauchbarmachung für den Verzehr durch Menschen nach Maßgabe der zuständigen Behörde zu unterziehen oder nach den Vorschriften des Tierkörperbeseitigungsgesetzes zu beseitigen (Satz 4).
II.
Die Antragstellerin importiert Garnelen aus Thailand. Aus einer von ihr am 28.05.2002 in Bremerhaven angelandeten Partie von 220 Kartons gefrorener Black Tiger Shrimps (2.200 kg) wurden Proben gezogen. Deren Untersuchung im Staatlichen Institut für die Qualitätskontrolle landwirtschaftlicher Produkte RIKILT in Wageningen (NL) ergab eine Belastung mit Furazolidonen von 2,2 Mikrogramm/kg. Der Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz und Veterinärdienst des Landes Bremens verweigerte daraufhin mit Bescheid vom 17.06.2002 die Einfuhr der Sendung und ordnete ihre Vernichtung bis zum 17.08.2002 an; zugleich drohte er ein Zwangsgeld für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung an. Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen die Vernichtungsanordnung und beantragte zugleich die Freigabe der Ware zum Zweck der Rückführung an den Verkäufer in Thailand. Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales wies den Widerspruchsbescheid vom 06.08.2002 als unbegründet zurück. Dagegen hat die Antragstellerin Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Nachdem die Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass die Haltbarkeitsfrist für die Garnelen im April 2003 ablaufe, auf eine rasche oder zumindest vorläufige Entscheidung gedrängt hatte, erließ der Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärüberwachungsdienst des Landes Bremen am 18.03.2003 eine Ergänzungsverfügung, mit der die Sicherstellung der Sendung nach §§ 23 und 24 des Bremischen Polizeigesetzes (BremPolG) in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Satz 4 LMEV und die sofortige Vollziehung dieser und der ursprünglichen Verfügung angeordnet wurden. Die Antragsgegnerin beantragte daraufhin, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die ursprüngliche Verfügung und des Widerspruchs gegen die Ergänzungsverfügung wiederherzustellen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu gestatten, die Shrimps an den Versender der Ware in Thailand zurückzusenden. Mit Beschluss vom 20.03.2003 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel der Antragstellerin wiederhergestellt. Von einer Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde im Einverständnis mit den Beteiligten abgesehen, nachdem die Antragsgegnerin sich bereit erklärt hatte, die Sendung für die Rückfuhr nach Thailand freizugeben, falls die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen die Sicherstellungs- und Vernichtungsanordnung wiederhergestellt würde.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin frist- und formgerecht Beschwerde eingelegt.
B.
Die Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung dem privaten Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel höheres Gewicht eingeräumt als dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Sicherstellungs- und Vernichtungsanordnungen. Die vom Verwaltungsgericht dafür herangezogenen rechtlichen Bedenken gegen die Anordnungen der Antragsgegnerin teilt das Oberverwaltungsgericht nicht. Die angefochtenen Verfügungen erweisen sich vielmehr bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig (I.). Unter diesen Voraussetzungen überwiegt das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel (II.).
I.
Die angegriffenen Verfügungen lassen - jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Würdigung - Rechtsfehler nicht erkennen.
1.
Die Anordnung, die belasteten Garnelen zu vernichten, ist nach § 6 Abs. 3 Satz 4 LMEV gerechtfertigt. Diese Bestimmung sieht zwingend, d.h. ohne die Einräumung eines Ermessensspielraums an die zuständige Behörde, vor, dass Lebensmittel, die nicht den lebensmittelrechtlichen Anforderungen entsprechen, unbrauchbar zu machen oder zu beseitigen sind, wenn sie nicht unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 LMEV an einen Bestimmungsort außerhalb der Europäischen Union zurückverbracht werden dürfen. Eine solche Rückfuhr nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LMEV ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil ihr gesundheitliche Bedenken entgegenstehen.
a)
Diese gesundheitlichen Bedenken müssen sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht aus dem Lagerungs- und Transportvorgang selbst ergeben. Dagegen spricht schon, dass sich Lebensmittel auch dann, wenn sie verdorben oder mit Schadstoffen belastet sind, im allgemeinen so verpacken und sichern lassen, dass eine Gesundsheitsbeeinträchtigung durch den bloßen Transport- und Lagerungsvorgang mit hinreichender Sicherheit vermieden werden kann. Der Zweck der lebensmittelrechtlichen Vorschriften, die auf den Schutz des Verbrauchers abzielen, gebietet es vielmehr, unter gesundheitlichen Bedenken solche zu verstehen, die sich aus dem möglichen Verzehr der beanstandeten Lebensmittel ergeben (vgl. ebenso das nicht rechtskräftige Urteil des VG Hamburg - 7 VG 5251/02 u.a. - vom 05.03.2003, S. 16).
b)
Die gesundheitlichen Bedenken gegen die Rückfuhr sind hier darin begründet, dass die Garnelen wegen ihrer Belastung mit Nitrofuranen eine "Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers" (Art. 5 Abs. 1 VO/EWG 2377/90) darstellen. Die Antragstellerin bestreitet nicht, dass die Untersuchung der gezogenen Proben zur Feststellung einer solchen Belastung geführt hat. Soweit sie auch nach dem detaillierten Vortrag der Antragsgegnerin weiterhin pauschal bezweifelt, dass die Entnahme der Proben und deren Untersuchung korrekt verlaufen sind, bliebt ihr Vorbringen unsubstantiiert; ihm braucht deshalb - jedenfalls im Eilverfahren - nicht weiter nachgegangen zu werden. Wegen der festgestellten Rückstände dürfen die Garnelen nicht in Verkehr gebracht werden. Dies lässt sich wirksam nur verhindern, wenn die Garnelen vernichtet werden.
c)
Bei einer Rückfuhr der beanstandeten Sendung nach Thailand kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Garnelen erneut in Verkehr gebracht werden. Ein Rücktransport allein zum Zweck der Vernichtung der Ware macht wirtschaftlich keinen Sinn. Das Bestreben der Antragstellerin, eine Entscheidung über die Rückfuhr der Garnelen zu erlangen, bevor deren Haltbarkeitsdatum abläuft, deutet auf die ernsthafte Absicht hin, die Ware trotz ihrer Belastung erneut in Verkehr zu bringen.
d)
Durch die Verwirklichung dieser Absicht würden gesundheitliche Gefahren hervorgerufen, die sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch in Deutschland und den übrigen Mitgliedstaaten der Europäische Union realisieren könnten. Es ist nämlich nicht von der Hand zu weisen, dass erneut versucht werden könnte, die belasteten Garnelen in das Gebiet der Europäischen Union einzuführen. Zwar mag der Hinweis der Antragstellerin richtig sein, wegen des nahen Verfalldatums werde es schwer sein, die Ware erneut an einen europäischen Abnehmer zu verkaufen. Dies schließt aber nicht aus, dass die Garnelen auf andere Weise wieder in die europäische Nahrungskette gelangen, etwa indem sie in Thailand weiterverarbeitet und dann als Konserven erneut nach Europa ausgeführt werden. Eine solche Möglichkeit liegt umso näher, als der Nachweis geringer Spuren von Nitrofuran nur von ganz wenigen Instituten in den Industrieländern geführt werden kann (vgl. VG Hamburg, a.a.O.).
e)
Unabhängig davon bestehen gesundheitliche Bedenken im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 1 LMEV auch dann, wenn die Garnelen außerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebracht werden. Die vom Verwaltungsgericht geteilte Auffassung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin sei auf Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit innerhalb Deutschlands bzw. der Europäischen Union beschränkt, vermag nicht zu überzeugen.
Eine solche Beschränkung folgt nicht schon daraus, dass - wie das Verwaltungsgericht meint - "in außereuropäischen Staaten, vornehmlich im ostasiatischen Raum, umwelt- und gesundheitsrechtliche Maßstäbe weithin unvergleichbar mit denen der Europäischen Union sind". Die hier in Rede stehenden Normen und Maßnahmen dienen nicht der Verwirklichung eines spezifischen hohen Gesundheitsschutzniveaus (vgl. Art. 152 Abs. 1 EG) innerhalb der Europäischen Union, sondern gelten der Bekämpfung allgemein anerkannter Gefahren. Die Erkenntnis, dass Nitrofurane (Furazolidon) als mutagene und kanzerogene Substanz zu klassifizieren sind und wegen seiner tumorigenen Eigenschaften keine für den Verbraucher annehmbaren Grenzwerte festgesetzt werden können, ist nicht auf Europa (und die USA) beschränkt, sondern stammt vom "Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives" (JEFCA) und beansprucht weltweite Gültigkeit (vgl. die von der Antragsgegnerin vorgelegte Stellungnahme des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin - BgVV - vom 18.06.2002).
Die getroffenen Regelungen sind solche, die "unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziele haben" (Art. 152 Abs. 4 Satz 1 lit. a) EG). Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, welche Personen unter "Bevölkerung" im Sinne dieses Artikels zu verstehen sind. Auch wenn man darunter nur solche Personen versteht, die sich gewöhnlich im Gebiet der Europäischen Union aufhalten, ergibt sich nicht, dass Maßnahmen zu deren Schutz auf das Gebiet der Union zu beschränken wären. Ein solches Verständnis der rechtlichen Vorschriften würde der weltweiten Verflechtung durch die Zunahme des Warenaustauschs und des Reiseverkehrs nicht hinreichend Rechnung tragen. Sie hat dazu geführt, dass - wie bereits erwähnt - auch dann, wenn beanstandete Lebensmittel in den Herkunftsstaat zurückgeführt und dort in Verkehr gebracht worden sind, nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie dort weiterverarbeitet und die daraus entstandenen Produkte wieder ausgeführt werden. Schließlich können sie, wenn sie nach ihrer Rückführung zum Zwecke des Verzehrs im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden, auch dort die Gesundheit von Reisenden aus der Europäischen Union beeinträchtigen. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, solche Personen handelten auf eigenes Risiko, wenn sie sich nicht in ihrem Konsumverhalten auf die ihnen drohenden Gefahren einstellten, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie sich gleichermaßen auch für den Verzehr "exotischer" Produkte innerhalb der Gemeinschaft anführen ließe.
f)
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dem deutschen bzw. europäischen Normgeber fehle die Kompetenz, die Rückfuhr der beanstandeten Ware in den Herkunftsstaat zu verbieten, wenn dieser - wie hier - auch in Kenntnis der Beanstandung zur Rücknahme bereit sei. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass sich die gesundheitsgefährdenden Garnelen unabhängig davon, dass sie noch nicht zollrechtlich abgefertigt sind, auf deutschem Hoheitsgebiet und damit im Verantwortungsbereich der deutschen Behörden befinden. Damit besteht ein hinreichender Anknüpfungspunkt für Maßnahmen zur Bekämpfung der von ihnen ausgehenden Gefahren. Einen allgemeinen Grundsatz, der besagen würde, dass Maßnahmen zur Abwehr von Gesundheitsgefahren unterbleiben müssen, wenn dafür Sorge getragen wird, dass die Gefahrenquelle in einen anderen Staat geschafft wird, gibt es weder im nationalen noch im internationalen Recht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es auch nicht generell unzulässig, Regelungen zu erlassen, die sich auf andere Staaten auswirken. Eine völkerrechtswidrige Einmischung in die Hoheitsgewalt des anderen Staates liegt vielmehr nur dann vor, wenn eine echte Verknüpfung ("genuine link") zwischen dem regelnden Staat und dem geregelten Sachverhalt fehlt (vgl. statt aller Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 23 Rn 93ff. m.w.Nwn.; ferner BVerfGE 63,343 <369>). Hier liegt aber ein hinreichender sachlicher Anküpfungspunkt für die Vernichtung der gesundheitsgefährdenden Ware darin begründet, dass sie von einem deutschen Importeur auf deutschem Hoheitsgebiet gelagert wird.
g)
Fehl geht schließlich auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf § 50 Abs. 2 Satz 1 LMBG. Nach dieser Vorschrift können bereits "in das Inland verbrachte Erzeugnisse", die auf Grund deutscher lebensmittelrechtlicher Vorschriften beanstandet worden sind, zur Rückgabe an den Lieferanten wieder "aus dem Inland verbracht" werden. Es wäre in der Tat ungereimt, wenn solche Lebensmittelimporte, die bereits zollrechtlich abgefertigt und im Inland in Verkehr gebracht worden sind, nach der gesetzlichen Regelung auch dann in den Herkunftsstaat reexportiert werden könnten, wenn gesundheitliche Bedenken bestehen, während entsprechende Erzeugnisse, die die Zollgrenze noch nicht überschritten haben, nach der auf dieses Gesetz (§ 49) gestützten Verordnung in jedem Fall zu vernichten wären. Diesem Widerspruch braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden, denn die Möglichkeit des Reexports besteht nach § 50 Abs. 2 Satz 2 LMBG auch bei bereits in Verkehr gebrachten Erzeugnissen nicht, wenn Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dies ausschließen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehen hier solche Rechtsakte der Rückführung entgegen. Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift sind auch Richtlinien im Sinne von Art. 249 Abs. 3 EG (vgl. Ruffert, in: Callies/Ruffert, Kommentar zum EU-Vertrag und zum EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Rn 1 zu § 249 EG; Zipfel/Rathke, Lebensmitelrecht, C 100, Rn 27 zu § 50 LMBG). Einschlägig ist hier Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 97/78/EG des Rates vom 18. Dezember 1997 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen (ABl. L 24, S.9). Er sieht vor, dass die Rücksendung beanstandeter Erzeugnisse nur möglich ist, wenn dem aufgrund der Ergebnisse der Veterinärkontrolle und gesundheits- oder tierseuchenrechtlicher Auflagen nichts entgegensteht. Die Bestimmung ist an die Stelle von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 90/675 des Rates vom 10. Dezember 1990 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrolle von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen (ABl. L 373, S.1) getreten; danach konnte die Rückbeförderung einer beanstandeten Sendung zugelassen werden, sofern dem keine gesundheitlichen oder tierseuchenrechtlichen Bedenken entgegenstanden. Ein sachlicher Unterschied zwischen beiden Regelungen ist unter den hier interessierenden Aspekten nicht erkennbar. § 6 Abs. 3 LMEV hat diese Richtlinien in nationales Recht umgesetzt (vgl. zuletzt die Amtliche Begründung des § 6 LMEV durch die Verordnung zur Änderung der Einfuhruntersuchungs-Verordnung und Milchverordnung vom 28.07.1998, BR-Drs 533/98, S. 10; siehe auch die Amtliche Begründung zur Änderung der Ermächtigungsgrundlage in § 49 LMBG durch das Gesetz zur Änderung veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften vom 18.12.1992, BT-Drs 12/3201, S. 40).
2.
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel an der Bestimmtheit der Verfügung vom 17.06.2002. Die Verfügung besteht aus dem - durch Anhang B der Entscheidung der Kommission vom 22. Dezember 1992 zur Festlegung der Verfahren für Veterinärkontrollen von aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen an den Grenzkontrollstellen der Gemeinschaft (Entsch. 1993/13/EWG; Abl. L 9, S.33) einheitlich geregelten - Dokument über Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft verbrachten Erzeugnissen ("Anhang B - Bescheinigung"), und einem als Anlage angehefteten Vordruck mit weiteren Hinweisen und Regelungen nach bremischem Landesrecht (Zwangsgeldandrohung, Gebührenfestsetzung) sowie einer (weiteren) Rechtsmittelbelehrung. Die in der Anlage verwandte Formulierung "Es wird verfügt, dass die Ware bis zum genannten Termin vernichtet bzw. zurückgesandt wird", stellt nicht die in der Anhang B - Bescheinigung enthaltene Entscheidung für die Vernichtung und gegen die Rückfuhr der Sendung in der Weise in Frage, dass sie beide Alternativen wieder als nebeneinander möglich erscheinen lässt, sondern nimmt Bezug auf die dort zwischen den beiden genannten Alternativen getroffene Entscheidung. Die Verbindung zwischen den beiden formularmäßig genannten Alternativen wird nicht durch das Wort "oder" vorgenommen, das vielleicht eine noch offene Wahl zwischen beiden Möglichkeiten nahe legen könnte, sondern durch die Formulierung "bzw.", die die alternative Verengung auf eine von beiden Varianten, nämlich die zuvor ausdrücklich genannte, bedeutet. Für Unklarheiten über den Inhalt der Anordnung bestand deshalb kein Anlass. Das gilt jedenfalls für den Kreis der Adressaten solcher Formulare, die als gewerbsmäßige Lebensmittelimporteure mit den Gepflogenheiten der Veterinärkontrollen und der Notwendigkeit formularmäßiger Abfertigung einer Vielzahl von Sendungen in möglichst kurzer Zeit vertraut sind. Auch die Antragstellerin hat solche Zweifel von Anfang an nicht gehabt und die Verfügung zutreffend so verstanden, dass von ihr die Vernichtung der Sendung verlangt werde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird schließlich auch in der Begründung des Widerspruchsbescheids - schon im ersten Satz - unmissverständlich klargestellt, dass die Beteiligten darüber streiten, ob die beanstandete Ware vernichtet werden soll.
3.
Auch gegen die in der Ergänzungsverfügung vom 18.03.2003 angeordnete Sicherstellung der Garnelen nach §§ 23, 24 BremPolG bestehen bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Bedenken.
a)
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei keine Gefahr für Rechtsgüter in der Bundesrepublik Deutschland ersichtlich, kann nicht gefolgt werden. § 6 Abs. 3 LMEV, dessen Beachtung die Sicherstellung dienen soll, ist Bestandteil der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit Teil des polizeilichen Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 2 Nr. 2 und 3 lit. a) BremPolG. Unabhängig davon gehören nach § 2 Nr. 2 BremPolG zur öffentlichen Sicherheit auch Rechtsgüter des Einzelnen wie die Gesundheit. Ein polizeiliches Einschreiten zu deren Schutz ist nicht schon generell deshalb ausgeschlossen, weil die Gefahr, die abgewehrt werden soll, sich nicht im Inland verwirklicht. Ein polizeiliches Einschreiten kann bei Rechtsgutverletzungen, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland drohen, auch dort geboten sein, wo die Grundlagen einer schädigenden Einwirkung geschaffen werden (vgl. zur Rasterfahndung nach dem 11. September 2001: OVG Rheinland Pfalz NVwZ 2002,1528; a.A. <Gefahr nur in dem jeweiligen Bundesland>: Achelpöhler/Niehaus DöV 2003,49 <54>).
b)
Es liegt auch eine gegenwärtige Gefahr vor, denn ein Verstoß gegen § 6 Abs. 3 LMEV steht unmittelbar oder in allernächster Zukunft mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevor (vgl. § 2 Nr. 3 lit. b BremPolG). Die Antragstellerin will die Garnelen nämlich nach Thailand zurückführen, und daran kann sie, wenn sie die Ware aus dem Zolllager entfernt und auf ein auslaufendes Schiff verbringt, nicht mehr gehindert werden.
c)
Die Sicherstellung ist auch zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr erforderlich. Die "Anordnung" der Antragsgegnerin an die Zollbehörden, die Ware nicht freizugeben, macht die Sicherstellung nicht entbehrlich, wie die Antragstellerin meint, sondern setzt diese tatsächlich um.
II.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der rechtmäßigen Verfügungen überwiegt hier das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung wäre die Antragstellerin wegen der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel gegenwärtig nicht gehindert, die beanstandeten Garnelen nach Thailand zurückzuführen, und damit würde sich die Gefahr, die mit den Verfügungen bekämpft werden soll, schon während des Rechtsmittelverfahrens verwirklichen, ohne dass dies später nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens korrigiert werden könnte. Das öffentliche Interesse daran, dies zu vermeiden, hat Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin, die Ware nach Thailand zurückzuführen, um den Kaufpreis zurückzuerhalten. Es ist im übrigen Sache der Antragstellerin, ihre privatrechtlichen Beziehungen zu ihren Lieferanten so auszugestalten, dass diese und nicht sie für die Folgen einzustehen haben, die entstehen, wenn Ware geliefert wird, die mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belastet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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