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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 18.07.2008
Aktenzeichen: 1 S 73/08
Rechtsgebiete: VwGO, RVG
Vorschriften:
VwGO § 162 Abs. 2 | |
VwGO § 164 | |
RVG Anlage 1 Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss
OVG: 1 S 73/08
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Göbel und Prof. Alexy sowie die Richterin Feldhusen am 18.07.2008 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 4. Kammer - vom 30.01.2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2007 auf die vom Kläger für seine anwaltliche Vertretung im Klageverfahren 4 K 2203/06 geltend gemachte Verfahrensgebühr (Vergütungsverzeichnis RVG Nr. 3100) die für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren entstandene Geschäftsgebühr (Vergütungsverzeichnis RVG Nr. 2300 bis 2303) zur Hälfte angerechnet. Ferner hat er die geltend gemachte Erledigungsgebühr (Vergütungsverzeichnis RVG Nr. 1002) abgesetzt. Das Verwaltungsgericht Bremen - 4. Kammer - hat die Erinnerung des Klägers mit Beschluss vom 30.01.2008 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Weder die Anrechnung der Geschäftsgebühr noch die Absetzung einer Erledigungsgebühr sind rechtlich zu beanstanden.
1.
Nach den Bestimmungen des RVG ist, wenn für die anwaltliche Vertretung wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach der Nr. 2300 bis 2303 des Vergütungsverzeichnisses RVG entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Nr. 3100 anzurechnen (Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 Vergütungsverzeichnis RVG, im Folgenden: Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG). Durch diese Anrechnungsregelung verringert sich, wenn durch die vorprozessuale Vertretung für den Prozessbevollmächtigten bereits eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die später anfallende Verfahrensgebühr; die Geschäftsgebühr selbst bleibt von der Anrechnung unberührt. Die Verminderung der Verfahrensgebühr findet ihren Grund darin, dass der Rechtsanwalt, der durch seine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit einer bestimmten Sache befasst war, für die anschließende gerichtliche Vertretung weniger Aufwand aufbringen muss als ein Rechtsanwalt, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält und sich aus Anlass dieses Auftrags erstmals in die Angelegenheit einarbeiten muss (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 209 zu der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV).
Die Anrechnungsregelung gilt zunächst im Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten, sie gilt darüber hinaus aber auch dann, wenn im Verfahren nach § 164 VwGO die Kosten gegen den unterlegenen, zur Kostenerstattung verpflichteten Prozessgegner festgesetzt werden. Gemäß § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig. Hierbei handelt es sich um die gesetzlich vorgesehenen Gebühren (vgl. Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, § 162 Rn. 8). Wenn die Verfahrensgebühr wegen der Anrechnungsregelung nur in gekürzter Höhe entsteht, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Die obsiegende Partei kann im Kostenerstattungsverfahren nur diejenigen Kosten geltend machen, die sie auch selbst ihrem Prozessbevollmächtigten schuldet.
Der Senat verkennt nicht, dass die Anrechnungsregelung im Ergebnis dazu führt, dass es für eine zur Kostenerstattung verpflichtete Partei vorteilhaft ist, wenn der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite bereits vorprozessual das Geschäft seines Mandanten betrieben hat. Während in diesem Fall nur die verminderte, ist bei einer auf das gerichtliche Verfahren beschränkten Vertretung die volle Verfahrensgebühr zu erstatten. Der Unterschied ist indes sachlich darin begründet, dass im ersten Fall aufgrund der vorprozessualen Befassung in der Regel für das gerichtliche Verfahren auch nur ein geringerer Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand besteht. Die Verkürzung der Verfahrensgebühr ist aus diesem Grund vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (s. o.).
Ließe man die Anrechnungsregelung im Kostenerstattungsverfahren unberücksichtigt, liefe das im Übrigen darauf hinaus, dass die Vergütung des bereits vorprozessual tätigen Rechtsanwalts vom Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abhängig wäre. Bei erfolgslosem Verfahrensausgang bestünde insoweit gegenüber dem Mandanten nur ein Anspruch auf die verminderte Verfahrensgebühr. Demgegenüber entstünde im Falle des Obsiegens in Gestalt der vollständigen Verfahrensgebühr ein von der Gegenseite zu tragendes "Erfolgshonorar". Hierfür bietet das Gesetz aber keine Grundlage.
Das Oberverwaltungsgericht folgt damit dem etwa vom BGH (B. v. 22.01.2008 - VIII ZB 57/07 - NJW 2008, 1323; B. v. 30.04.2008 - III ZB 8/08 - juris), vom OVG Lüneburg (B. v. 28.03.2008 - 10 OA 143/07 - juris, unter Aufgabe der Rechtsprechung mit Beschluss vom 08.10.2007 - 10 OA 2001/07 - NJW 2008, 535) und vom OVG Koblenz (B. v. 28.01.2008 - 6 E 11203/07 - juris) vertretenen Rechtsstandpunkt. Die Gegenansicht (vgl. etwa OVG Münster, B. v. 27.04.2006 - 7 E 410/06 - NJW 2006, 1991; VGH München, B. v. 10.07.2006 - 4 C 06.1129 - NJW 2007, 170; VGH Mannheim, B. v. 04.04.2008 -11 S 2474/07 - juris) wird dem Wortlaut und dem Zweck der Anrechnungsregelung nicht ausreichend gerecht.
Bei der Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren sowie der anschließenden Vertretung vor Gericht hat es sich um denselben Gegenstand im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG gehandelt. Dies ist offenkundig und wird vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Aus diesem Grund ist zu Recht die Anrechnungsregelung angewandt worden.
2.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2007 ist weiterhin zutreffend die beantragte Erledigungsgebühr abgesetzt worden. Das Verwaltungsgericht hat im Beschluss vom 30.01.2008 im Einzelnen ausgeführt, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten nach Art und Umfang nicht ausgereicht hat, um eine Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Das Oberverwaltungsgericht nimmt insoweit auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug (§ 122 Abs. 2 S. 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Ende der Entscheidung
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