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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 02.03.2009
Aktenzeichen: 1 S 97/09
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 118 Abs. 2 S. 4
Hat der Kläger die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen und Belege nicht rechtzeitig vorgelegt, kann die versagte Prozesskostenhilfe nicht durch Nachreichung der Unterlagen und Belege erst in der Beschwerdeinstanz korrigiert werden.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 1 S 97/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch Richter Göbel, Richter Prof. Alexy und Richterin Feldhusen am 02.03.2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 4. Kammer - vom 22.12.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren 4 K 1045/07 stehen §§ 166 VwGO, 118 Abs. 2 S. 4 ZPO entgegen.

Das Verwaltungsgericht hat nach §§ 166 VwGO, 118 Abs. 2 S. 4 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, wenn die Partei innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht hat oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Mit dieser Regelung wird die unzureichende Mitwirkung der Partei sanktioniert. Allerdings handelt es sich bei einer nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzten Frist nicht um eine Ausschlussfrist; das Gericht der Hauptsache hat deshalb nach Fristablauf nachgeholtes Vorbringen sowie nachgereichte Belege grundsätzlich zu berücksichtigen. Das ergibt sich schon daraus, dass die nachgereichten Erklärungen und Belege regelmäßig auch einen erneut gestellten Prozesskostenhilfeantrag stützen könnten; die Berufung auf den Ablauf der nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzten Frist würde sich dann eher als eine überflüssige Formsache darstellen. Dem Fristversäumnis kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Bewilligung in diesem Fall erst vom Zeitpunkt des Einreichens der vollständigen Unterlagen erfolgt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., 2009, § 118 Rn. 42; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., 2009, § 118 Rn. 17 a).

Werden die angeforderten Unterlagen von der Partei erst nach Ergehen des ablehnenden Beschlusses mit der Beschwerde vorgelegt, ist danach wie folgt zu differenzieren: Solange das Bewilligungsverfahren noch beim Verwaltungsgericht anhängig ist, d. h. bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts darüber, ob es der Beschwerde abhilft (§ 148 Abs. 1 VwGO), hat das Gericht den neuen Vortrag und die neuen Belege in seine Entscheidung einzubeziehen, ob die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht kommt. Anders beurteilt sich die verfahrensrechtliche Lage allerdings, wenn die vom Verwaltungsgericht angeforderten Unterlagen von der Partei - nachdem das Verwaltungsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hat - erst dem Beschwerdegericht vorgelegt werden. In diesem Fall kann die mangelnde Mitwirkung gegenüber dem Verwaltungsgericht nicht durch das Nachreichen der Unterlagen und Belege in der Beschwerdeinstanz korrigiert werden. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO hat den Zweck, die Mitwirkung der Partei gegenüber dem Verwaltungsgericht zu fördern. Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn die Beschwerdeinstanz ungeachtet der Verletzung der Mitwirkungspflicht über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheiden würde. Abgesehen davon wäre das Beschwerdegericht in diesem Fall zu einer inhaltlichen Prüfung eines Prozesskostenhilfegesuchs gezwungen, ohne dass sich das Ausgangsgericht mit der Sache befassen konnte. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO stellt sich insoweit als die gegenüber § 571 Abs. 2 ZPO - der gemäß § 173 VwGO grundsätzlich im Verwaltungsstreitverfahren zur Anwendung kommt - speziellere Regelung dar. Das Oberverwaltungsgericht folgt in dieser Frage der überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. BAG, B. v. 3.12.2003 - 2 A ZB 19/03 - MDR 2004, 415; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 04.07.2008 - L 19 B 36/08AS - juris; VGH Mannheim, B. v. 23.01.2008 - 11 S 2916/07 - juris, m. w. N.; zum Streitstand vgl. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 127 Rn. 21).

Nach diesem Maßstab ist es dem Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall verwehrt, auf der Grundlage der jetzt von der Klägerin eingereichten bzw. noch angekündigten Unterlagen eine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu treffen.

Das Verwaltungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Verfügung des Berichterstatters vom 10.11.2008 aufgefordert, bis zum 11.12.2008 die bislang nicht eingereichten "PKH-Unterlagen für die Klägerin" vorzulegen. Dieses Berichterstatterschreiben erfüllte die Voraussetzungen einer Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO (vgl. dazu Schoreit/Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe, 9. Aufl., 2008, § 118 ZPO, Rn. 23). Mit Beschluss vom 22.12.2008 hat das Verwaltungsgericht sodann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, nachdem die Klägerin die nach § 117 Abs. 2 ZPO notwendigen Unterlagen trotz dieser Aufforderung nicht vorgelegt hatte. Gegen diesen ihm am 30.01.2009 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte am 13.12.2009 ohne Begründung Beschwerde eingelegt, worauf das Verwaltungsgericht am 17.12.2009 beschlossen hat, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Erst am 26.02.2009 hat der Prozessbevollmächtigte beim Oberverwaltungsgericht die Ablichtung einer nicht unterschriebenen Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO mit der Ankündigung vorgelegt, das unterschriebene Exemplar nachzureichen.

Eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts wird unter diesen Umständen durch § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ausgeschlossen. Für die Klägerin besteht die Möglichkeit, erneut Prozesskostenhilfe beim Verwaltungsgericht zu beantragen. Der Ablehnungsbeschluss des Verwaltungsgerichts steht einer sachlichen Befassung nicht entgegen. Zwar kann ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht beliebig wiederholt werden (vgl. Beschluss des Senats vom 21.11.2008 - 1 S 480/07 -; ausführlich OVG Bremen, B. v. 10.01.1991 - 2 B 330/90 - NVwZ RR 1992, 219). Das Einreichen der bislang nicht vorgelegten Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO schafft indes veränderte Umstände, auf die ein erneuter Bewilligungsantrag gestützt werden kann (vgl. Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 166 Rn. 25; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., 2009, § 118 Rn. 42; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., 2009, § 118 Rn 17 a).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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