Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 11.11.2009
Aktenzeichen: 2 A 248/05
Rechtsgebiete: RegelVO, SGB V


Vorschriften:

RegelVO § 1 Abs. 1
SGB V § 62
SGB V § 264
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Regelsatzverordnung i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190, 2255), wonach die Regelsätze auch Leistungen für Kosten bei Krankheit (z. B. Praxisgebühr, Rezeptzuzahlungen) umfassen, ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: 2 A 248/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Meyer, Richter Dr. Grundmann und Richter Dr. Bauer sowie die ehrenamtlichen Richterinnen I. Ravens und C. Weiner ohne mündliche Verhandlung am 11.11.2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 3. Kammer - vom 31.03.2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme von Praxisgebühren und Zuzahlungen zur Krankenbehandlung aus Sozialhilfemitteln.

Der 1958 geborene Kläger leidet an einer Lähmung beider Unterschenkel und an Anämie. Er bezog im Jahr 2004 Sozialhilfe.

Am 14.01.2004 beantragte er beim Amt für Soziale Dienste (AfSD) der Beklagten vor Behandlungsbeginn im 1. Quartal die Übernahme der Praxisgebühren für einen Arztbesuch und einen Zahnarztbesuch in Höhe von 20,00 Euro.

Mit Bescheid vom 15.01.2004 lehnte das Amt für Soziale Dienste den Antrag mit der Begründung ab, der Bereich der Zuzahlungen sei zum 01.01.2004 neu geordnet worden. Die Zuzahlungen seien abhängig vom Einkommen. Bei Sozialhilfeempfängern werde von dem Regelsatz eines Haushaltsvorstandes als Bruttoeinkommen ausgegangen. Davon seien jährlich 2 % (71,04 Euro) bzw. bei chronisch Kranken 1 % (35,52 Euro) einzusetzen.

Mit Bescheid vom 22.01.2004 gewährte das AfSD die Leistungen von 20,00 Euro darlehensweise unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Den gegen den Bescheid vom 15.01.2004 vom Kläger am 19.01.2004 eingelegten Widerspruch wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2004 aus den Gründen des Ausgangsbescheids als unbegründet zurück.

Einen am 09.02.2004 vom Kläger gestellten Antrag auf Kostenübernahme für eine Rezeptzuzahlung von 5,00 Euro lehnte das AfSD mit Bescheid vom 11.02.2004 ab. Den dagegen mit Schreiben vom 23.02.2004 eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger weitere Anträge auf Übernahme von Rezeptzuzahlungen in Höhe von 5,00 Euro und 8,43 Euro stellte, und den Widerspruch des Klägers vom 11.02.2004 gegen den Bescheid vom 22.01.2004 wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2004 zurück. Durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung hätten ab dem 01.01.2004 alle Versicherten Zuzahlungen zur Krankenbehandlung zu leisten. Die Regelsätze der Hilfe zum Lebensunterhalt umfassten als persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens auch Krankheitskosten.

Der Kläger hat am 24.03.2004 und am 10.05.2004 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden. Der Kläger ist der Auffassung, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO i. d. F. des Gesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190, 2255) nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Durch die Neuregelung, nach der die Zuzahlung zur Krankenbehandlung nunmehr aus dem Regelsatz zu leisten sei, stehe ihm das Existenzminimum nicht mehr zur Verfügung. Die Abwälzung der Praxisgebühr und der Zuzahlungsbeträge auf die ihm zur Verfügung stehende Regelsatzleistung überschreite die verfassungsrechtlich gebotene Grenze und sei auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 GG unverhältnismäßig. Er sei aufgrund vielfältiger körperlicher Gebrechen im besonderen Maße auf regelmäßige medizinische Behandlungen angewiesen und nicht in der Lage, aus den Regelsatzleistungen Geld für Zuzahlungen anzusparen. Seine medizinisch dringend gebotene Versorgung sei deshalb nicht mehr gewährleistet.

Nachdem die Beklagte dem Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Rezeptzuzahlungen von insgesamt 18,43 Euro ein Darlehen in Höhe von 8,43 Euro bewilligt hat, haben die Beteiligten die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 15.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2004 und der Bescheide vom 22.01.2004 und vom 11.02.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2004 zu verpflichten, Praxisgebühren in Höhe von 20,00 Euro und eine Rezeptzuzahlung in Höhe von 5,00 Euro als Beihilfe zu bewilligen,

2. die vom Kläger am 23.02.2004 beantragten Rezeptzuzahlungen für das Medikament Steiemicyne in Höhe von 5,00 Euro und Cellucisc in Höhe von 8,43 Euro als Beihilfe zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf die Gründe der Widerspruchsbescheide berufen.

Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Urteil vom 31.03.2005 das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die Klagen im Übrigen abgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Praxisgebühr und der Rezeptzuzahlungen bestehe mangels gesetzlicher Grundlage nicht. Nach dem durch Artikel 28 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung angefügten Satz 2 des § 37 Abs. 1 BSHG gingen die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V den Leistungen zur Hilfe bei Krankheit nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BSHG vor. Für diesen Personenkreis gelte, dass während eines Kalenderjahres Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten seien. Die Übernahme der Zuzahlungen aus Mitteln der Sozialhilfe sei in den Vorschriften zur Krankenhilfe nach Streichung des § 38 Abs. 2 S. 1 BSHG nicht mehr vorgesehen. Da der Gesetzgeber zudem zum 01.01.2004 die Kosten bei Krankheit zum Regelbedarf erklärt habe, komme auch die Gewährung einmaliger Beihilfen auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 BSHG nicht mehr in Betracht. Einzelfallabhängige Besonderheiten, nach denen abweichend von den Regelsätzen laufende Leistungen zum Lebensunterhalt gewährt werden könnten, lägen nicht vor. Die Regelungen beträfen generell alle Hilfeempfänger. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sei die faktische Regelsatzsenkung nicht zu beanstanden, da der Gesetzgeber in diesem Bereich ein weites Gestaltungsermessen habe und die Regelsatzfestsetzungen nur eingeschränkt überprüfbar seien. Die Regelsatzhöhe sei auch unter Berücksichtigung der Zuzahlungen mit dem Sozialstaatsprinzip und der Menschenwürde vereinbar. Bei einem durchschnittlich monatlich zu leistenden Betrag von höchstens 5,92 Euro verbleibe dem Hilfeempfänger das verfassungsrechtlich Gebotene zur Bestreitung seines übrigen Lebensunterhalts.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen das ihm am 07.07.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.08.2005 Berufung eingelegt, die er am 30.08.2005 begründet hat. Durch die faktische Regelsatzkürzung aufgrund der Neuregelung der Zuzahlungsverpflichtungen stehe ihm das unabdingbar notwendige Existenzminimum nicht mehr zur Verfügung. Das Verwaltungsgericht verkenne seine ohnehin schon als zugespitzt zu charakterisierende wirtschaftliche Situation, da er als in besonderem Maße auf medizinische Betreuung angewiesener Patient immense Kosten für gesundheitliche Belange aufzubringen habe und seit Jahren streng nach den im Regelsatz enthaltenen Bedarfspositionen lebe. Da der Regelsatz lediglich diese Bedarfspositionen abdecke, sei nicht ersichtlich, aus welchen finanziellen Mitteln Ansparungen für die Kosten medizinischer Betreuung aufgebracht werden sollten. Zahlreiche Stellungnahmen anerkannter Sozialverbände und erste praktische Erfahrungen aus der Ärzteschaft ließen eine gesundheitliche Unterversorgung ökonomisch schwacher Gesellschaftsteile befürchten. Die faktische Herabsenkung des Regelsatzes betreffe den existenziellen Bereich der medizinischen Grundversorgung und sei daher auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unverhältnismäßig. Hilfsweise seien die Kosten darlehensweise zu übernehmen, da die von dem Hilfeempfänger zu tragende Belastung auf die in einem Jahr zu gewährenden zwölf Regelsätze aufzuteilen sei.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 31.03.2005 aufzuheben.

2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2004 und der Bescheide vom 22.01.2004 und vom 11.02.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2004 zu verpflichten, Praxisgebühren in Höhe von 20,00 Euro und eine Rezeptzuzahlung in Höhe von 5,00 Euro zu bewilligen.

3. die vom Kläger am 23.02.2004 beantragten Rezeptzuzahlungen für das Medikament Steiemicyne in Höhe von 5,00 Euro und Cellucisc in Höhe von 8,43 Euro zu bewilligen.

hilfsweise,

1. die Beklagte unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils und der vorbezeichneten Bescheide zu verpflichten, die einen Betrag von 5,92 Euro überschreitenden Kosten bei Krankheit, vorbeugender und sonstiger Hilfe (z. B. Praxisgebühr, Zuzahlungen für Arzneimittel u. ä.) in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrags bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V darlehensweise zu bewilligen.

2. die Beklagte zu verpflichten, für die in Streit stehenden Kosten der medizinischen Versorgung des Klägers im Monat Februar 2004 ein Restdarlehen von 4,02 Euro zu bewilligen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Gesetzgeber habe die Praxisgebühr und die Zuzahlungen zu Medikamenten aus der Krankenhilfe herausgenommen und als bereits mit den Regelsatzleistungen abgedeckte Hilfe zum Lebensunterhalt qualifiziert. Durch die geringfügigen Zuzahlungsbeträge sei der Bedarfsdeckungsgrundsatz nicht in Frage gestellt. Bei einer maximalen monatlichen Belastung von 5,92 Euro bzw. 2,96 Euro bei chronisch Kranken seien die verfassungsrechtlich garantierten Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein nicht berührt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung war, soweit das Urteil darauf beruht.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der Praxisgebühr und der Zuzahlungen zu den Medikamenten aus Mitteln der Sozialhilfe. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht wegen Fehlens einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage zurückgewiesen. Maßgeblich sind vorliegend die Vorschriften des zum 31.12.2004 außer Kraft getretenen Bundessozialhilfegesetzes.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) hat der Gesetzgeber die Zuzahlungsregelungen neu gestaltet und gesetzlich krankenversicherte Empfänger von Sozialhilfe mit Versicherten ohne Sozialhilfebezug gleichgestellt. Damit hat der Gesetzgeber (u. a.) die nach § 61 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung von der Zuzahlungspflicht vollständig befreiten Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bewusst in die Zuzahlungsregelungen einbezogen. Zukünftig sollten alle Versicherten eine angemessene Beteiligung an ihren Krankheitskosten tragen. Überforderungsregelungen sollten dabei vor unzumutbaren finanziellen Belastungen schützen (BT-Drs. 15/1525, S. 71). Für alle Versicherten einschließlich der Sozialhilfeempfänger sollte für alle Zuzahlungen gleichermaßen eine Belastungsgrenze in Höhe von 2% des Bruttoeinkommens gelten (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 77).

Nach § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2004 geltenden hier maßgeblichen Fassung wird die Krankenbehandlung von Empfängern laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2, von Empfängern von Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes und von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die nicht versichert sind, von der Krankenkasse übernommen. Sozialhilfeempfänger haben wie alle sonstigen gesetzlichen Versicherten nach § 62 Abs. 1 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung während jedes Kalenderjahres Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Die Belastungsgrenze beträgt 2 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 62 Abs. 2 Satz 5 SGB V ist bei Versicherten, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten, als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvorstands nach der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) maßgeblich.

Zugleich hat der Gesetzgeber als Folgeänderung zur Neuregelung der Zuzahlungen und Belastungsgrenzen in §§ 264, 62 SGB V die Vorschrift des § 38 Abs. 2 BSHG in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung, wonach Hilfen zur Krankheit nach dem BSHG den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe befriedigen, ersatzlos gestrichen und § 37 Abs. 1 BSHG um einen Satz 2 ergänzt, nach dem die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V den Leistungen zur Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vorgehen. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung wurde dahingehend neu gefasst, dass die Zuzahlung aus dem Regelsatz zu decken ist. Danach gehören zu den laufenden Leistungen, die von den Regelsätzen umfasst sind, auch Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 BSHG übernommen werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung).

Die vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen und die damit vorgenommene faktische Kürzung der Regelsatzleistungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (ebenso: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 09.06.2008 - L 20 SO 65/06 - juris; vgl. auch: Thür. OVG, Beschl. v. 22.04.2004 - L 6 KR 212/04 ER - juris). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Belastung des Klägers mit einem maximalen jährlichen Betrag von 71,04 Euro und einem durchschnittlichen monatlichen Betrag von 5,92 Euro nicht dazu führt, dass dem Kläger nicht das verfassungsrechtlich Gebotene zur Bestreitung seines übrigen Lebensunterhalts verbleibt. Die sich aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. mit dem Sozialstaatsprinzip ergebende Pflicht des Staates zur Fürsorge für Hilfsbedürftige erfordert von Verfassungs wegen nur eine Hilfe, die die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins sicherstellt (BVerfGE 40, 121-140; 82, 60-105). Das Verwaltungsgericht hat berücksichtigt, dass dem Begriff der Sicherung der "Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins" nicht nur die Forderung nach einem Schutz vor Existenznot im Sinne einer Sicherung der physiologischen Existenz des Bürgers zu entnehmen ist, sondern der Begriff den gesamten zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Bedarf wie auch einen Schutz vor sozialer Ausgrenzung umfasst (BVerwGE 87, 212-217; BSG, Urt. v. 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R -BSGE 97, 265-279). In welcher Mindesthöhe das sozialrechtlich zu gewährende Existenzminimum verfassungsrechtlich gesichert ist, hat das BVerfG bisher nicht ausdrücklich festgelegt, denn es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, die Höhe des verfassungsrechtlich gesicherten Existenzminimums auszugestalten. Dem Gesetzgeber ist, soweit es nicht um die Sicherung des physischen Existenzminimums geht, im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt (BVerfGE 40, 121-140; BVerfGE 82, 60-105).

Für die Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II ist inzwischen höchstrichterlich geklärt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Festlegung der Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro bestehen (BSG, Urt. vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265-279; Urt. vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R - juris; Beschl. vom 15.04.2008 - B 14/11b AS 41/07 B - juris). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen (Beschl. vom 05.09.2008 - S2 A 401/07).

Zur Ausgestaltung der Zuzahlungsregelungen für Bezieher von SGB II-Leistungen hat das Bundessozialgericht zudem im Urteil vom 22.04.2008 (B 1 KR 10/07 R - juris) ausgeführt:

20 Abs. 2 SGB II betreffend die Höhe der Regelleistung, aus der auch Zuzahlungen für die GKV abzudecken sind, ist keine Gesetzesbestimmung, die darauf angelegt ist, die verfassungsrechtlichen Untergrenzen des sozialrechtlich zu sichernden Existenzminimums auszuloten. Vielmehr knüpft die Vorschrift an die frühere Bemessung der Regelsätze nach dem BSHG als eine einheitlich als verfassungsrechtlich gesichert angesehene Grundlage an und bezieht auch die Gewährung eines soziokulturellen Leistungsanteils mit ein. Denn nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. .....

Die Festsetzung der Regelleistung mit 345 Euro in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II will sich nicht darauf beschränken, lediglich das zur Existenz Unerlässliche zu gewähren. Das ergibt sich aus der gesetzlichen Systemkonzeption, insbesondere aus dem Verhältnis zu den ebenfalls der Existenzsicherung dienenden Leistungen nach § 26 SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). § 26 SGB XII lässt es zu, die Leistung bis auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche einzuschränken. Es besteht nach § 1a AsylbLG ein Leistungsanspruch nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. § 1a AsylbLG ermöglicht damit - nach der Rechtsprechung des BVerwG verfassungskonform - die weitere Absenkung des gegenüber dem SGB XII niedrigeren Standards des AsylbLG. ....

Nach alledem knüpft § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Höhe der Regelleistung insgesamt an das - systematisch fortentwickelte - Regelungskonzept des BSHG an, welches auch das BVerfG in der Vergangenheit als verfassungskonform angesehen hat."

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist der Senat auch für den zum Zeitpunkt der Leistungsbeantragung maßgeblichen Regelsatz von 296,00 Euro nicht davon überzeugt, dass durch die Einbeziehung der Sozialhilfeempfänger in die Zuzahlungsregelungen und die damit vorgenommene faktische Kürzung des Regelsatzes das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum unterschritten wird. Dabei legt der Senat zu Grunde, dass sich der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Regelleistung nach dem SGB II, mit der vor allem die Unterscheidung zwischen laufender Leistung und einmaligen Leistungen abgeschafft werden sollte, an der Höhe der bisherigen sozialhilferechtlichen Regelsätze orientiert hat. Bezugspunkt für die Bemessung der Regelleistung mit 345,00 Euro war die Höhe der bis dahin geltenden Regelsätze (ca. 297,00 Euro) zuzüglich eines an der damaligen Bewilligungspraxis bezüglich einmaliger Leistungen gemessenen Anteils in Höhe von ca. 16 v. H. (BSG, Urt. vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - a. a. O.). Begegnet aber die Festlegung der Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro nach dem SGB II keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, gilt dies auch für die als Bezugspunkt herangezogene, im Jahre 2004 geltende Regelleistung von hier 296,00 Euro.

Danach ist auch ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) nicht erkennbar.

Eine Leistungsbewilligung als Gewährung einmaliger Hilfen zum Lebensunterhalt auf der Grundlage des § 21 Abs. 1a Nr. 7 BSHG scheidet aus, denn die Gewährung einmaliger Hilfen zum Lebensunterhalt setzt voraus, dass der Bedarf nicht zum Regelbedarf nach der Regelsatzverordnung gehört (BVerwGE 87, 212-217).

Die Hilfsanträge auf darlehensweise Bewilligung der einen Betrag von 5,92 Euro überschreitenden Kosten in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrags bis zur Belastungsgrenze und Bewilligung eines Restdarlehens von 4,02 Euro für den Monat Februar sind ebenfalls abzuweisen. Darauf, dass ihm für die einen Betrag von 5,92 Euro überschreitenden Krankheitskosten in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V ein Darlehen bewilligt wird, hat der Kläger keinen Anspruch. Der Gesetzgeber mutet es einem Hilfeempfänger zu, aus dem Regelsatz Ansparungen zu bilden, um die Zuzahlungen leisten zu können. Das kann dazu führen, dass die Zuzahlungen in einem Monat auch über 5,92 Euro liegen. Hat der Hilfeempfänger allerdings Ansparungen noch nicht bilden können, weil z. B. mehrere Zuzahlungen in den ersten Monaten des Jahres zu leisten waren (hier bis Ende Februar 2004), können die Mehrkosten vom Sozialhilfeträger darlehensweise übernommen werden (vgl. auch die Begründung zu Art. 28 c des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung BT-Drs. 15/1525 S. 167 und OVG Lüneburg, B. v. 06.05.2004 - 4 ME 88/04). Dem hat die Beklagte im vorliegenden Fall aber auch Rechnung getragen: Wie erwähnt, beträgt der vom Kläger monatlich aufzubringende Betrag höchstens 5,92 Euro. Ihm ist bei einem geltend gemachten Bedarf von 38,43 Euro ein Darlehen von insgesamt 28,43 Euro gewährt worden. Der verbleibende Anteil von 10,00 Euro war vom Kläger aus den Regelsätzen für Januar und Februar 2004 aufzubringen. Auf weitergehende Darlehensleistungen - auch für den Monat Februar 2004 - hat der Kläger keinen Anspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück