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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 29.03.2005
Aktenzeichen: 2 A 286/04
Rechtsgebiete: LPflGG, SGB X


Vorschriften:

LPflGG § 8
LPflGG § 8 a
SGB X § 48
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass für den Widerruf der Bewilligung von Landespflegegeld neben der Regelung in § 8 BremLPflGG die Regelung in § 48 SGB X zur Anwendung kommt.

2. Zur Regelung in § 8 a BremLPflGG.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 2 A 286/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Göbel und Richter Dr. Grundmann am 29.03.2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 29.07.2004 wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.110,80 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Landespflegegeld.

Die Klägerin ist am ...1915 geboren. Mit Bescheid vom 10.05.1996 gewährte ihr die Beklagte ab 01.12.1995 Landespflegegeld wegen Blindheit.

Nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass die Klägerin ab 01.09.1995 auch Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bezog, hob sie mit Bescheid vom 03.02.1999 den Bewilligungsbescheid vom 10.05.1996 ab 01.12.1995 bis 30.11.1998 hinsichtlich der anzurechnenden Beträge aus Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung von insgesamt DM 19.775,- nachträglich auf und stellte fest, dass die Klägerin verpflichtet ist, die zu Unrecht erhaltene Leistung i. H. v. DM 19.775,- an die Beklagte zu erstatten.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2002 als unbegründet zurück.

Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid vom 03.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

Das Verwaltungsgericht - Einzelrichter der 7. Kammer - hat die Klage durch Urteil vom 29.07.2004 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin und beantragt die Zulassung der Berufung.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

1. Ernstliche Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Ein darauf gestützter Antrag muß sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifel begegnen und warum diese Zweifel eine andere Entscheidung wahrscheinlich machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28.02.2002 - 2 A 413/01 -, 12.12.2002 - 2 A 357/02 -, 19.12.2002 - 2 A 362/03 - und 11.02.2004 - 2 A 341/03 -; ebenso die Rechtsprechung des 1. Senats des OVG Bremen, vgl. u. a. B. v. 14.12.2000 - 1 A 341/99 -).

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne werden in der Zulassungsschrift nicht aufgezeigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils seien deshalb gegeben, weil das Urteil, wenn es bestehen bliebe, "die sofortige gänzliche Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin zur Folge hätte". Die Verpflichtung, "die Summe von über zehntausend Euro zu zahlen würde zwangsläufig den unmittelbaren Bankrott der Klägerin herbeiführen."

Mit diesem (pauschalen) Vorbringen ist nicht substantiiert dargelegt, dass und weshalb die Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil, durch die die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nach § 8 a BremLPflGG i. V. m. § 48 SGB X bejaht wird, ernstlichen Zweifeln begegnen.

Soweit in der Zulassungsbegründung die verfassungsrechtlichen Garantien von Menschenwürde und sozialem Rechtsstaat angesprochen sind, ist anzumerken, dass die Beklagte nach den angefochtenen Bescheiden bereit ist, einer Notsituation der Klägerin Rechnung zu tragen. Im Bescheid vom 03.02.1999 wird ausgeführt, dass (bisher) keine besonderen Umstände vorgetragen oder sonstwie bekannt geworden seien, die eine Rückforderung ungerechtfertigt erscheinen ließen. Für den Fall, dass die Zahlung nicht in einer Summe und zeitgerecht erfolgen könne, werde eine umfassende Auskunft und ein angemessener Zahlungsvorschlag erbeten. Auch bot die Beklagte an, einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Bei einem solchen Besprechungstermin kann die besondere Situation der Klägerin dargestellt und ihr im Rahmen von Vereinbarungen über die Modalitäten einer Zahlung Rechnung getragen werden.

Ernstliche Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung sind auch nicht deshalb gegeben, weil das Gericht - wie die Klägerin meint - § 8 Nr. 4 LPflGG nicht beachtet hat. Im verwaltungsgerichtlichen Urteil wird ausgeführt, § 48 SGB X regele, "über die Fallgestaltung des § 8 BremLPflGG hinausgehend, die Angleichung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung... an wesentlich veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse" (S. 4 des Urteils). Damit ist das Verhältnis von § 8 BremLPflGG zu der allgemeinen Regelung für die Sozialleistungsgesetze in § 48 SGB X angesprochen und zum Ausdruck gebracht, dass für die Aufhebung eines Bescheides, mit dem Landespflegegeld bewilligt worden ist, auch die Regelung in § 48 SGB X gilt. Diese Sichtweise entspricht der auch vom Verwaltungsgericht genannten Vorschrift des § 8 a BremLPflGG, in der ausdrücklich bestimmt ist, dass bei der Durchführung des Landespflegegeldgesetzes die Vorschriften des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (=SGB X) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden sind. Sie steht im übrigen in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der für die Aufhebung oder Herabsetzung einer Bewilligung von Landespflegegeld § 48 SGB X gilt (vgl. z. B. Senatsurteil vom 20.12.2000 - 2 A 267/00 -). Ernstliche Zweifel an dieser Rechtsprechung sind unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Zulassungsschrift nicht zu erkennen und auch der Vorhalt der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe zur Konkurrenz der Gesetze keine Erwägungen angestellt, ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht gerechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht hat mit nachvollziehbarer Begründung ausgeführt, dass die Aufhebung der Bewilligung von Landespflegegeld ihre Stütze vorliegend in § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X finde, da der Erhalt von Leistungen der Pflegeversicherung als Einkommen i. S. dieser Vorschrift zu qualifizieren sei. Es komme deshalb nicht darauf an, ob eine Mitteilung des Bezuges von Pflegegeld nach dem SGB XI grob fahrlässig - und damit schuldhaft - unterblieben sei. Dagegen ist in der Zulassungsschrift nichts vorgebracht, was ernstliche Zweifel an diesen Ausführungen begründen könnte.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Für den Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten ist nach der Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass die Rechtssache hinsichtlich der aufgeworfenen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen signifikant vom Spektrum der verwaltungsgerichtlichen Verfahren abweicht (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 29.09.2004 - 2 A 189/04 - m.w.N.).

Eine solche Abweichung ist nicht festzustellen. Zur Anrechnung von Pflegegeldleistungen nach § 37 SGB XI auf Leistungen nach dem Bremischen Landespflegegeldgesetz hat der Senat in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 13.12.2000 (Az.: 2 A 262/00) ausführlich und grundsätzlich Stellung genommen. Dass auch bei Berücksichtigung dieser Entscheidung besondere rechtliche Schwierigkeiten verbleiben, wenn es um die Frage der Anrechenbarkeit von Pflegegeldleistungen auf das Bremische Landespflegegeld geht, legt die Klägerin nicht dar.

Das Verhältnis von § 8 BremLPflGG zu den allgemeinen Regelungen in § 45 ff. SGB X ist - wie erwähnt - durch die Vorschrift des § 8 a BremLPflGG grundsätzlich geklärt. Dass und inwieweit insoweit noch besondere rechtliche Schwierigkeiten bestehen, die einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen, zeigt die Zulassungsschrift nicht auf.

3. Schließlich kommt auch eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in Betracht.

Für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist erforderlich, dass eine konkrete, sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht stellende Frage aufgezeigt wird. Zudem ist darzulegen, dass und inwieweit die Frage klärungsbedürftig ist, d. h. sich bei obergerichtlicher Klärung dazu eignet, - unbeschadet des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung - die Überzeugungsbildung und Rechtsanwendung in anderen Fällen in dieser konkreten Frage zu vereinheitlichen oder fortzuentwickeln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 10.09.1997 - 2 B 117/97 -, 31.03.1998 - 2 B 125/97 -, 31.07.1998 - 2 B 207/97 -, 02.11.1998 - 2 BB 392/98 - und 28.02.2002 - 2 A 413/01 -). Die Grundsatzfrage ist derart aufzuarbeiten, wie dies nach Maßgabe der Begründung in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 15.08.1994 - 2 BvR 719/93 -).

Eine (hinreichend) konkrete Frage in diesem Sinne hat die Klägerin nicht formuliert.

Nimmt man zugunsten der Klägerin an, dass sie die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob für den Widerruf der Bewilligung von Landespflegegeld neben der Regelung in § 8 BremLPflGG die Regelung in § 48 SGB X zur Anwendung kommt, so ist nicht zu erkennen, dass es zur Beantwortung dieser Frage der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Denn die Antwort ergibt sich - wie schon gesagt - aus § 8 a BremLPflGG, der ausdrücklich auf die Vorschriften des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - verweist und davon auch § 48 SGB X nicht ausnimmt.

§ 8 a BremLPflGG ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltslage (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 29.03.1984 (BremGBl. S. 37) in das Landespflegegeldgesetz eingefügt worden. Das Landespflegegeldgesetz gehört inhaltlich zu den Sozialleistungsgesetzen des Sozialgesetzbuches, wird jedoch formal als Landesgesetz durch das 1. und 10. Buch des Sozialgesetzbuches nicht erfasst. Wegen der engen Verflechtung mit dem Sozialleistungsrecht hat der Bremische Gesetzgeber die Zuordnung des Verfahrensrechtes (1. und 10. Buch) des Sozialgesetzbuches für zweckmäßig gehalten (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucksache 11/106 S. 8).

Fortbestehender grundsätzlicher Klärungsbedarf ist insoweit auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Zulassungsschrift nicht zu erkennen.

Der Senat beschränkt sich auf diese Ausführungen (§ 124 a Abs. 5 S. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.



Ende der Entscheidung

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