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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 24.11.2004
Aktenzeichen: 2 A 477/03.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
Zur Frage, ob einem aktiven Mitglied der Hauptorganisation der Bewegung der iranischen Demokraten (HBID) bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: 2 A 477/03.A

Niedergelegt auf der Geschäftsstelle in abgekürzter Fassung am 08.12.2004

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Vorsitzende Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Dr. Grundmann sowie die ehrenamtlichen Richterinnen B. Assmy und I. Ravens aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.04.2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - Einzelrichter der 3. Kammer - wird abgeändert, soweit die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 02.11.2001 verpflichtet worden ist festzustellen, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis gemäß § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das sie verpflichtet worden ist festzustellen, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen.

Der 1973 in Mahshar/Iran geborene, ledige Kläger reiste im August 2001 ins Bundesgebiet ein und stellte am 28.08.2001 einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 04.09.2001 erklärte der Kläger, er sei auf dem Luftweg (Teheran - Hamburg) ins Bundesgebiet eingereist. Als Verfolgungsgrund gab der Kläger an, er habe im Iran ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gehabt. Der Ehemann habe davon erfahren. Sein Leben sei deshalb bedroht gewesen.

Politisch habe er sich im Iran nicht betätigt. Er habe lediglich für einen Freund, der gegen das jetzige Regime im Iran eingestellt gewesen sei, ab und zu Propagandamaterial verteilt.

Mit Bescheid vom 02.11.2001 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Das Bundesamt hat dem Kläger nicht abgenommen, dass er in der von ihm behaupteten Art und Weise ins Bundesgebiet eingereist sei. Die vom Kläger vorgetragenen geringfügigen Aktivitäten (gelegentliches Verteilen von Propagandamaterial) seien nicht asylrelevant. Soweit der Kläger geltend mache, er werde wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs gesucht, habe er damit kein Erfolg, weil dies keine politische Verfolgung darstelle.

Am 12.11.2001 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er u. a. vorgetragen, aufgrund der Asylantragstellung und der exilpolitischen Aktivitäten im Bundesgebiet drohe ihm bei Rückkehr in den Iran politische Verfolgung.

Seit seiner Ankunft in der Bundesrepublik sei er in gehobener Art und Weise exilpolitisch aktiv. Er sei Vorstandsmitglied der Hauptorganisation der Bewegung der Iranischen Demokraten (HBID). Am 08.12.2002 sei er als Sekretär in das fünfköpfige Exekutiv-Komitee dieser Vereinigung gewählt worden. Die HBID sei weltweit als eine demokratische Organisation bekannt, die "alle Opposition respektiert und in eine Linie zum Sturz des islamischen Regimes bringen will".

Er habe an Aktionen, Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen - vorwiegend in Bremen und Hamburg - teilgenommen oder diese organisiert und die Zeitung dieser Organisation verteilt.

Ferner habe der Kläger u. a. in den Zeitungen "Talashgaran", "Azadegy" und "Rahai" unter Namensnennung regimefeindliche Artikel geschrieben.

Zur Stützung seines Vortrages verweist der Kläger auf eine vorgelegte Bescheinigung des Vorsitzenden HBID vom 03.04.2003 und auf die eingereichten Zeitungen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die beim Verwaltungsgericht eingereichten Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten des Klägers und die Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts vom 23.04.2003 verwiesen.

Soweit die Klage auf die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter gerichtet war, hat sie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zurückgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 02.11.2001 zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1, hilfsweise Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG hinsichtlich des Iran beim Kläger vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht - Einzelrichter der 3. Kammer - hat die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 02.11.2001 verpflichtet festzustellen, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis gemäß § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen. Durch seine ganz erheblichen Aktivitäten für die HBID sei der Kläger für einen Betrachter der exilpolitischen Szene auffällig in Erscheinung getreten. Durch die als herausgehoben einzuschätzende Position des Klägers als Sekretär und Mitglied des Vorstandes der HBID und die Wahrnehmung organisatorischer Aufgaben bei der Vorbereitung von internen Sitzungen sowie anderweitigen Veranstaltungen und Demonstrationen ergebe sich für den außenstehenden Beobachter der Eindruck, dass der Kläger zu den besonders engagierten Aktivisten der iranischen Exilopposition gehöre, die sich zum Ziel gesetzt habe, das jetzige Regime im Iran zu beseitigen. Dieses Ziel werde auch deutlich in den unter Namensnennung vom Kläger veröffentlichten kritischen Artikeln. Durch die öffentlichkeitswirksamen politischen Äußerungen, insbesondere durch die verunglimpfende Art der Darstellung der geistlichen Führerschaft im Iran, werde der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit dem in der Bundesrepublik die gesamte exilpolitische Szene genauestens beobachtenden iranischen Geheimdienst als ernst zu nehmender und zu bekämpfender Oppositioneller bekannt geworden sein.

Mit Beschluss vom 23.12.2003 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zugelassen, soweit es die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis gemäß § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen.

Der Beschluss ist der Beklagten am 06.01.2004 zugestellt worden.

Am 15.01.2004 hat sie ihre Berufung begründet. Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in der Zulassungsschrift vom 21.05.2003 und den Zulassungsbeschluss des Senats. In der Zulassungsschrift führt die Beklagte unter Hinweis auf verschiedene gerichtliche Entscheidungen zu Asylbewerbern aus dem Iran aus, dass nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht erfüllt seien. Eine herausgehobene exilpolitische Betätigung führe bei einer Rückkehr nach Iran nur dann zu politischer Verfolgung, wenn die Aktivitäten über den Rahmen massentypischer exilpolitischer Proteste hinausgingen und der Asylbewerber Aktivitäten entwickele, die ihn als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen ließen. Ein solcher Fall sei nicht gegeben, wenn es um Tätigkeiten für eine lokale Organisation gehe, deren Bedeutung noch unter der der Organisationen der exilpolitischen iranischen Monarchisten liege. Exilpolitische Aktivitäten für monarchistische Organisationen wirkten fast ausschließlich im Ausland und hätten keine Ausstrahlung in den Iran. Gleiches müsse im Fall von Asylbewerbern gelten, die - wie hier - einer eher lokalen Organisation angehörten, deren Bedeutung noch unter denen der Organisationen der exilpolitischen Monarchisten liege.

Die Aktivitäten des Klägers seien fast ausschließlich auf den Bremer Raum beschränkt. Es sei bekannt, dass in Bremen mehrere Zeitschriften, teilweise mit sehr kleinen Auflagen von verschiedenen Organisationen herausgegeben würden, u. a. auch, um iranischen Asylbewerbern zu ermöglichen, ihre Position im laufenden Asylverfahren zu verbessern. Dieser Hintergrund könne auch den regimetreuen, iranischen Beobachtern nicht verborgen geblieben sein.

Die Beklagte beantragt,

das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.04.2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf dessen Gründe.

Ergänzend trägt er vor, die Organisation HBID sei nicht lediglich von lokaler Bedeutung. Sie sei im November 1999 in Bad Oldesloe gegründet worden und habe sich zum Ziel gesetzt, eine Allianz der oppositionellen Organisationen herzustellen. Zur HBID gehörten die Zeitungen "Talash" und "Talashgaran". Die Organisation habe in mehreren, vom Kläger benannten Städten Vertretungen und führe dort Aktionen durch. Es sei der HBID gelungen, Veranstaltungen mit namhaften oppositionellen Kräften aus dem Iran wie Bani Sadr, Vertretern von monarchistischen Organisationen, kurdischen Parteien und Vertretern links-gerichteter Vereinigungen abzuhalten. Über diese Veranstaltungen sei regelmäßig in verschiedenen Zeitungen berichtet worden. Im Internet fänden sich oft Mitteilungen über die Aktivitäten der HBID. Die HBID verfüge über eine eigene Homepage. Zu weiteren Einzelheiten des Vortrages des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten (nebst Anlagen) sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Berichterstatter des Senats hat vor der mündlichen Verhandlung Auskünfte des Auswärtigen Amtes, des Deutschen Orient-Instituts (DOI) und des Bundesamts für Verfassungsschutz zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Welche Erkenntnisse liegen Ihnen über die HBID vor?

b) Mit welchen Folgen hat der Kläger wegen seiner Aktivitäten für die HBID bei einer Rückkehr in den Iran zu rechnen?

2. a) Welche Erkenntnisse liegen zu den Zeitschriften "Rahai", "Talashgaran" und "Azadegy" vor?

b) Kann angenommen werden, dass die genannten Zeitschriften nur von untergeordneter, regionaler Bedeutung sind?

c) Mit welchen Folgen hat der Kläger wegen dieser Artikel bei einer Rückkehr in den Iran zu rechnen?

d) Macht es einen Unterschied, wenn die Artikel des Klägers im Internet abgerufen werden konnten?

3. Sind Ihnen konkrete Fälle, in denen ein Rückkehrer bei vergleichbarer Sachlage von den iranischen Behörden belangt worden ist, bekannt geworden?

Das Auswärtige Amt hat in der Auskunft vom 26.08.2004, das DOI in der gutachterlichen Stellungnahme vom 16.08.2004 und das Bundesamt für Verfassungsschutz in der Auskunft vom 01.03.2004 zu den erwähnten Fragen Stellung genommen. Auf den Inhalt der Auskünfte und der gutachterlichen Stellungnahme wird verwiesen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Herrn ... zur Organisation der HBID angehört. Wegen des Inhalts seiner Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffende Akte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war, soweit er im Urteil verwertet worden ist, Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entsprechendes gilt für die den Beteiligten übersandte Liste der Erkenntnisquellen (Blatt 158 bis 162 GA), auf deren Inhalt verwiesen wird, und die in der Sitzungsniederschrift vom 24.11.2004 aufgeführten Dokumente.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 AuslG sind nicht gegeben. Die Klage ist abzuweisen.

I. § 51 Abs. 1 AuslG bestimmt, dass ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl (Art. 16 a Abs. 1 GG) einerseits und von Abschiebungsschutz (§ 51 Abs. 1 AuslG) andererseits deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Dagegen greift das Abschiebungsverbot des § 51 Abs. 1 AuslG u. a. auch dann ein, wenn politische Verfolgung wegen eines für die Asylanerkennung unbeachtlichen Nachfluchtgrundes droht (BVerwG, U. v. 18.2.1992, Buchholz 402.27 § 7 AsylVfG Nr. 1; B. v. 13.01.1993 - 9 B 338.92; vgl. auch OVG Bremen, U. v. 19.05.1999 - 2 BA 82/94 - und U. v. 01.12.1999 - 2 A 508/98.A -).

§ 51 Abs. 1 AuslG setzt demnach wie Art. 16 a Abs. 1 GG, eine gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit voraus. Dem Ausländer muss politische Verfolgung bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, so dass es ihm nicht zumutbar ist, in sein Heimatland zurückzukehren (BVerwG, U. v. 03.11.1992 - 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 151, 154). Ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt für diejenigen Ausländer, die schon in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden, die insbesondere bereits Opfer gezielter politischer Repressalien waren oder zumindest gute Gründe hatten, solche Repressalien als konkret bevorstehend zu befürchten. Diesen Personen ist schon dann Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren, wenn an ihrer Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel verbleiben (vgl. zum Asylrecht: BVerwG, U. v. 25.09.1984 - 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 und U. v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97).

Über das Vorliegen einer mit der jeweils erforderlichen Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in diese Gesamtschau im Rahmen der Prüfung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG - anders als bei der Feststellung einer Asylberechtigung nach Art. 16 a Abs. 1 GG - alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob sie schon im Verfolgungsstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden oder von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechenden, schon im Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (vgl. BVerwG, U. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 - a.a.O.; zum Vorstehenden s. a. HessVGH, U. v. 30.11.1998 - 9 UE 1492/95 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht festzustellen, dass dem Kläger wegen seiner politischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

1. Zur allgemeinen politischen Lage im Iran ist folgendes zusammenfassend anzumerken:

Der Iran hat eine Gesamteinwohnerzahl von etwa 66 Mio. Menschen. Er ist ein Vielvölkerstaat. Die Minderheiten machen zusammengenommen fast die Hälfte der iranischen Bevölkerung aus. Die Türken stellen mit ca. 25 % die größte Minderheit dar. Daneben gibt es Kurden (ca. 7 %), Araber, Belutschen und Turkmenen (ungefähr jeweils 2 %). Mehr als 99 % der Iraner sind Moslems, etwa 90 % davon Schiiten. Mit über 200.000 Anhängern stellen die Christen die größte der drei offiziell anerkannten religiösen Minderheiten dar; die beiden anderen sind die Zoroaster und die Juden. Die Gemeinschaft der Bahai wird auf über 300.000 Personen geschätzt (zum Vorstehenden vgl. AA, Lagebericht vom 3. März 2004; Bundesamt, Iran, Allgemeines, März 2004 S. 7 m.w.N.).

Nach dem erzwungenen Rücktritt des Schahs im Januar 1979, kehrte Ajatollah Khomeini aus dem Exil in den Iran zurück. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne wurden politische Gruppen, die eine bedeutende Rolle in der Revolution gespielt hatten, wie etwa die Kommunisten, die Volksfedajin, die Volksmudjaheddin (VM) sowie moderate islamische Kräfte hinausgedrängt. Man nimmt an, dass Zehntausende in den Wirren der Revolution hingerichtet worden sind.

Der Iran ist eine theokratische Republik, die auf der islamischen Gesetzgebung aufgebaut ist.

Die nach der Revolution eingeführte islamische Verfassung legt die Stellung der Geistlichkeit als der höchsten maßgeblichen Staatsgewalt des Landes fest, die im Wesentlichen eine "religiöse Oligarchie" bildet. Gemäß Art. 4 der Verfassung haben die islamischen Grundsätze Vorrang vor allen Gesetzen und Vorschriften und sogar vor den verfassungsmäßigen Bestimmungen (Europäische Union, Bericht der Delegation der Niederlande vom 05.08.1997, S. 5 ff.). Der Islamische Wächterrat überprüft die vom Parlament beschlossenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit islamischen Normen. Kommt es zu keiner Einigung zwischen Parlament und Wächterrat, obliegt die Entscheidung dem Schlichtungsrat (AA, Lagebericht vom 03.03.2004).

Die 25 Mitglieder des Schlichtungsrats werden vom Islamischen Revolutionsführer ernannt. Der Islamische Revolutionsführer ernennt auch für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative, der laut Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Judikative inne hat, sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs und den Generalstaatsanwalt. Durch das Recht, Vertreter wichtiger Verfassungsorgane und anderer staatlicher Stellen zu ernennen, kontrolliert der Revolutionsführer indirekt weite Teile der Politik.

Das Volk wählt in geheimen, direkten Wahlen das Parlament (290 Mitglieder, Amtszeit vier Jahre), den Präsidenten (Amtszeit vier Jahre) sowie den sog. Expertenrat (Amtszeit acht Jahre, 83 Mitglieder aus dem Klerus).

Die Kandidaten für die Mitgliedschaft im iranischen Parlament müssen durch den Wächterrat genehmigt werden, bevor es ihnen gestattet wird, für die Wahl zu kandidieren. Politische Parteien im Sinne der weltlichen Demokratien gibt es im Iran nicht.

Der Expertenrat hat vor allem die Aufgabe, nach bestimmten, in der Verfassung vorgegebenen Kriterien den islamischen Revolutionsführer auf Lebenszeit zu ernennen sowie in seiner Amtsführung zu überwachen (AA, Lagebericht vom 03.03.2004).

Eine nennenswerte organisierte Opposition außerhalb des Systems der Islamischen Republik existiert im Iran nicht.

Islamischer Revolutionsführer wurde nach dem Tod von Ajatollah Khomeini im Jahre 1989 Ajatollah Khamenei. Khamenei genießt nicht die gleiche unbestrittene Autorität wie sein Vorgänger (vgl. Europäische Union, Bericht der Delegation der Niederlande vom 05.08.1997, S. 3 ff.). Bei den Präsidentschaftswahlen vom 23.05.1997 ging der - als gemäßigt geltende - Mohammad Khatami mit überwältigender Mehrheit (ca. 70 %) als Sieger hervor.

Im Juni 2001 wurde Khatami für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt. Seit dem Antritt der Regierung unter Präsident Khatami im August 1997 ist in der Führungselite des Iran ein Machtkampf über den künftigen Weg der islamischen Republik zu beobachten. Liberalisierung im Inneren, Reintegration in die internationale Gemeinschaft und Öffnung zum Weltmarkt oder Ausbau der Theokratie und nationaler Sonderweg sind die Alternativen, um die gerungen wird (AA, Lagebericht vom 20.04.1999). Das reformfreudige Lager, das seit Mitte 2000 eine Zweidrittelmehrheit im Parlament hatte, konnte sich bei den Wahlen am 20.02.2004 nicht behaupten. Die gemäßigt Konservativen errangen eine Mehrheit im Parlament. Allerdings war es im Vorfeld der Wahlen zum Ausschluss von über 2.000 reformfreundlichen Kandidaten durch den Wächterrat gekommen.

Gegenwärtig verfügt das konservativ-klerikale Lager über die entscheidenden Machtpositionen im politischen System Irans und nutzt diese, um Reformbestrebungen zu bekämpfen (AA, Lagebericht vom 03.03.2004).

2. Für den Fall des Klägers ergibt sich folgendes:

Ein Vorfluchtgeschehen, das die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG wegen politischer Verfolgung im Heimatland rechtfertigen könnte, hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit er vor dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht geltend gemacht hat, er habe sich wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs mit einer verheirateten Frau im Iran in einer latenten Gefährdungslage befunden, ist zu sagen, dass daraus schon deshalb kein Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hergeleitet werden kann, weil eine solche Gefährdung keine politische Verfolgung wäre.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger nichts vorgetragen, was die Annahme eines im Rahmen von § 51 Abs. 1 AuslG beachtlichen Vorfluchtschicksals stützen könnte.

Dem Kläger steht auch nicht Abschiebungsschutz wegen seiner politischen Nachfluchtaktivitäten zu.

Zur Beachtlichkeit von Nachfluchtaktivitäten gegen das iranische Regime ist zunächst festzuhalten, dass weder die Asylantragstellung noch der mehrjährige Auslandsaufenthalt eine asylrelevante Verfolgungsgefahr begründen. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 01.12.1999 (Az. 2 A 508/98.A) dargelegt und das wird auch durch die neueren Erkenntnisquellen bestätigt (AA, Lagebericht vom 03.03.2004, S. 32; AA, Auskunft an VG Köln vom 12.06.2003; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Köln).

Aus den Nachfluchtaktivitäten des Klägers ergibt sich ebenfalls keine beachtliche Verfolgungsgefahr.

a) Der Senat hat im Urteil vom 01.12.1999 (Az. 2 A 508/98.A) für Unterstützer der Volksmudjaheddin (VM) entschieden, dass sie im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (jedenfalls) dann gefährdet sind, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und die von ihnen entfalteten Aktivitäten für die Volksmudjaheddin aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit also exponiert haben.

Das entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach eine beachtliche Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in den Iran für solche Personen gegeben ist, die sich durch ihre Exilaktivitäten exponiert haben und als ernsthafte und gefährliche Regimegegner erscheinen (vgl. dazu OVG Schleswig-Holstein, U. v. 23.05.2003 - 3 LB 9/03 m.w.N.; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 -; OVG Münster, B. v. 16.04.1999 - 9 A 5338/98.A; OVG Lüneburg, U. v. 25.09.2001 - 5 L 4377/00 -; VGH München, B. v. 11.09.2003 - 14 ZB 03.30986 -; Bundesamt, Iran, 14. Asylverfahren, April 2004, S. 24).

Dieser Maßstab ist auch im Fall des Klägers anzuwenden. Ein Anlass, davon abzuweichen ist weder den Erkenntnisquellen zu entnehmen noch sonst zu erkennen.

b) Bei Anlegung des erwähnten Maßstabes kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger wegen seiner Aktivitäten für die HBID im Iran politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Die vorgetragenen Aktivitäten können weder einzeln betrachtet noch in einer Gesamtschau als "herausgehoben" angesehen werden. Bei der ausführlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Senat nicht davon überzeugen können, dass er wegen herausgehobener Aktivitäten als ernsthafter und gefährlicher Gegner des iranischen Staates erscheinen könnte. Der Senat hat vielmehr auch aufgrund des Eindrucks aus der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zum Kreis derjenigen gehört, die im Exil in nicht exponierter Weise ihren Unmut gegen das iranische Regime zum Ausdruck bringen und denen jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung droht.

aa) Bei der Würdigung der Exilaktivitäten war (im Grundsätzlichen) zu berücksichtigen, dass die iranischen Sicherheitsbehörden deutlich unterscheiden zwischen oppositioneller Betätigung im Iran selbst und im europäischen Ausland. Die Regimekritik, die aus dem europäischen Ausland geäußert wird, wird dem "gottlosen" und "dekadenten" Aufenthaltsstaat zugeschrieben und als eine Handlungsweise bewertet, die zumeist "vergessen" ist und nicht fortgesetzt wird, sobald der Betreffende in den Iran zurückgekehrt ist (vgl. DOI, Auskunft vom 30.04.2001 an VG Berlin; DOI, Auskunft vom 11.12.2003 an VG Wiesbaden; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 -). Zudem wissen die iranischen Stellen, dass viele iranische Asylbewerber in Deutschland Oppositionsaktivitäten entwickeln, um in ihrem Asylverfahren einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 03.03.2004). Das Auswärtige Amt hat in seinen Lageberichten wiederholt mitgeteilt, keiner westlichen Botschaft sei ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte über die Befragung durch iranische Sicherheitsbehörden zu ihrem Auslandsaufenthalt hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Es sei auch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Zurückgeführter im Rahmen seiner Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden sei. Über Fragen mit Asylrelevanz und insbesondere Fragen der Abschiebung finde ein regelmäßiger Informationsaustausch mit zehn in Teheran vertretenen westlichen Botschaften statt. Eine Umfrage habe ergeben, dass alle diese Staaten Rückführungen nach Iran vornähmen, allerdings in sehr eingeschränktem Umfang (vgl. z. B. Lageberichte vom 2. Juni 2003 und 3. März 2004). Zum Fall des Klägers hat das Auswärtige Amt auf Anfrage des Senats ausgeführt, ihm seien konkrete Fälle, in denen ein Rückkehrer bei vergleichbarer Sachlage von den iranischen Behörden belangt worden sei, nicht bekannt geworden (Auskunft vom 26.08.2004 an den Senat).

bb) Der Kläger hat sich im Bundesgebiet der Hauptorganisation der Bewegung der iranischen Demokraten (HBID) angeschlossen.

Zur Organisation der HBID hat der Senat in der mündlichen Verhandlung den Vorsitzenden dieser Vereinigung, Herrn ..., angehört. Herr ... hat u. a. erklärt, HBID sei Ende 1999 in Bad Oldesloe gegründet worden. Die Zentrale sei in Bremen. Der Vereinigung gehörten im Bundesgebiet ca. 160 Mitglieder an; in Bremen habe sie 52 Mitglieder.

Der Vorstand werde sowohl auf Bundes- als auch auf Ortsebene jährlich neu gewählt. Ziel der Organisation sei es, die verschiedenen exilpolitischen Gruppierungen einander näher zu bringen. Es würden Seminare, Konferenzen und freie Diskussionsveranstaltungen durchgeführt, zu denen namhafte iranische Exiloppositionelle oder andere im Exil lebende iranische Persönlichkeiten eingeladen würden. Die Zeitung der Organisation mit Namen "Talashgaran" habe eine Auflage von 100 bis 200 Exemplaren, je nach finanzieller Lage.

Bei Berücksichtigung der Aussage des Herrn ... und der eingeholten Auskünfte sowie der sonstigen Erkenntnisquellen ergibt sich für den Senat, dass es sich bei der HBID um eine Gruppe von Exiliranern handelt, der keine ins Gewicht fallende überregionale Bedeutung zukommt. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass HBID auf Bundesebene ca. 160 Mitglieder hat, wäre eine solche Anzahl - für eine Organisation mit überregionalem Anspruch - gering. Der Unterbau der Organisation ist schwach entwickelt. Selbst am Ort der Zentrale in Bremen hat die Vereinigung nach Aussage ihres Vorsitzenden vor dem Senat kein Büro; die Post geht an die Privatadresse des Vorsitzenden. Die Zeitschrift der Organisation "Talashgaran", die einfach und preisgünstig gestaltet ist, hat mit ca. 100 bis 200 Exemplaren (je nach finanzieller Lage) einen sehr bescheidenen Umfang.

Auch inhaltlich ist das "Programm" der HBID dürftig. Zu den Zielen der Organisation hat der Vorsitzende erklärt, es gehe darum, die verschiedenen exilpolitischen Gruppierungen einander näher zu bringen; deswegen würden die Einladungen an die verschiedenen Persönlichkeiten ausgesprochen. Ein über diese allgemeine Angabe hinausgehender, vertiefter Ansatz war nicht zu erkennen und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Das DOI kommt nach Auswertung der Selbstdarstellung der HBID - insbesondere im Internet - zu der Schlussfolgerung, dass das wenige, was man inhaltlich erfahre, nicht geeignet sei, irgendeine Kontur inhaltlich-programmatischer Art zu zeigen, mit Ausnahme der Gegnerschaft zum Regime, der Darstellung enttäuschter Erwartungen und der Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Menschlichkeit (Stellungnahme vom 16.08.04 an den Senat).

Schließlich haben alle vom Senat angeschriebenen Auskunftsstelle erklärt, sie hätten keine Erkenntnisse zur HBID bzw. ihnen sei dieser Organisation nicht bekannt (vgl. BVerfSch, Auskunft vom 01.03.2004 an den Senat; AA, Auskunft vom 26.08.2004 an den Senat; DOI, Stellungnahme vom 16.08.2004 an den Senat). Dies zeigt gleichfalls deutlich, dass der HBID eine nennenswerte überregionale Bedeutung nicht zukommt. Dass die HBID namhafte iranische Persönlichkeiten zu ihren Veranstaltungen einlädt, bei diesen Veranstaltungen Vertreter von Medien anwesend sind (vgl. Stellungnahme Kianzad vom 12.03.2004) und auf diese Veranstaltungen auch mal in Zeitschriften der Exilopposition (mit größerer Auflage) hingewiesen wird, steht dieser Einschätzung nicht entgegen.

cc) Eine exponierte Stellung des Klägers, die eine beachtliche Rückkehrgefährdung begründen könnte, ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger nach seinem Vorbringen am 08.12.2002 als Sekretär in den Exekutivausschuss der HBID gewählt worden ist und damit dem Vorstand angehört. Da die HBID keine ins Gewicht fallende überregionale Bedeutung aufweist, sie auch inhaltlich keinen tiefergehenden programmatischen Ansatz hat, ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger wegen der Zugehörigkeit zum Exekutivausschuss dieser Organisation mit asylerheblicher Verfolgung rechnen muss.

Hinzu kommt, dass der Kläger nicht (in nennenswertem Umfang) mit Führungsaufgaben im eigentlichen Sinne betraut war oder ist. Zu seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied hat er vor dem Verwaltungsgericht u. a. ausgesagt, er habe verschiedene Aufgaben. Er informiere die Mitglieder über die Sitzungen, verteile die Papiere, die dazu erforderlich seien und bereite auch im Übrigen die Sitzungen vor. Vor dem Senat hat er u. a. erklärt, er habe (u. a. für Seminare) Stühle beschafft, für die Raumausstattung gesorgt, Dekorationen angebracht und auch Plätze angewiesen. Ferner habe er an bestimmten Plätzen Flugblätter angebracht, in denen auf die Veranstaltungen hingewiesen worden sei. Er erstelle handschriftlich das Informations- oder Mitteilungsblatt für eine Veranstaltung. Zudem führe er bei den Sitzungen des Exekutivausschusses und denen der Mitgliederversammlung das Protokoll.

Diese Tätigkeiten sind keine Führungsaufgaben im eigentlichen Sinne und vermögen deshalb auch den Kläger nicht als eine Person zu kennzeichnen, die der iranischen Regierung erkennbar gefährlicher erscheinen könnte als die Masse der exilpolitisch protestierenden Iraner.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, er habe an Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen und sonstigen Aktionen teilgenommen. Eine Reihe dieser Aktionen hat der Kläger benannt (vgl. Bescheinigung der HBID vom 03.04.2003, Schriftsatz des Klägers vom 08.04.2003 und die im Berufungsverfahren übergebene Aufstellung für die Zeit vom 27.07.2002 bis 20.11.2004) und in diesem Zusammenhang erklärt, dass er u. a. für den Verkauf von Büchern zuständig gewesen sei und Flugblätter verteilt habe. Der Kläger hat auch (allgemein) ausgeführt, dass er bei - im Einzelnen benannten - Veranstaltungen als Organisator und Ordner tätig gewesen sei. Vor dem Senat hat er dazu erläuternd erklärt, er habe nicht zu den Ordnungskräften gehört. Er habe Demonstrationen und Seminare vorbereitet; das heiße im Einzelnen, er habe den Saal hergerichtet, Dekorationen angebracht und auch Plätze angewiesen. Auch habe er Flugblätter angebracht, in denen auf die Veranstaltungen hingewiesen worden sei. Diesem Vorbringen läßt sich nicht entnehmen, dass vom Kläger in nennenswertem Umfang Führungs- oder Leitungsaufgaben wahrzunehmen waren.

Auch die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der HBID vom 03.04.2003 läßt nicht nachvollziehbar erkennen, dass der Kläger in erwähnenswertem Umfang Aufgaben zu erledigen hatte, die über den Rahmen massentypischer Proteste erkennbar hinausgingen.

Der Umstand, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum wiederholt an Demonstrationen und sonstigen Aktionen oder Veranstaltungen teilgenommen hat, hat nicht zu Folge, dass deshalb in seinem Fall "herausgehobene" Aktivitäten angenommen werden können.

Der Kläger hat nach seinem Vorbringen ferner in den Zeitschriften "Rahai", "Talashgaran" und "Azadegy" unter Namensnennung regimekritische Artikel veröffentlicht (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 08.04.2003 nebst Anlagen und die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichten Exemplare). Auch dies führt nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Rückkehrgefährdung. Nach der vom Senat eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des DOI sind die erwähnten Zeitschriften für das iranische Regime nicht von Gewicht (vgl. Gutachten des DOI an den Senat vom 16.08.2004, Blatt 131, 137 GA). Dem Bundesamt für Verfassungsschutz sind sie nicht bekannt (vgl. Auskunft an den Senat vom 01.03.2004, Blatt 111 GA). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes sind sie in Iran nicht bekannt (Auskunft an den Senat vom 26.08.2004, Blatt 141 GA). Im Übrigen kann den Erkenntnisquellen entnommen werden - und der Senat weiß aus den Verfahren anderer iranischer Asylbewerber -, dass es eine Vielzahl von Zeitungen der Exilopposition mit oft geringer Auflage gibt (vgl. zu den unterschiedlichen Zeitungen z. B. BVerfSch, Auskunft vom 16.04.2004 an VG Münster; BVerfSch, Auskunft vom 08.12.2003 an VG Wiesbaden; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Ansbach; DOI, Auskunft vom 10.07.2000 an OVG Lüneburg; nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.1998 an VG Bremen soll es etwa 100 monarchistisch eingestellte Organisationen in Europa und den USA geben) und dass diese Zeitungen von Asylbewerbern mitunter gegen Bezahlung genutzt werden, um regimekritische Artikel zu veröffentlichen und danach einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 03.08.2000 an OVG Lüneburg; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Ansbach). Das ist den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt und bleibt bei ihrer Einschätzung solcher Artikel nicht unberücksichtigt.

Zudem sind die vorgetragenen Artikel des Klägers auch vom Inhalt her nicht derart, dass sie den Kläger als einen hervortretenden, ernsthaften Regimegegner erscheinen lassen. Nach der vom Senat eingeholten Stellungnahme des DOI hat der Kläger wegen dieser Artikel nicht mit irgendwelchen Konsequenzen zu rechnen, da die Artikel völlig unsubstantiiert seien und keine wirklich schlagkräftigen Besonderheiten hätten (vgl. Seite 8 der Stellungnahme). Auch für die in der mündlichen Verhandlung nachgereichten Artikel ist weder dargelegt noch sonst zu erkennen, dass es sich um ungewöhnliche, über den üblichen Rahmen erkennbar hinausgehende Aktionen handeln könnte.

Eine beachtliche Rückkehrgefährdung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass in den Zeitschriften "Talashgaran" und "Azadegy" von den Vorstandswahlen der HBID berichtet und der Kläger als Vorstandsmitglied dieser Organisation namentlich erwähnt wird. Kommt der HBID - wie ausgeführt - keine ins Gewicht fallende überregionale Bedeutung zu und sind auch die erwähnten Zeitschriften von untergeordneter Bedeutung, so ist jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Erwähnung der Vorstandsmitgliedschaft des Klägers eine Rückkehrgefährdung begründen könnte.

Aus einer Gesamtschau der erwähnten und sich sonst aus den Akten ergebenden Exilaktivitäten des Klägers ergibt sich ebenfalls nicht, dass dem Kläger im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, selbst wenn man berücksichtigt, dass iranische Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 03.03.2004; Senatsurteil vom 01.12.1999 - 2 A 508/98.A). Zwar ist der Kläger auf unterschiedliche Weise wiederholt und in nicht geringem Umfang exilpolitisch aktiv gewesen. Die politischen Aktivitäten, die nach der Überzeugung des Senats nicht schon im Iran, sondern erst nach der Einreise des Klägers in der Bundesrepublik begonnen haben, halten sich jedoch im Bereich der Aktivitäten, die von vielen mit dem iranischen System unzufriedenen Exiliranern unternommen werden oder niedrigen Profils sind. Erkennbar herausgehobene Aktivitäten, die den Kläger als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner kennzeichnen könnten, haben sich für den Senat nicht ergeben. Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von dem Kläger in der ausführlichen Anhörung gewonnen hat, zählt der Kläger nicht zu den herausgehobenen Aktivisten, die dem iranischen Staat als gefährlich erscheinen könnten.

Das Ergebnis entspricht der Einschätzung, die das DOI in der vom Senat eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 16.08.2004 zum Ausdruck gebracht hat.

2. Der Kläger kann nicht mit Erfolg ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG geltend machen.

Soweit der Kläger wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs mit einer verheirateten Frau die Todesstrafe, Folter oder eine menschenrechtswidrige Behandlung im Falle der Rückkehr in den Iran befürchte, kommt ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 AuslG in Betracht.

Der Senat hat jedoch ernstliche Zweifel daran, dass der behauptete Vorfall, der Anlass für die Flucht des Klägers gewesen sein soll, sich so abgespielt hat, wie ihn der Kläger bei der Anhörung vor dem Bundesamt dargestellt hat. Danach soll der Ehemann den Kläger und dessen Ehefrau 30 Minuten nach Mitternacht überrascht haben. Der Kläger sei nach einer Schlägerei geflohen, wobei ihn vier oder fünf Nachbarn gesehen hätten und hinter ihm hergelaufen seien.

Die Darstellung, die der Kläger von diesem Vorfall nach dem Sitzungsprotokoll des Bundesamts gegeben hat, ist wenig substantiiert (z. B. wird wiederholt pauschal erklärt, der Kläger habe "keine Chance" zu einem anderen Verhalten gehabt) und ungereimt. Das Bundesamt hat bereits im angefochtenen Bescheid vom 02.11.2001 ausgeführt, es könne dem Kläger nicht geglaubt werden, dass vier oder fünf Nachbarn 30 Minuten nach Mitternacht den Kläger gesehen haben könnten als er angeblich geflohen sein will. Treffe diese Angabe zu, sei andererseits nicht glaubhaft, dass die vier oder fünf Nachbarn den Kläger nicht an dessen Flucht gehindert hätten, wenn sie denn von dem Verhältnis des Klägers zu der Ehefrau Kenntnis gehabt hätten. Diese ernsthaften Zweifel an der Wahrheit des Vortrags, die der Senat teilt, hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren nicht ausgeräumt. Das ist um so bemerkenswerter, als der Kläger nach seiner Aussage vor dem Bundesamt befürchtet, wegen der außerehelichen Beziehung im Iran gesteinigt zu werden. Es ist auch nicht vorgetragen, dass gegen den Kläger, der bereits im August 2001 ins Bundesgebiet eingereist ist, oder gegen die Ehefrau im Iran ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet worden ist.

Zudem - und unabhängig davon - wird bereits im Bescheid des Bundesamts vom 02.11.2001 zutreffend ausgeführt, dass die Hadd-Strafe in Form der Todesstrafe wegen illegalen Geschlechtsverkehrs in der Praxis in aller Regel nicht angewendet wird. Eine Verurteilung zur Todesstrafe stellt nämlich äußerst hohe Anforderungen an die Beweisführung. Eine Haddstrafbarkeit wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs kommt nur in Betracht, wenn es Augenzeugen gegeben hat, die den Geschlechtsverkehr selbst wahrgenommen haben und die in einer bestimmten Art und Weise aussagen müssen (vgl. DOI, Auskunft vom 04.11.1998 an VG Augsburg). Der Zeugenbeweis ist entweder durch vier rechtschaffende männliche Zeugen oder drei rechtschaffende männliche Zeugen und zwei weibliche Zeugen zu erbringen. Ein falsches Zeugnis führt zu einer Hadd-Strafe wegen Verleumdung von 80 Peitschenhieben (vgl. DOI, Auskunft vom 04.11.1998 an VG Augsburg und Auskunft vom 17.06.1996 an VG Köln).

In der Praxis kommt es zumeist zu einer sog. Tazir-Strafe wegen unzüchtigen Verhaltens mit einem Strafmaß von bis zu 99 Peitschenhieben, wobei diese Prügelstrafe in aller Regel durch eine Geldstrafe "abgekauft" wird (vgl. DOI, Auskunft vom 04.11.1998 an VG Augsburg; vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22.04.1998 an das Bundesamt) und deshalb (jedenfalls) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Die in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts vom 02.11.2001 enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG) und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach allem war das verwaltungsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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