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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 2 A 478/03.A
Rechtsgebiete: AuslG, GG
Vorschriften:
AuslG § 51 Abs. 1 | |
GG Art. 16a Abs. 1 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil
OVG: 2 A 478/03.A
Niedergelegt auf der Geschäftsstelle in abgekürzter Fassung am 24.11.2004
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Vorsitzende Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Dr. Grundmann sowie die ehrenamtlichen Richterinnen B. Assmy und I. Ravens aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2004 für Recht erkannt:
Tenor:
Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.05.2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - Einzelrichter der 3. Kammer - wird abgeändert, soweit die Beklagte unter Aufhebung der Entscheidungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in den Ziffern 2 bis 4 des Bescheides vom 30.05.2001 verpflichtet worden ist festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das sie verpflichtet worden ist festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen.
Der nach seinen Angaben am ... in Karaj/Teheran geborene Kläger reiste am 14.01.2001 in die Bundesrepublik ein und stellte am 15.01.2001 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 26.02.2001 gab der Kläger an, er leide an Epilepsie und sei deshalb im Iran in ärztlicher Behandlung gewesen.
Den Iran habe er am 14.01.2001 mit dem Flugzeug verlassen, und zwar sei er von Teheran nach Hamburg geflogen. Er habe einen gefälschten Pass gehabt und sei von einer Schlepperin begleitet worden.
Zu seinen Asylgründen trug der Kläger u. a. vor, sein Vater habe eine Druckerei besessen. Am 23.07.1999 sei der Vater hingerichtet worden. Später habe er von einem Freund seines Vaters erfahren, dass sein Vater auch verbotene Bücher oder Schriften gedruckt habe. Er (der Kläger) habe sich an dem Regime rächen und den Weg seines Vaters fortsetzen wollen. Deshalb habe er Exemplare des Buches "Alli Djenab Khakestari" verteilt. Die letzten zehn dieser Bücher, die er einem anderen Freund seines Vaters in Teheran habe geben wollen, habe er bei seiner Mutter zu Hause im Keller gelagert. Als er mit seinem Freund ... von einem Einkauf zurückgekommen sei, habe er vor dem Haus Beamte bemerkt. Die Beamten hätten das Haus durchsucht. Er habe sich ein Taxi genommen und sei zu seinem Onkel väterlicherseits gefahren. Der Onkel habe Angst bekommen, dass er selbst in Schwierigkeiten geraten könnte. So sei er bei einem Freund des Onkels untergekommen. Bei diesem Freund habe er sich die letzten drei Monate vor seiner Ausreise aus dem Iran versteckt.
Man habe ihn auch beschuldigt, einen Polizisten getötet zu haben. Als er und ... mit dem Motorrad unterwegs gewesen seien, seien sie von Polizisten verfolgt worden. Die Polizisten hätten einen Unfall gehabt; dabei sei ein Polizist getötet worden, was man ihm zur Last gelegt habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift des Bundesamts vom 26.02.2001 verwiesen.
Mit Bescheid vom 30.05.2001 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats zu verlassen, anderenfalls werde er in den Iran abgeschoben. Der Kläger hat das Bundesamt nicht davon überzeugen können, dass er im Iran von politischer Verfolgung bedroht gewesen war.
Der Bescheid des Bundesamtes wurde dem Kläger am 02.06.2001 zugestellt.
Am 15.06.2001 hat er Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er u. a. vorgetragen, er habe entgegen der Auffassung des Einzelentscheiders glaubhaft gemacht, dass er wegen der Hinrichtung seines Vaters im Iran politische Aktivitäten unternommen habe, die den iranischen Behörden bekannt geworden seien. Er habe auch glaubhaft gemacht, dass ihm der Tod eines Polizeibeamten vorgeworfen werde. Er habe sich deshalb in einer latenten Gefährdungslage befunden.
In der Bundesrepublik sei er in hervorgehobener Art exilpolitisch aktiv. Er sei Mitglied der Konstitutionalistischen Partei Irans. Er habe an zahlreichen Aktionen, Demonstrationen und Veranstaltungen, die der Kläger im Einzelnen anführt, als Ordner und Organisator teilgenommen. Er sei auch am 02.11. und 03.11.2002 Delegierter von Bremen beim 4. internationalen Kongress der Partei der Konstitutionalisten gewesen. Am 10.11.2002 habe er anlässlich einer Veranstaltung der Partei in Bremen ein Fernsehinterview gegeben, das ausgestrahlt worden sei.
Am 03.11.2002 sei er in der iranischen Fernsehsendung Kanal 1 aus den USA zu sehen gewesen. Diese Fernsehsendung sei auch im Iran zu empfangen. Er sei über die Situation der Jugend befragt worden. Im Interview habe er das islamische Regime schärfstens kritisiert.
Zudem sei er Sprecher und Moderator von Radio Awaypas, dem Radioprogramm der Partei der Konstitutionalisten, Zweigstelle Bremen, tätig gewesen, und zwar habe er in der Zeit vom 05.06.2002 bis zum 30.10.2002 zehn Radiosendungen moderiert. In den Sendungen habe er kritische Artikel gegen das islamische Regime verlesen, die er zum Teil selbst verfasst habe. Mehrere Male sei er als Verfasser, Sprecher oder Moderator erwähnt worden.
In der Zeitschrift "Awaye Pars" schreibe er sehr kritische Artikel, die unter Nennung seines Namens veröffentlicht werden. Mehrere dieser Artikel hat der Kläger in der Klagebegründung zusammengefasst wiedergegeben.
Durch seine Aktivitäten sei er aus der Masse der Oppositionellen herausgetreten und ins Blickfeld des islamischen Regimes geraten, sodass ihm im Falle der Rückkehr in den Iran politische Verfolgung drohe. Wegen des Klägervortrags im Übrigen wird auf den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.05.2003 und die Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts vom 15.05.2003 verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 30.05.2001, zugestellt am 02.06.2001, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten im Sinne des Art. 16 a GG anzuerkennen,
festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51, 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht - Einzelrichter der 3. Kammer - hat unter teilweiser Aufhebung der Entscheidungen des Bundesamtes die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Asylanerkennung komme nicht in Betracht, weil der Vortrag des Klägers über die angeblichen Gründe seiner Ausreise aus dem Iran nicht glaubhaft sei. Zudem könne der Kläger auch nicht belegen, dass er nicht über einen sicheren Drittstaat, sondern mit einem Direktflug aus Teheran nach Deutschland gekommen sei.
Erfolg habe die Klage hingegen, soweit der Kläger mit ihr die Feststellung des Bestehens eines Abschiebungshindernisses i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG begehre. Der Kläger sei seit Februar 2002 Mitglied der Konstitutionalistischen Partei Irans (CPI), Sektion Bremen. Wenn er auch nicht zu den "führenden Persönlichkeiten" dieser Sektion gehöre, so habe er sich doch durch eine Vielzahl von Aktivitäten für diese Organisation und auf andere Weise sehr in den Vordergrund geschoben, so dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass er in das Blickfeld regimetreuer Iraner bzw. in das Blickfeld der iranischen Sicherheitskräfte geraten sei. Wegen der Häufigkeit und der Intensität der Veröffentlichungen des Klägers in verschiedenen Medien müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger von iranischen Sicherheitskräften nicht nur identifiziert worden sei, sondern auch als ernst zu nehmender Regimegegner angesehen werde, der bei einer Rückkehr in den Iran ausgeschaltet werden müsse.
Der Senat hat durch Beschluss vom 23.12.2003 die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen.
Der Beschluss ist der Beklagten am 06.01.2004 zugestellt worden.
Am 15.01.2004 hat sie ihre Berufung begründet. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Ausführungen in der Zulassungsschrift vom 03.06.2003 und den Zulassungsbeschluss des Senats. In der Zulassungsschrift führt die Beklagte unter Hinweis auf verschiedene gerichtliche Entscheidungen zu Asylbewerbern aus dem Iran aus, dass nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht erfüllt seien. Eine herausgehobene exilpolitische Betätigung bei einer Rückkehr nach Iran führe nur dann zu politischer Verfolgung, wenn die Aktivitäten über den Rahmen massentypischer exilpolitischer Proteste hinausgingen und der Asylbewerber Aktivitäten entwickele, die ihn als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen ließen. Die Aktivitäten des Klägers seien vorwiegend auf den Bremer Raum beschränkt. Auch die Ausstrahlung des Interviews mittels Fernsehsatelliten in den Iran ändere daran nichts, da die Monarchisten im Iran kaum noch eine Rolle spielten und daher auch davon auszugehen sei, dass die Äußerungen des Klägers - ebenso wie seine in Deutschland abgegebenen Stellungnahmen - von den iranischen Behörden nicht beachtet würden und ihn auch nicht als ernsthaften Regimegegner erscheinen ließen.
Die Beklagte beantragt,
das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.05.2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verteidigt sie. Er sei auch weiterhin exilpolitisch tätig. Zur Stützung dieses Vortrags hat er eine Aufstellung eingereicht, welche seine exilpolitischen Aktivitäten zeitlich geordnet aufführt. Zu weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten (nebst Anlagen) sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Der Berichterstatter des Senats hat vor der mündlichen Verhandlung Auskünfte des Auswärtigen Amtes und des Deutschen Orient-Instituts (DOI) zu folgenden Fragen eingeholt:
a) Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen sprechen dafür, dass exilpolitische Aktivitäten, bei denen sich der iranische Asylbewerber als Monarchist zu erkennen gegeben hat, im allgemeinen nicht zu einer beachtlichen Rückkehrgefährdung führen. Gilt dies auch, wenn Aktivitäten das hier vorliegende Ausmaß erreichen?
b) Liegen Erkenntnisse vor, dass Rückkehrer, die wie der Kläger in der BRD tätig geworden sind, nach den iranischen Staatsschutzgesetzen, speziell den Artikeln 498 bis 515 oder den Artikeln 186 ff., zur Verantwortung gezogen worden sind?
Das Auswärtige Amt hat in der Auskunft vom 19. März 2004, das DOI in der gutachterlichen Stellungnahme vom 16.08.2004 zu den erwähnten Fragen Stellung genommen. Auf den Inhalt der Auskunft des Auswärtigen Amtes und der Stellungnahme des DOI wird verwiesen.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffende Akte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war, soweit er im Urteil verwertet worden ist, Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entsprechendes gilt für die den Beteiligten übersandte Liste der Erkenntnisquellen (Blatt 145 bis 149 GA), auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 AuslG sind nicht gegeben. Die Klage ist deshalb insgesamt abzuweisen.
I.
§ 51 Abs. 1 AuslG bestimmt, dass ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl (Art. 16 a Abs. 1 GG) einerseits und von Abschiebungsschutz (§ 51 Abs. 1 AuslG) andererseits deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Dagegen greift das Abschiebungsverbot des § 51 Abs. 1 AuslG u. a. auch dann ein, wenn politische Verfolgung wegen eines für die Asylanerkennung unbeachtlichen Nachfluchtgrundes droht (BVerwG, U. v. 18.2.1992, Buchholz 402.27 § 7 AsylVfG Nr. 1; B. v. 13.01.1993 - 9 B 338.92; vgl. auch OVG Bremen, U. v. 19.05.1999 - 2 BA 82/94 - und U. v. 01.12.1999 - 2 A 508/98.A -).
§ 51 Abs. 1 AuslG setzt demnach wie Art. 16 a Abs. 1 GG, eine gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit voraus. Dem Ausländer muss politische Verfolgung bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, so dass es ihm nicht zumutbar ist, in sein Heimatland zurückzukehren (BVerwG, U. v. 03.11.1992 - 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 151, 154). Ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt für diejenigen Ausländer, die schon in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden, die insbesondere bereits Opfer gezielter politischer Repressalien waren oder zumindest gute Gründe hatten, solche Repressalien als konkret bevorstehend zu befürchten. Diesen Personen ist schon dann Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren, wenn an ihrer Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel verbleiben (vgl. zum Asylrecht: BVerwG, U. v. 25.09.1984 - 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 und U. v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97).
Über das Vorliegen einer mit der jeweils erforderlichen Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in diese Gesamtschau im Rahmen der Prüfung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG - anders als bei der Feststellung einer Asylberechtigung nach Art. 16 a Abs. 1 GG - alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob sie schon im Verfolgungsstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden oder von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechenden, schon im Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (vgl. BVerwG, U. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 - a.a.O.; zum Vorstehenden s. a. HessVGH, U. v. 30.11.1998 - 9 UE 1492/95 -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht festzustellen, dass dem Kläger wegen seiner politischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
1. Zur allgemeinen politischen Lage im Iran ist folgendes zusammenfassend anzumerken:
Der Iran hat eine Gesamteinwohnerzahl von etwa 66 Mio. Menschen. Er ist ein Vielvölkerstaat. Die Minderheiten machen zusammengenommen fast die Hälfte der iranischen Bevölkerung aus. Die Türken stellen mit ca. 25 % die größte Minderheit dar. Daneben gibt es Kurden (ca. 7 %), Araber, Belutschen und Turkmenen (ungefähr jeweils 2 %). Mehr als 99 % der Iraner sind Moslems, etwa 90 % davon Schiiten. Mit über 200.000 Anhängern stellen die Christen die größte der drei offiziell anerkannten religiösen Minderheiten dar; die beiden anderen sind die Zoroaster und die Juden. Die Gemeinschaft der Bahai wird auf über 300.000 Personen geschätzt (zum Vorstehenden vgl. AA, Lagebericht vom 3. März 2004; Bundesamt, Iran, Allgemeines, März 2004 S. 7 m.w.N.).
Nach dem erzwungenen Rücktritt des Schahs im Januar 1979, kehrte Ajatollah Khomeini aus dem Exil in den Iran zurück. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne wurden politische Gruppen, die eine bedeutende Rolle in der Revolution gespielt hatten, wie etwa die Kommunisten, die Volksfedajin, die Volksmudjaheddin (VM) sowie moderate islamische Kräfte hinausgedrängt. Man nimmt an, dass Zehntausende in den Wirren der Revolution hingerichtet worden sind.
Der Iran ist eine theokratische Republik, die auf der islamischen Gesetzgebung aufgebaut ist.
Die nach der Revolution eingeführte islamische Verfassung legt die Stellung der Geistlichkeit als der höchsten maßgeblichen Staatsgewalt des Landes fest, die im Wesentlichen eine "religiöse Oligarchie" bildet. Gemäß Art. 4 der Verfassung haben die islamischen Grundsätze Vorrang vor allen Gesetzen und Vorschriften und sogar vor den verfassungsmäßigen Bestimmungen (Europäische Union, Bericht der Delegation der Niederlande vom 05.08.1997, S. 5 ff.). Der Islamische Wächterrat überprüft die vom Parlament beschlossenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit islamischen Normen. Kommt es zu keiner Einigung zwischen Parlament und Wächterrat, obliegt die Entscheidung dem Schlichtungsrat (AA, Lagebericht vom 03.03.2004).
Die 25 Mitglieder des Schlichtungsrats werden vom Islamischen Revolutionsführer ernannt. Der Islamische Revolutionsführer ernennt auch für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative, der laut Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Judikative inne hat, sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs und den Generalstaatsanwalt. Durch das Recht, Vertreter wichtiger Verfassungsorgane und anderer staatlicher Stellen zu ernennen, kontrolliert der Revolutionsführer indirekt weite Teile der Politik.
Das Volk wählt in geheimen, direkten Wahlen das Parlament (290 Mitglieder, Amtszeit vier Jahre), den Präsidenten (Amtszeit vier Jahre) sowie den sog. Expertenrat (Amtszeit acht Jahre, 83 Mitglieder aus dem Klerus).
Die Kandidaten für die Mitgliedschaft im iranischen Parlament müssen durch den Wächterrat genehmigt werden, bevor es ihnen gestattet wird, für die Wahl zu kandidieren. Politische Parteien im Sinne der weltlichen Demokratien gibt es im Iran nicht.
Der Expertenrat hat vor allem die Aufgabe, nach bestimmten, in der Verfassung vorgegebenen Kriterien den islamischen Revolutionsführer auf Lebenszeit zu ernennen sowie in seiner Amtsführung zu überwachen (AA, Lagebericht vom 03.03.2004).
Eine nennenswerte organisierte Opposition außerhalb des Systems der Islamischen Republik existiert im Iran nicht.
Islamischer Revolutionsführer wurde nach dem Tod von Ajatollah Khomeini im Jahre 1989 Ajatollah Khamenei. Khamenei genießt nicht die gleiche unbestrittene Autorität wie sein Vorgänger (vgl. Europäische Union, Bericht der Delegation der Niederlande vom 05.08.1997, S. 3 ff.). Bei den Präsidentschaftswahlen vom 23.05.1997 ging der - als gemäßigt geltende - Mohammad Khatami mit überwältigender Mehrheit (ca. 70 %) als Sieger hervor.
Im Juni 2001 wurde Khatami für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt. Seit dem Antritt der Regierung unter Präsident Khatami im August 1997 ist in der Führungselite des Iran ein Machtkampf über den künftigen Weg der islamischen Republik zu beobachten. Liberalisierung im Inneren, Reintegration in die internationale Gemeinschaft und Öffnung zum Weltmarkt oder Ausbau der Theokratie und nationaler Sonderweg sind die Alternativen, um die gerungen wird (AA, Lagebericht vom 20.04.1999). Das reformfreudige Lager, das seit Mitte 2000 eine Zweidrittelmehrheit im Parlament hatte, konnte sich bei den Wahlen am 20.02.2004 nicht behaupten. Die gemäßigt Konservativen errangen eine Mehrheit im Parlament. Allerdings war es im Vorfeld der Wahlen zum Ausschluss von über 2.000 reformfreundlichen Kandidaten durch den Wächterrat gekommen.
Gegenwärtig verfügt das konservativ-klerikale Lager über die entscheidenden Machtpositionen im politischen System Irans und nutzt diese, um Reformbestrebungen zu bekämpfen (AA, Lagebericht vom 03.03.2004).
2. Für den Fall des Klägers ergibt sich folgendes:
Der Kläger hat nicht glaubhaft vorgetragen, dass er im Iran vor der Ausreise von politischer Verfolgung betroffen war. Das haben das Bundesamt im Bescheid vom 30.05.2001 und das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil nachvollziehbar dargelegt. Das Vorbringen des Klägers ist insoweit an entscheidenden Stellen widersprüchlich und ungereimt. Insbesondere hat der Kläger nicht glaubhaft zu erklären vermocht, warum er sich nach den (angeblich) fluchtauslösenden Ereignissen noch über ein Jahr im Iran aufgehalten hat. Auch hat der Kläger widersprüchliche Angaben zur Dauer des Aufenthalts beim Freund seines Onkels gemacht, bei dem er vor der Ausreise gewohnt haben will.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger nichts vorgebracht, was die Bedenken der Vorinstanzen hinreichend entkräften und das Vorfluchtgeschehen als glaubhaft erscheinen lassen könnte.
Dem Kläger steht auch nicht Abschiebungsschutz wegen seiner politischen Nachfluchtaktivitäten zu.
Zur Beachtlichkeit von Nachfluchtaktivitäten gegen das iranische Regime ist zunächst festzuhalten, dass weder die Asylantragstellung noch der mehrjährige Auslandsaufenthalt eine asylrelevante Verfolgungsgefahr begründen. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 01.12.1999 (Az. 2 A 508/98.A) dargelegt und das wird auch durch die neueren Erkenntnisquellen bestätigt (AA, Lagebericht vom 03.03.2004, S. 32; AA, Auskunft an VG Köln vom 12.06.2003; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Köln).
Aus den Nachfluchtaktivitäten des Klägers für die Konstitutionalistische Partei Irans (CPI) ergibt sich ebenfalls keine beachtliche Verfolgungsgefahr.
a) Der Senat hat im Urteil vom 01.12.1999 (Az. 2 A 508/98.A) für Unterstützer der Volksmudjaheddin (VM) entschieden, dass sie im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (jedenfalls) dann gefährdet sind, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und die von ihnen entfalteten Aktivitäten für die Volksmudjaheddin aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit also exponiert haben.
Das entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach eine beachtliche Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in den Iran für solche Personen gegeben ist, die sich durch ihre Exilaktivitäten exponiert haben und als ernsthafte und gefährliche Regimegegner erscheinen (vgl. dazu OVG Schleswig-Holstein, U. v. 23.05.2003 - 3 LB 9/03 m.w.N.; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 -; OVG Münster, B. v. 16.04.1999 - 9 A 5338/98.A; OVG Lüneburg, U. v. 25.09.2001 - 5 L 4377/00 -; VGH München, B. v. 11.09.2003 - 14 ZB 03.30986 -; Bundesamt, Iran, 14. Asylverfahren, April 2004, S. 24).
Ob für Mitglieder oder Anhänger monarchistischer Gruppen dieser Maßstab in gleicher Weise gilt, wird nach den Erkenntnisquellen nicht einheitlich beurteilt. Das Auswärtige Amt hat in der Auskunft vom 21.01.1998 an das VG Bremen mitgeteilt, nach seiner Kenntnis würde den monarchistischen Gruppen nur ein äußerst geringes Bedrohungspotential zugemessen. Die Aktivitäten der Angehörigen und Mitarbeiter dieser Gruppen erführen weit seltener eine Ahndung bzw. eine geringere Ahndung als vergleichbare Aktionen anderer. Im jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2004 (Seite 15) wird ausgeführt, die monarchistische Opposition, von der in den letzten Jahren keine Aktivitäten bekannt geworden seien, werde angesichts ihrer derzeitigen Schwäche nicht in gleichem Maße wie etwa die MKO (Muddjahedine-Khalg, verbotene linksorientierte Gruppe) als Bedrohung empfunden. In der vom Senat eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19. März 2004 heißt es, nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes würden die monarchistischen Exilorganisationen - so auch eine Mitgliedschaft in der Konstitutionalischen Partei Irans (CPI) - seitens der iranischen Machthaber nicht als Gefahr für den Bestand des Regimes angesehen, da diese über keine erkennbaren politischen Bindungen in den Iran verfügten. Trotz der Nutzung moderner Kommunikationstechniken und -medien sei ein spürbares politisches Einwirken monarchistischer Organisationen in die iranische Gesellschaft nicht feststellbar.
Das Deutsche Orient-Institut (DOI) hatte in älteren Auskünften eine ähnliche Einschätzung vorgenommen und die Gefährdung von Anhängern monarchistischer Exilgruppen für "nicht besonders groß" gehalten (vgl. Auskunft vom 30.04.1998 an VG Bremen; ähnlich Auskünfte vom 30.04.2001 an VG Berlin und vom 08.04.2002 an VG Karlsruhe). Nach den neueren Auskünften hält das DOI die Annahme einer geringeren Gefährdung von Monarchisten für nicht mehr gerechtfertigt (Auskunft vom 26.05.2003 an VG Kassel; Auskunft vom 16.08.2004 an OVG Bremen). In der vom Senat eingeholten Auskunft vom 16.08.2004 hat das DOI mitgeteilt, es gehe heute - teilweise in Abänderung früherer Einschätzungen - davon aus, "dass herausgehobene Aktivitäten für die monarchistische Exilopposition allerdings zu einem beachtlichen Risiko der Verfolgung bei unterstellter Rückkehr nach Iran führen". Zur Begründung verweist das DOI u. a. auf das völlige Scheitern der reformorientierten Kräfte unter dem gegenwärtigen Präsidenten Khatami, den Bedeutungsverlust anderer oppositioneller Gruppen im Ausland, die wesentlich verbesserte Möglichkeit der Monarchisten, Propaganda in den Iran zu tragen (insbesondere durch Satelliten) und die Kontakte der Monarchisten zu hohen westlichen Regierungskreisen.
Neben dem DOI nehmen auch das Kompetenzzentrum Orient-Okzident der Universität Mainz (vgl. Gutachten vom 19.08.2003 an VG Wiesbaden; Gutachten vom 24.06.2004 an VG Wiesbaden) und ai eine zunehmende Gefährdung von iranischen Monarchisten an. So sprechen nach der Auskunft von ai vom 03.02.2004 an das VG Schleswig die neueren Entwicklungen im Iran in den vergangenen Jahren - bezüglich der Monarchisten - "für ein höheres Gefährdungspotential". Zur Begründung wird - ähnlich wie in der Auskunft des DOI an den Senat vom 16.08.2004 - darauf hingewiesen, dass es mehrere - im Einzelnen näher bezeichnete - Hinweise gebe, wonach die Aufrufe zu Protestveranstaltungen aus dem monarchistischen Lager in Iran auf Widerhall stießen und dass wegen der Enttäuschung über das Scheitern der Reformen im Parlament erstmals die Monarchisten als oppositionelle Alternative genannt würden. Weiter wird der Fall des 72-jährigen Journalisten ... erwähnt, der am 9. Juli 2002 in zweiter Instanz u. a. wegen "Verbindungen zu Monarchisten und Gegenrevolutionären" zu 11 Jahre Haft verurteilt worden sei. Die Tatsache, dass dieser Anklagepunkt in Verbindung mit Gegenrevolutionären erwähnt und veröffentlicht worden sei, könne als Warnung an die übrige Bevölkerung verstanden werden.
Für den Senat sind die für eine veränderte Gefährdungslage angegebenen Gründe, die auf die neuere Entwicklung im Iran abstellen, nachvollziehbar. Es erscheint ihm hiernach nicht gerechtfertigt, für iranische Monarchisten grundsätzlich eine geringere Gefährdung anzunehmen als für Anhänger anderer iranischer Oppositionsgruppen. Der Senat geht deshalb auch für iranische Monarchisten davon aus, dass sie im Fall einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dann gefährdet sind, wenn sie herausgehobene Aktivitäten für die Exilopposition entfalten, d. h. wenn ihre diesbezüglichen Aktivitäten über den Rahmen massentypischer exilpolitischer Proteste hinausgehen und diese Aktivitäten sie als ernsthafte und gefährliche Regimegegner erscheinen lassen.
b) Bei Anlegung dieses Maßstabes kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger wegen seiner Aktivitäten für die monarchistische Exilopposition im Iran politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Die vorgetragenen Aktivitäten können weder einzeln betrachtet noch in einer Gesamtschau als "herausgehoben" im erwähnten Sinne angesehen werden. Bei der ausführlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Senat nicht davon überzeugen können, dass er wegen herausgehobener Aktivitäten als ernsthafter und gefährlicher Gegner des iranischen Staates erscheinen könnte. Der Senat hat vielmehr auch aufgrund des Eindrucks aus der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zum Kreis derjenigen gehört, die im Exil in nicht exponierter Weise ihren Unmut gegen das iranische Regime zum Ausdruck bringen und denen jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung droht.
aa)
Bei der Würdigung der Exilaktivitäten war (im Grundsätzlichen) zu berücksichtigen, dass die iranischen Sicherheitsbehörden deutlich unterscheiden zwischen oppositioneller Betätigung im Iran selbst und im europäischen Ausland. Die Regimekritik, die aus dem europäischen Ausland geäußert wird, wird dem "gottlosen" und "dekadenten" Aufenthaltsstaat zugeschrieben und als eine Handlungsweise bewertet, die zumeist "vergessen" ist und nicht fortgesetzt wird, sobald der Betreffende in den Iran zurückgekehrt ist (vgl. DOI, Auskunft vom 30.04.2001 an VG Berlin; DOI, Auskunft vom 11.12.2003 an VG Wiesbaden; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 -). Zudem wissen die iranischen Stellen, dass viele iranische Asylbewerber in Deutschland Oppositionsaktivitäten entwickeln, um in ihrem Asylverfahren einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 03.03.2004). Das Auswärtige Amt hat in seinen Lageberichten wiederholt mitgeteilt, keiner westlichen Botschaft sei ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte über die Befragung durch iranische Sicherheitsbehörden zu ihrem Auslandsaufenthalt hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Es sei auch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Zurückgeführter im Rahmen seiner Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden sei. Über Fragen mit Asylrelevanz und insbesondere Fragen der Abschiebung finde ein regelmäßiger Informationsaustausch mit zehn in Teheran vertretenen westlichen Botschaften statt. Eine Umfrage habe ergeben, dass alle diese Staaten Rückführungen nach Iran vornähmen, allerdings in sehr eingeschränktem Umfang (vgl. z. B. Lageberichte vom 2. Juni 2003 und 3. März 2004). Zum Fall des Klägers hat das Auswärtige Amt auf Anfrage des Senats ausgeführt, ihm sei seit langem kein konkreter Fall der Bestrafung eines zurückgekehrten Mitglieds einer monarchistischen Exilorganisation mit vergleichbaren Aktivitäten bekannt geworden (Auskunft vom 19.03.2004 an den Senat).
bb) Der Kläger ist im Bundesgebiet mehr als ein Jahr nach der Einreise einer politischen Organisation, nämlich der Konstitutionalistischen Partei Irans (CPI) beigetreten. Die CPI wurde im Jahre 1994 gegründet und ist das nach außen hin aktivste Sammelbecken verschiedenster monarchistischer Gruppen und Strömungen (vgl. DOI, Auskunft vom 16.08.2004 an OVG Bremen).
Als aktives Mitglied der CPI hat der Kläger an zahlreichen öffentlichen Sitzungen dieser Partei teilgenommen sowie an Demonstrationen, Veranstaltungen und sonstigen Aktionen (z. B. Verteilen von Broschüren, Sammeln von Spenden), die er insbesondere in der Klagebegründung vom 05.05.2003 und der im Berufungsverfahren eingereichten Aufstellung angeführt hat. Nach seinem Vortrag war er häufig als Ordner eingesetzt. Dass er bei diesen Aktionen in nennenswertem Umfang Führungsaufgaben wahrgenommen hat, ist weder substantiiert und glaubhaft vorgetragen noch sonst zu erkennen. Soweit der Kläger in der im Berufungsverfahren eingereichten Liste über seine Teilnahme an den öffentlichen Sitzungen der CPI vermerkt hat, seine Aufgabe sei "Organisation" gewesen, hat er dazu vor dem Senat erklärt, Organisation bedeute in diesem Zusammenhang "Ordnungserhalt für die Sitzung, d. h. Zuweisung von Plätzen". Dies verdeutlicht, dass der Kläger insoweit keine Aufgaben wahrzunehmen hatte, die als herausgehobene Aktivitäten eingestuft werden könnten. Auch der Umstand, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum wiederholt an Demonstrationen und sonstigen Aktionen oder Veranstaltungen teilgenommen hat, hat nicht zur Folge, dass in seinem Fall "herausgehobene Aktivitäten" angenommen werden können.
Die (bloße) Teilnahme des Klägers als Delegierter von Bremen an überregionalen Kongressen der Partei (02.11. und 03.11.2002 in Düsseldorf; 10.11.2002 in Bremen) stellt ebenfalls noch keine exponierte Betätigung dar. Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger nach seinen Angaben bei den Kongressen in Düsseldorf und Bremen von Fernsehreportern aus USA interviewt worden ist und Auszüge aus diesen Interviews u. a. auch in den Iran ausgestrahlt worden sein sollen. Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu diesen Interviews - bei denen ihm u. a. Fragen zur Jugend im Iran, den Universitäten und der CPI gestellt worden sein sollen - ausführlich befragt. Seine Antworten waren allgemein gehalten, wenig aussagekräftig und ließen nicht erkennen, dass der Kläger den iranischen Sicherheitsbehörden aufgrund der Interviews als hervortretender Aktivist und ernsthafter und gefährlicher Regimegegner erscheinen könnte. Eine solche Einstufung hätte auch nicht dem persönlichen Eindruck entsprochen, den der Senat in der mehrstündigen mündlichen Verhandlung von dem Kläger gewonnen hat. Hinzu kommt noch, dass die Interviews ca. zwei Jahre zurückliegen und die im Iran lebende Mutter des Klägers von den iranischen Behörden nicht auf diese Interviews angesprochen worden ist. Auch das spricht deutlich dagegen, dass dem Kläger wegen dieser Interviews bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung drohen könnte.
Die wiederholten Veröffentlichungen des Klägers (auch unter Namensnennung) in der Zeitschrift "Awaye Pars" führen ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Rückkehrgefährdung. Den Erkenntnisquellen kann entnommen werden - und der Senat weiß aus den Verfahren anderer iranischer Asylbewerber -, dass es eine Vielzahl von Zeitungen der Exilopposition mit oft geringer Auflage gibt (vgl. zu den unterschiedlichen Zeitungen z. B. BVerfSch, Auskunft vom 16.04.2004 an VG Münster; BVerfSch, Auskunft vom 08.12.2003 an VG Wiesbaden; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Ansbach; DOI, Auskunft vom 10.07.2000 an OVG Lüneburg; nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.1998 an VG Bremen soll es etwa 100 monarchistisch eingestellte Organisationen in Europa und den USA geben) und dass diese Zeitungen von Asylbewerbern mitunter gegen Bezahlung genutzt werden, um regimekritische Artikel zu veröffentlichen und danach einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 03.08.2000 an OVG Lüneburg; DOI, Auskunft vom 01.07.2003 an VG Ansbach). Das ist auch den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt und bleibt bei ihrer Einschätzung solcher Artikel nicht unberücksichtigt. Dementsprechend wird etwa mitgeteilt, dass eine Anzeige regimekritischen Inhalts in der Oppositionszeitschrift Nimrooz International, die in iranischen Exilkreisen weit verbreitet sei, nur eine sehr geringe Verfolgungsgefahr mit sich bringe (vgl. DOI, Auskunft vom 10.07.2000 an OVG Lüneburg). Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass es sich um regimekritische Artikel in einer Zeitschrift von eher regionaler Bedeutung handelt, denn die vorgelegten Exemplare der Zeitung "Awaye Pars" sind von der Konstitutionellen Partei Iran, Sektion Bremen, herausgegeben worden. Dass diese Artikel eine nennenswerte Ausstrahlung in den Iran hinein gehabt haben könnten, ist angesichts dessen nicht wahrscheinlich. Auch liegen keine besonderen Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise ergeben könnte, dass die Artikel im Falle des Klägers ganz ungewöhnliche, über den üblichen Rahmen erkennbar hinausgehende Aktionen darstellen könnten. Deshalb spricht viel dafür, dass die iranischen Sicherheitsdienste - sollten sie von diesen Artikeln Kenntnis erlangt haben - diese Aktivitäten nicht als "herausgehoben" einstufen, sondern dem Bereich zuordnen, in dem eine Vielzahl von Asylbewerbern im westlichen Ausland agiert, um sich einen Asylgrund zu verschaffen. Diese Einschätzung wird nicht dadurch verändert, dass der Kläger solche Artikel wiederholt verfasst hat. Denn allein durch - auch mehrmalige - Wiederholung werden Aktivitäten nicht zu solchen "hervorgehobener Art", die begründeten Anhalt für eine ernsthafte und gefährliche Regimegegnerschaft geben könnten (vgl. auch OVG Münster, B. v. 16.04.1999 - 9 A 5338/98.A).
Der Kläger hat sich auch nicht dadurch exponiert, dass er als Sprecher von Radiosendungen tätig geworden ist. Er hat dazu vor dem Senat erklärt, es handele sich um die Sendung "Awaye Pars", die im Offenen Kanal von Radio Bremen ausgestrahlt werde. Er habe eigene und von anderen Verfassern geschriebene Artikel vorgelesen. Auch diese Tätigkeit hält sich im Rahmen allgemeiner exilpolitischer Betätigung, zumal die Auswirkungen regional begrenzt sind und der Offene Kanal Bremen - entsprechend seiner Bezeichnung - von allen Personen genutzt werden kann, die in der Freien Hansestadt Bremen ihre Wohnung oder ihren Sitz haben (vgl. § 26 Abs. 2 BremLMG; zum Offenen Kanal vgl. auch HessVGH, U. v. 24.09.2002 - 11 UE 254/98.A -).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erwähnt, dass er zum Christentum übergetreten sei. Er hat jedoch ausdrücklich hinzugefügt, er stütze die Rückkehrgefährdung nicht auf den Übertritt zum Christentum. Unabhängig davon begründet allein der Übertritt eines Moslems zum Christentum noch keine asylerhebliche Gefährdung (vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 02.06.2003 und 03.03.2004; Bundesamt, Iran, 14. Asylverfahren, Ziff. 14.6.1 m.w.N.; OVG Hamburg, U. v. 14.11.2003 - 1 Bf 421/01.A -; OVG Bautzen, U. v. 10.12.2002 - A 2 B 771/02 -).
Aus einer Gesamtschau der erwähnten und sich sonst aus den Akten ergebenden Exilaktivitäten des Klägers ergibt sich ebenfalls nicht, dass dem Kläger im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, selbst wenn man berücksichtigt, dass iranische Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 03.03.2004; Senatsurteil vom 01.12.1999 - 2 A 508/98.A). Zwar ist der Kläger auf unterschiedliche Weise wiederholt und in nicht geringem Umfang exilpolitisch aktiv gewesen. Die politischen Aktivitäten, die nach der Überzeugung des Senats nicht schon im Iran, sondern erst einige Zeit nach der Einreise des Klägers in der Bundesrepublik begonnen haben und in letzter Zeit zurückgegangen sind (vgl. die im Berufungsverfahren eingereichten Aufstellungen), halten sich jedoch im Bereich der Aktivitäten, die von vielen mit dem iranischen System unzufriedenen Exiliranern unternommen werden oder niedrigen Profils sind. Erkennbar herausgehobene Aktivitäten, die den Kläger als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner kennzeichnen könnten, haben sich für den Senat nicht ergeben. Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von dem Kläger in der mehrstündigen mündlichen Verhandlung gewonnen hat, zählt der Kläger nicht zu den herausgehobenen Aktivisten, die dem iranischen Staat als gefährlich erscheinen könnten.
Soweit das DOI im vom Senat eingeholten Gutachten vom 16.08.2004 zum Fall des Klägers ausführt, eine Rückkehrgefährdung sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit möglich, ist zumindest nicht eindeutig, ob damit auch gesagt sein soll, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Jedenfalls gilt, dass die Gefährdungsprognose vom Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen ist (vgl. § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dabei sind der vollständige sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt - der dem DOI nicht vorgelegen hat - und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen.
II. Der Kläger kann nicht mit Erfolg ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG geltend machen.
Soweit der Kläger Folter oder eine menschenrechtswidrige Behandlung im Falle der Rückkehr in den Iran befürchtet, kommt ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 oder Abs. 4 AuslG in Betracht. Beide Tatbestände setzen jedoch voraus, dass dem Kläger die Rechtsgutverletzung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, B. v. 13.08.1990 - 9 B 100/90 -; OVG Saarland, U. v. 23.10.2002 - 9 R 3/00 - m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nach den obigen Ausführungen nicht gegeben.
Die in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts vom 30.05.2001 enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG) und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach allem war das verwaltungsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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