Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: 2 B 180/02
Rechtsgebiete: BremVwVfG


Vorschriften:

BremVwVfG § 38
Zu den Voraussetzungen einer Zusicherung an einen Studenten, eine mit "nicht ausreichend" bewertete Diplomarbeit nachbessern zu dürfen.
OVG: 2 B 180/02

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Alexy und Richter Dr. Grundmann am 10.07.2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 8. Kammer - vom 16.04.2002 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Begehren der Antragstellerin abgelehnt, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass sie ein Recht auf Nachbesserung ihrer Diplomarbeit hat und den Gutachtern aufzugeben, eine konkrete Mängelliste anzufertigen und die Mängel "inklusive einer konkreten für jedermann verständlichen Begründung" mitzuteilen. Was die Beschwerde dagegen vorbringt rechtfertigt keine abweichende Beurteilung (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).

1.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, gilt für das Prüfungsverfahren der Antragstellerin der Allgemeine Teil der Diplomprüfungsordnung (DPO) der Universität Bremen vom 07.12.1979 (Brem. ABl. 1980 S. 717) nach Maßgabe der DPO vom 06.10.1982 (Brem. ABl. 83 S. 417; im folgenden: DPO 1979/82).

§ 13 Abs. 4 DPO 1979/82 sieht vor, dass der Student beantragen kann, dass eine neue Arbeit ausgegeben wird (Nr. 1) oder dass er Gelegenheit erhält, die Mängel der Diplomarbeit durch eine Überarbeitung zu beseitigen, wenn die Diplomarbeit in einem der Gutachten mit "nicht ausreichend" bewertet wird (Nr. 2). Das Verwaltungsgericht hält diese Vorschrift hier nicht für einschlägig, weil beide Gutachter die Diplomarbeit der Antragstellerin mit "nicht ausreichend" bewertet hätten. Dem ist zuzustimmen. Ein solches Verständnis entspricht nicht nur dem Wortlaut ("in einem der Gutachten") sondern auch Sinn und Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, einem Studenten, dessen Diplomarbeit nicht so schlecht ausgefallen ist, dass sie von beiden Gutachtern als "nicht ausreichend" eingestuft wurde, ausnahmsweise und in Abweichung von dem sonst üblichen weiteren Verfahren die Möglichkeit einer Nachbesserung einzuräumen.

2.

Soweit die Antragstellerin meint, in ihrem Fall gelte deshalb etwas anderes, weil ihr durch das Schreiben des Prüfungsamts vom 29.08.2001 eine Nachbesserungsmöglichkeit rechtsverbindlich zugesichert worden sei, kann dem nicht gefolgt werden.

Das Schreiben vom 29.08.2001 enthält keine Zusicherung im rechtlichen Sinne. Nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 S. 1 BremVwVfG ist eine Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Eine Zusage liegt nur vor, wenn die Behörde sich zu einem Tun oder Unterlassen in der Zukunft verpflichtet, auf das der Betroffene nach den gesetzlichen Vorschriften jedenfalls in dieser Weise (jetzt noch) keinen Anspruch hat. Kennzeichnend für die Zusage ist damit, dass sie auf Begründung eines subjektiv-öffentlichen Rechts extra legem gerichtet ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage, § 38 Rdnr. 1 c m.w.N.).

Ein derartiger Wille der Behörde kann dem Schreiben vom 29.08.2001 nicht entnommen werden. Vielmehr sollte die Antragstellerin mit diesem Schreiben lediglich auf ihre rechtlichen Möglichkeiten gemäß § 13 Abs. 4 DPO 1979/82 hingewiesen werden. Für einen darüber hinausgehenden Verpflichtungswillen der Behörde fehlt es an einem hinreichenden Anhalt.

Selbst wenn man eine Zusicherung annähme, ergäbe sich im übrigen nichts anderes. Die Antragstellerin geht selbst davon aus, dass das Schreiben vom 29.08.2001 zu einem Zeitpunkt verfasst wurde als nur das Gutachten von Prof. Dr. H. vorlag. Erst mit Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. St. stand fest, dass eine Nachbesserungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 4 DPO 1979/82 nicht gegeben ist. Ändert sich aber nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde nach § 38 Abs. 3 BremVwVfG an die Zusicherung nicht mehr gebunden.

3.

Auch soweit die Antragstellerin meint, sie könne jedenfalls eines der beiden Gutachten mit Erfolg angreifen, dringt sie nicht durch.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B. v. 17.04.1991 - 1 BvR 419/81, 213/83 = BVerfGE 84, 34, 55 = NJW 1991, 2005, 2008) ist danach zu differenzieren, ob mit einer Einwendung ein fachlicher Bewertungsfehler geltend gemacht wird oder ob sie eine prüfungsspezifische Bewertung betrifft. Während fachliche Meinungsverschiedenheiten der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen sind, ist bei prüfungsspezifischen Wertungen zu beachten, dass sie den Bereich betreffen, für den den Prüfern ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht. Einwendungen dieser Art sind den beteiligten Prüfern zuzuleiten. Diese haben auf der Grundlage der Einwendungen ihre frühere Bewertung zu "überdenken" und darüber zu befinden, ob sie an den Gründen der angegriffenen Leistungsbewertung und deren Ergebnis festhalten, ob sie das Ergebnis trotz Änderung einzelner Wertungen aufrechterhalten oder ob sie in Anbetracht veränderter Bewertungen das Ergebnis verbessern (vgl. Senatsbeschluss vom 03.06.2002 - 2 A 20/02 -).

Hier betreffen die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Bewertung ihrer Diplomarbeit ausschließlich prüfungsspezifische Wertungen. Das Prüfungsamt hat die entsprechenden Schreiben der Antragstellerin (vom 27.08, 01.09.,03.09.) den Gutachtern zugeleitet und diese haben daraufhin ihre Bewertung überdacht, jedoch an der Benotung festgehalten. Dass im Rahmen dieses "Überdenkens" Rechte der Antragstellerin verletzt worden sind, ist nicht zu erkennen.

Die in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Beurteilungsmängel betreffen prüfungsspezifische Wertungen und es ist nicht substantiiert dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Prüfer den ihn zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten haben könnten. Im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums hält es sich auch, wenn Prof. Dr. St. eine fundierte Analyse der Funktionsbedingungen eines sozialen Transfersystems vermisst (Gutachten vom 28.08.2001).

Dass es zum Thema der Diplomarbeit der Antragstellerin (Thema: Das soziale Transfersystem der Bundesrepublik Deutschland: Grundlagen, Denkansätze, Reformmöglichkeiten), die einen wesentlichen Teil des wissenschaftlichen und berufsqualifizierenden Abschluss des Diplomstudienganges Wirtschaftswissenschaft darstellt, entgegen der Annahme der Gutachter (nahezu) keine wissenschaftliche Fachliteratur geben soll, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

Soweit die Beschwerde in Bezug auf Prof. Dr. H. davon spricht, dass einige seiner Bewertungen Ausdruck einer Böswilligkeit seien, fehlt es für einen solchen Vorwurf an Anhaltspunkten. Die Voraussetzungen für eine Befangenheit von Prof. Dr. H. sind nicht erfüllt wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat und worauf verwiesen wird. Das Beschwerdevorbringen gibt auch insoweit keinen Anlass zu abweichender Einschätzung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück