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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 27.12.2004
Aktenzeichen: 2 S 442/04
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 26 Abs. 1 S. 2
Ein "besonderer Härtefall" i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG liegt erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände gegeben sind, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11, 12 BSHG) auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen (wie BVerwG, U. v. 19.10.1993 - 5 C 16/91-).
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 2 B 441/04 OVG: 2 S 442/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Dr. Grundmann am 27.12.2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 10.11.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.200,00 Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwältin ... wird abgelehnt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin erhielt Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sie ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die in den Jahren 1994, 1995 und 1998 geboren sind. Am 19.08.2004 nahm die Antragstellerin eine schulische Ausbildung an der Erwachsenenschule Bremen auf, um ihr Abitur zu machen.

Ihren Antrag auf Ausbildungsförderung für diese Ausbildung lehnte der Senator für Bildung und Wissenschaft wegen Überschreitung der Altersgrenze (§ 10 Abs. 3 BAföG) durch Bescheid vom 01.07.2004 ab. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein.

Zudem beantragte sie beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr bis zur Entscheidung über den Widerspruch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 13.10.2004 ab (Az. 1 V 2182/04). Die Beschwerde blieb erfolglos (OVG Bremen, B. v. 20.12.2004, Az. 2 B 392/04, 2 S 393/04).

Nachdem das Amt für Soziale Dienste erfahren hatte, dass die Antragstellerin einer Ausbildung nachgeht, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, lehnte es mit Bescheid vom 13.07.2004 eine weitere Hilfegewährung an die Antragstellerin ab September 2004 ab. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin ebenfalls Widerspruch ein.

Sie beantragte ferner beim Verwaltungsgericht, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Entscheidung über den Widerspruch zu verpflichten, ihr ab sofort Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Außerdem beantragte sie Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren.

Das Verwaltungsgericht lehnte beide Anträge mit Beschluss vom 10.11.2004 ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

Für das Beschwerdeverfahren beantragt die Antragstellerin zudem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ...

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BSHG haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Ausbildung der Antragstellerin an der Erwachsenenschule Bremen ist eine Ausbildung, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BAföG). Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Zwar kann auch bei einer solchen Ausbildung nach § 26 Abs. 1 S. 2 BSHG in besonderen Härtefällen Hilfe zum Lebensunterhalt als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden. Ein "besonderer Härtefall" i.S. dieser Vorschrift ist jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Zum Verständnis des § 26 Abs. 1 S. 2 BSHG ist daran anzuknüpfen, dass der grundsätzliche Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt darauf beruht, dass Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen, die die Kosten der Ausbildung und den Lebensunterhalt umfassen, außerhalb des Bundessozialhilfegesetzes sondergesetzlich abschließend geregelt ist (BVerwGE 61, 352, 356 = NVwZ 1982, 159). Das Sozialhilferecht soll in aller Regel nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung der in § 26 S. 1 BSHG genannten Art zu ermöglichen (BVerwG, U. v. 14.10.1993, Az. 5 C 16/91 - NVwZ-RR 1994, 267).

Vor diesem Hintergrund liegt ein "besonderer" Härtefall i.S.v. § 26 Abs. 1 S. 2 BSHG erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11, 12 BSHG) auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, U. v. 14.10.1993, a.a.O.). Es muss sich, wie der Senat entschieden hat, um einen von der gesetzlichen Regelung nicht bedachten und beabsichtigten atypischen Sonderfall handeln. Nur dann ermöglicht § 26 Abs. 1 S. 2 BSHG wegen dieser Besonderheit die Gewährung von Sozialhilfe (vgl. Senatsbeschluss v. 14.07.1994 - 2 B 155/94; im Beschluss v. 27.07.1999 - 2 B 285/99 - hat der Senat einen atypischen Sonderfall bei einer in Scheidung lebenden Antragstellerin angenommen, deren Ehemann während der Prüfungsphase am Ende des Studiums die Fortzahlung von Unterhalt verweigert hat).

Ein solcher Fall ist hier nicht dargetan. Die vorgetragenen Härtegründe, insbesondere die depressive Erkrankung (nach sexuellem Missbrauch) und deren Folgen sind Umstände, die bei der Prüfung eines Förderungsanspruchs nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Rahmen von § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BAföG zu berücksichtigen sind und dementsprechend auch vom Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht in den erwähnten Beschlüssen vom 13.10.2004 (Az. 1 V 2182/04) und 20.12.2004 (Az. 2 B 394/04) gewürdigt worden sind. Gleiches gilt für die in § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BAföG ausdrücklich erwähnte Erziehung von Kindern.

Der Antragstellerin ist in den genannten Beschlüssen entgegengehalten worden, dass sie zwar aufgrund ihrer Kinder ab 1994 gehindert war, die Erwachsenenschule zu besuchen, sie jedoch eine entsprechende Schulausbildung vor der Geburt ihrer Kinder hätte beginnen können. Die zur Glaubhaftmachung vorgelegten Atteste und Stellungnahmen seien nicht geeignet, diese Annahme zu entkräften. Die sondergesetzlichen Regelungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes lassen hiernach eine Förderung der Ausbildung der Antragstellerin an der Erwachsenenschule nicht zu. Das kann durch einen Rückgriff auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht umgangen werden.

Dass die Antragstellerin gehalten ist, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden, stellt keine besondere Härte i.S.v. § 26 Abs. 1 S. 2 BSHG dar (vgl. BVerwG, U. v. 14.10.1993 - 5 C 16/91 -).

2. Aus den vorstehenden Gründen hat das Verwaltungsgericht auch den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, so dass die Beschwerde auch insoweit zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 VwGO nicht erhoben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwältin ... war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den dargestellten Gründe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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