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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: OVG 2 A 131/02
Rechtsgebiete: BSHG, VwGO
Vorschriften:
BSHG § 88 Abs. 3 | |
VwGO § 68 |
2. Nimmt eine ledige, allein erziehende Mutter nach der Geburt eines Kindes Erziehungsurlaub (jetzt "Elternzeit", vgl. § 15 BErzGG) in Anspruch und wird sie während dieser Zeit sozialhilfebedürftig, kann das Verlangen des Sozialamts nach vorrangigem Einsatz einer zur Altersvorsorge bestimmten Lebensversicherung eine Härte i.S.v. § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG darstellen.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
OVG 2 A 131/02
Im Namen des Volkes! Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch die Vorsitzende Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Dr. Grundmann sowie die ehrenamtlichen Richter M. Schulz und H. Wonnenberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2003 für Recht erkannt:
Tenor:
Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.11.2001 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 3. Kammer - wird aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 03.09.1999 und des Widerspruchsbescheids vom 06.01.2000 verpflichtet, der Klägerin Sozialhilfe zu gewähren, ohne sie auf den Einsatz des Rückkaufwertes aus ihren Lebensversicherungen als Vermögen zu verweisen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, den Rückkaufswert von Lebensversicherungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes einzusetzen, bevor ihr Sozialhilfeleistungen als Zuschuss gewährt werden.
Die Klägerin ist am ... 1961 geboren. Ihre im Dezember 1985 geschlossene Ehe wurde im Juli 1994 geschieden. Ein Versorgungsausgleich wurde durch Ehevertrag ausgeschlossen.
Am ... 1999 wurde der Sohn der Klägerin ... geboren. Vater des Kindes ist der 1977 geborene türkische Staatsangehörige ... . Wegen fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit des Vaters wurden Leistungen nach dem UVG gewährt.
Die Klägerin, die den Beruf einer Arzthelferin erlernt hat und später als Verwaltungsangestellte in einer Privatklinik tätig war, nahm nach der Geburt ihres Sohnes einen dreijährigen Erziehungsurlaub in Anspruch. Seit Februar 2002 ist sie wieder berufstätig.
Im April 1999 beantragte die Klägerin für ihren Lebensunterhalt Leistungen der Sozialhilfe. Sie teilte der Behörde mit, dass sie Lebensversicherungen bei der ... Versicherung abgeschlossen habe. Es handelt sich um eine Lebensversicherung über eine Versicherungssumme von DM 30.000,00 sowie eine zusätzliche sog. "Anpassungsversicherung zur Grundversicherung mit normaler Erhöhung". Als Beginn der Versicherungen wurde der 01.10.1980 und als Ablauf der 01.10.2021 vereinbart.
Ab 1. Mai 1999 wurde der Klägerin Sozialhilfe - als Zuschuss - gewährt.
Mit Bescheid vom 03.09.1999 teilte das Amt für Soziale Dienste der Klägerin mit, dass die Sozialhilfe ab 01.09.1999 nur noch darlehensweise gemäß § 89 BSHG gewährt werden könne. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Lebensversicherungen zum aktuellen Rückkaufswert zu kündigen. Aus dem erzielten Erlös sei die bis dahin darlehensweise gewährte Sozialhilfe zu erstatten. Aus dem Restbetrag müsse die Klägerin ihren Lebensunterhalt unter Berücksichtigung eines Freibetrages gemäß § 88 BSHG in Höhe von DM 3.000,00 bestreiten. Solange das den Freibetrag übersteigende Vermögen nicht für den Lebensunterhalt verbraucht sei, bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.09.1999 Widerspruch ein. Das Verlangen nach vorrangigem Einsatz der Lebensversicherungen stelle eine unzumutbare Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG dar. Die Klägerin sei in die Notlage nur deshalb gekommen, weil sie als Ledige ein Kind bekommen habe, das sie in den nächsten drei Jahren erziehen wolle, weshalb sie in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis Erziehungsurlaub genommen habe. Die Lebensversicherungen dienten der Altersvorsorge der Klägerin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2000 wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Anwartschaft aus einer Lebensversicherung gehöre nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig nicht zum Schonvermögen i.S.d. § 88 Abs. 2 BSHG. Der Erlös aus einer Lebensversicherung sei lediglich mittelbar über die Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG (kleinere Barbeträge) geschützt, wenn auch nach Berücksichtigung des Erlöses aus deren Einsatz oder Verwertung die Barbeträge und Geldwerte nicht den nach dieser Vorschrift maßgeblichen Freibetrag (im vorliegenden Fall DM 3.000,00) überstiegen. Davon könne jedoch bei einem Rückkaufsbetrag von rund DM 9.000,00 nicht ausgegangen werden.
Die Verwertung der Lebensversicherungen stelle auch keine Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG dar. Die Vorschrift habe weder den Zweck, einem Hilfebedürftigen die Vermögensbildung zu ermöglichen, noch den Zweck, ihn von den Risiken der Art der von ihm gewählten Kapitalanlage freizustellen. Es gehöre zu den allgemeinen Lebensrisiken, für andere Zwecke zurückgelegtes Kapital vorzeitig und unter Inkaufnahme eines Verlustes zur Deckung eines unerwarteten Bedarfs einsetzen zu müssen.
Die in § 88 Abs. 3 BSHG enthaltene Regelung bezüglich der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung gelte in erster Linie für Hilfen in besonderen Lebenslagen, die hier nicht begehrt oder benötigt würden. Angesichts des Lebensalters der Klägerin sei durch die Verwertung der Versicherungen eine angemessene Alterssicherung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage gestellt. Vielmehr sei davon auszugehen, dass Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung bereits erworben worden seien bzw. bis zum Erreichen der entsprechenden Altersgrenzen noch erworben werden könnten.
In der Folgezeit erhielt die Klägerin weitere Bescheide, durch die ihr die Sozialhilfe jeweils mit der Einschränkung bewilligt wurde, dass die Hilfegewährung gemäß § 89 BSHG als Darlehen erfolge. Diese mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheide hat die Klägerin nicht angefochten.
Am 26.01.2000 ist Klage erhoben worden.
Zu deren Begründung hat die Klägerin vorgetragen, das Verlangen nach einem vorrangigen Einsatz der Werte aus den Lebensversicherungsverträgen stelle eine unzumutbare Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG dar. Es handele sich um eine Altersvorsorge, da nach dem Versicherungsvertrag die Versicherungsleistungen erst im Jahre 2021 erbracht würden, wenn die Klägerin ihr 60. Lebensjahr vollendet habe. Die Klägerin habe in den Jahren 1981 bis 1993 keine ausreichende Altersversicherung aufgebaut mit Ausnahme der privaten Lebensversicherungen. In der Zeit von 1981 bis 1983 sei die Klägerin nur geringfügig beschäftigt gewesen mit der Folge, dass überhaupt keine Rentenanwartschaften erworben worden seien. Von 1983 bis 1993 habe sie lediglich ein monatliches Bruttoeinkommen von DM 1.200,00 bezogen, so dass auch in dieser Zeit die aufgebauten Versorgungsanwartschaften äußerst niedrig seien. Die von der Beklagten verlangte Kündigung der Lebensversicherungsverträge würde der Klägerin die dringend erforderliche Absicherung für das Alter nehmen.
Überdies sei der Klägerin nicht zuzumuten, die Lebensversicherungsverträge zu einem Rückkaufswert zurückzunehmen, der deutlich unter der Summe der eingezahlten Beiträge liege.
Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nur für einen vorübergehenden Zeitraum von drei Jahren sozialhilfebedürftig sei.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 03.09.1999 (Az. 450-851/10-5 W 779 879) sowie des ihn bestätigenden Widerspruchsbescheides des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales vom 06.01.2000 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Sozialhilfe zu gewähren, ohne die Klägerin auf den Einsatz eines Rückkaufswertes aus den Lebensversicherungen als Vermögen zu verweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, durch die angegriffenen Bescheide werde die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Gemäß § 88 Abs. 1 BSHG sei grundsätzlich das verwertbare Vermögen einzusetzen. Darunter falle auch der Rückkaufswert einer Lebensversicherung. Der Verweis auf den Einsatz dieses Geldes sei auch nicht unzumutbar. § 88 Abs. 3 BSHG diene als Auffangtatbestand für atypische Fälle, die den in § 88 Abs. 2 BSHG geregelten Fällen vom Ergebnis her gleichwertig seien. Eine Härte sei demnach anzunehmen, wenn der Einsatz des eigenen Vermögens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlage und zu einem wirtschaftlichen Ausverkauf führe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.11.2001 abgewiesen.
Die Lebensversicherungen der Klägerin zählten zum verwertbaren Vermögen i.S.d. §88 Abs. 1 BSHG. Sie fielen nicht unter das in § 88 Abs. 2 BSHG benannte Schonvermögen und ihre Verwertung stelle für die Klägerin auch keine Härte nach § 88 Abs. 3 BSHG dar. Es begründe keine Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG, wenn der Rückkaufswert einer Lebensversicherung hinter den erbrachten Eigenleistungen des Versicherungsnehmers zurückbleibe. Selbst ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust als Folge der vorzeitigen Kündigung einer Lebensversicherung sei unbeachtlich, weil es nicht Aufgabe der Vorschriften über das Schonvermögen sei, dem Hilfesuchenden Aufwendungen zur Vermögensbildung über dasjenige Ausmaß hinaus zu erhalten, das ihm verbleiben müsse, um einen "wirtschaftlichen Ausverkauf" zu vermeiden. Nach dem Vortrag der Klägerin würde sie bei der Verwertung der Versicherungen einen Gesamtverlust von ca. DM 4.000,00 erleiden. Dieser Verlust sei relativ gering und bedeute bei ihr keinen wirtschaftlichen Ausverkauf. Steuerliche Nachteile dürften der Klägerin durch die Kündigung der Versicherungen nicht entstehen und würden zudem nicht zu einem Verwertungsverbot führen.
Der Verwertung der Versicherungen stehe schließlich nicht entgegen, dass § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG die Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersvorsorge schütze. Dieser Schutz gelte auch im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine private Lebensversicherung sei heutzutage zwar eine wichtige Grundlage der Altersvorsorge, was auch von Seiten der Bundesregierung anerkannt werde, die ab Januar 2002 die Schaffung von privaten Altersabsicherungen nach dem Riester-Modell fördere. Mit der Einführung des § 88 Abs. 2 Nr. 1 a BSHG zum 01.01.2002 durch den Gesetzgeber werde der Bestand dieser Altersvorsorge dann auch geschützt sein. Die Vorschrift finde hier aber keine Anwendung zum einen, da sie im Zeitpunkt dieser Gerichtsentscheidung noch nicht in Kraft getreten sei, zum anderen insbesondere deshalb, weil es sich bei den Lebensversicherungen der Klägerin nicht um derartig geförderte Altersvorsorgen handele.
Gehe man auch davon aus, dass die Versicherungen der Klägerin ähnliche Altersabsicherungen darstellten, könne zur Beurteilung ihrer Verwertbarkeit trotzdem nur die Härtevorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG herangezogen werden. In § 88 Abs. 3 BSHG gehe es aber nicht darum, dass eine bestmögliche Altersabsicherung gewährleistet werden solle, sondern eine den allgemeinen Lebensbedürfnissen angemessene. Die Klägerin habe bei der Beantragung der Sozialhilfe angegeben, dass sie von 1977 bis 1999 Beiträge zur Rentenversicherung geleistet habe. Sie beabsichtige, nach dem Erziehungsurlaub ab Februar 2002 ganztägig berufstätig zu sein. Damit werde sie am Ende ihres Berufslebens aller Voraussicht nach auch ohne ihre privaten Lebensversicherungen über eine angemessene Altersversorgung verfügen, die ihr eine Lebensführung deutlich über dem finanziellen Niveau ermögliche, mit dem sich ein Sozialhilfebezieher begnügen müsse.
Der Senat hat durch Beschluss vom 21.03.2002 - der Klägerin zugestellt am 28.03.2002 - die Berufung der Klägerin zugelassen.
Am 26.04.2002 hat die Klägerin ihre Berufung wie folgt begründet:
Das Verwaltungsgericht lege an § 88 Abs. 3 BSHG einen falschen Maßstab an. Während Lebensversicherungen stets einzusetzen seien, wenn Sozialhilfeleistungen voraussichtlich auf Dauer gewährt werden müssen, gelte ein milderer Maßstab, wenn Sozialhilfe lediglich auf Zeit zu gewähren sei. In § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG werde der Schutz der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung intensiviert, wenn es sich um Hilfe in besonderen Lebenslagen, also um vorübergehende Hilfe handele. Dieser intensivierte Schutz müsse bei richtiger Betrachtung auch im vorliegenden Fall greifen, in dem der Bezug von Sozialhilfe nur wegen einer besonderen, zeitlich befristeten Lebenssituation erfolge, nämlich der dreijährigen Erziehung eines Kindes. Dies habe insbesondere vor dem Hintergrund der mittlerweile sogar vom Gesetzgeber selbst durch Einführung der Riester-Rente vertretenen Auffassung zu gelten, wonach nicht einmal die ununterbrochene Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung als hinreichende Altersabsicherung angesehen werden könne. Aus dem von der Bundesanstalt für Angestellte (BfA) erstellten Versicherungsverlauf der Klägerin vom 15.04.2003 ergebe sich, dass die Klägerin in besonderem Maße auf eine private Altersversorgung angewiesen sei.
Hinzu komme noch, dass die Klägerin als alleinerziehende Mutter den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG genieße.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 15.11.2001 sowie unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 03.09.1999 und des Widerspruchsbescheids vom 06.01.2000 zu verpflichten, der Klägerin Sozialhilfe zu gewähren, ohne sie auf den Einsatz des Rückkaufwertes aus den Lebensversicherungen als Vermögen zu verweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15.11.2001 zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält die verwaltungsgerichtliche Entscheidung für zutreffend.
Bei der Bestimmung des Begriffs der Härte in § 88 Abs. 3 BSHG komme es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen würde. Das sei hier nicht der Fall. § 88 Abs. 3 BSHG habe weder den Zweck, einem Hilfebedürftigen die (weitere) Vermögensbildung zu ermöglichen, noch den Zweck, ihn von Risiken der Art der von ihm gewählten Kapitalanlage freizustellen. Die Verwertung der Lebensversicherungen führe auch nicht dazu, dass eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde (§ 88 Abs. 3 S. 2 BSHG). Die Klägerin sei bis zum Antritt ihres Erziehungsurlaubs kontinuierlich beschäftigt gewesen und habe Rentenansprüche erworben. Nach Beendigung des Erziehungsurlaubs habe die Klägerin ihre Beschäftigung wieder aufgenommen, so dass der Rentenanspruch weiter aufgebaut werde. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass die in Zukunft zu erwartende Rente eine angemessene Alterssicherung der Klägerin nicht sicherstellen könnte, hätten zum maßgebenden Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 06.01.2000 nicht bestanden. Zudem partizipiere die Klägerin von den rentenrechtlichen Regelungen der §§ 56 ff. SGB VI (Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Rente), wodurch zusätzliche Rentenansprüche erworben würden.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte - einschließlich der Sitzungsniederschrift vom 10.09.2003 - verwiesen. Die die Klägerin betreffenden Akten des Amts für Soziale Dienste (Az. W 779 879, 2 Bände sowie Nebenakte A) haben dem Senat vorgelegen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, soweit er im Urteil verwertet worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klägerin hat für die Dauer des Erziehungsurlaubs (jetzt "Elternzeit", vgl. § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG -) Anspruch auf Sozialhilfe, ohne den Rückkaufswert aus ihren Lebensversicherungen als Vermögen einsetzen zu müssen.
I.
Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel, die Sozialhilfeleistungen nicht als Darlehen, sondern als nicht zurückzuerstattenden Zuschuss zu erhalten. Dabei bezieht sich das Klagebegehren - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch betont hat - auf die gesamte Zeit der darlehensweisen Sozialhilfegewährung anlässlich des dreijährigen Erziehungsurlaubs.
Die Klage ist nicht insoweit unzulässig, als sie sich auf den Zeitraum nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2000 erstreckt. Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte gegen die nachfolgenden Bescheide, mit denen ihr die Sozialhilfe nur darlehensweise bewilligt worden war, jeweils Widerspruch einlegen müssen. Zwar ist es zutreffend, dass der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich nur im zeitlichen Umfang bis zur letzten behördlichen Entscheidung, regelmäßig dem Widerspruchsbescheid, in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden kann, da die Behörde den Hilfefall nur für den dem Bescheid nächstliegenden Zeitraum geregelt hat. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Behörde mit ihrer Regelung einen längeren Zeitraum erfassen wollte (vgl. BVerwG, U. v. 14.07.1998 - 5 C 2/97 - = DVBl. 1998, 1135 ff. = NVwZ-RR 1999, 34 f. m.w.N.). Hat der Sozialhilfeträger Hilfeleistungen für einen in die Zukunft hineinreichenden, über den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung hinausgehenden Zeitraum abgelehnt, so erfasst die gerichtliche Überprüfung diesen Regelungszeitraum (BVerwG, U. v. 14.07.1998, a.a.O.).
Hier hat das Amt für Soziale Dienste die Klägerin in dem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 03.09.1999 aufgefordert, ihre Lebensversicherungen zum aktuellen Rückkaufswert zu kündigen und weiter ausgeführt: "Solange das den Freibetrag übersteigende Vermögen nicht für den Lebensunterhalt verbraucht ist, werden Sie auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG haben". Dies war keine unverbindliche Ankündigung zukünftigen Entscheidungsverhaltens der Beklagten, sondern die hoheitliche Vorabentscheidung einer grundlegenden Frage des Sozialrechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und der Klägerin, nämlich der Frage über den vorrangigen Einsatz des Rückkaufswertes aus den Lebensversicherungen. Anderenfalls hätte die Beklagte diese Ausführungen dem Bescheid nach der Rechtsbehelfsbelehrung - gleichsam nachrichtlich - angefügt (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.07.1998, a.a.O.).
Eine derartige Vorabentscheidung war auch sachgerecht, da aus der rechtlichen Sicht der Beklagten eine Änderung der für die Darlehensgewährung maßgebenden Umstände nicht zu erwarten war.
Den Ausführungen im Widerspruchsbescheid ist insoweit nichts Abweichendes zu entnehmen.
Hat die Behörde hiernach eine Vorabentscheidung dem Grunde nach über den Einsatz des Rückkaufswertes der Lebensversicherungen getroffen, so hat sie damit diese Frage aus dem Regelungsgehalt etwaiger nachfolgender Zeitabschnittsbewilligungen ausgegliedert. Der Widerspruch gegen eine solche Vorabentscheidung wahrt in Verbindung mit einer nachfolgenden Verpflichtungsklage die Rechte der Klägerin auf uneingeschränkte Sozialhilfegewährung über den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides hinaus (vgl. BVerwG, U. v. 14.07.1998, a.a.O.), so dass es der Einlegung weiterer Widersprüche nicht bedurfte und die Klage insgesamt zulässig ist.
Die Klage ist auch begründet.
Die Voraussetzungen für eine Gewährung von Sozialhilfeleistungen als Zuschuss liegen vor.
1.
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann.
Zum Vermögen i.S.d. BSHG gehört nach § 88 Abs. 1 BSHG das gesamte verwertbare Vermögen. Dazu zählen auch Lebensversicherungen (BVerwG, U. v. 19.12.1997 - 5C 7/96 - = NJW 1998, 1879; OVG Münster, U.v. 19.11.1993 - 8 A 278/92 - = FEVS45, 58).
Allerdings darf die Gewährung der Sozialhilfe von der Verwertung des Rückkaufwertes der Lebensversicherungen insoweit nicht abhängig gemacht werden, als der dem Rückkaufswert entsprechende Geldwert nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG dem sog. Schonvermögen zuzurechnen ist (OVG Münster, a.a.O.). Im vorliegenden Fall liegt die Grenze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 a der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG (vom 11.02.1988, in der Fassung der Änderung durch Art. 14 des G. zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.07.1996, BGBl. I S. 1088) bei DM 3.000,00, da die Klägerin alleinstehend ist und ein unterhaltsberechtigtes Kind hat. Der Rückkaufswert der Lebensversicherungen überschreitet diese Grenze, denn er beträgt nach Angaben der Klägerin zum 01.03.2000 ca. DM 27.400,00.
2.
Die Sozialhilfe darf nach § 88 Abs. 3 S. 1 BSHG ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist nach § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vor allem der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
a)
Zum Begriff der Härte hat das BVerwG im Urteil vom 26.01.1966 (Az. V C 88.64 = BVerwGE 23, 149, 158; vgl. auch BVerwG, U. v. 29.04.1993 - 5 C 12.90 - = FEVS 44, 177) ausgeführt, dass dieser Begriff im Zusammenhang mit den vorangehenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über das Schonvermögen gesehen werden müsse. Es komme bei der Bestimmung des Begriffs der Härte darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen würde.
Es kann danach nicht gesagt werden, schon allein das Verlangen nach Verwertung der Lebensversicherungen durch Rückkauf stelle eine Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 S. 1 BSHG dar. § 88 Abs. 3 BSHG hat weder den Zweck, einem Hilfebedürftigen - über die Grenzen des § 88 Abs. 2 Nr. 8 (kleinere Barbeträge) hinaus - die Vermögensbildung zu ermöglichen, noch den Zweck, ihn von den Risiken der Art der von ihm gewählten Kapitalanlage freizustellen.
Dementsprechend hat auch das BVerwG festgestellt, es stelle keine Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG dar, dass die Rückkaufswerte von Kapitallebensversicherungen hinter den auf sie erbrachten Eigenleistungen des Versicherungsnehmers, seinen Versicherungsbeiträgen, u. U. beträchtlich zurückbleiben können.
Selbst ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust als Folge vorzeitiger Kündigung einer Kapitallebensversicherung müsse unbeachtet bleiben, weil es nicht Aufgabe der Vorschriften über das Schonvermögen sei, dem Hilfesuchenden Aufwendungen zur Vermögensbildung über dasjenige Ausmaß hinaus zu erhalten, das ihm verbleiben müsse, solle ihm nicht ein "wirtschaftlicher Ausverkauf" angesonnen werden. Insoweit ermögliche es die Regelung des § 89 BSHG, zu berücksichtigen, dass eine sofortige Verwertung des Vermögens unwirtschaftlich wäre (BVerwG, U. v. 19.12.1997 - 5 C 7/96 - = NJW 1998, 1879).
Eine Härte i.S.v. § 88 Abs. 3 S. 1 BSHG läßt sich demnach allein auf die finanziellen Verluste, die der Klägerin bei vorzeitiger Kündigung der Versicherungen entstehen würden, nicht stützen.
b)
Dass die Klägerin - wie das Verwaltungsgericht meint - bei fortgesetzter Berufstätigkeit am Ende ihres Berufslebens aller Voraussicht nach auch ohne ihre privaten Lebensversicherungen über eine angemessene Alterssicherung i.S.v. § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG verfügen wird, hält der Senat für zweifelhaft.
aa)
Obwohl die in § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG aufgeführten Beispiele (wesentliche Erschwerung einer angemessenen Lebensführung oder der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung) nur für Hilfen in besonderen Lebenslagen ausdrücklich vorgesehen sind, können sie auch im Rahmen der hier streitigen Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt werden, da die Beispielsfälle zum Inbegriff der Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG gehören (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG mit Recht der Kriegsopferfürsorge, Kommentar, § 88 Rdnr. 23 m.w.N.; Brühl in LPK-BSHG, 6. Auflage, § 88 Rdnr. 80 m.w.N.).
bb)
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass es sich bei den Lebensversicherungen um einen Teil der Alterssicherung der Klägerin handelt.
Der Schutz des § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG kann nur demjenigen zuteil werden, der sein Vermögen nachweisbar für den Zweck der Alterssicherung einsetzt; bloße Absichten oder unverbindliche Erwägungen genügen nicht (BVerwG, U. v. 19.12.1997, a.a.O.; W. Schellhorn / H. Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Auflage, § 88 Rdnr. 79).
Hier ist zwar im Vertrag über die Lebensversicherungen keine Rentenzahlung vereinbart, sondern die gesamte Versicherungssumme zzgl. vorhandener Leistungen aus der Gewinnbeteiligung soll beim Tode des Versicherten, spätestens beim Ablauf der Versicherung gezahlt werden. Die Versicherungsleistungen sind nach den Versicherungsscheinen jedoch erst mit Ablauf des 01.10.2021 fällig, nachdem die Klägerin ihr 60. Lebensjahr vollendet hat. Dies macht deutlich, dass die Lebensversicherungen tatsächlich der Altersvorsorge der Klägerin dienen sollen. Zudem hat die Klägerin vor dem Senat erklärt, sie habe die Lebensversicherungen schon mit 19 Jahren abgeschlossen, weil sie mit ihrem früheren Ehemann, der selbständiger Handwerker gewesen sei, übereingekommen sei, dass dadurch für die Klägerin eine Alterssicherung geschaffen werden sollte. Die Lebensversicherungen seien (auch) als Ausgleich dafür abgeschlossen worden, dass die Klägerin im Betrieb ihres Mannes - aufgrund des geringen Gehaltes - eine wesentlich niedrigere Rente erwirtschaften würde als bei einer Anstellung in ihrem erlernten Beruf.
Der Senat hält diesen Vortrag für nachvollziehbar und glaubhaft. Er wird durch den von der Klägerin vorgelegten Versicherungsverlauf der BfA vom 15.04.2003 bestätigt.
cc)
Die Sondervorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 1 a BSHG greift nicht zum Schutz der Alterssicherung der Klägerin ein.
Eine zusätzliche private Eigenvorsorge zur Alterssicherung wird inzwischen auch vom Gesetzgeber für angebracht gehalten und staatlich gefördert (sog. Riester-Rente; vgl. dazu Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens -Altersvermögensgesetz (AVmG) vom 26.06.2001, BGBl. I S. 1310). Nach § 88 Abs. 2 Nr. 1 a BSHG, der durch das AVmG mit Wirkung vom 01.01.2002 eingeführt worden ist, darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung "eines Kapitals einschließlich seiner Erträge, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10 a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde". Die sich aus einer solchen Ansammlung ergebenden Belastungen des Einkommens sind im Rahmen des § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG als angemessene Beitragsbelastungen abzusetzen. Beide Regelungen zusammen stellen sicher, dass die Zielsetzung der Rentenreform 2002, nämlich die Stärkung der privaten Altersvorsorge, nicht über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe unterlaufen wird (vgl. W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Auflage, § 88 Rdnr. 33 a).
Zugunsten der Klägerin ist § 88 Abs. 2 Nr. 1 a BSHG nicht einschlägig, weil es sich bei ihren Lebensversicherungen nicht um eine staatlich geförderte Alterssicherung im Sinne dieser Bestimmung handelt.
dd)
Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Härtefalles im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG verneint und dazu ausgeführt, die Klägerin habe bei der Beantragung der Sozialhilfe angegeben, sie habe von 1977 bis 1999 Beiträge zur Rentenversicherung geleistet. Die Klägerin beabsichtige, nach dem Erziehungsurlaub ab Februar 2002 ganztägig berufstätig zu sein. Damit werde die Klägerin am Ende ihres Berufslebens aller Voraussicht nach auch ohne ihre privaten Lebensversicherungen über eine angemessene Altersversorgung verfügen.
Diese Annahme erscheint nach der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Information der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 15.04.2003 zu ihrer Rente fragwürdig. Danach würden die bislang erreichten Rentenanwartschaften der Klägerin nach heutigem Stand einer monatlichen Altersrente von 278, 65 Euro entsprechen. Sollte die Klägerin bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres jährlich 0,9530 Entgeltpunkte (wie im Durchschnitt der letzten 5 Kalenderjahre) erwerben, bekäme sie ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen eine monatliche Altersrente von 905,73 Euro. Aufgrund künftiger Rentenanpassungen werde die Rente tatsächlich höher ausfallen. Die Entwicklung könne auch von der BfA nicht vorhergesehen werden. Bei einem jährlichen Anpassungssatz von 1,5 % ergebe sich zum 65. Lebensjahr eine Rente von monatlich 1.294,51 Euro, bei 3,5 % eine solche von 2.068,90 Euro.
Die Rente, die die Klägerin nach einer Berufstätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu erwarten hat, dürfte hiernach nicht unter 905,73 Euro liegen. Zu diesem Betrag dürfte wegen der im Versicherungsverlauf der BfA vom 15.04.2003 nicht enthaltenen Erziehungszeiten der Klägerin noch ein weiterer Betrag hinzukommen, der sich nach Auskunft der Beklagten auf monatlich 26,13 Euro beläuft. Weitere Erhöhungen durch künftige Rentenanpassungen sind - nicht zuletzt wegen der sehr angespannten Lage der öffentlichen Haushalte und insbesondere auch der Rentenversicherung - mit nicht unerheblichen Unsicherheiten behaftet und können deshalb bei verantwortungsvoller Vorsorgeplanung nicht in Ansatz gebracht werden. Auch die BfA sieht sich - wie die vorgelegte Renteninformation an die Klägerin zeigt - nicht in der Lage, hinreichend bestimmte Angaben über weitere Erhöhungen zu machen.
Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob die Klägerin ohne die Lebensversicherungen nach Abschluss ihrer vorgesehenen Berufstätigkeit über eine angemessene Alterssicherung verfügen wird. Denn bei dem Betrag von ca. 930,00 Euro, den die Klägerin zu erwarten hätte, ist noch zu berücksichtigen, dass die Kaufkraft dieses Betrages - insbesondere wegen des Anstiegs der Lebenshaltungskosten - nicht mit heutigem Einkommen vergleichbar ist. Auch auf diesen Umstand wird in der Renteninformation der BfA ausdrücklich hingewiesen.
c)
Jedenfalls ist wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falles festzustellen, dass das Verlangen nach einem vorrangigen Einsatz der Lebensversicherungen für die Klägerin eine Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 S. 1 BSHG darstellen würde.
Die Klägerin hat die Lebensversicherungsverträge schon im Alter von 19 Jahren abgeschlossen und dazu glaubhaft vorgetragen, sie habe in den 12 Jahren, die sie im Betrieb ihres Mannes tätig gewesen sei, wenig verdient. Als Ausgleich dafür seien u. a. die Lebensversicherungen für ihre Altersvorsorge abgeschlossen worden. Die Lebensversicherungen sind hiernach nicht nur Teil einer langfristig angelegten Vorsorgeplanung, sondern stellen sich auch als eine "Gegenleistung" dafür dar, dass die Klägerin im Betrieb ihres früheren Ehemannes zu einem geringen Gehalt gearbeitet hat. Das Verlangen nach einem vorzeitigen Einsatz der Lebensversicherungen trifft die Klägerin deshalb in gesteigertem Maße.
Darüber hinaus ist von Gewicht, dass die Klägerin nur deshalb sozialhilfebedürftig geworden ist, weil sie ein Kind geboren und dafür Erziehungsurlaub (jetzt "Elternzeit", vgl. § 15 BErzGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.12.2001, BGBl. I S. 3358) genommen hat. Den Anspruch auf Erziehungsurlaub hat der Gesetzgeber einer Arbeitnehmerin zuerkannt, die mit einem Kind, für das ihr die Personensorge zusteht in einem Haushalt lebt und die dieses Kind selbst betreut und erzieht. Der Anspruch besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres (vgl. § 15 BErzGG in der hier maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 31.01.1994, BGBl. I S. 168).
Die Klägerin hat Sozialhilfeleistungen nur für die Zeit dieses Erziehungsurlaubs beansprucht und diese Absicht auch bereits im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck gebracht (vgl. Widerspruchsschreiben vom 14.09.1999). Nach Ablauf der drei Jahre hat sie im Februar 2002 ihre Vollzeittätigkeit als Verwaltungsangestellte wieder aufgenommen und sie beabsichtigt, weiterhin berufstätig zu sein.
Bei einer lediglich vorübergehenden Gewährung von Sozialhilfe ist es nicht gerechtfertigt, den Einsatz des vorhandenen Vermögens in gleicher Weise zu verlangen, wie bei der Gewährung von Sozialhilfe auf Dauer. Hier ist in erhöhtem Maße dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führen soll (zum Umfang der Beeinträchtigung vgl. BVerwGE 23, 149, 158).
Vor allem aber stünde das Verlangen nach vorrangigem Einsatz der Lebensversicherungen nicht in Einklang mit der Zweckbestimmung des Erziehungsurlaubs.
Die Unterbrechung wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ist vom Gesetzgeber unter besonderen Schutz gestellt (vgl. § 15 ff. BErzGG). In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 09.09.1991 (BT-Drs. 12/1125), durch das vor allem der Erziehungsurlaub verlängert worden ist, heißt es auszugsweise:
"Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub sind wichtige Rahmenbedingungen für Eltern. Sie erleichtern es ihnen, sich um ihr Kind in seiner ersten Lebensphase intensiv zu kümmern. Der Erziehungsurlaub ermöglicht es der Mutter oder dem Vater, die Erwerbstätigkeit zu unterbrechen. Während des Erziehungsurlaubs sind Arbeitnehmer vor Kündigung geschützt und bleiben - als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung - beitragsfrei weiterversichert. Das Erziehungsgeld bewirkt eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Familien nach der Geburt eines Kindes. Es bedeutet zugleich eine Anerkennung der Erziehungsleistung von Müttern und Vätern.
Diese Rahmenbedingungen werden mit dem Gesetz in entscheidendem Ausmaß weiter verbessert. Damit soll insbesondere auch schwangeren Frauen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen in einer Konfliktsituation befinden, die Entscheidung für das Kind erleichtert werden.
Mit diesem Ziel wird der Erziehungsurlaub bis zum Ende des dritten Lebensjahres ausgedehnt.
Das bedeutet mehr als eine Verdoppelung."
Der gesetzgeberischen Zielsetzung, schwangere Frauen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen in einer Konfliktsituation befinden, die Entscheidung für das Kind zu erleichtern, würde man nicht gerecht, wenn die Unterbrechung der Arbeitszeit wegen Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub dadurch erschwert wird, dass die Gewährung von Sozialhilfe für diese Zeit vom vorrangigen Einsatz von langfristig aufgebauten, zur Altersvorsorge bestimmten Lebensversicherungen abhängig gemacht wird (vgl. auch BVerwG, U. v. 04.09.1997 - 5 C 8.97 - = FEVS 48, 4 ff., wonach der Einsatz angesparten Erziehungsgeldes während des gesetzlichen Förderungszeitraums grundsätzlich eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 S. 1 BSHG darstellt). Ein solches Verlangen der Behörde kann wesentlich dazu beitragen, die schwangere Frau von der Entscheidung für das Kind abzuhalten. Dies gilt insbesondere, wenn es sich - wir hier - um eine Frau handelt, die nicht mit dem Vater des Kindes zusammen lebt und die nach der Geburt das Kind allein zu erziehen haben wird. Die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben kommen im wesentlichen auf sie allein zu und sie kann zudem im Alter voraussichtlich nicht mit Versorgungsleistungen rechnen, die sich aus der Versorgung eines Ehepartners ableiten, ist vielmehr auf ihre alleinige Altersvorsorge angewiesen.
Entscheidet sich eine Schwangere in der Situation der Klägerin für das Kind, könnte sie den Verlust solcher Lebensversicherungen nur dadurch ausgleichen, dass sie nach der Zeit des Mutterschutzes weiterarbeitet. Ihr Wunsch, das eigene Kind während der ersten drei Lebensjahre selbst zu betreuen, der den Zielsetzungen des BErzGG entspricht, bliebe unerfüllt. Mutter und Kind wären aus wirtschaftlichen Gründen in der wichtigen ersten Lebensphase des Kindes gegenüber anderen benachteiligt; die Rahmenbedingungen wären für sie deutlich verschlechtert.
d)
Der Annahme einer Härte steht nicht entgegen, dass das BErzGG Unterstützungsleistungen für die Mutter - insbesondere das Erziehungsgeld - vorsieht und Kindererziehungszeiten, die die Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahres umfassen, als rentenrechtliche Zeiten angerechnet werden (vgl. §§ 54 Abs. 1, 56 Abs. 1 SGB VI).
Diese Vergünstigungen sind zwar geeignet, die Entscheidung einer Schwangeren für ein Kind und dessen Betreuung in den ersten Lebensjahren zu erleichtern, sie vermögen aber die mit dem Wegfall der Lebensversicherungen verbundenen Nachteile nicht entscheidend aufzuwiegen. Der Verlust eines nicht unerheblichen Teils der vorgesehenen Altersvorsorge, der gerade eine alleinstehende Mutter erheblich trifft, wird durch diese Leistungen nicht ausgeglichen. Der Aufbau einer neuen zusätzlichen Alterssicherung ist mit erheblichen Nachteilen verbunden. Abgesehen von den finanziellen Verlusten, die eine vorzeitige Kündigung der Lebensversicherungen mit sich brächte, müsste die Klägerin nach ihrem glaubhaften Vortrag - den sie durch einen Versorgungsvorschlag der... Versichernngs-AG vom 21.08.2003 gestützt hat - für vergleichbare Leistungen bei einem Neuabschluss monatliche Beiträge von knapp 170,00 Euro aufbringen, während sich die Beiträge für die bestehenden Versicherungsverträge auf monatlich ca. 80,00 Euro belaufen.
Bei Anlage einer sog. Riester-Rente, die es zum Zeitpunkt der Vorabentscheidung der Beklagten noch gar nicht gab, blieben der Klägerin ebenfalls die durch die vorzeitige Kündigung der Lebensversicherungen entstehenden Nachteile und auch diese Alterssicherung müsste über einen längeren Zeitraum erst wieder neu aufgebaut werden.
Schließlich sind auch die aus den Lebensversicherungen der Klägerin zu erwartenden Leistungen nicht derart hoch, dass es aus sozialhilferechtlicher Sicht unangemessen wäre, wenn von ihrem vorrangigen Einsatz abgesehen wird. Nach der von der Klägerin vorgelegten Versorgungsbilanz der... Versichernungs-AG wird die voraussichtliche Gesamtleistung nach 41-jähriger Laufzeit zum 01.10.2021 für beide Verträge 52.993,59 Euro (31.047,14 Euro sowie 21.946,45 Euro) betragen. Dieser Betrag kann in seiner Kaufkraft nicht mit seinem gegenwärtigen Wert gleichgesetzt werden; vielmehr ist bei einem so langen Zeitraum ein nicht unerheblicher Kaufkraftverlust in Rechnung zu stellen. Überdies wird in der Versorgungsbilanz der ...Versicherungs-AG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur ein Betrag von insgesamt 26.138,00 Euro (15.258,00 Euro sowie 10.880,00 Euro) "garantiert" werden könne.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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