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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 29.08.2003
Aktenzeichen: OVG 2 B 285/03
Rechtsgebiete: BGleiG
Vorschriften:
BGleiG § 8 | |
BGleiG § 9 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
OVG 2 B 285/03
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Dr. Grundmann am 29.08.2003 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 6. Kammer - vom 27.06.2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen hat dieser selbst zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 11.180,29 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin eine Beförderungsstelle an den Beigeladenen vergeben will.
Die OFD Hannover schrieb unter dem 6. September 2002 beim Hauptzollamt Bremen die Stelle "Sachbearbeiter/-in herausgehobener Stellung für Zölle, Warenursprung und Präferenzen, zugleich Vertreterin des Sachgebietsleiters" aus. In der Stellenausschreibung hieß es weiter: "Einschlägige Fachkenntnisse und Erfahrungen werden vorausgesetzt". Um die Stelle bewarben sich u. a. die Antragstellerin und der Beigeladene. Der Beigeladene ist 1967, die Antragstellerin 1972 in den Dienst der Finanzverwaltung getreten. Die Antragstellerin hat in den Jahren 1980, 1982 und 1984 drei Kinder geboren und für deren Betreuung mehrere Jahre Erziehungsurlaub genommen.
Die Antragsgegnerin wählte den Beigeladenen aus. Sie begründete dies mit Bescheid vom 03.01.2003 damit, dass dem Beigeladenen nach den einschlägigen Fachkenntnissen und Erfahrungen der Vorrang gebühre. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Antragstellerin wies die OFD Hannover durch Widerspruchsbescheid vom 31.03.2003 zurück.
Daraufhin hat die Antragstellerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass sie und der Beigeladene im Hinblick auf den streitbefangenen Dienstposten gleich geeignet seien, so dass sie nach den Vorschriften des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGleiG) für die Stelle auszuwählen sei.
Den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den umstrittenen Dienstposten bis zum Ablauf von einem Monat nach einer Entscheidung im Klageverfahren endgültig zu besetzen, lehnte das Verwaltungsgericht ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos.
Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) ist nicht zu erkennen, dass der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch zusteht (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte liegt die Entscheidung über die Beförderung eines Bewerbers und die Auswahl unter mehreren Bewerbern im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrundegelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn ist es auch überlassen, welchen (sachlichen) Umständen er bei seiner Auswahlentscheidung das größere Gewicht beimisst und in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu dem Beförderungsamt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt wird (vgl. OVG Bremen, B. v. 06.06.2003 - 2 B 419/02 - und B. v. 23.08.1995 - 2 B 147/95 - m.w.N.). Liegen der Auswahlentscheidung ermessensbindende Richtlinien zugrunde, kann ein Bewerber nach Art. 3 Abs. 1 GG verlangen, dass nicht grundlos zu seinem Nachteil von diesen Richtlinien abgewichen wird.
2.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht, dass die Antragstellerin durch die Auswahl des Beigeladenen für den Beförderungsdienstposten in ihren Rechten verletzt ist.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich der Widerspruchsbescheid maßgebend, durch den über den Widerspruch gegen die Ablehnung der Bewerbung entschieden worden ist (zuletzt Senatsbeschluss vom 06.06.2003 - 2 B 419/02 - m.w.N.).
Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid ist die Auswahlentscheidung auf der Grundlage von Nr. 21 der Richtlinien über die Ausschreibung und Übertragung von Dienstposten sowie für die Beförderung der Beamten und Beamtinnen des höheren und gehobenen Dienstes in der Zollverwaltung, der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, in dem Zollkriminalamt und in der Bundesvermögensverwaltung - ARZV - (in der Fassung des BMF-Erl. vom 19.08.1997 - Z C 4 - P 1440 - 16/97) getroffen worden.
Nach Nr. 21 Satz 1 ARZV richtet sich die Auswahl in erster Linie nach dem Ergebnis der Regelbeurteilung. Diesbezüglich war zwischen dem Beigeladenen und der Antragstellerin kein entscheidungserheblicher Unterschied festzustellen, da beiden in der Regelbeurteilung 2001 die gleiche Gesamtwertung "Tritt hervor" zuerkannt worden war.
Ist die Gesamtwertung gleich, so sind nach Nr. 21 Satz 3 ARZV "einschlägige Fachkenntnisse, Erfahrungen und Verwendungsvorschläge zu berücksichtigen". Diese (weitere) Differenzierung orientiert sich an den maßgeblichen Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und entspricht damit den (verfassungs-) rechtlichen Vorgaben. Die Antragsgegnerin kommt unter Anwendung dieser Bestimmung zu dem Ergebnis, dass dem Beigeladenen der Vorzug gebühre. Dass dies zu Lasten der Antragstellerin rechtsfehlerhaft sein könnte, ist nicht zu erkennen.
Schon in der Regelbeurteilung 2001 des Beigeladenen wird sein "umfassendes Fachwissen" hervorgehoben; eine entsprechende Hervorhebung fehlt in der Regelbeurteilung 2001 der Antragstellerin.
Ferner war der Beigeladene in der Zeit von 1976 bis 1996 - also insgesamt ca. 20 Jahre - bei den früheren Hauptzollämtern Bremen-Nord und Bremen-Ost als Sachbearbeiter in den einschlägigen Zollsachgebieten eingesetzt. Entsprechend lange Einsatzzeiten in den Zollsachgebieten hat die Antragstellerin nicht aufzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn man beachtet, dass nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG bei der vergleichenden Bewertung nicht zu berücksichtigen sind Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, geringere aktive Dienst- oder Beschäftigungsjahre, Reduzierungen der Arbeitszeit oder Verzögerungen beim Abschluss einzelner Ausbildungsgänge aufgrund der Wahrnehmung von Familienpflichten. Denn auch danach wäre die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag (lediglich) für den Zeitraum vom 01.10.1977 bis zum 30.09.1991 als Sachbearbeiterin im Sachgebiet Zölle eingesetzt, bliebe also insoweit deutlich unter der Einsatzzeit von ca. 20 Jahren, die der Beigeladene aufzuweisen hat.
Man mag demgegenüber einwenden, angesichts der Länge beider Zeiträume (jeweils deutlich über 10 Jahre) könne der zeitliche Unterschied kein maßgebliches Differenzierungskriterium mehr sein. Dadurch würde sich indes nichts ändern. Denn im Widerspruchsbescheid ist maßgeblich darauf abgestellt, dass die entsprechende Tätigkeit der Antragstellerin in einem einschlägigen Zollsachgebiet über 10 Jahre zurückliegt, während der Beigeladene aufgrund seines Einsatzes bis zum 14.11.2002 - als ständiger Vertreter des Leiters des Zollamts Hohetor - über aktuelle zollspezifische Fachkenntnisse verfügt. Dass der Dienstherr hieran für die Auswahl eines Sachbearbeiters / einer Sachbearbeiterin in herausgehobener Stellung für Zölle etc. anknüpfen darf und es sich dabei um einen nennenswerten Qualifikationsunterschied handelt, ist nicht ernstlich zweifelhaft.
Soweit die Antragstellerin ausführt, sie habe ab 1991 in ihrer Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Sachgebiet Zollabfertigung weiterhin einschlägige Fachkenntnisse und Erfahrungen im Hinblick auf den hier streitbefangenen Dienstposten sammeln können, hilft dies nicht weiter. Selbst wenn es - wie die Antragstellerin vorträgt - zwischen dem Sachgebiet Zölle und dem Sachgebiet Abfertigung Überschneidungen gibt, ist es nicht sachwidrig und hält sich innerhalb des dem Dienstherrn zustehenden Ermessensspielraums, wenn der Dienstherr insoweit der schwerpunktmäßigen Zuordnung der Dienstposten maßgebliche Bedeutung beimisst.
Es ist auch nicht sachwidrig, wenn die Antragsgegnerin zur Untermauerung der einschlägigen Fachkenntnisse des Beigeladenen ergänzend darauf verweist, dass der Beigeladene zweimal den Dienstposten eines Sachbearbeiters für Rechtsbehelfe in Zollangelegenheiten wahrgenommen habe. Die Bearbeitung von Rechtsbehelfen verlangt nicht selten eine intensivere Auseinandersetzung mit Fragen des betreffenden Rechtsgebiets und sie ist deshalb der Erlangung von vertieften Kenntnissen durchaus förderlich.
Die Antragsgegnerin durfte auch dem Umstand Bedeutung beimessen, dass der Beigeladene bereits Erfahrungen als Vertreter eines Sachgebietsleiters gesammelt hat. Ihm war mit Wirkung vom 15.06.1993 der Dienstposten eines Sachbearbeiters mit schwieriger Tätigkeit für Zölle, Abgabenordnung, Rechtsbehelfe und Erstattungen aufgrund besonderer Umstände, zugleich Vertreter des Sachgebietsleiters beim Hauptzollamt Bremen-Ost übertragen worden. Beim Zollamt Hohetor nahm der Beigeladene bis zum 14.11.2002 - wie erwähnt - den Dienstposten des ständigen Vertreters des Leiters des Zollamts wahr. Vergleichbare Vorgesetztenfunktionen hat die Antragstellerin nicht aufzuweisen. In ihrer Regelbeurteilung 2001, die der Auswahlentscheidung vorangegangen ist, heißt es, dass sie im Beurteilungszeitraum (01.02.1998-31.01.2001) nicht als Vorgesetzte eingesetzt worden sei. Demgegenüber ist in der Regelbeurteilung 2001 für den Beigeladenen vermerkt, dass er sich als Vorgesetzter "bewährt" habe.
Der (zuletzt) dargestellte Qualifikationsunterschied zwischen dem Beigeladenen und der Antragstellerin läßt sich auch nicht durch den Hinweis entscheidungserheblich relativieren, dass in der Regelbeurteilung 2001 der Antragstellerin der Verwendungsvorschlag "Sachbearbeiterin OFG oder HZA... in herausgehobener Stellung" enthalten ist. Aus einem solchen Vorschlag kann insbesondere nicht hergeleitet werden, die Antragstellerin sei auch hinsichtlich der Wahrnehmung von Sachgebietsleiter-Vertretungen dem Beigeladenen gleichzustellen. Von einer Verwendung auch als Vertreterin des Sachgebietsleiters ist im Verwendungsvorschlag nicht die Rede. Zudem ist ein Verwendungsvorschlag eine (bloße) Entscheidungshilfe für zukünftige Einsätze und kann nicht einer bereits nachgewiesenen Qualifikation gleichgesetzt werden. Im Übrigen ist - wenn man den Verwendungsvorschlag für die Antragstellerin aus der Regelbeurteilung 2001 heranzieht - auch zu berücksichtigen, dass im Verwendungsvorschlag aus der Regelbeurteilung 2001 für den Beigeladenen - und nur für diesen - zusätzlich die Verwendung als "Vorsteher eines Zollamts mit 200 und mehr Wertpunkten" aufgeführt ist.
Insgesamt gesehen kann nach allem nicht von zu vernachlässigenden Qualifikationsunterschieden zwischen dem Beigeladenen und der Antragstellerin gesprochen werden. Vielmehr ist (auch) bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens die im Widerspruchsbescheid getroffene Feststellung, dem Beigeladenen sei nach Nr. 21 Satz 3 ARZV der Vorzug vor der Antragstellerin zu geben gewesen, rechtlich nicht zu beanstanden.
Darauf, ob der Beigeladene - wie das Verwaltungsgericht meint - nach Nr. 22 ARZV zwingend deshalb vorzuziehen war, weil er in der vorletzten (Vor-) Beurteilung (für den Zeitraum vom 01.02.1992 bis zum 31.01.1995) besser beurteilt war als die Antragstellerin, kommt es hiernach nicht an. Nr. 22 ARZV ist mit Wirkung vom 10.06.2003 geändert worden; es wird nicht mehr auf die zweite Vorbeurteilung als Auswahlkriterium abgestellt. Ob eine Anwendung von Nr. 22 ARZV a. F. - wie die Antragstellerin ausführt - den Regelungszweck des BGleiG mittelbar unterlaufen würde, kann demnach dahinstehen. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren auch darauf hingewiesen, dass für sie das Kriterium der (zweiten) Vorbeurteilung für die Auswahl nicht entscheidend gewesen sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2,162 Abs. 3 VwGO. Ein Anlass, etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, besteht nicht.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 4 S. 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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