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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: S2 B 203/07
Rechtsgebiete: SGB II


Vorschriften:

SGB II § 7 Abs. 3 a
§ 7 Abs. 3 a SGB II enthält eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Verantwortungsgemeinschaft. Um die Vermutung zu widerlegen hat ein Antragsteller plausible Gründe dafür darzulegen - und gegebenenfalls zu beweisen -, dass keiner der in § 7 Abs. 3 a SGB II aufgeführten Tatbestände gegeben ist.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: S2 B 203/07 OVG: S2 S 204/07

In dem Rechtsstreit

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat für Sozialgerichtssachen - durch Richterin Dreger, Richter Dr. Grundmann und Richter Dr. Bauer am 28.06.2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 1. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 23.03.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Sie ist 1965 geboren und hat einen im Jahre 1988 geborenen Sohn. Vater ihres Sohnes ist Herr Mario E. , der - wie die Antragstellerin und ihr Sohn - in Bremen unter der Anschrift E. Straße lebt.

Mit Schreiben vom 16.10.2006 teilte die BAgIS der Antragstellerin mit, die Neubewertung ihres Antrages auf Leistungen nach dem SGB II habe vorläufig ergeben, dass aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft (Berücksichtigung auch des monatlichen Erwerbseinkommens von Herrn E. ) lediglich ein Restanspruch auf 11.69 € verbleibe.

Gegen diese Mitteilung legte die Antragstellerin Widerspruch ein.

Außerdem beantragte sie beim Verwaltungsgericht Bremen den Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die der Antragsgegnerin (sinngemäß) aufgegeben werden soll, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Einkommens von Herrn E. zu gewähren. Für dieses Verfahren begehrte sie zudem Prozesskostenhilfe.

Das Verwaltungsgericht Bremen - 1. Kammer für Sozialgerichtssachen - lehnte die Anträge durch Beschluss vom 23.03.2007 ab. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die Beschwerde bleibt erfolglos.

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 S. 2 und S. 4 SGG i. V. m. §§ 120 Abs. 2 ZPO). Das hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt und darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Auch bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist nicht glaubhaft gemacht, dass Herr E. zu Unrecht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen worden ist.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Gemäß § 7 Abs. 3 a SGB II - der mit Wirkung vom 01.08.2006 durch Gesetz vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) eingefügt worden ist -, wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Diese gesetzliche Vermutung, die zu einer Umkehr der Beweislast führt (vgl. BT-Drucks. 16/1416 Seite 19; LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 16.01.2007 - L 13 AS 15/06 ER), kann widerlegt werden. Es ist Sache eines Antragstellers, plausible Gründe darzulegen und glaubhaft zu machen, dass keiner der in § 7 Abs. 3 a SGB II aufgeführten Sachverhalte vorliegt oder dass die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, B. v. 22.03.2007 - L 7 AS 640/07 - ER - m. w. N.). Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Antragstellers.

Den Behördenakten ist zu entnehmen, dass Herr E. seit dem 01.05.1994 unter der Anschrift E. Str. 16, Bremen mit alleiniger Wohnung gemeldet ist (vgl. Aufenthaltsbescheinigung vom 08.06.2006, Bl. 66 BA). Unter dieser Anschrift wohnen auch die Antragstellerin und der gemeinsame Sohn Mike.

Die die Wohnung betreffenden Schreiben der Vermieterin (GEWOBA) sind an die Antragstellerin und Herrn E. gerichtet (z. B. Mietbescheinigung vom 15.05.2006, Bl. 63 BA und Abrechnungen der Umlagen vom 08.12.2003 und 07.12.2004, Bl. 6 und 32 BA). Auch hat die Antragstellerin im "Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung" unter dem 18.05.2006 selbst angegeben, dass neben ihr und dem Sohn Herr E. in der Wohnung E. Straße lebe (Bl. 62 BA). Dass Herr E. bei der Betreuung von Mike aushilft, wird auch in der Beschwerdeschrift eingeräumt.

Hiernach ist mit dem Verwaltungsgericht anzunehmen, dass die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung für das Vorliegen einer Verantwortungsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 a SGB II erfüllt sind, und zwar in den ersten drei Alternativen. Für das Eingreifen der Vermutungsregelung genügt es bereits, wenn einer der unter den Ziffern 1. - 4. aufgeführten Tatbestände gegeben ist.

Die Antragstellerin hat keine plausiblen Gründe dargelegt und glaubhaft gemacht, die die gesetzliche Vermutung widerlegen und das Zusammenwohnen mit Herrn E. als reine Zweckgemeinschaft erkennen lassen. Das bloße Abstreiten des Vorliegens der Voraussetzungen der Vermutungsregelung und die schlichte Erklärung, nicht in Verantwortungsgemeinschaft zu leben, genügen nicht (vgl. BT-Drucks. 16/1410, S. 19). Da es sich bei der Frage, ob eine Verantwortungsgemeinschaft i. S. des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II vorliegt, im wesentlichen um innere Tatsachen handelt, ist das Gericht auf Indizien angewiesen und kann nicht den schlichten Behauptungen eines beider Partner einer derartigen Gemeinschaft ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 20.04.2007 - L 13 AS 40/07 ER). Dies gilt gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Indizien, die für eine Verantwortungsgemeinschaft sprechen, sehr gewichtig sind. Drei der gesetzlichen Tatbestände des § 7 Abs. 3 a SGB II sind hier erfüllt. Auch leben die Antragstellerin und Herr E. seit langer Zeit (seit 01.05.1994) in einer Wohnung. Bei der Beurteilung der - vergleichbaren - Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, gilt vor allem die Dauer des Zusammenlebens als gewichtigste Hinweistatsache (vgl. BVerwG, B. v. 24.06.1999 - 5 B 114/98 -; LSG Baden-Württemberg, B. v. 16.01.2007 - L 13 AS 3747/06 - ER - B m. w. N.). Zudem haben beide ein gemeinsames Kind.

Soweit zur Begründung der Beschwerde vorgetragen wird, die Antragstellerin und Herr E. lebten nicht zusammen, Herr E. bewohne als Untermieter abgegrenzte Räumlichkeiten, fehlt es an jeglicher Substantiierung. Eine getrennte Haushaltsführung ist weder substantiiert aufgezeigt noch sonst zu erkennen.

Dass die Antragstellerin und Herr E. getrennte Konten führen, schließt das Bestehen einer Verantwortungsgemeinschaft nicht aus, zumal dies auch bei Eheleuten nicht ungewöhnlich ist. Ebenso wenig spricht der Umstand, dass die Antragstellerin und Herr E. bei unterschiedlichen Versicherungen haftpflichtversichert sind, maßgeblich gegen eine Verantwortungsgemeinschaft.

Auch die übrigen in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Gründe sind nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung nach § 7 Abs. 3 a SGB II zu entkräften.

Die Beschwerde ist somit zurückzuweisen.

Da die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet, ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. Sch. vom Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt worden (§ 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO) und bleibt die Beschwerde insoweit ebenfalls erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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