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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: S3 S 256/08
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 73a
1. Es ist grundsätzlich auch bei nur teilweiser Erfolgsaussicht für gerichtskostenfreie sozialgerichtliche Verfahren in vollem Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

2. Sofern der Teil des Verfahrensgegenstandes, für den eine Erfolgsaussicht besteht, einen solch geringen Umfang hat, dass ein Unbemittelter im Hinblick auf das Kostenrisiko vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen nicht beauftragt hätte, ist keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: S3 S 256/08

In dem Rechtsstreit

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 3. Senat für Sozialgerichtssachen - durch die Richter Dr. Grundmann und Dr. Lohmann und Richterin Dr. Jörgensen am 17.09.2008 beschlossen:

Tenor:

Der Klägerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bremen - 4. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 09.05.2008 für das Verfahren S4 K 216/08 in vollem Umfang Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin hat Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO). Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dafür genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Sie ist auch dann zu bejahen, wenn nur ein Teilerfolg zu erwarten ist (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 08.03.2007 - L 5 B 118/06 ER AS -, JurBüro 2007, 374; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.08.2007 - L 7 B 232/05 AS, NZS 2008, 336).

Die beschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht kann dahin verstanden werden, dass das Verwaltungsgericht zutreffend eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage, allerdings nur zu einem Teil, bejaht hat.

Es ist bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches Verfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung lediglich teilweise Aussicht auf Erfolg bietet. Vielmehr ist dann, wenn eine Teilerfolgsaussicht bejaht wird, grundsätzlich in vollem Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Während in zivil- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei einer lediglich teilweise bestehenden Erfolgsaussicht der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nach §§ 48f. RVG nach einem Teilgegenstandswert bemessen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. 11. 2004 - 2 BvR 387/00 -, NVwZ 2005, 323 m. w. N.), scheidet diese Verfahrensweise der Teilbewilligung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren aus, soweit gemäß § 197a SGG das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet.

Die gesetzlichen Vorschriften, nach denen die Gerichte über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden haben, sind im Lichte der gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG zu wahrenden Rechtsschutzgleichheit auszulegen. Bei der Entscheidung müssen die Gerichte erwägen, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2006 - 1 BvR 2673/05 - info also 2006, 279). Für das sozialgerichtliche Verfahren kommt bei dieser Überlegung der Frage, ob die Klage nur zu einem wertmäßig abgrenzbaren Teil Aussicht auf Erfolg hat, grundsätzlich keine Bedeutung zu. Denn zwischen dem Wert des Verfahrensgegenstandes und der Höhe der Rechtsanwaltsgebühren besteht bei dem gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren kein unmittelbarer Zusammenhang. Gemäß § 3 Abs. 1 RVG entstehen Betragsrahmengebühren, die nach § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen zu bestimmen sind (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 08.03.2007 - L 5 B 118/06 ER AS -, JurBüro 2007, 374; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.08.2007 - L 7 B 232/05 AS, NZS 2008, 336; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.10.2007 - L 23 B 108/07 SO; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21.02.2007 - L 7 B 189/06). Die nur teilweise bestehende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn der Teil des Verfahrensgegenstandes, für den eine Erfolgsaussicht besteht, einen derart geringen Umfang hat, dass ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten im Hinblick auf das Kostenrisiko vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen nicht beauftragt hätte. Dann ist Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.05.2008 - L 10 B 184/08 AS PKH).

Ende der Entscheidung

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