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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 23.02.2004
Aktenzeichen: 1 L 9/01
Rechtsgebiete: InsO, GKG


Vorschriften:

InsO § 182
InsO § 185
GKG § 13 Abs. 2
Der Wert des Streitgegenstandes eines Verwaltungsstreitverfahrens, das der Sache nach auf die Feststellung der vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung zielt, bestimmt sich grundsätzlich nach § 182 InsO, wobei allerdings der aus der Anwendung des § 182 InsO resultierende niedrigere Wert erst ab dem Zeitpunkt der Aufnahme, also dem Eingang des die Aufnahmeerklärung enthaltenden Schriftsatzes bei Gericht, zugrunde zu legen ist. Für den davor liegenden Zeitraum gelten die allgemeinen Vorschriften des Gerichtskostengesetzes.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 1 L 9/01

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Kommunale Steuern

hier: Streitwert

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 23. Februar 2004 in Greifswald

durch

beschlossen:

Tenor:

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren bis zum 07. Mai 2003 auf 214.947,10 € und danach auf 7.155,75 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 2, 14 GKG sowie den §§ 182, 185 Satz 3 InsO.

Der Wert des Streitgegenstandes eines Verwaltungsstreitverfahrens, das der Sache nach auf die Feststellung der vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung zielt, bestimmt sich grundsätzlich nach § 182 InsO. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, dass der aus der Anwendung des § 182 InsO resultierende niedrigere Wert erst ab dem Zeitpunkt der Aufnahme, also dem Eingang des die Aufnahmeerklärung enthaltenden Schriftsatzes bei Gericht, zugrunde zu legen ist. Für den davor vorliegenden Zeitraum ist § 182 InsO demgegenüber nicht anwendbar; es gelten die allgemeinen Vorschriften des Gerichtskostengesetzes. Dies folgt im Einzelnen aus folgenden Überlegungen:

Die Frage, ob sich im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Verfahrensbeteiligten die Streitwertfestsetzung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 13 GKG oder § 182 InsO (bzw. der früheren Vorschrift des § 148 KO) richtet, ist sowohl für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch sonst umstritten.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 25. Juli 2000 - 2 VO 901/98 -, JURIS) meint ebenso wie das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 16. Oktober 2000 -F 1 S 215/99 -, JURIS <Leitsatz>), dass die Anwendung des § 148 KO nicht in Betracht kommt, wenn es nicht um eine spezifische Regelung des Konkurs- (bzw. Gesamtvollstreckungs-)verfahrens geht, sondern um einen nach den Vorschriften des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts erlassenen Bescheid (ebenso Zimmer/Schmidt, Der Streitwert im Verwaltungs- und Finanzprozess, Rn. 375).

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26. August 1982 - 2 B 1495/81 -, NVwZ 1984, S. 188) vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Wert des Streitgegenstandes eines Verwaltungsstreitverfahrens über die Richtigkeit einer im Konkursverfahren angemeldeten Forderung nach - der damals noch geltenden Vorschrift des - § 148 KO festzusetzen sei, und zwar auch dann, wenn das Verwaltungsstreitverfahren schon vor Konkurseröffnung anhängig gewesen ist. Das Gericht begründet dies mit dem Argument der gegenüber § 13 GKG spezielleren Vorschrift des § 148 KO sowie mit Sinn und Zweck - Herabminderung der Prozesskosten mit Rücksicht auf den wirklichen Wert des Streitgegenstandes - derselben (hinsichtlich der Anwendung von § 148 KO dem Grunde nach für Verwaltungsstreitverfahren über die Richtigkeit einer im Konkursverfahren angemeldeten Abgabenforderung zustimmend Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 10. Aufl., Rn. 2704; wohl auch FG Düsseldorf, Beschluss vom 22. September 2000 - 14 K 2809/00 U - m.w.N., JURIS).

Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist zudem umstritten, ob ein bereits begonnener Rechtsstreit, der nach Konkurseröffnung bzw. Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder aufgenommen wird, dem geringeren Wert aus § 148 KO unterliegen soll (vgl. die Darstellung bei Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 10. Aufl., Rn. 2714 ff.).

Der Senat schließt sich für die Frage der Anwendbarkeit des § 182 InsO grundsätzlich der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen an, allerdings mit der Einschränkung, dass der aus der Anwendung des § 182 InsO resultierende niedrigere Wert erst ab dem Zeitpunkt der Aufnahme, also dem Eingang des die Aufnahmeerklärung enthaltenden Schriftsatzes bei Gericht, zugrunde zu legen ist.

Wenn das Thüringer Oberverwaltungsgerichts - auch mit Blick auf § 182 InsO - demgegenüber argumentiert, die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen beträfe - nur - den Fall, dass die Anfechtung einer behördlichen Feststellung einer Konkursforderung im Sinne von § 146 Abs. 5 KO in Rede stehe, um eine solche gehe es aber bei dem dort verfahrensgegenständlichen Widerruf einer Subvention nicht, übersieht es, dass sowohl § 179 Abs. 1 InsO als auch § 182 InsO allgemein von der "Feststellung der Forderung" im Falle insbesondere des Bestreitens der Forderung durch den Insolvenzverwalter sprechen. § 179 Abs. 1 InsO meint dabei irgendeine Forderung, die vom Insolvenzverwalter bestritten wird, also auch behördliche Steuer- oder Abgabenforderungen. § 182 InsO ist tatbestandlich demnach ebenso wenig verengt auf die Anfechtung der behördlichen Feststellung einer Konkursforderung bzw. auf "spezifische Regelungen des Konkurs-...verfahrens". Die Fortsetzung des Berufungszulassungsverfahrens nach Aufnahme durch den Beklagten mit dem Ziel der Zurückweisung des Berufungszulassungsantrages ist vielmehr insoweit im hier eingetretenen Erfolgsfall ohne weiteres im materiellen Ergebnis als ein verwaltungsgerichtliches Verfahren zur Feststellung der bestrittenen Forderung zu werten, auch wenn keine entsprechende Tenorierung erfolgt (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 24. November 2003 im vorliegenden Verfahren). Für ein solches Verfahren bestimmt indes § 185 Satz 3 InsO die entsprechende Anwendung des § 182 InsO.

Mit dieser Annahme der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 182 InsO ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt die Vorschrift für die Wertermittlung zugrunde zu legen ist, wenn ein bereits begonnener Rechtsstreit wie vorliegend nach Konkurseröffnung wieder aufgenommen wird. Auch hier ist wegen des mit dem Insolvenzverfahren eingetretenen Parteiwechsels und mit Rücksicht auf den nach der Insolvenzeröffnung herabgesetzten "wirklichen" Wert des Streitgegenstands § 182 InsO einschlägig (vgl. Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 10. Aufl., Rn. 2718). Dabei scheidet jedoch sowohl mit Blick auf den Grundsatz des § 15 GKG als auch hinsichtlich der berechtigten Gebührenerwartungen insbesondere von Rechtsanwälten eine Rückwirkung der niedrigeren Wertfestsetzung nach § 182 InsO auf die Zeit vor der Aufnahme aus (vgl. Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 10. Aufl., Rn. 2719); nach dem geringeren Wert des § 182 InsO ist vielmehr erst ab dem Betreiben der Aufnahme des Verfahrens zu berechnen (vgl. Anders/Gehle/Kunze, Streitwert Lexikon, 4. Aufl., S. 196 <Insolvenz Rn. 9> m.w.N.; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., Ann § 3 Rn. 73; vgl. auch die Nachweise bei Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 10. Aufl., Rn. 2717).

Hiervon ausgehend bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes im vorliegenden Verfahren vor Eingang der Aufnahmeerklärung des Beklagten am 08. Mai 2003 gemäß § 13 Abs. 2 GKG entsprechend der seitens des Beklagten mitgeteilten Summe der erhobenen Vergnügungssteuer - in Übereinstimmung mit der Festsetzung des Streitwertes durch das Verwaltungsgericht - mit 214.94 7,10 € (= 420.000,00 DM).

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 04. Dezember 2003 den nach § 182 InsO maßgeblichen Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung des Beklagten zu erwarten ist, mit 7.155,75 € beziffert, ohne dass der Beklagte dem entgegen getreten wäre. Dieser Betrag war folglich ab dem 8. Mai 2003 als Streitwert festzusetzen.

Der Streitwert war im Übrigen sowohl für die Zeit vor dem 08. Mai 2003 als auch ab diesem Zeitpunkt nicht - wie der Kläger meint - mit Blick auf den Charakter des Zulassungsverfahrens zu mindern. Auch wenn der Berufungszulassungsantrag kein Rechtsbehelf in der Sache selbst ist, sondern nur ein Rechtsbehelf verfahrensrechtlicher Art, der mit dem Ziel der Zulassung der Berufung und damit zur Eröffnung der entsprechenden Rechtsmittelinstanz in der Sache eingelegt wird, entspricht gleichwohl das Interesse des Rechtsmittelführers als Zulassungsantragsteller seinem Interesse im erst noch angestrebten Berufungsverfahren selbst (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Februar 1997 - 5 S 352/97 -, NVwZ 1998, 865; OVG Schleswig, Entscheidung vom 17. Juni 2003 - 1 L 174/01 -, NVwZ-RR 2003, 702 -; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 12. April 2001 - 4 KSt 3/01 -, NVwZ-RR 2001, 802 zum Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - alle Entscheidungen zitiert nach JURIS). Erst die Zulassung der Berufung ermöglicht ihm überhaupt die Weiterverfolgung seines Interesses im Berufungsverfahren; wird sein Antrag abgelehnt, unterliegt er entsprechend hinsichtlich seines gesamten mit dem Rechtsmittel (weiter-) verfolgten Interesses.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

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