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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 04.02.2005
Aktenzeichen: 1 O 388/04
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, SGB XII


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 115
SGB XII § 90
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

2. In Fällen einer nicht rechtzeitigen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ist abweichend von diesem Grundsatz auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidungs- oder Bewilligungsreife abzustellen.

3. Zur Frage, ob ein Bausparguthaben gemäß § 115 Abs. 2 ZPO als Vermögen einzusetzen ist.

4. Zur Frage, ob eine Lebensversicherung gemäß § 115 Abs. 2 ZPO als Vermögen einzusetzen ist.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 1 O 388/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anschlussbeitrag

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 04. Februar 2005 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 23. November 2004 - 4 A 1782/03 - geändert:

Den Klägern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt O. aus G. rückwirkend ab dem 07. Juli 2003 bewilligt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 29. November 2004 innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO am 13. Dezember 2004 eingelegte Beschwerde der Kläger hat Erfolg.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungsanlage der Stadt G. in Höhe von 7.134,82 €. Die Ablehnung des mit der Klageerhebung gestellten Prozesskostenhilfeantrages der Kläger hat das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner negativen Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das in dem Parallelverfahren Az. 4 A 1265/02 von ihm nach mündlicher Verhandlung am 08. Juni 2004 gefällte Urteil gestützt. Auf einen anderen Zeitpunkt als den der gerichtlichen Entscheidung habe nach seiner Auffassung nicht abgestellt werden müssen, weil eine Verzögerung der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sei. Unabhängig davon hätten die Kläger zu den Punkten in der Beitragskalkulation, die von den Beklagtenvertretern in dem Termin vom 08. Juni 2004 erläutert worden seien, im Eilverfahren Az. 4 B 844/03 erst mit Schriftsatz vom 27. Januar 2004 Rügen erhoben, auf die seitens des Beklagten mit Schriftsatz vom 27. April 2004 Stellung genommen worden sei. Bereits auf dieser Grundlage habe die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg geboten.

Die dagegen gerichtete Beschwerde führt zur Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO setzt die Gewährung von Prozesskostenhilfe voraus, dass der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierbei hat der Antragsteller die amtlichen Vordrucke zu verwenden (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 4 ZPO).

Hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 ZPO besteht dann, wenn das Gericht den Standpunkt des Antragstellers aufgrund dessen eigener Sachdarstellung und der von ihm gegebenenfalls eingereichten Unterlagen für zutreffend und zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 07.11.1995 - 3 O 5/95 -, DVBl. 1996, 114). Allgemein ist für die Entscheidung über Prozesskostenhilfe eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Beweisaufnahme auch nur ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens keine Prozesskostenhilfe zu gewähren. Es ist daher auch verfassungsrechtlich geboten, Prozesskostenhilfe bei erforderlicher und nicht für den Prozesskostenhilfe Begehrenden aussichtsloser Beweiserhebung zu gewähren. Würde die Prozesskostenhilfegewährung vom Ergebnis einer im Hauptsacheverfahren vorzunehmenden Beweiserhebung abhängig gemacht, würde dies eine gewichtige Einschränkung der Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe bewirken und das Instrument der Prozesskostenhilfe um einen Teil seiner Wirkungen bringen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 07.11.1995 - 3 O 5/95 -, DVBl. 1996, 114).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 07.11.1995 - 3 O 5/95 -, DVBl. 1996, 114, 115; OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.7.2004 - 2 PA 1176/04 -, DÖV 2005, 34). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe mit Blick auf die Funktion der Prozesskostenhilfe einem besonderen Beschleunigungsgebot unterliegt. Das Gericht ist regelmäßig gehalten, über einen Prozesskostenhilfeantrag unverzüglich zu entscheiden. Denn die antragstellende Partei soll nicht unnötig lange darüber im Unklaren gehalten werden, ob sie die finanziellen Risiken eines Prozesses tragen soll oder ihr diese abgenommen werden. Die verfassungsrechtlich fundierte Funktion der Prozesskostenhilfe macht nicht nur die Beschleunigung des Prozesskostenhilfeverfahrens durch das Gericht notwendig, sondern ist darüber hinaus auch bei der Beantwortung der Frage von Bedeutung, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung durch das Gericht maßgebend ist.

Das Gericht hat über einen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden, wenn der Antrag vollständig vorliegt, der Gegner dazu gehört worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und gegebenenfalls das Gericht im gesonderten Verfahren nach § 118 ZPO den Beteiligten Gelegenheit gegeben hat, ihre tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen. Verzögert das Gericht die Entscheidung, dann kann dies nicht zu Lasten der antragstellenden Partei gehen. Trägt ein Gericht, das über einen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden hat, dem Beschleunigungsgebot - aus welchen Gründen auch immer - nicht hinreichend Rechnung, so kann dies keinen sachlichen Grund bilden, um den Anspruch des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu schmälern und ihn schlechter zu stellen als im Falle einer rechtzeitigen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch. Auf den Grund der Verzögerung kommt es dabei nicht an (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 07.11.1995 - 3 O 5/95 -, DVBl. 1996, 114, 115; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 19.01.2005 - 3 O 219/04 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 14.06.2004 - 12 S 571/04 -, VBlBW 2004, 385 - zitiert nach JURIS; OVG Hamburg, Beschl. v. 06.08.2003 - 4 So 3/02 -, NordÖR 2004, 201 - zitiert nach JURIS - mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ob eine verzögerte Entscheidung vorliegt, kann im Übrigen nicht pauschalierend, sondern nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. In Fällen einer im vorstehenden Sinne verzögerten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ist deshalb abweichend von dem eingangs formulierten Grundsatz auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidungs- oder Bewilligungsreife abzustellen.

In Anwendung dieses Maßstabes durfte das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nicht unter Bezugnahme auf seine im Parallelverfahren und die dort am 08. Juni 2004 in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse verneinen.

Klage und Prozesskostenhilfeantrag der Kläger gingen ohne Anlagen am 04. Juli 2003 per Telefax beim Verwaltungsgericht ein, das Original samt aller Anlagen, einschließlich ordnungsgemäßer Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, am 07. Juli 2003. Zu diesem Zeitpunkt war Entscheidungsreife allerdings nicht bereits eingetreten, weil die Klage noch nicht begründet worden war. Die Klagebegründung ging erst am 13. August 2003 beim Verwaltungsgericht ein. Auf die dem Beklagten mit gerichtlicher Verfügung gegebene Gelegenheit zur Stellungnahme reagierte dieser mit am 15. September 2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, der lediglich einen Klageabweisungsantrag enthielt.

Berücksichtigt man von diesem Datum ausgehend zusätzlich noch einen angemessenen Zeitraum für die gerichtliche Prüfung des Antrags ist Entscheidungsreife spätestens im Laufe des Monats Oktober 2003 eingetreten. Die erst am 15. Januar 2004 beim Verwaltungsgericht eingegangene inhaltliche Stellungnahme des Beklagten konnte diesen Eintritt der Entscheidungsreife nicht mehr beeinflussen. Die Herbeiführung der Entscheidungsreife kann mit Blick auf die dargestellten verfassungsrechtlichen Grundlagen der Prozesskostenhilfe nicht in das Belieben des Beklagten gestellt werden. Genau diese Folge würde aber eintreten, wenn man den Eintritt der Entscheidungsreife von einer wann auch immer bei Gericht eingehenden inhaltlichen Stellungnahme des Beklagten abhängig machen wollte. Ist dem Beklagten deshalb entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und damit rechtliches Gehör gewährt worden, tritt Entscheidungsreife nach einem angemessenen Äußerungszeitraum für den Beklagten und einem weiteren angemessenen Prüfungszeitraum für das Gericht unabhängig davon ein, ob und wie der Beklagte sich geäußert hat. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen geht deshalb auch die Alternativbegründung des Verwaltungsgerichts fehl, die auf Schriftsätze der Beteiligten aus Januar und April 2004 im Eilverfahren verweist.

Steht damit der Zeitpunkt der Entscheidungsreife wie vorstehend umrissen fest, ist damit zugleich geklärt, dass das Verwaltungsgericht die zeitlich danach im Parallelverfahren in der mündlichen Verhandlung am 08. Juni 2004 gewonnenen Erkenntnisse, die an mehreren Stellen des angegriffenen Beschlusses jedenfalls als mitentscheidungstragend angeführt werden, bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht zu Lasten der Kläger berücksichtigen durfte.

Wenn wiederholt und (mit-)tragend auf Erläuterungen der Vertreter des Beklagten oder Dritter in der mündlichen Verhandlung verwiesen wird, belegt dieser Umstand im Gegenteil hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bei Entscheidungsreife zumindest in dem Sinne, dass weiterer Aufklärungsbedarf bestanden haben dürfte und der Ausgang des Rechtsstreits immerhin offen erscheinen konnte. Die Situation stellt sich ähnlich wie im Falle einer erforderlichen Beweiserhebung dar. Auch wenn es im vorliegenden und auch im Parallelverfahren nicht zu einer förmlichen Beweisaufnahme gekommen ist, sind die Ergebnisse der informatorischen Befragung verschiedener Personen in der mündlichen Verhandlung vom 08. Juni 2004 in der angefochtenen Entscheidung und in dem Urteil in der Parallelsache entsprechend gewürdigt worden. Die Klagebegründung der Kläger vom 12. August 2003 hat unabhängig davon, ob und inwieweit das Verwaltungsgericht von sich aus Anlass zur Amtsermittlung gesehen hat, immerhin auch ansatzweise Gesichtspunkte benannt, die zum Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung gemacht und vom Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung dieser Erörterungen in dem angefochtenen Beschluss gewürdigt worden sind. Als Fazit kann daher festgehalten werden, dass zwar einerseits der aus der mündlichen Verhandlung ersichtliche Aufklärungsbedarf bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung zu berücksichtigen ist; die Ergebnisse der nach Entscheidungsreife durchgeführten Befragung waren jedoch bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auszublenden.

Die Kläger sind nach Maßgabe der von Ihnen vorgelegten Erklärungen und Unterlagen nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Prozesskosten aufzubringen. Ausweislich der von ihnen vorgelegten Unterlagen erzielen sie bei Berücksichtigung der nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorgeschriebenen Abzüge kein Einkommen.

Die Kläger haben auch kein einsetzbares Vermögen. Nach § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO gilt § 90 SGB XII entsprechend. Insbesondere das von den Klägern bewohnte Haus ist nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens nicht zu berücksichtigen.

Gleiches gilt auch im Hinblick auf das deklarierte Bausparguthaben (3.835,00 €) und das Sparguthaben (2.000,00 €), insgesamt 5.835,00 €. Dieses Vermögen übersteigt zwar in der Summe das Schonvermögen in Höhe von 2.214,00 € nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Art. 15 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl. I, S. 3022; vgl. zur Berücksichtigung der Verordnung Fischer, in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 115 Rn. 42). § 115 Abs. 2 ZPO ordnet aber nicht die unmittelbare, sondern die "entsprechende" Anwendung des § 90 SGB XII an. Im Hinblick darauf ist zu beachten, dass § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO den Einsatz des Vermögens einer Partei nur verlangt, soweit dies zumutbar ist. Eine schematische Übertragung der Grenzwerte des § 90 SGB XII ist daher nicht geboten. Die Vorschrift bietet nur Anhaltspunkte (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 07.11.1995 - 3 O 5/95 -, JURIS) im Sinne einer begrenzten normativen Vorprägung des Zumutbarkeitsbegriffs. § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann insoweit durchaus als originär prozesskostenhilferechtliche Zumutbarkeitsschranke betrachtet werden (vgl. Christi, Einkommen und Vermögen in der Prozesskostenhilfe, NJW 1981, 785, 791; a.A. VGH Mannheim, Beschl. v. 30.04.2002 - 14 S 2542/01 -, VBlBW 2002, 399 - zitiert nach JURIS), die eine genaue Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalles erfordert.

Dieses Normverständnis wird durch folgende Überlegungen gestützt: Der § 90 SGB XII zugrundeliegende Zumutbarkeitsbegriff des Sozialhilferechts hat einen anderen Bezugspunkt als der Zumutbarkeitsbegriff des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Während die Zumutbarkeit des Vermögenseinsatzes sozialhilferechtlich regelmäßig in Beziehung zur Existenzsicherung des Betroffenen beurteilt werden muss, ist diese Beurteilung im Rahmen des Prozesskostenhilferechts auszurichten an der Bedeutung der beabsichtigten Rechtsverfolgung für den Antragsteller, die regelmäßig nur in Ausnahmefällen von existentieller Bedeutung ist. Die unterschiedliche Gewichtigkeit dieser Bezugspunkte liegt damit auf der Hand. Geht es um die Existenzsicherung, ist dem Betroffenen folgerichtig grundsätzlich ein weitergehender Vermögenseinsatz zumutbar, als wenn es um eine Rechtsverfolgung geht, die regelmäßig weit von einer solchen Bedeutung entfernt ist. Wollte man die sozialhilfe-rechtlichen Zumutbarkeitskriterien ohne eine an diesen unterschiedlichen Bezugspunkten anknüpfende Modifizierung auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe übertragen, hätte dies voraussichtlich zur Folge, dass zahlreiche Betroffene, die ohne anrechenbares Einkommen sind, von einer Rechtsverfolgung trotz bestehender Erfolgsaussichten Abstand nehmen würden, um einen im Verhältnis zum Rechtsschutzziel wirtschaftlich unsinnigen Vermögenseinsatz zu vermeiden. Dies erschiene insbesondere im Verwaltungsprozess mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Basis des Instituts der Prozesskostenhilfe problematisch.

Hinzu kommt, dass der Verwaltungsprozess durch eine relativ knapp bemessene Frist schon für die Klageerhebung gekennzeichnet ist. Die Bedenkzeit, die einem potentiellen Kläger durch diese Frist hinsichtlich der Frage, ob er Klage erheben will, eingeräumt ist, würde bei einer unbesehenen Übertragung sozialhilferechtlicher Maßstäbe zusätzlich mit der im Einzelfall nicht selten deutlich gewichtigeren Frage belastet sein, ob ein möglicherweise erforderlicher Vermögenseinsatz nicht wesentlich einschneidendere Wirkungen hätte als die "klaglose" Hinnahme einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung, die zudem vielfach nicht rückgängig zu machen sein dürften.

Wendet man diesen Maßstab auf den vorliegenden Fall an, führt dies zu dem Ergebnis, dass einzusetzendes Vermögen nicht vorhanden ist: Die Kläger haben der Sache nach kein freies Einkommen, das sie zur Instandhaltung ihres Wohnhauses einsetzen könnten. Insoweit erscheint ihre Angabe, das Bausparguthaben solle der Instandsetzung des Hauses dienen, jedenfalls plausibel. Die prozesskostenhilferechtliche Schonung eines Bausparguthabens liegt auch mit Blick auf § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII in diesem Fall nahe, da ohne entsprechende Instandhaltungsmittel in der Tendenz der Bestand des angemessenen Hausgrundstücks in Frage gestellt ist. Solange diese für die Instandhaltung vorgesehenen Mittel sich in einem der Zwecksetzung entsprechenden bzw. angemessenen Rahmen bewegen, ist demgegenüber im Zuge einer "entsprechenden" Anwendung des § 90 SGB XII eine Übertragung der Regelung in Abs. 2 Nr. 3 der Bestimmung mit der dort enthaltenen Einengung der Wohnzwecke prozesskostenhilferechtlich unverhältnismäßig bzw. unbillig. Dies gilt vorliegend umso mehr, als sich das Hausgrundstück der 1948 und 1951 geborenen Kläger gerade unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse als eine Form der Altersvorsorge (vgl. auch § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) darstellt, die ohne Instandhaltung bzw. Mittel für eine solche gefährdet würde. Für die Durchführung eines gerichtlichen, nicht existentiellen Prozesses die Gefährdung der Altersversorgung zu verlangen erscheint jedenfalls als unverhältnismäßig. Dies gilt erst recht deshalb, weil regelmäßig eintretende, nicht unerhebliche finanzielle Verluste aus der vorzeitigen Kündigung eines - vorliegend erst im Juni 2007 auszahlbaren - Bausparvertrages voraussichtlich selbst im Falle eines Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Prozess nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Im vorliegenden Fall ist es den Klägern nach alledem nicht zumutbar, ihren Bausparvertrag mit den sich regelmäßig daraus ergebenden wirtschaftlichen Nachteilen zu kündigen und gleichzeitig den Bestand ihres Wohnhauses zu gefährden, weil ihnen künftig die notwendigen Mittel zur Instandhaltung desselben fehlen würden (vgl. LAG Stuttgart, Beschl. v. 11.08.1987 - 13 (7) Ta 18/86 -, JURIS; LAG Köln, Beschl. v. 14.09.1992 13 Ta 139/92 -, MDR 1993, 481 - zitiert nach JURIS; OLG Naumburg, Beschl. v. 31.01.2003 - 14 WF 172/02 -, JurBüro 2003, 649 - zitiert nach JURIS; LAG Ramm (Westfalen), Beschl. v. 02.09.2004, 4 Ta 827/03 -, JURIS; Christi, Einkommen und Vermögen in der Prozesskostenhilfe, NJW 1981, 785, 791; Fischer, in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 115 Rn. 44; auch Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rn. 60, will nur den zuteilungsreifen Bausparvertrag einsetzen). Auch eine Kreditaufnahme etwa mit der Hingabe des Bausparguthabens als Sicherheit ist aus Sicht des Senats nicht zumutbar. Sie gehört zunächst grundsätzlich schon nicht zum Vermögen (vgl. Fischer, in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 115 Rn. 50). Abgesehen von der Frage, ob ein Kreditinstitut den Klägern angesichts ihres Einkommens auf dieser Basis überhaupt einen Kredit einräumen würde, werden dadurch im Übrigen Kosten verursacht, die das ohnehin bestehende Kostenrisiko weiter erhöhen und zusätzlich von einer Prozessführung abschrecken würden. Jedenfalls für die Kläger bestünde das Risiko, im Falle des Unterliegens im Prozess nicht nur mit sämtlichen Prozesskosten belastet zu werden, sondern das als Sicherheit hingegebene Bausparguthaben gänzlich zu verlieren, wenn der Kredit - was angesichts ihrer Einkommensverhältnisse nicht unwahrscheinlich ist - wegen der kumulierenden Zahlungsverpflichtungen von ihnen nicht mehr bedient werden könnte. Im Übrigen ist auch in diesem Kontext zu berücksichtigen, dass die Kläger anderenfalls in der kurzen Klagefrist versuchen müssten, eine Kreditfinanzierung zu klären und zu erreichen.

Entsprechende Überlegungen kommen hinsichtlich der Lebensversicherungen der Kläger zum Tragen. Vergegenwärtigt man sich wiederum den prozesskostenhilferechtlichen Bezugspunkt der Zumutbarkeit des Vermögenseinsatzes, so ist es den Klägerin auch hinsichtlich ihrer Lebensversicherungen, die sich im üblichen Rahmen halten, nicht zumutbar, diese mit ihren Rückkaufswerten nach Kündigung und den damit einhergehenden finanziellen Verlusten für die Prozessführung einzusetzen (vgl. Fischer, in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 115 Rn. 53; Christi, Einkommen und Vermögen in der Prozesskostenhilfe, NJW 1981, 785, 791; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rn. 59; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 115 Rn. 60; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.03.1991 - 7 WF 41/91 -, JurBüro 1991, 977 - zitiert nach JURIS; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.10.2000 - 12 WF 168/00 -, FamRZ 2001, 925 - zitiert nach JURIS). Dafür spricht auch der in § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII verankerte Rechtsgedanke der Alterssicherung, der im Hinblick auf den Bezugspunkt der Zumutbarkeitsprüfung prozesskostenhilferechtlich bereits früher zum Tragen kommt als unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. Christi, Einkommen und Vermögen in der Prozesskostenhilfe, NJW 1981, 785, 791).

Sind nach den vorstehenden Erwägungen Bausparguthaben und Lebensversicherungen der Kläger nicht einzusetzen, unterfällt das verbleibende Sparguthaben dem Schonvermögen.

Die Beiordnung von Rechtsanwalt O. erfolgt nach Maßgabe von § 121 Abs. 2, 1. Alt. ZPO, weil die Vertretung durch einen Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der vorliegend aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen erforderlich erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kam erst ab dem Eingang des vollständigen Prozesskostenhilfegesuches bei Gericht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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