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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: 12 P 7/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 99
1. Arbeitsweise und Methoden des Verfassungsschutzes können grundsätzlich die Geheimhaltung nach § 99 Abs. 1 VwGO rechtfertigen.

2. Es ist nicht Sinn des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO, die Vorlage allgemein bekannter bzw. zugänglicher Schriftstücke zu erstreiten.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 12 P 7/03 12 P 8/03

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 22. Oktober 2003 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Die mit Schriftsätzen des Beklagten vom 09.12.2002 bzw. 12.03.2003 erklärte Verweigerung der Vorlage eines Aktenvorgangs und eines Gutachtens ist rechtmäßig.

Die Kosten dieser Zwischenverfahren trägt der Kläger.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Zwischenverfahren auf jeweils 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Nach dem zu den beiden nach wie vor beim Verwaltungsgericht Schwerin anhängigen Hauptsacheverfahren 1 A 1753/00 und 1 A 2898/00 bereits ergangenen Beschluss des Senats vom 01.10.2002 (12 P 8/02 bzw. 12 P 9/02), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht den Beklagten durch in beiden Verfahren gleichlautend ergangene (Berichterstatter-)Verfügungen vom 04.11.2002 "gebeten" mehrere Vorgänge bzw. Akten vorzulegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfügungen verwiesen.

Die Herausgabe folgender Unterlagen, die auch Gegenstand der Verfügungen waren, hat der Beklagte (in beiden Verfahren) durch Schriftsatz vom 09.12.2002 "aus Gründen der Geheimhaltung verweigert":

a) Vorgang bestehend aus 2 Aktenbänden,

b) Gutachten

Zu den anderen in der o.g. Verfügung genannten Unterlagen hat der Beklagte ausgeführt, die Vorlage sei ihm nicht möglich, etwa weil sich die Unterlagen in (im Einzelnen bezeichneten) Gerichtsakten befänden oder weil er gar nicht aktenführend sei.

Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten im Verfahren 1 A 2898/00 durch (Berichterstatter-)Verfügung vom 24.02.2003 "aufgegeben", folgendes vorzulegen:

a) beglaubigte auszugsweise Kopien des Vorgangs,

b) beglaubigte auszugsweise Kopien aus dem Gutachten

"mit den Unterlagen, aus denen sich aus der Sicht des Beklagten jeweils eine unzureichende Dokumentation oder sonstige Fehler des Klägers ergeben." Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Verfügung verwiesen. Der Kläger hat eine Abschrift erhalten mit folgender Erläuterung:

Sie (die Verfügung) ist Konsequenz aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 01.10.2002 - 12 P 8/02 - Seite 6.

Durch wiederum in beiden Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 12.03.2003 hat der Beklagte "auf die richterliche Verfügung vom 24.02.2003" die Vorlage der dort bezeichneten beiden Vorgänge erneut "aus Gründen der Geheimhaltung verweigert".

Mit (Vorsitzenden-)Verfügung vom 02.05.2003 hat das Verwaltungsgericht dem Oberverwaltungsgericht beide Verfahren vorgelegt und in einem Vermerk vom selben Tag die bereits erwähnten (Berichterstatter-)Verfügungen vom 04.11.2002 "trotz einiger Bedenken als verbindlich gewolltes Verlangen" angesehen.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Kläger durch Verfügung vom 14.05.2003 in beiden Sachen auf Bedenken, ob Anträge im Sinne von § 99 Abs. 2 VwGO vorlägen, hingewiesen. Auf die daraufhin beim Verwaltungsgericht bzw. beim Oberverwaltungsgericht eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 04.06.2003 bzw. 06.06.2003 wird Bezug genommen.

II.

Die Anträge des Klägers sind zulässig (A), haben aber in der Sache keinen Erfolg (B).

A. In beiden Verfahren ist eine Sachentscheidung nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu treffen, das heißt der Senat hat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss festzustellen, ob die Verweigerung der Vorlage bestimmter Vorgänge durch den Beklagten rechtmäßig ist.

Ein gerichtliches Vorlageverlangen liegt vor (a). Der Beklagte hat die Vorlage verweigert (b). Der Kläger hat daraufhin die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beantragt (c). Auch sonst stehen einer Sachentscheidung des Senats keine Hindernisse entgegen (d).

a) Hinsichtlich der an ein gerichtliches Vorlageverlangen im Sinne von § 99 Abs. 1 VwGO zu stellenden allgemeinen Anforderungen kann auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 01.10.2002 verwiesen werden.

Die Anwendung der darin entwickelten Maßstäbe führt zu dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht durch die Verfügungen vom 04.11.2002 in beiden Verfahren die Vorlage bestimmter Vorgänge vom Beklagten verlangt hat. Die Verfügungen sind im Hinblick auf den Gegenstand der Vorlage bzw. den Umfang dessen, was das Gericht erwartet, unmissverständlich. Sie stellen sich offensichtlich als Reaktion auf die Senatsentscheidung dar und setzen außerdem erkennbar eine Anregung des Klägers für ein entsprechendes gerichtliches Verlangen um. Der Beklagte hat die Verfügungen seinerseits auch als verbindlich angesehen; er hat sie als "in Erfüllung des Beschlusses" des Senats ergangen bewertet (vgl. Schriftsatz vom 09.12.2002).

In der Sache 12 P 8/03 (bzw. 1 A 2898/00) wird die Verbindlichkeit des gerichtlichen Verlangens durch die Verfügung vom 24.02.2003 bestätigt (wegen evtl. inhaltlicher Einschränkungen siehe unten - d -).

Dass in der Sache 12 P 7/03 (bzw. 1 A 1753/00) eine entsprechende ergänzende Verfügung nicht ergangen ist, rechtfertigt keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Verlangens vom 04.11.2002. Es wäre schon im Ansatz bedenklich, eine gerichtliche Verfügung in einem bestimmten Verfahren mit Hilfe einer gerichtlichen Verfügung in einem anderen Verfahren zu interpretieren. Außerdem ist durch die nachfolgende Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 07.05.2003 (auch) in der Sache 1 A 1753/00 klargestellt, dass die Verfügung vom 04.11.2002 als "verbindlich gewelltes Verlangen" behandelt werden soll.

b) Zu einem Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO führt nicht jede wie auch immer begründete Vorlageverweigerung, sondern nur eine spezifische Verweigerung, d.h. eine aus den Gründen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Dabei geht es darum, ob geltend gemacht wird, dass "die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen" bzw. ob das Bekanntwerden des Inhalts dem Wohl eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.

Eine derartige Verweigerung liegt hier vor. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.12.2002 die Herausgabe

- des Vorgangs und

- des Gutachtens

"aus Gründen der Geheimhaltung verweigert".

c) Die mit Verfügung vom 14.05.2003 geäußerten Bedenken zum Vorliegen eines Antrags im Sinne von § 99 Abs. 2 VwGO sind nach den darauf eingereichten Schriftsätzen des Klägers ausgeräumt.

Seine eigenen - an das Verwaltungsgericht gerichteten - Schriftsätze vom 12.02.2003 und 05.05.2003 (letzterer lag dem OVG im Übrigen bei der Verfügung vom 14.05.2003 noch nicht vor) hat er als "neu gestellte Anträge" interpretiert. Da auch hinreichend deutlich wird, dass der Kläger sich hinsichtlich der Geheimhaltungsbedürftigkeit gegen die Auffassung der Gegenseite wendet, kann sein Begehren so verstanden werden, dass es ihm in den beiden Zwischenverfahren um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Vorlage der beiden schon mehrfach erwähnten Vorgänge geht. Außerdem hat der Kläger durch ein weiteres beim Verwaltungsgericht eingereichtes Schreiben vom 06.06.2003 in beiden Verfahren ausdrücklich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beantragt, "ob die Verweigerung der Vorgänge und Akten durch den Beklagten rechtmäßig ist". Jedenfalls damit liegen in beiden Sachen ordnungsgemäße Anträge nach § 99 Abs. 2 VwGO vor.

d) Ob das Verwaltungsgericht sein Vorlageverlangen in der Sache 1 A 2898/00 durch die nur in diesem Verfahren ergangene Verfügung vom 24.02.2003 inhaltlich in der Weise einschränken wollte, dass nicht mehr die vollständigen Vorgänge im Original vorzulegen sind, kann auf sich beruhen. Möglicherweise ging es in erster Linie um die Nachlieferung der vom Senat in dem vorangegangenen Beschluss angeregten Begründung. Aus der gerichtlichen Verfügung selbst ergibt sich nicht konkret, welche Teile der Vorgänge von dem Vorlageverlangen etwa nicht mehr erfasst sein sollen. Von der ihm überlassenen Möglichkeit der Konkretisierung hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht.

Ergänzend ist anzumerken, dass der Senat das Vorlageverlangen des Verwaltungsgerichts und das Begehren des Klägers so versteht, dass es nicht um allgemein Bekanntes bzw. Zugängliches geht (z.B. Gesetzestexte, Landtagsdrucksachen, Presseartikel). Es kann nicht Sinn des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO sein, die Vorlage solcher Schriftstücke zu erstreiten. Auch Gerichtsentscheidungen gehören nicht zum Streitgegenstand; es ist nicht Sache des Beklagten, über die Vorlage einer Gerichtsentscheidung an das Verwaltungsgericht zu befinden.

B. Die vom Beklagten erklärte Vorlageverweigerung erweist sich als rechtmäßig.

Zu dieser Berwertung führt die dem Senat vom Beklagten ermöglichte Durchsicht der verweigerten Schriftstücke. Der Vorgang ist nach Angaben des Geheimschutzbeauftragten des Beklagten bei der Übergabe inzwischen zu einer Akte zusammengeführt worden.

Bei der vom Senat zu treffenden Sachentscheidung ist auszugehen vom § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach die zuständige Behörde die Vorlage verweigern kann, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.

Ein Nachteil im Sinne der zitierten Vorschrift ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden erschweren würde. Der gebotene Schutz von Arbeitsweise und Methoden des Verfassungsschutzes kann die Geheimhaltung grundsätzlich rechtfertigen (vgl. zur Verbrechensbekämpfung: BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1.02 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 27 mwN.).

Danach war die Vorlageverweigerung hier berechtigt. Der Beklagte hat sich zu Recht mit Schriftsatz vom 12.03.2003 (in beiden Verfahren) darauf berufen, dass durch die Vorlage "Tatsachen bekannt gegeben" würden, "die dem Kernbereich der Arbeit des Verfassungsschutzes zuzurechnen" seien, insbesondere müssten "Arbeitsweise" und "Methodik" offenbart werden. Ähnlich lautet die eidesstattliche Versicherung des Staatssekretärs im Innenministerium vom 14.05.2001, auf die der Beklagte zur Begründung der Verweigerung ergänzend Bezug nimmt. Der Schutzbedarf gilt für die gesamten im Streit befindlichen Vorgänge. Die Abtrennung von weniger schutzwürdigen Teilen ist nicht möglich.

Die Verweigerung weist auch keine Ermessensfehler auf. Wegen der insoweit anzuwendenden Maßstäbe kann ebenfalls auf den zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts und auf die vorangegangene Senatsentscheidung verwiesen werden. Die vom Beklagten mitgeteilten Gründe für die Verweigerung lassen eine ausreichende Ermessensbetätigung erkennen. Der Beklagte hat auf die seit Prozessbeginn verstrichene Zeit hingewiesen und die Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers aufgeworfen. Außerdem hat er geprüft, ob eine Vorlage nach Schwärzung von Teilen der Vorgänge in Betracht kommt.

Weitere Ausführungen zur Begründung seiner Entscheidung sind dem Senat nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO verwehrt.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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