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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 28.06.2006
Aktenzeichen: 2 L 120/05
Rechtsgebiete: LWaldG M-V, GG


Vorschriften:

LWaldG M-V § 20
LWaldG M-V § 20 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
1. Der Begriff der "Errichtung" einer baulichen Anlage in § 20 LWaldG M-V erfasst auch die (baugenehmigungsbedürftige) Nutzungsänderung.

2. Lag bei In-Kraft-Treten der Änderung des Landeswaldgesetzes (GVOBl. 2005, S. 34) eine bestandskräftige Baugenehmigung vor, bleibt es im Hinblick auf die Zulassung nach § 20 Abs. 2 LWaldG M-V bei der forstbehördlichen Zuständigkeit.

3. Soweit der Forstbehörde bei der Entscheidung über die Zulassung Ermessen eingeräumt ist, kann dieses durch Art. 14 Abs. 1 GG in der Weise eigengeschränkt sein, dass die Zulassung nicht abgelehnt (wohl aber mit Auflagen versehen werden) kann.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az.: 2 L 120/05

Urteil vom 28.06.2006

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 20.01.2005 wird geändert.

Der Bescheid des Forstamts Wredenhagen vom 22.08.2002 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Forsten und Großschutzgebiete Mecklenburg-Vorpommern vom 25.02.2003 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten des Klägers abwenden, falls nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine waldrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Unterschreitung des Abstandes baulicher Anlagen zum Wald.

Seit dem Jahre 2002 ist der Kläger Eigentümer des am Ende einer beidseitig bebauten Stichstraße gelegenen Grundstücks T.-siedlung 9 in M. (Flur 5, Flurstück 7/2, Gemarkung M.). Es grenzt wie die benachbarten mit Wohngebäuden bebauten Grundstücke an Wald an und ist mit einem ca. 15 x 6 m großen eingeschossigen Gebäude bebaut, das 1930 als Garage mit vier Stellplätzen errichtet und später als Verkaufseinrichtung ("Konsum") genutzt wurde. Seit ca. 1992 steht es leer.

Im Mai 2002 stellte der Kläger einen Bauantrag auf "Nutzungsänderung von Verkaufsstelle zu Wohnraum" und traf im Juli 2002 mit der Stadt M. als Eigentümerin des benachbarten Waldstücks eine Haftungsverzichtsvereinbarung. Der Landrat des Landkreises Müritz erteilte ihm am 06.11.2002 die begehrte Baugenehmigung mit folgender als Bedingung bezeichneter Nebenbestimmung:

Vor Bau- und Nutzungsbeginn muss dem Bauherrn die nach § 20 LWaldG M-V erforderliche Ausnahmegenehmigung des zuständigen Forstamts vorliegen.

Den (zwischenzeitlich) vom Kläger gestellten Antrag lehnte das (damalige) Forstamt Wredenhagen durch Bescheid vom 22.08.2002 ab. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des (damaligen) Landesamtes für Forsten und Großschutzgebiete Mecklenburg-Vorpommern vom 25.02.2003).

Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20.01.2005 abgewiesen. In den Gründen heißt es u.a.: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung. Nach § 20 Satz 1 LWaldG M-V sei zur Sicherung vor Gefahren durch Windwurf und Waldbrand bei der Errichtung baulicher Anlagen zum Wald ein Abstand von 50 m einzuhalten. Die Vorschrift sei im Falle längerer Nichtnutzung auch bei einer Wiederaufnahme der Nutzung sowie bei Nutzungsänderung anwendbar. Ausnahmen von der Waldabstandspflicht seien nur zuzulassen, wenn die Einhaltung zu einer unbilligen Härte führen würde; diese liege hier aber nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass das vorhandene Gebäude zukünftig einzig und allein zu Wohnzwecken genutzt werden könne. Vielmehr sei es nach Lage und Beschaffenheit auch geeignet, wie ursprünglich als Garage, als Lagerräume oder zu sonstigen gewerblichen Zwecken genutzt zu werden. Ob hierfür auf dem Immobilienmarkt Interesse bestehe, spiele demgegenüber keine Rolle.

Dem vom Kläger gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 30.05.2005 entsprochen.

In seiner Berufungsbegründung vertritt der Kläger u.a. die Auffassung, dass sein Vorhaben nicht unter den Begriff "Errichtung eines Gebäudes" im Sinne von § 20 Abs. 1 LWaldG M-V falle. Jedenfalls liege aber eine unbillige Härte vor, so dass eine Ausnahme nach § 20 Abs. 2 LWaldG M-V zu erteilen sei. Das Gebäude stehe unter Denkmalschutz und befinde sich im sogenannten unbeplanten Innenbereich. Eine andere als die angestrebte und bauaufsichtlich genehmigte Nutzung komme nicht in Betracht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 20.01.2005 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 22.08.2002 und 25.02.2003 zu verpflichten, ihm die begehrte Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und der Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.

Die Entscheidung trifft der nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Forstrecht zuständige (2.) Senat, da die Klage auch nach der Änderung des Landeswaldgesetzes (LWaldG M-V) vom 18.01.2005 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 34) nicht auf Erteilung einer (uneingeschränkten) Baugenehmigung, sondern weiterhin auf Zulassung einer waldrechtlichen Ausnahme gerichtet ist.

Die Berufung ist zulässig. Nachdem der Senat dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung durch Beschluss vom 30.05.2005 entsprochen hat, ist die nach § 124a Abs. 6 VwGO vorgeschriebene Begründung innerhalb der (bis zum 22.08.2005 verlängerten) Berufungsbegründungsfrist eingereicht worden.

In der Sache hat die Berufung im ausgeurteilten Umfang Erfolg. Dem Kläger fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse; er benötigt die angestrebte Ausnahme für die Durchführung seines Vorhabens (L), für die Zulassung dieser Ausnahme ist der Beklagte zuständig (2.)- Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO); er hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (3.).

1. Die Klage ist nicht bereits mit der Begründung abzuweisen, dass der Kläger zur Durchführung seines Bauvorhabens keiner waldrechtlichen Ausnahme bedürfe, so dass ihm auch nicht anzuraten war, seinen Antrag in Richtung auf eine entsprechende Feststellung abzuändern. Soweit der Kläger allerdings schriftsätzlich die Auffassung vertreten hat, eine Ausnahme sei nach Lage des Falles nicht erforderlich, kann ihm hingegen nicht gefolgt werden.

Für die rechtliche Beurteilung ist auszugehen von § 20 LWaldG M-V in der gültigen Fassung (siehe oben), da es um die Zulassung einer erst noch durchzuführenden Baumaßnahme geht. Nach der Systematik der Absätze 1 und 2 ist eine Ausnahme erforderlich, wenn bei der Errichtung baulicher Anlagen ein Abstand von 30 m zum Wald unterschritten wird.

Dass dieser Abstand von dem hier in Rede stehenden Gebäude nicht eingehalten wird, ergibt sich aus dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten sowie den bei den Akten befindlichen Karten und Fotos.

Bei dem Bauvorhaben des Klägers geht es auch um die "Errichtung" einer baulichen Anlage. Der Begriff der Errichtung in § 20 LWaldG M-V erfasst auch die (baugenehmigungsbedürftige) Nutzungsänderung bereits vorhandener Gebäude, beschränkt sich also nicht etwa - wie der Kläger aber wohl meint - auf Neubauten (vgl. zu § 4 LBauO M-V: OVG Greifswald - Beschluss vom 21.09.2004 - 3 M 123/04 -). Diese Auslegung ist nach Sinn und Zweck der Norm geboten, die auf die "Sicherung vor Gefahren durch Windwurf und Waldbrand" abzielt. Dabei geht es nicht nur um den Schutz baulicher Anlagen, die Abstandsfläche bezweckt auch den Waldschutz (vgl. Beschluss des Senats vom 29.01.2003 - 2 M 79/02 -, DÖV 2003, 593). Dieser Schutzzweck ist aber nur bei der hier vertretenen Auslegung zu erreichen. Anderenfalls wäre es möglich, die Ausnahme (zunächst) für einen unproblematisch zu nutzenden Neubau zu erwirken und später die Nutzungsart zu ändern, ohne die Forstbehörde erneut einschalten zu müssen. Ob sich die Erforderlichkeit einer forstbehördlichen Ausnahme im vorliegenden Verfahren außerdem aus der oben wiedergegebenen Nebenbestimmung in der Baugenehmigung vom 06.11.2002 ergibt, kann danach auf sich beruhen.

2. Nach der bereits erwähnten Änderung des Landeswaldgesetzes, durch den der § 20 neu gefasst worden ist, hat sich nach Lage des Falles nichts daran geändert, dass der Kläger sich an die zuständige Forstbehörde zu halten hat. Zuständig ist nach der Änderung der forstbehördlichen Organisationsstruktur allerdings nunmehr der Beklagte (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes der Errichtung der Landesforstanstalt und zur Änderung anderer Gesetze vom 11.07.2005, GVOBl. Seite 326).

Nach der früheren Rechtslage war stets die Forstbehörde für die Zulassung von Ausnahmen zuständig (vgl. § 20 Satz 2 a.F. LWaldG M-V). Nach der Neufassung lautet Abs. 2:

Über die Zulassung von Ausnahmen nach Abs. 1 entscheidet die Forstbehörde. Bedarf die bauliche Anlage einer Baugenehmigung, entscheidet über Ausnahmen die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Forstbehörde.

Der Zweck der Rechtsänderung liegt erkennbar darin, das Verwaltungsverfahren für den Bauherrn zu vereinfachen. Er soll sich nur noch an eine Behörde, nämlich die Bauaufsichtsbehörde halten müssen, während nach § 20 a.F. LWaldG M-V neben der baubehördlichen die Zuständigkeit der Forstbehörde stand. Ergänzend kann in diesem Punkt auch auf die Gesetzesmaterialien verwiesen werden (Drs. 4/1229 und 4/1456). Bei der Zuständigkeit der Forstbehörde ist es allerdings in dem Fall geblieben, dass keine Baugenehmigung erforderlich ist.

Da Übergangsbestimmungen für bereits laufende Verwaltungsverfahren nicht erlassen worden sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach neuem Recht zu behandeln sind. Die neuen Zuständigkeitsbestimmungen wirken sich aber dann nicht aus, wenn - wie hier - das baubehördliche Verfahren im Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits beendet war, d.h. eine bestandskräftige Baugenehmigung vorliegt und nur noch das Verfahren auf Zulassung der forstbehördlichen Ausnahme läuft. In diesem Fall ist § 20 Abs. 2 Satz 2 LWaldG M-V nicht einschlägig, denn die bauliche Anlage "bedarf nicht mehr der Erteilung einer Baugenehmigung. Diese (enge) Auslegung des § 20 Abs. 2 LWaldG M-V ist geboten, um nicht die gesetzgeberischen Absichten ins Gegenteil zu verkehren. An die Stelle der bezweckten Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens würde nämlich sonst eine Komplizierung treten, verwiese man den Bauherrn, der bereits im Besitz einer Baugenehmigung ist, und der, um sein Vorhaben ausführen zu können, nur noch der forstbehördlichen Ausnahme bedarf, erneut auf ein baubehördliches Verfahren, an dem dann allerdings die Forstbehörde zu beteiligen wäre, da ihr "Einvernehmen" erforderlich ist.

Gegen die Wirksamkeit der dem Kläger - wie ausgeführt - erteilten Baugenehmigung sind von keiner Seite Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere hat sie nicht etwa nach § 74 Abs. 1 LBauO M-V wegen Zeitablaufs ihre Gültigkeit verloren. Nach dieser Vorschrift erlischt die Baugenehmigung, wenn innerhalb von 3 Jahren nach Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen worden ist. Für die Geltungsdauer von Baugenehmigungen ist anerkannt, dass der Zeitablauf unterbrochen oder gehemmt wird, wenn ein Bauherr - wie hier - durch hoheitlichen Eingriff gehindert ist, von ihr innerhalb der gesetzlichen Frist Gebrauch zu machen (vgl. OVG NW, Beschluss vom 17.03.2006 - 8 B 1920/05 -, m.w.N., zit. nach juris; VGH BW, Urteil vom 25.03.1999 - 8 S 218/99 -, NVwZ-RR 2000, 485, m.w.N.).

3. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahme jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen und eine Ablehnung ermessensfehlerhaft wäre. Da die Sache aber nicht spruchreif ist, ist der Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO lediglich zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Anspruch des Klägers auf die begehrte Zulassung findet seine gesetzliche Grundlage in § 20 Abs. 1 LWaldG M-V. Nach dessen Satz 1 ist zur Sicherung vor Gefahren durch Windwurf- oder Waldbrand bei der Errichtung baulicher Anlagen ein Abstand von 30 m zum Wald einzuhalten. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung hiervon Ausnahmen zuzulassen (Satz 2). Von dieser Ermächtigung ist durch die Verordnung zur Bestimmung von Ausnahmen bei der Einhaltung des Abstandes baulicher Anlagen zum Wald (Waldabstandsverordnung - WAbstVO M-V) vom 20.04.2005 (GVOBl. Seite 166) Gebrauch gemacht worden.

Zwar dürfen nach dem in § 3 Abs. 1 Satz 1 WAbstVO M-V aufgestellten Grundsatz Unterschreitungen des Waldabstands nicht genehmigt werden, wenn es sich - wie hier - um Anlagen handelt, die Wohnzwecken oder dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen. Dazu gehören - wie durch § 3 Abs. 1 Satz 2 WAbstVO M-V klargestellt ist - auch Wohnhäuser. § 3 Abs. 1 Satz 1 WAbstVO M-V gilt aber nicht für Vorhaben nach § 34 BauGB, soweit diese zur Schließung von Baulücken innerhalb einer bestehenden Bebauung, die den gesetzlichen Mindestabstand unterschreitet, durchgeführt werden (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 WAbstVO M-V). Die zuletzt genannte Regelung ist zwar ersichtlich zugeschnitten auf Neubauten, da von der Schließung einer Baulücke kaum die Rede sein kann, wenn auf dem Grundstück bereits ein Gebäude steht und es nur um eine Nutzungsänderung geht. Die Vorschrift könnte aber entsprechend anwendbar sein. Jedenfalls beruft sich der Kläger aber zu Recht auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative WAbstVO M-V, wonach Vorhaben nach § 34 BauGB, die sich an bestehende Bebauung anschließen, sofern der durch die vorhandene Bebauung geprägte Waldabstand nicht unterschritten wird, zulassungsfähig sind. Diese Regelung erfasst auch bereits bestehende Gebäude, bei denen es lediglich um die Nutzungsänderung geht. Soweit nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WAbstVO M-V das Heranrücken des Vorhabens an den Wald einer Ausnahme entgegensteht, kommt es nicht darauf an, ob dieses Zulassungshindernis bei vorhandenen Gebäuden schon deshalb nicht gegeben sein kann, weil solche Gebäude dem Wald nicht näher rücken. Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, der sich anhand der vorhandenen Fotos auch nachvollziehen lässt, liegen die benachbarten Grundstücke ebenfalls in unmittelbarer Waldnähe.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Klägers richtet sich hier nach § 34 BauGB, da das Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Ein Ortsteil im Sinne der genannten Norm ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt, wobei bereits wenige Gebäude ausreichen können, und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; dass dieser Siedlungskomplex einen besonderen Namen trägt, ist dagegen nicht erforderlich (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 12.05.2005 - 23 B 04.1761 -, BayVBl. 2006, 311 m.w.N.; VGH BW, Urteil vom 10.09.1998 - 3 S 1866/98 -, VBl. BW 1999,139 m.w.N.). Vielmehr muss es sich um eine selbstständige Siedlungseinheit handeln, wie sie etwa - jedoch nicht als zwingende Voraussetzung - auch aufgrund eines Bebauungsplans entstanden sein könnte, nicht dagegen um eine (baurechtlich unerwünschte) Splittersiedlung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB (vgl. OVG SH, Urteil vom 08.07.1993 -1 L 146/92 -, zit. nach juris; OVG M-V, Urteil vom 17.12.2003 - 3 L 13/02 -, NordÖR 2004, 264).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass es um ein Vorhaben nach § 34 BauGB geht. Das Grundstück liegt in einem kompakten Siedlungskomplex, der auch durch die Bezeichnung "T.-Siedlung" auf einen Bebauungszusammenhang hinweist. Aus den bei den Akten befindlichen Karten und Fotos sowie den Beschreibungen der Örtlichkeit durch die Beteiligten geht hervor, dass es sich um eine eigens für Bebauungszwecke angelegte Sackgasse mit beiderseitiger z.T. mehrstöckiger Bebauung auf relativ kleinen Grundstücken handelt. Den vorgelegten Unterlagen aus dem Baugenehmigungsverfahren ist außerdem zu entnehmen, dass die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung nach § 34 BauGB erteilt hat, wenn in der Genehmigung selbst auch keine Rechtsgrundlage genannt ist. Ergänzend kann außerdem auf die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 22.12.2003 verwiesen werden. Letztlich ist für die bauplanungsrechtliche Einordnung eine Ortsbesichtigung hier jedenfalls deshalb nicht erforderlich, weil auch der Beklagte inzwischen zu der Auffassung gelangt ist, dass es sich um Innenbereich handelt.

Ob das Vorhaben auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative WAbstVO etwa in Verbindung mit § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB zulassungsfähig wäre, bedarf danach keiner weiteren Prüfung.

Soweit die hier maßgeblichen Vorschriften (§ 20 Abs. 1, 2 LWaldG M-V bzw. § 3 WAbstVO M-V M-V) der Forstbehörde für die von ihr zu treffende Entscheidung Ermessen einräumen, braucht hier nicht weiter geprüft zu werden, ob wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Zulassung der Ausnahme vorliegen, diese im Regelfall auch zu erteilen ist, und es nur in atypischen Fällen in Betracht kommt, die Zulassung zu versagen. Nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ist jedenfalls hier davon auszugehen, dass das Ermessen des Beklagten in der Weise eingeschränkt ist, dass die Zulassung nicht abgelehnt werden darf. Soweit der Beklagte auf den Schutzzweck der Abstandsregelung und die besonderen Verhältnisse des betroffenen Grundstücks (z.B. Hanglage) eingeht, berücksichtigt er nicht genügend, dass es sich um ein bereits bebautes Grundstück handelt. Dass das Gebäude in den letzten Jahren nicht genutzt worden ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Den Kläger auf weitere Nichtnutzung zu verweisen, wäre mit dem in Art. 14 Abs. 1 GG verankerten Eigentumsschutz nicht zu vereinbaren. Entsprechendes gilt für solche Nutzungsarten, die wirtschaftlich sinnlos wären oder gegen Vorschriften außerhalb des Forstrechts - etwa Bauplanungsrecht oder Denkmalschutzrecht - verstoßen würden. Bei Grundstücken erfasst der Eigentumsschutz auch das Recht des Eigentümers, ein erhaltenswertes Gebäude sinnvoll zu nutzen.

Die Beklagte ist aber nicht gehindert zu prüfen, ob Auflagen im Sinne von § 36 VwVfG M-V zu erteilen sind. Dabei kann es aber nicht darum gehen, Gefahren aller Art entgegenzuwirken. Vielmehr sind nur solche Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die sich gerade auf die Änderung der Nutzung beziehen, d.h. nicht solche, die aus vergleichbaren Erwägungen heraus bereits für den Schutz der früheren Verkaufseinrichtung in Betracht gekommen wären. Zur Veranschaulichung mag folgendes Beispiel dienen: Die Wohnnutzung bringt es ersichtlich mit sich, dass im Gebäude auch geschlafen wird, so dass der Frage, ob Rauchmelder zu installieren sind, eine andere Bedeutung beizumessen sein dürfte, als gegenüber der früheren Nutzung als Verkaufseinrichtung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 3,167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die zweite Instanz gemäß §§ 47, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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