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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 2 L 121/05
Rechtsgebiete: KV M-V, SpkG.M-V, VwGO, GKG
Vorschriften:
KV M-V § 81 Abs. 1 | |
KV M-V § 82 | |
KV M-V § 152 | |
KV M-V § 154 Abs. 4 | |
KV M-V § 164 Abs. 3 | |
SpkG.M-V § 1 Abs. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3 | |
VwGO § 124 Abs. 3 | |
GKG § 52 Abs. 1 |
Ein Verwaltungsakt, mit dem die Aufhebung eines Zweckverbandes nach § 164 Abs. 3 KV M-V kraft Gesetzes festgestellt wird, kann rechtmäßig solange nicht ergehen, wie eine die Mitgliederzahl auf mehr als ein Mitglied festschreibende Satzung wirksam ist.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Kommunalrecht
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 30. April 2009 in Greifswald
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 1. Kammer - vom 21. September 2004 wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, jedoch tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser einen satzungsändernden Beschluss der Klägerin beanstandet und feststellt, dass die Klägerin kraft Gesetzes aufgehoben sei.
Der gegen das der Klage stattgebende Urteil gerichtete, fristgerecht gestellte und begründete Zulassungsantrag des Beklagten hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
Dies gilt zunächst für den zur Begründung des Zulassungsantrags aufgeführten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschl. des Senats v. 12.11.2008 - 2 L 138/08 -, m.w.N.).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigten Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist dagegen zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne Weiteres ausräumen lassen (vgl. Beschl. des Senats v. 12.11.2008 - 2 L 138/08 -, m.w.N.).
Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zuzulassen.
Der Beklagte hat mit den angefochtenen Regelungen in seinem Bescheid vom 4. Mai 1999 den Beschluss der Verbandsversammlung der Klägerin vom 7. Juni 1994 zur Änderung der Satzung der Klägerin nach § 81 Abs. 1 KV M-V beanstanden (Ziff. II) und zugleich verbindlich feststellen wollen, dass die Klägerin mit Ablauf des 11. Juni 1994 kraft Gesetzes aufgehoben worden sei (Ziff. III). Ein solches Verfahren mit dem Ziel der Beseitigung einer Satzung und Feststellung der Aufhebung eines Zweckverbandes ist rechtswidrig. Die Klägerin muss einen solchen Bescheid nach öffentlicher Bekanntmachung einer Satzungsänderung nicht hinnehmen.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es dem Beklagten im Mai 1999 verwehrt war, die Fehlerhaftigkeit des Verbandsbeschlusses mit dem aufsichtsrechtlichen Instrumentarium der Beanstandung anzugreifen. Denn nach der öffentlichen Bekanntmachung - wenn auch einer Neufassung - einer geänderten Satzung steht der Aufsichtsbehörde das Beanstandungsrecht nach § 81 Abs. 1 KV M-V aus Gründen der Rechtssicherheit nicht mehr zu. Die Rechtsaufsichtsbehörde ist darauf beschränkt, nach § 82 KV M-V die Aufhebung oder Änderung der Satzung, soweit sie rechtswidrig ist, anzuordnen, oder einen Normenkontrollantrag mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit der Satzung zu stellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.06.1998 - 4 BN 29/97 -, zit. nach juris Rn. 4; BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 - 4 C 22/83 -, BVerwGE 75, 142, 146 f.; OVG Thüringen Urt. v. 12.12.2001 - 4 N 595/94 -, zit. nach juris Rn. 58 ff.; Matzick, in: Schweriner Kommentierung, 3. Aufl. 2005, § 81 Rn. 3).
Der Einwand des Beklagten, die veröffentlichte Fassung der geänderten Verbandssatzung der Klägerin habe keine Rechtswirkung entfalten können, weil das qualifizierte Anzeigeverfahren der vor Ablauf der Zwei-Monats-Frist nach § 152 Abs. 4 Satz 2 KV M-V a.F. veröffentlichten Satzung nicht abgeschlossen worden sei, greift nicht durch. Mit der durch § 152 Abs. 4 Satz 1 KV M-V a.F. statuierten Anzeigepflicht wird - hinter dem Genehmigungsverfahren zurückbleibend - kein Mitwirkungsakt der Rechtsaufsichtsbehörde normiert. Das Anzeigeverfahren stellt vielmehr eine sonstige Wirksamkeitsvoraussetzung der Satzung dar, das ausschließlich der vorbeugenden Rechtskontrolle dient (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.11.2000 - 1 L 125/00 -, zit. nach juris Rn. 28; OVG Thüringen, Urt. v. 12.12.2001 - 4 N 595/94 -, a.a.O.; VGH München vom 16.03.1990, 23 B 88.00567, NVwZ-RR 1990, 588 f.; Glaser, in: Schweriner Kommentierung, § 5 Rn. 16). Sinn und Zweck der Anzeigepflicht ist es, der Aufsichtsbehörde eine Rechtskontrolle vor der Bekanntmachung einer Satzung zu ermöglichen, um auf diese Weise die Bekanntmachung fehlerhafter Satzungen möglichst zu vermeiden. Ist aber eine Satzung bereits bekanntgemacht, wird dieses Ziel des Aufsichtsverfahrens naturgemäß hinfällig. Die Rechtsaufsichtsbehörde ist auf andere Vorgehensweisen verwiesen.
Dementspechend macht auch der Wortlaut des § 152 Abs. 4 Satz 2 KV M-V a.F. ("Sie darf nur in Kraft gesetzt werden, wenn ...") deutlich, dass mit der Veröffentlichung einer Satzung, unabhängig davon, ob das kommunalrechtliche Anzeigeverfahren ordnungsgemäß durchlaufen wurde, die Satzung in Kraft tritt und damit Rechtswirkungen entfaltet. Demnach ist bereits unerheblich, ob ein einfaches oder ein qualifiziertes Anzeigeverfahren hätte durchlaufen werden müssen. Auch der vom Beklagten hervorgehobene Umstand, dass nicht die von der Verbandsversammlung beschlossene Änderungssatzung bekannt gemacht worden sei, sondern entgegen § 154 i.V.m. § 5 Abs. 4 KV M-V eine Neufassung der Verbandssatzung, kann demnach nicht zur Zulassung der Berufung führen.
Auf die vom Beklagten behaupteten Mängel im Normgebungsverfahren kommt es insgesamt bei der hier zugrundeliegenden Anfechtung einer rechtsaufsichtsbehördlichen Beanstandung nach § 81 KV M-V nicht an. Etwas anderes gälte nur dann, wenn die landesrechtlichen Vorschriften erkennen ließen, dass das Beanstandungsrecht auch nach der Veröffentlichung der Satzung weiter zur Verfügung stünde. Dafür, dass der Aufsichtszweck des § 152 Abs. 4 KV M-V auch in einem Stadium nach Entäußerung einer Satzung fortbestehen könnte, hat der Beklagte in seiner Zulassungsbegründung nichts Durchgreifendes vorgebracht. Soweit er einen Vertrauensschutztatbestand auf Seiten der Klägerin in Frage stellt, kommt es mit Rücksicht auf den auch vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen allgemeinen Rechtsschein, der mit der Veröffentlichung einer Satzung begründet wird, nicht an. Auch sein Einwand, die vom Verwaltungsgericht herangezogene höchstrichterliche Rechtsprechung sei nicht übertragbar, weil sie zu genehmigungspflichtigen Bebauungsplänen ergangen sei, lässt eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichts grundlegenden Argument, nach Veröffentlichung einer geänderten Satzung, sei eine Beanstandung des Beschlusses der Verbandsversammlung zur Erfüllung des Aufsichtszwecks nicht mehr möglich, nicht erkennen.
Die Auffassung des Beklagten, entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 21. September 2004 verstoße seine Maßnahme nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil ein Vertrauenstatbestand nach dem Schreiben des Beklagten vom 16. Juni 1994 bei der Klägerin nicht habe begründet werden können, und weil ein schutzwürdiges Interesse Dritter nicht bestehen könne, weil der Verbandssatzung eines Sparkassenzweckverbandes keine Drittwirkung entfalte, überzeugt gleichfalls nicht. Denn mit der Bekanntmachung der Satzung wird - auch wenn unmittelbare Rechtsfolgen sich für Dritte daraus nicht ergeben - zumindest der Rechtsschein einer gültigen Satzungsänderung gesetzt, wie es mit der Veröffentlichung von untergesetzlichen Rechtsvorschriften regelmäßig der Fall ist. Ob es sich dabei um Rechtssätze handelt, die abstrakte Regelungssätze zu Gunsten oder zu Lasten noch zu konkretisierender Dritter normieren, ist unerheblich. Denn dies ist der Verbandssatzung, die ggf. auch nur die Mindestbestimmungen der Verfassung des Zweckverbandes nach § 153 Abs. 3 KV M-V enthält, immanent. Allein durch die Veröffentlichung der Satzung wird aber ein Vertrauenstatbestand in die rechtliche Existenz der Klägerin als Träger einer Sparkasse für Kunden und Geschäftsbanken gesetzt, der für ihre Geschäftstätigkeit grundlegend ist.
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Regelung unter Ziff. III des angefochtenen Verwaltungsakts. Soweit der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen daran anknüpft, dass die veröffentlichte Satzung ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 13. Juni 1994 vorsah, bereits mit Ablauf des 11. Juni 1994 jedoch nach § 1 Abs. 2 LNOG die Landkreise P., L. und S. aufgehoben waren, so dass die Mitgliederzahl des Zweckverbandes sich auf ein Mitglied reduziert habe, negiert er den mit der veröffentlichten Satzung erweiterten Mitgliederbestand der Klägerin um die kreisangehörigen Städte P., L. und St.. Ob die Satzungsänderung fehlerbehaftet ist, weil nach § 1 Abs. 1 SpkG a.F. nur Landkreise und kreisfreie Städte Zweckverbände als Träger von Sparkassen bilden können, ist eine Frage, die entsprechend den obigen Ausführungen nicht inzident, sondern nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren zur Satzungsüberprüfung geklärt werden kann. Ein Verwaltungsakt, mit dem die Aufhebung eines Zweckverbandes nach § 164 Abs. 3 KV M-V kraft Gesetzes festgestellt wird, kann rechtmäßig solange nicht ergehen, wie eine die Mitgliederzahl hochhaltende Satzung wirksam ist.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in Betracht kommt.
Auch der Einwand des Beklagten, die Annahmen des Verwaltungsgerichts zu der Veröffentlichung einer Satzung entgegen dem erkennbaren Willen der Rechtsaufsichtsbehörde, würde dazu führen, dass die Funktion der staatliche Aufsicht zur Disposition der beaufsichtigten Körperschaft gestellt werden könnte, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Ein gegen die Anzeigepflicht verstoßendes Verhalten kann den Zweckverbänden auch mit Rücksicht auf den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung (Art. 28 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG) nicht unterstellt werden. Hinzu kommt, dass angesichts der weitreichenden (Haftungs-)Risiken, die ein solches Verhalten von Körperschaften für die Geschäftstätigkeit mit sich brächte, ein Nachahmungseffekt weitestgehend ausgeschlossen sein dürfte. Darüber hinaus stünden der Rechtsaufsichtsbehörde - wie oben ausgeführt - andere Verfahrenswege zur Verfügung, einem solchen Verhalten zu begegnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Ziff. 22. 5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Ende der Entscheidung
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