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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 13.05.2009
Aktenzeichen: 2 L 171/07
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 1782/2003, VwGO


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 1782/2003 Art. 6
VO (EG) Nr. 1782/2003 Art. 7
VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 1
Zur - hier verneinten - Möglichkeit, von einer Kürzung der Betriebsprämie unter Ermessensgesichtspunkten nach Art. 6 und 7 VO (EG) Nr. 1782/2003 abzusehen.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

2 L 171/07

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Subventionsrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 13. Mai 2009 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 4. Kammer - vom 21. Mai 2007 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 2.040,34 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung der ihr nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 gewährten Betriebsprämie.

Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Klage durch Urteil vom 21. Mai 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Kürzung von Direktzahlungen nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/03 vorgelegen hätten und der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 hinsichtlich der Höhe der Kürzung eine eigene Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen habe, die rechtlich nicht zu beanstanden sei. Ein Verzicht auf eine Sanktion sei weder erforderlich noch angemessen, vermutlich auch nicht zulässig gewesen.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald ist - nach Zustellung des Urteils am 26. Juni 2007 - per Fax am 17. Juli 2007 beim Verwaltungsgericht frist- und formgerecht eingegangen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Die ebenso beim Verwaltungsgericht Greifswald per Fax am Montag, den 27. August 2007 eingegangene Zulassungsbegründung ist ausweislich der Paraphe des Senatsvorsitzenden auf dem Eingangsstempel des Verwaltungsgerichts Greifswald am gleichen Tage an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern weitergeleitet worden. Damit ist die Zulassungsbegründung innerhalb der 2-Monats-Frist nach Zustellung des vollständigen Urteils fristgerecht bei dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingereicht worden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und 5 VwGO). Der mit Schriftsatz vom 27. September 2007 gestellte Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags zu gewähren, ist damit gegenstandslos.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung bleibt aber ohne Erfolg.

Der von ihr einzig ausdrücklich geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist bereits nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Nach der Senatsrechtsprechung gehört zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, dass eine bestimmte verallgemeinerungsfähige tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen und erläutert wird, aus welchen Gründen sie für die Entscheidung erheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit der Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Im Zulassungsantrag ist zunächst die konkrete Grundsatzfrage zu bezeichnen. Es obliegt nicht dem Berufungsgericht, sich den Grund für die Zulassung gleichsam auszusuchen (vgl. Senatsbeschl. v. 21.04.2009 - 2 L 68/08 -, m.w.N.).

Die Klägerin hat eine grundsätzlich zu klärende Frage nicht konkret benannt. Sie beruft sich lediglich auf einzelfallbezogene Gesichtspunkte, die ihrer Ansicht nach ein Absehen von einer Ahndung hätten nach sich ziehen müssen. Einzelfallbezogene Gesichtspunkte sind jedoch für eine grundsätzliche Klärung schlechterdings ungeeignet.

Selbst wenn die Klägerin hätte geklärt wissen wollen, ob die zuständigen Behörden berechtigt wären, im Rahmen der ihnen zustehenden Ermessensentscheidung nach Art. 6 und 7 VO (EG) Nr. 1782/03) von einer Kürzung abzusehen, bedürfte es hierzu nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Jene Frage beantwortet sich unmittelbar aus dem Gesetz, hier Art. 6 und 7 VO (EG) Nr. 1782/03. Danach wird unter bestimmten, in Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/03 genannten Voraussetzungen der Gesamtbetrag der zu gewährenden Direktzahlungen nach Art. 7 gekürzt, wobei nach Abs. 1 dieser Vorschrift Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße berücksichtigt werden. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift beträgt bei Fahrlässigkeit die Kürzung höchstens 5 %, bei wiederholten Verstößen höchstens 15 %. Damit steht der Kürzungsprozentsatz, also die Höhe der Kürzung im Ermessen des Beklagten, nicht jedoch die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Kürzung zu erfolgen hat. Ein "Absehen" von einer Kürzung im Falle eines Pflichtverstoßes - wie es die Klägerin verlangt - sieht das Gesetz schlichtweg nicht vor.

Soweit die Klägerin ohne weitere Benennung eines Berufungszulassungsgrundes mit der Zulassungsbegründung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Greifswald im angegriffenen Urteil, der Widerspruchsbescheid des Beklagten lasse eine eigene Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung erkennen, mit Ausführungen entgegentritt und zudem rügt, das Gericht habe nicht allein auf den Widerspruchsbescheid abstellen dürfen, kann noch zu ihren Gunsten der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO als geltend gemacht angenommen werden.

Dieser Berufungszulassungsgrund ist von der Klägerin aber nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor.

Ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sicher gestellt, dass Zulassungsantragsteller sachkundig vertreten sind. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigten Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist dagegen zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne weiteres ausräumen lassen (vgl. Beschl. des Senats v. 21.12.2007 -2 L 198/06 -,m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht stellt im angegriffenen Urteil zutreffend darauf ab, dass der Beklagte eine eigene Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen habe und dies auch im mitangegriffenen Widerspruchsbescheid hinreichend deutlich werde.

Gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 VwGO gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Verwaltungsentscheidung. Der Anfechtungsklage (entsprechendes gilt für die Verpflichtungsklage) ist zwar - worauf die Klägerin abstellt - der ursprüngliche Verwaltungsakt zugrunde zu legen, jedoch in der Gestalt, d.h. mit dem Inhalt und der Begründung, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Erst der Widerspruchsbescheid gibt dem Verwaltungsakt die für die gerichtliche Kontrolle maßgebliche Gestalt und auch Begründung hinsichtlich etwaiger Ermessenserwägungen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 79 Rdn. 1). Die fehlerhafte Ermessensausübung der Ausgangsbehörde wird grundsätzlich durch eine fehlerfreie Ermessensausübung und Entscheidung der Widerspruchsbehörde in der Sache im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens geheilt (vgl. hierzu: Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rdn. 28, § 114 Rdn. 20). Das ist hier der Fall. Ein Ermessensausfall des Beklagten bzw. die fehlende Begründung der Ermessenserwägungen im Ausgangsbescheid führt nicht zur Aufhebung der angegriffenen Kürzung, weil der Beklagte im hier maßgeblichen Widerspruchsbescheid das ihm zustehende Ermessen über den Umfang der Kürzung erkannt und im Einzelfall konkret ausgeübt hat. Wie sich aus der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2006 ergibt, hat der Beklagte keine tragenden Gründe erkennen können, die es im konkreten Einzelfall rechtfertigen würden, vom durch das Bewertungssystem vorgegebenen Bewertungsvorschlag abzuweichen. Soweit die Klägerin mit der Zulassungsbegründung unter Darlegung einzelfallbezogener Gesichtspunkte die getroffene Ermessensentscheidung schließlich mit der Zielrichtung angreift, der Beklagte hätte bei korrekter Ermessensausübung von einer Ahndung absehen müssen, vermag sie damit nicht durchzudringen. Der Beklagte durfte im Rahmen der Ermessensentscheidung - wie dargelegt - im Falle eines Pflichtverstoßes von einer Kürzung nicht absehen. Ob eine geringere Kürzung im Rahmen der Ermessensentscheidung zulässig gewesen wäre, kann dahinstehen. Gegen die Höhe der Kürzung hat die Klägerin nichts erinnert. Außerdem setzt sich die Begründung des Zulassungsantrags nicht substantiiert mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum "Organisationsverschulden der Klägerin" auseinander.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§47 Abs. 2, 52 Abs. 1, 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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