Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 2 L 173/06
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG, GG


Vorschriften:

VwGO § 75
AufenthG § 5
AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 2
AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 3
AufenthG § 25 Abs. 3
AufenthG § 25 Abs. 5
GG Art. 6 Abs. 1
Der Begriff des Anspruchs auf einen Aufenthaltstitel i. S. des § 10 Abs. 3 Satz 3 (1. HS) AufenthG erfasst - anders als die neu eingefügte Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 3 (2. HS) AufenthG für die Regelung in § 25 Abs. 3 AufenthG - nicht die Fälle, in denen auf der Grundlage der Soll-Bestimmung des § 25 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist.

Die Rücknahme des noch nicht unanfechtbar nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnten Asylantrags lässt die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels wieder entfallen.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern IM NAMEN DES VOLKES Urteil

2 L 173/06

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausländerrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern auf Grund der mündlichen Verhandlung

am 26.09.2007

in Greifswald

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 21. April 2006 geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner Bescheide vom 10. Januar 2006 verpflichtet, den Klägern jeweils eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren eine Aufenthaltserlaubnis. Sie sind armenische Staatsangehörige. Die Kläger zu 1 und 2 sind miteinander verheiratet, die Kläger zu 3 bis 5 ihre minderjährigen Kinder.

Das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - lehnte die von den Klägern im Juni 2003 gestellten Asylanträge mit Bescheid vom 1. Juli 2003 als offensichtlich unbegründet ab, stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) offensichtlich sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und forderte sie zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland auf. In der Begründung heißt es im Hinblick auf den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte, über die Umstände der Reise in die Bundesrepublik Deutschland seien unter Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Satz 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) keine klaren Angaben gemacht worden,"... so dass die Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylVfG geboten ..." gewesen sei (Seite 2 des Bescheids). Im Rahmen der Prüfung des § 51 Abs. 1 AuslG wird abschließend ausgeführt: "... Ihr Antrag war daher nach § 30 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 5 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abzulehnen ..." (Seite 5 des Bescheids).

Dagegen haben die Kläger am 10. Juli 2003 unter dem Aktenzeichen 11 A 1855/03 As Klage beim Verwaltungsgericht Schwerin erhoben. Ein zugleich gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde vom Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 18. Juli 2003 (Az.: 11 B 733/03 As) abgelehnt.

In der Folgezeit - offenbar erstmals am 22. September 2003 - erteilte der Beklagte den Klägern Duldungen.

Am 24. Februar 2005 beantragten die Kläger bei dem Beklagten jeweils eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, ein Wegfall des Duldungsgrunds sei in absehbarer Zeit nicht ersichtlich. Zugleich verwiesen sie auf eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin zu 2, so dass mit einer mehrmonatigen Erholungsphase zu rechnen sei. Nach der beigefügten ärztlichen Stellungnahme ..., auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, sei die Klägerin zu 2 am 21. Februar 2005 stationär aufgenommen worden, nachdem sie eine Panikattacke im Zusammenhang mit einer versuchten Abschiebung erlitten habe. Es sei eine posttraumatische Belastungsstörung mit aktueller Retraumatisierung, eine mittelgradige depressive Episode, eine Panik- sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert worden.

Der Beklagte bat mit Schreiben vom 23. März 2005 die deutsche Botschaft in Erewan um eine Auskunft zur medizinischen Behandlungsmöglichkeit dieser Krankheiten.

Am 6. Juni 2005 haben die Kläger (Untätigkeits-)Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald erhoben.

Nach Eintreffen der Auskunft der deutschen Botschaft vom 29. September 2005 holte der Beklagte zudem eine amtsärztliche Begutachtung zur Reisefähigkeit der Klägerin zu 2 vom 13. Dezember 2005 ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Schreiben verwiesen.

Jeweils mit Bescheid vom 10. Januar 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gegenüber der Klägerin zu 2 einerseits und den übrigen Klägern andererseits ab. Ein hier nur in Betracht kommender Anspruch nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) scheitere daran, dass es weder rechtliche noch tatsächliche Gründe gebe, welche die Ausreise unmöglich machten. Eine Ausreise nach Armenien sei möglich. Insbesondere liege - was näher ausgeführt wird - keine Reiseunfähigkeit der Klägerin zu 2 vor.

Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung am 18. Januar 2006 Widerspruch, über den nicht entschieden worden ist.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2006 nahmen die Kläger ihren Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG gegenüber dem Bundesamt zurück. Nach insoweit übereinstimmenden Erledigungserklärungen hat das Verwaltungsgericht Schwerin das Verfahren im Hinblick darauf in seinem im Übrigen klagabweisenden Urteil vom 11. Juli 2006 eingestellt und den Bescheid des Bundesamts vom 1. Juli 2003 hinsichtlich der Entscheidungen zu Art. 16a GG und § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) für gegenstandslos erklärt.

Die Kläger haben zur Begründung ihrer vorliegenden Klage im Wesentlichen auf den Gesundheitszustand der Klägerin zu 2 sowie auf die Rücknahme ihrer Anträge gegenüber dem Bundesamt hingewiesen.

Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seiner beiden Verfügungen vom 10. Januar 2006 zu verurteilen, ihnen jeweils eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Einem Anspruch der Kläger nach § 25 Abs. 5 AufenthG stehe die Vorschrift des § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen. Der Sperrwirkung dieser Vorschrift hätten die Kläger auch nicht durch die Rücknahme der Asylanträge entgehen können. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Norm. Danach sollten Asylbewerber, die ein offensichtlich aussichtsloses Asylverfahren betrieben hätten, von weiteren Bleiberechten ausgeschlossen sein. Wenn das Gesetz die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Fälle des § 30 Abs. 3 AsylVfG ausschließe, so würden damit Personen erfasst, die das Asylverfahren unter Verstoß gegen Verfahrenspflichten betrieben hätten. Die Kläger hätten Mitwirkungspflichten verletzt. Das habe der Bescheid des Bundesamts zutreffend festgestellt. Daran habe sich durch die Rücknahme des Asylantrags nichts geändert.

Gegen das ihnen am 26. April 2006 zugestellte Urteil haben die Kläger am 15. Mai 2006 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag zugleich begründet. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 2. Februar 2007 zugelassen. Am 2. März 2007 haben die Kläger die Berufung begründet.

Der Entlassungsbericht ... vom 7. Juli 2006 kommt u. a. zu der Beurteilung, dass bezüglich der schweren traumatischen Erfahrung der Klägerin zu 2, die ihren Grund in der Vergewaltigung durch die armenische Miliz habe, und aufgrund zu befürchtender suizidaler Handlungen eine Rückführung in das Heimatland aus psychologischen, medizinischen sowie humanitären Gründen nicht zu rechtfertigen sei.

Nach der erbetenen amtsärztlichen Begutachtung der Reisefähigkeit der Klägerin zu 2 vom 19. Juli 2007 - die nach Aktenlage erfolgt sei, da die Klägerin zu 2 eine Begutachtung im Gesundheitsamt ablehne, jedoch sei sie dem Amtsarzt bekannt - sei ihre Reisefähigkeit nur unter notfallmedizinischer Begleitung gegeben, da das Beschwerdebild chronifiziert sei und eine Abschiebung erneut die Auslösung einer Krise bis hin zur Suizidalität bedeuten könne.

In einer ärztlichen Stellungnahme ... vom 25. Juli 2007 wird das Krankheitsbild der Klägerin zu 2 nochmals dargestellt und abschließend Folgendes ausgeführt: "... Falls ... (die Klägerin zu 2) mit ihrer Familie nach Armenien abgeschoben werden sollte, so wird dies gegen ... (ihren) ausdrücklichen Willen ... erfolgen, die aufgrund ihrer gemachten Erfahrungen vor einem realen Hintergrund massive Ängste hat. Im Rahmen dieser starken psychischen Belastung muss eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes befürchtet werden bis hin zu akuter Suizidalität als vermeintlich einziger verbleibender Ausweg in der aus Sicht der Patientin verzweifelten und aussichtslosen Situation. Psychiatrischerseits und im Hinblick auf die Schwere der posttraumatischen Belastungsstörung, die in der Folge auch zu einer emotionalen Instabilität mit Veränderung der Persönlichkeitsstruktur geführt hat, wäre die Abschiebung ... (der Klägerin zu 2) mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko und einer Verschlechterung der aktuellen psychischen Situation verbunden."

Mit Schriftsatz vom 18. September 2007 haben die Kläger für die Klägerin zu 2 ein ärztliches Attest ... vorgelegt, das für die Klägerin zu 2 eine Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das ärztliche Schreiben verwiesen.

Die Kläger tragen vor: Die Aufenthaltserlaubnis sei nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Die Klägerin zu 2 sei nicht reisefähig und würde durch eine Abschiebung eine erneute Retraumatisierung mit einer wesentlichen Verschlechterung der Symptomatik erleiden. Die eintretende wesentliche und ernsthafte Gesundheitsbeschädigung stehe der Abschiebung wegen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unabhängig von möglichen Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebungszielgebiet entgegen. Die Krankheit sei auch Anlass für eine Aufenthaltserlaubnis, weil sie dauerhaft zur fehlenden Reisefähigkeit führe. Die gesundheitsbedingten Ausreisehindernisse habe die Klägerin zu 2 nicht zu vertreten. Art. 6 Abs. 1 GG erstrecke die Auswirkungen dieser Umstände auf die weiteren Familienmitglieder.

Hilfsweise werde der Anspruch darauf gestützt, dass wegen einer Ermessensreduzierung auf Null im Bereich der zu § 25 Abs. 5 AufenthG zu treffenden Entscheidung auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorlägen. Eine Genesung der Klägerin zu 2 sei nicht absehbar und es sei davon auszugehen, dass zumindest im kommenden halben Jahr - so im Schriftsatz vom 2. März 2007 - weiterhin eine gesundheitliche Labilität bestehe, die einer Ausreise entgegen stehe.

Die Kläger zu 3 bis 5 seien zudem inzwischen als faktische Inländer anzusehen, denen eine Ausreise nicht mehr zugemutet werden könne. Sie hätten wesentliche Sozialisierungsphasen in Deutschland verbracht und seien inzwischen hier integriert. Sie würden die armenische Sprache nicht in Wort und Schrift beherrschen, so dass ein altersgerechter Schulbesuch nicht möglich sei. Insbesondere für die Klägerinnen zu 3 und 4 würde eine Rückkehr nach Armenien völlige Perspektivlosigkeit bedeuten.

Die qualifizierte Form der Asylantragsablehnung entfalte wegen der damals eingeschränkten Anfechtbarkeit zu diesem Punkt schon aus rechtsstaatlichen Gründen keine Sperrwirkung bei solchen Antragstellern, bei denen die Entscheidung des Bundesamts vor dem Inkrafttreten des § 10 Abs. 3 AufenthG getroffen worden sei. Sie greife vorliegend aber auch deshalb nicht ein, weil die Asylantragsrücknahme vor Eintritt der Bestandskraft des Bundesamtsbescheids dazu führe, dass diese Entscheidung gegenstandslos werde. Der im Gesetz zeitlich nicht definierte Begriff des Verwaltungsverfahrens erfasse die Zeit bis zum Eintritt der Bestandskraft bezüglich der getroffenen Entscheidung oder deren bestandskräftiger Aufhebung. Während des Verwaltungsverfahrens könne ein gestellter Antrag wirksam zurückgenommen werden. Dies gelte auch in Asylverfahren.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 21. April 2006 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 10. Januar 2006 zu verpflichten, den Klägern jeweils eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er gemäß Schriftsatz vom 27. August 2007 vor, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und der Verfahren 2 L 4233/03, 2 A 1328/04, 2 A 1316/05 und 2 B 671/05, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen.

Die Klage ist auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens nach den §§68 ff. VwGO zulässig. Sie ist gemäß § 75 VwGO nach Ablauf der (grundsätzlich) dreimonatigen Sperrfrist zulässig erhoben worden, mag der Behörde auch als angemessene Frist zur Bescheidung vorliegend im Hinblick auf die eingeholten und erst später vorliegenden Auskünfte eine längere Frist einzuräumen gewesen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. März 1973 - IV C 2.71 -, BVerwGE 42, 108, zitiert aus juris, Rn. 25; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl. 2000, § 74 Rn. 6; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 75 Rn. 8).

Da das Verwaltungsgericht dem Beklagten keine Frist zur Entscheidung über den Antrag nach § 75 Satz 3 VwGO gesetzt hat, konnte über die Klage nach Erlass der ablehnenden Verwaltungsakte des Beklagten vom 10. Januar 2006 zulässigerweise entschieden werden, ohne dass ein Vorverfahren (erfolglos) durchzuführen war (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Dezember 1995 - 3 C 24/94 -, BVerwGE 100, 221 ff., zitiert aus juris, Rn. 26 m. w. N.; Eyermann/Fröhler, a. a. O., § 75 Rn. 20 m. w. N.; Redeker/von Oertzen, a. a. O., Rn. 8 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 68 Rn. 26 und § 75 Rn. 23).

Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 10. Januar 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Sie haben zwar keinen Anspruch auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis insbesondere nach § 25 Abs. 3 AufenthG (dazu unter I.), wohl aber hat die Klägerin zu 2 einen ebensolchen Anspruch nach § 25 Abs. 5 AufenthG und die übrigen Kläger nach § 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG (dazu unter II. ff.).

I. Ein Anspruch der Kläger auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG scheidet - ebenso wie ein solcher etwa nach § 104a Abs. 1 AufenthG und § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, zu dem sich auch die Beteiligten nicht näher verhalten - schon tatbestandlich aus.

1. Im Falle der Kläger fehlt es an den Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Norm des § 60 Abs. 7 AufenthG. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Bundesamt mit inzwischen unanfechtbar gewordenem Bescheid vom 1. Juli 2003 festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Das Bundesamt hat damit auch das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) verneint, dass nämlich für die Kläger in ihrem Heimatstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Da § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG mit § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit wörtlich übereinstimmt, bestehen keine Bedenken dagegen, in Fällen wie hier die Feststellung des Bundesamts zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auch im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zugrunde zu legen. Solange diese negative Feststellung des Bundesamts Bestand hat, ist die Ausländerbehörde daran nach § 42 Satz 1 AsylVfG gebunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. November 2005 -1 C 18.04 -, BVerwGE 124, 326 ff. m. w. N.). Zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG ist die Ausländerbehörde danach (ebenso wie die Gerichte im Aufenthaltserlaubnisverfahren) weder berechtigt noch verpflichtet. Eine eigene Prüfungskompetenz der Ausländerbehörde - gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundesamts gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG - kommt vielmehr grundsätzlich nur bei Ausländern in Betracht, die zuvor kein Asylverfahren betrieben haben (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192, 195 Rn. 12).

2. Ob ausnahmsweise auch bei ehemaligen Asylbewerbern eine eigene Prüfung durch die Ausländerbehörden zulässig und geboten ist, kann hier offen bleiben. Das könnte in Betracht kommen, wenn der Ausländer geltend macht, ihm drohe im Herkunftsland infolge einer allgemeinen Gefahrenlage eine extreme Gefahr für Leib und Leben, die in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach dieser Vorschrift (bei gleichzeitiger Ermessensreduzierung auf Null: vgl. BVerwG, Urt. v. 20. Oktober 2004 - 1 C 15.03 -, BVerwGE 122, 103, 108 m. w. N.) führen müsste, das Bundesamt aber eine solche Feststellung wegen Bestehens eines vergleichbaren Schutzes durch einen Abschiebestopp-Erlass, eine sonstige Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung nicht treffen kann und darf (BVerwGE 126, 192, 195 f. Rn. 13 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379 ff.). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die Kläger haben nicht vorgebracht, dass ihnen bzw. vor allem der Klägerin zu 2 in Armenien landesweit extreme Gefahren drohen.

II. Allerdings hat die Klägerin zu 2 einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Eine Aufenthaltserlaubnis darf gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er u. a. zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt, § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG.

1. Die Klägerin zu 2 kann sich - ebenso wie die anderen Kläger - zwar nicht allein auf § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG berufen, obgleich ihre Abschiebung seit weit mehr als achtzehn Monaten ausgesetzt ist. Die Regelung stellt keine in allen Fällen der sog. Kettenduldung anzuwendende selbstständige Anspruchsgrundlage dar. Die Systematik des § 25 Abs. 5 AufenthG spricht dafür, dass die Regelung in Satz 2 - wie dann auch die Regelungen in den Sätzen 3 und 4 - an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG anknüpft. Nur wenn diese vorliegen und zusätzlich die Voraussetzungen des Satzes 2 hinzutreten, "soll" die Ausländerbehörde - in Fortführung und Ergänzung der Kann-Regelung des Satzes 1, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nur bei Fällen einer Duldung von weniger als achtzehn Monaten in das uneingeschränkte Ermessen der Ausländerbehörde stellt - eine Aufenthaltserlaubnis erteilen (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126,192, 200 f., Rn. 22; VGH Mannheim, Urt. v. 18. April 2007 - 11 S 1035/06 -, zitiert aus juris, Rn. 58).

2. Unter "Ausreise" im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen. Nur wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192, 196, Rn. 15 m. w. N.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 18. Juni 2007 - 10 PA 65/07 -, zitiert aus juris, Rn. 10; aus der Literatur etwa Burr, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2007, § 25 Rn. 120 m. w. N.).

a) Eine freiwillige Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u. a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192, 197 Rn. 17 m. w. N.; Burr, a. a. O., § 35 Rn. 123 m. w. N.).

aa) Da das Bundesamt im Falle der Kläger bestandskräftig, d. h. mit nach wie vor bindender Wirkung entschieden hat, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) nicht vorliegen, ist auch hier davon auszugehen, dass derartige zielstaatsbezogene Gefahren nicht vorliegen und damit einer freiwilligen Ausreise der Kläger nicht entgegenstehen. Ob auch bei der Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG ausnahmsweise eine eigene Prüfungszuständigkeit der Ausländerbehörde hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage bei Bestehen eines Abschiebestopp-Erlasses oder eines vergleichbaren Schutzes in Betracht zu ziehen ist (dazu z. B. Burr, a. a. O., § 25 Rn. 124 f.), bedarf mangels Vorliegens einer solchen Extremgefahr keiner abschließenden Erörterung.

bb) Es kann weiterhin offen bleiben, ob aus Art. 8 EMRK ein Anspruch auf Legalisierung des Aufenthalts und damit ein rechtliches Ausreisehindernis folgt, wenn ein Ausländer sich seit vielen Jahren im Bundesgebiet aufhält und sich weitgehend in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert hat (sog. faktischer Inländer, vgl. dazu näher etwa OVG Münster, Beschl. v. 7. Februar 2007 - 18 A 4369/05 -, zitiert aus juris, Rn. 25; OVG Koblenz, Beschl. v. 24. Februar 2006 - 7 B 10020/06.OVG, Asylmagazin 4/2006, 28 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 18. Januar 2006 - 13 S 2220/05, Asylmagazin 4/2006, 29 ff; vgl. im Hinblick auf die Ausweisung eines faktischen Inländers auch BVerfG, Beschl. v. 10. August 2007 - 2 BvR 535/06 -), ebenso, ob dies überhaupt auf die Kläger oder auch nur einen Teil von ihnen zutrifft.

b) Eine körperliche oder psychische Erkrankung kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis und damit die tatsächliche Unmöglichkeit der Ausreise dann begründen, wenn der Ausländer reiseunfähig im engeren Sinne ist, also wegen einer Erkrankung transportunfähig ist, d. h. wenn sich sein Gesundheitszustand durch die Ortsveränderung wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmalig entstehen würde. Gleiches gilt bei einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne, die in der Rechtsprechung angenommen wird, wenn ein ernsthaftes Risiko besteht, dass sich unmittelbar durch die Abschiebung als solche der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtert (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2007, § 25 Rn. 90 m. w. N., 94 ff.; Burr, a. a. O., § 25 Rn. 131), wenn also bereits die Durchführung der Abschiebung als solche bei dem von der Zwangsmaßnahme betroffenen Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einem Gesundheitsschaden führt oder einen vorhandenen Gesundheitsschaden weiter verfestigt. Dabei müssen die zu erwartenden Auswirkungen in jedem Fall von erheblichem Gewicht sein. Aus dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat, folgt eine umfassende Schutzpflicht des Staates, die in Bezug auf eine beabsichtigte Abschiebung zu beachten ist. Zwar muss einerseits die Ausreisepflicht des Ausländers durchgesetzt werden, doch ist andererseits gesundheitlicher Schaden von dem Ausländer abzuwenden. Die für die Abschiebung zuständige Behörde hat daher die Pflicht, eine soweit wie möglich abgesicherte Prognose über eine behauptete Gesundheitsgefahr zu gewinnen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann. Eine Abschiebung, die als solche eine erhebliche konkrete Gefahr für den Gesundheitszustand des Ausländers bedeutet, muss unterbleiben. Da bei einer derartigen Sachlage, die als Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn zu umschreiben ist, die befürchteten negativen Auswirkungen bereits durch die Abschiebung als solche und nicht erst wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung eintreten, handelt es sich insoweit gegebenenfalls um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, nämlich um einen Duldungsgrund nach § 60a AufenthG, nicht um ein - zielstaatsbezogenes und bei (auch abgelehnten) Asylbewerbern allein vom Bundesamt zu prüfendes - Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 10. Juli 2003 -HS 2622/02 -, zitiert aus juris, Rn. 16; Beschl. v. 7. Mai 2001 - 11S 389/01 -, NVwZ-Beil. 12001, 107).

Nach diesem Maßstab liegt hier zur hinreichenden Überzeugung des Senats ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Hinblick auf die Klägerin zu 2 vor. Die - abgesehen von der ärztlichen Bescheinigung zur Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin zu 2 ohne Datum, bei den Klägervertretern am 18. September 2007 eingegangen, jüngste - ärztliche Stellungnahme ... vom 25. Juli 2007 kommt nach näherer Darstellung des Krankheitsbilds der Klägerin zu 2 zu dem Schluss, dass psychiatrischerseits und im Hinblick auf die Schwere der posttraumatischen Belastungsstörung, die in der Folge auch zu einer emotionalen Instabilität mit Veränderung der Persönlichkeitsstruktur geführt habe, ihre Abschiebung mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko und einer Verschlechterung der aktuellen psychischen Situation verbunden wäre. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser ärztlichen Einschätzung, der auch der Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten ist. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf den Beschluss des Senats vom 13. August 2004 (Aktenzeichen 2 M 175/04) hingewiesen hat, so setzt sich der Senat damit nicht in Widerspruch, sondern führt im vorliegenden Einzelfall diese Rechtsprechung vielmehr fort. Abgestellt wird hier wie dort auf Gefahren für den Ausländer durch die für den Vollzug der Abschiebung vorgesehenen Maßnahmen, die zu keiner unmittelbaren erheblichen Gesundheitsgefahr führen dürfen. Anders als im dortigen Fall, in dem die ärztlichen Atteste letztlich allein "... auf die Rückkehr in das traumaauslösende Umfeld im Heimatland und damit auf zielstaatsbezogene Aspekte abgestellt..." (Seite 2 des amtlichen Umdrucks) haben, sieht der Senat mit Blick auf die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen hier aufgrund der individuellen psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2 bereits durch die mit Hilfe staatlicher Organe durchzuführende Abschiebung als solche die Gefahr einer erheblichen Verschlechterung ihrer psychischen Erkrankung. Es ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten insbesondere in der mündlichen Verhandlung auch nicht ersichtlich, durch welche Begleitmaßnahmen der Beklagte die durch die Abschiebung als solche zu erwartende Verschlechterung der psychischen Situation der Klägerin zu 2 verhindern könnte, auch wenn es ihm gelingen mag, etwaige körperliche Schäden bis hin zum Suizid(versuch) durch eine notfallmedizinische Begleitung abzuwenden bzw. entscheidend abzumildern. Wie durch die amtsärztlich befürwortete notfallmedizinische Begleitung während der Abschiebung auch die hier in Rede stehende, durch die Abschiebung als solche zu befürchtende erhebliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands der Klägerin zu 2 vermieden werden könnte, hat der Beklagte nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich.

c) Die Klägerin zu 2 ist auch unverschuldet an der Ausreise gehindert, § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG. Der Begriff des Verschuldens setzt ein dem Ausländer zurechenbares, d. h. vorwerfbares Verhalten voraus. Zu vertreten hat ein Ausländer alle Handlungen, mit denen die Ausreise erschwert oder unmöglich gemacht wird. Er muss alle ihm möglichen und zumutbaren Handlungen vornehmen, die zur Ausreise erforderlich sind (Hailbronner, a. a. O., § 25 Rn. 106 f.; vgl. auch Burr, a. a. O., § 25 Rn. 169 ff).

Insbesondere ist der Klägerin zu 2 auch die bislang wohl unterlassene Behandlung der psychischen Krankheit mit Hilfe einer traumazentrierten Psychotherapie - so die Empfehlung in der erwähnten ärztlichen Bescheinigung vom 25. Juli 2007 - nicht vorwerfbar. Zumindest auch aus finanziellen Gründen hatte sie bislang keine Möglichkeit, ihre psychische Krankheit im Bundesgebiet behandeln zu lassen. Da die Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen, ist eine Behandlungsmöglichkeit dieser Krankheit nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gegeben. Danach werden entsprechende Leistungen (nur) bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen gewährt. Ansprüche bei - wie hier - chronischen Erkrankungen ohne Schmerzzustände sind ausgeschlossen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 6. Juli 2004 - 12 ME 209/04 -, zitiert aus juris, Rn. 4 m. w. N.; zu den Begriffen der akuten bzw. chronischen Erkrankung siehe etwa Hohm, GK-AsylbLG, Stand: Juli 2007, § 4 Rn. 17 f. m. w. N.). Auch ein auf die Auffangregelung des § 6 Abs. 1 AsylbLG gestützter Anspruch auf Übernahme der Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung erscheint dem Senat zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber doch mangels offenkundig vorliegender Ermessensreduzierung auf Null fernliegend. Ein solcher Anspruch kann, da sich eine derartige Maßnahme in der Regel über einen längeren Zeitraum erstreckt, mit nicht unerheblichen Kosten verbunden und häufig auch der dem Asylbewerberleistungsgesetz prinzipiell fremden Eingliederungshilfe zuzurechnen ist, nur ausnahmsweise erfüllt sein. Erforderlich hierfür ist zumindest auch, dass fachärztlich attestiert wird, dass die Maßnahme "zur Sicherung der Gesundheit" des Leistungsberechtigten "unerlässlich", dass ihre Aufnahme auch im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer des weiteren Aufenthalts sachgerecht ist und dass gleichwertige, kostengünstigere Behandlungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen (Hohm, in: KG-AsylbLG, a. a. O., § 6 Rn. 166, 168; OVG Lüneburg, Beschl. v. 6. Juli 2004, a. a. O., Rn. 9). Hier fehlt es schon an entsprechend aussagekräftigen ärztlichen Stellungnahmen.

Damit sind im Falle der Klägerin zu 2 die Voraussetzungen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erfüllt, so dass nach Satz 2 die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll. Atypische Aspekte, welche dem Beklagten dennoch eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (wieder) eröffnen, sind nicht erkennbar.

III. Für die übrigen Kläger - den Ehemann der Klägerin zu 2 und die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder - folgt der Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 2 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG.

Zwar gewährt der grundrechtliche Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG unmittelbar keinen Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Ausländerbehörde hat jedoch bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, u. a. bei Ermessensentscheidungen, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine Bindungen an im Bundesgebiet berechtigterweise lebende Familienangehörige angemessen berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 11. Mai 2007 - 2 BvR 2483/06 -, InfAuslR 2007, 336, 337; Beschl. v. 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, DVBL. 2006, 247; Beschl. v. 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, DVBL. 2003, 1260, vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 und vom 1. August 1996 - 2 BvR 1119/96 -, NVwZ 1997,479; BVerwG, Urt. v. 9. Dezember 1997 - 1 C 19.96 -, BVerwGE 106,13; OVG Lüneburg, Beschl. v. 29. Juni 2007 - 10 MC 147/07 -, zitiert aus juris, Rn. 5, und Beschl. v. 18. Juni 2007 - 10 PA 65/07 -, zitiert aus juris, Rn. 11). Vorliegend kann dieser Verfassungsnorm mit Blick auf den Anspruch der Klägerin zu 2 auf eine Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich nur durch eine ebensolche Erteilung für ihren Ehemann und die gemeinsamen minderjährigen Kinder Rechnung getragen werden.

IV. Wenngleich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 AufenthG nicht vorliegen, ist davon vorliegend abzusehen.

1. So ist zwar zum einen der Lebensunterhalt der Kläger nicht im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert. Die Kläger bestreiten ihren Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel.

Zum anderen liegen Ausweisungsgründe vor. Der Kläger zu 1 hat nicht geringfügige Verstöße gegen Rechtsvorschriften begangen (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich als nicht geringfügiger Verstoß anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63, 66). Der Kläger zu 1 hat mindestens einen Diebstahl begangen, für den er mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Stralsund vom 24. September 2004 - Geschäftsnummer 15 Cs 728/04 / StA 540 Js 20893/04 - zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 4,-- Euro verurteilt worden ist. Im Weiteren liegt bei den Klägern der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG vor, weil sie, wie ausgeführt, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch nehmen müssen. Die Visumspflicht dürfte schließlich ebenfalls nicht erfüllt sein, § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

2. Es handelt sich jedoch um Regelerteilungsvoraussetzungen, von denen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 AufenthG im Einzelfall abgesehen werden kann.

Mit Blick auf § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erschiene es widersprüchlich, jedenfalls in den typischen Fällen abgelehnter Asylbewerber bei den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen das uneingeschränkte Ermessen der Ausländerbehörde anzunehmen, das zuvor bei den speziellen Erteilungsvoraussetzungen der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ausdrücklich bei mindestens anderthalbjähriger Duldung gerade im Sinne eines regelmäßigen "Muss" eingeschränkt worden ist. Dies erfordert vielmehr einen regelmäßigen Gleichklang in dem Sinne, dass in den Fällen des § 25 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufenthG auch von diesen Erfordernissen abgesehen werden muss, es sei denn, es liegen wiederum - hier nicht ersichtliche - atypische Umstände vor. Für die Kläger zu 1 und 3 bis 5 gilt im Übrigen, dass ein atypischer Sonderfall, der ebenfalls ein Absehen von diesen Voraussetzungen nach sich zieht, dann anzunehmen ist, wenn die Versagung der Aufenthaltserlaubnis mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen nicht vereinbar wäre. Dazu gehört vor allem der nach Art. 6 Abs. 1 GG grundrechtlich gebotene Schutz von Ehe und Familie (BVerwG, Beschl. v. 26. März 1999-1 B 28.99 -, InfAuslR 1999, 332; OVG Lüneburg, Beschl. v. 2. November 2006 -11 ME 197/06 - und v. 29. November 2006 - 11 LB 127/06 -, jeweils zitiert aus der Internetentscheidungssammlung des Gerichts). Auf diesen Schutz können sich die minderjährigen Kläger zu 3 bis 5 und der Kläger zu 1, die mit der Klägerin zu 2 in familiärer bzw. ehelicher Gemeinschaft leben, berufen.

V. Schließlich steht nach Rücknahme ihrer noch nicht unanfechtbar abgelehnten Asylanträge auch das Verbot der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Ausreise nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG einem Anspruch der Kläger auf Erteilung einer auf § 25 Abs. 5 AufenthG (i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG) gestützten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr entgegen.

1. Eine Situation nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, welche von vornherein den Eintritt der Sperrwirkung verhindert hätte, lag hier allerdings nicht vor.

Die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 zum 28. August 2007 in Kraft getretene dortige Einfügung des Halbsatzes "Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt" (BGBl. I S. 1970, 1973), ist hier nicht einschlägig (siehe oben unter I.).

Aber auch die Bestimmung des § 10 Abs. 3 Satz 3 (1. Alt.) AufenthG greift hier nicht Platz, auch wenn sich die grundsätzlich im Ermessen stehende Regelung des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG mit Blick auf § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG in eine "Soll"-Vorschrift gewandelt hat. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur ist die Vorschrift nur bei einem sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Anspruch anwendbar, nicht dagegen bei einer Ermessensnorm im Falle der Ermessensreduzierung auf Null (OVG Lüneburg, Beschl. v. 26. Juli 2007 -12 ME 252/07 -, zitiert aus juris, Rn. 8 m. w. N.; VGH Mannheim, Urt. v. 26. Juli 2006 -HS 2523/05 -, zitiert aus juris, Rn. 18; OVG Potsdam, Beschl. v. 9. März 2006 - 11 N 77/05, zitiert aus juris, Rn. 5; Discher, in: GK-AufenthG, § 10 Rn. 174-176; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 10 Rn. 13,10; Wenger, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, 2005, § 10 Rn. 8; ebenso die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz vom 22. Dezember 2004 in Ziff. 10.3.1, abgedruckt etwa bei Renner, a. a. O.; vgl. auch VGH Mannheim, Beschl. v. 9. Februar 2005 -HS 1099/04 -, EZAR n. F. 23 Nr. 1 S. 3; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 111; a. A. Hailbronner, a. a. O., § 10 Rn. 16; Blechinger/Bülow/Weißflog, Das neue Zuwanderungsrecht, Stand: Juni 2007, Ziff. 3/5.13.4).

Zwar sind "Soll"-Vorschriften im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betraute Behörde allerdings rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (BVerwG, Urt. v. 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275, 278 m. w. N.; ebenso zu § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG BVerwG, Urt. v. 22. November 2005 - 1 C 18.04 -, BVerwGE 124, 326, 331 m. w. N.; so auch zu § 25 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufenthG Hailbronner, a. a. O., § 25 Rn. 103; allgemein Gerhardt, in: Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Februar 2007, § 114 Rn. 16; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Januar 2003, § 114 Rn. 131).

Daran anknüpfend will der VGH Kassel (Beschl. v. 10. Juli 2006 - 9 UZ 831/06 -, Asylmagazin 7-8/2006, 46, allerdings wohl im Verfahren über die Zulassung der Berufung; VG Frankfurt a. M., Urt. v. 31. Oktober 2006 - 1 E 1230/06 -, zitiert aus: www.asyl.net/Magazin/Docs/2007/M-7/9329.pdf; ebenso im Prozesskostenhilfe-Verfahren das VG Ansbach, Beschl. v. 31. Mai 2007 -AN 19 K 06.03574 -, zitiert aus juris, Rn. 19 f.; vgl. auch Dienelt, ZAR 2005, 120, 122) § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG a. F. dann eingreifen lassen, wenn es um die "Soll"-Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG geht. So sieht es nunmehr auch die Neuregelung in § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 AufenthG vor.

Gegen eine Erweiterung der in § 10 Abs. 3 Satz 3 (1. Alt.) AufenthG getroffenen Regelung auf die (ebensolche) "Soll"-Vorschrift des § 25 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufenthG (so allerdings Discher, a. a. O, § 10 Rn. 143, 171, 61) spricht nach Auffassung des Senats, dass der Gesetzgeber diesen Fall - anders als die "Soll"-Regelung in § 25 Abs. 3 AufenthG - gerade nicht ausdrücklich in die Neuregelung der Vorschrift durch das o. g. Gesetz vom 19. August 2007 einbezogen hat. Aus der fehlenden Einbeziehung in die Neuregelung ist deshalb zu folgern, dass der Gesetzgeber es bei § 25 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufenthG bei der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG belassen wollte, auch wenn die dortige "Soll"-Regelung Platz greift. Ebenso wenig ist hinreichendes dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber - gerade vor dem soeben dargestellten Hintergrund - bewusst in der Norm des § 10 AufenthG unterschiedliche Begriffe gewählt hat und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen will, in dem in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nur ein (rechtlicher) "Anspruch" und nicht - wie § 10 Abs. 1 AufenthG - ein "gesetzlicher Anspruch" genannt wird (so aber etwa VG Frankfurt a. M., Urt. v. 31. Oktober 2006, a. a. O.).

2. Die Frage, ob die so genannte Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch in den Fällen der Rücknahme des noch nicht bestandskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrags und des Antrags auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG) fortbesteht, ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

a) Ursprünglich war die Sperrwirkung dieser Vorschrift zwar eingetreten. Das Bundesamt hat, was insoweit erforderlich erscheint, seine ablehnende Asylentscheidung im Bescheid vom 1. Juli 2003 ausdrücklich (vgl. zu diesem Erfordernis Senatsbeschl. v. 2. Februar 2007 - 20 109/06 -, S. 2 des amtlichen Umdrucks; OVG Hamburg, Beschl. v. 2. Juli 2007 - 4 Bf 290/06.Z -, Asylmagazin 9/2007, 34, 35; Discher, a. a. O., § 10 Rn. 153 m. w. N.) auf § 30 Abs. 3 (hier: Nr. 5) AsylVfG gestützt hat. Eine Ablehnung des Asylantrages nach § 30 Abs. 3 AsyllVfG liegt dabei nur dann vor, wenn die Entscheidung sowohl hinsichtlich der Asylanerkennung als auch hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt ist. Denn gemäß § 13 Abs. 1 AsylVfG enthält der Asylantrag regelmäßig sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als auch den Antrag auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet darf nach § 30 Abs. 1 AsylVfG nur erfolgen, wenn sowohl die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter als auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen (vgl. hierzu Renner, a. a. O., § 30 AsylVfG Rn. 7). Dem entsprechend ist auch der in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorausgesetzte Fall der Ablehnung "des Asylantrages" nach § 30 Abs. 3 AsylVfG nur dann gegeben, wenn sowohl der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als auch der Antrag auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden ist (Senatsbeschl. v. 2. Februar 2007, a. a. O., S. 2 f.).

b) Diese Wirkung ist durch die (noch möglich gewesene) Asylantragsrücknahme aber wieder entfallen.

aa) Die vorliegende Problematik wird nicht hinreichend durch die von den Klägern aufgeworfene Frage berührt, bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag gegenüber einer Behörde zurückgenommen werden kann. Hier gilt zwar, dass ein gegenüber einer Behörde gestellter Antrag grundsätzlich auch nach Ergehen des den Antrag bescheidenden Verwaltungsakts bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im gerichtlichen Verfahren zurückgenommen werden kann (so etwa im Hinblick auf den Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis BVerwG, Urt. v. 22. Juni 1999 - 1 C 24/98 -, zitiert aus juris, Rn.

14 m. w. N.), wobei sich Ausnahmen abgesehen von ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen insbesondere aus den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets ergeben können (so etwa im Beamtenrecht bei einem bereits genehmigten Antrag auf langfristigen Urlaub ohne Dienstbezüge nur mit Zustimmung des Dienstherrn, BVerwG, Urt. v. 15. Mai 1997 - 2 C 3.96 -, zitiert aus juris, Rn. 23 m. w. N. und weiteren Beispielen in Rn. 24). Indessen ist zu beachten, dass die Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG das (asylrechtliche) Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen den Klägern und dem Bundesamt nicht berührt, so dass weder die Wirksamkeit der Rücknahme des Asylantrags und des Antrags auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG) noch deren Rechtsfolgen gegenüber dieser Behörde mit Blick auf die genannte ausländerrechtliche Norm in Frage zu stellen sind.

bb) Im Rechtsverhältnis zur Ausländerbehörde lässt die Rücknahme der asylrechtlichen Anträge nach deren noch nicht bestandskräftiger Ablehnung durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet die zuvor eingetretenen Rechtswirkungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entfallen. (Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 2006 - 1 C 10/06 -, zitiert aus juris, Rn. 22, lässt ein "gegebenenfalls nachträglicher" Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14a Abs. 3 AsylVfG die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entfallen.)

Der Senat lässt offen, ob dies Ergebnis aus Gründen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes und der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG deshalb zwingend sein könnte, weil, wie die Kläger meinen, Rechtsschutzmöglichkeiten für eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG nicht bestünden (vgl. im Falle bestandskräftiger Ablehnung als offensichtlich unbegründet vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. Februar 2006 - 2 M 114/06 -, Asylmagazin 4/2006, 31, 32). Hier dürfte sich gerade wegen der in Rede stehenden Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten die Rechtsprechung aber gewandelt haben (vgl. etwa VG Frankfurt a. M., Urt. v. 8. November 2006 - 1 E 2572/06.AO -, zitiert aus http://web2.justiz.hessen.de/migration/ rechtsp.nsf, und Urt. v. 31. Oktober 2006, a. a. O., S. 4 m. w. N.; vgl. auch VGH München, Beschl. v. 4. Januar 2007 - 19 C 06.3010 -, zitiert aus http://www. landesanwaltschaft.bayern.de/entscheidungen).

Im vorliegenden ausländerrechtlichen Verfahren hingegen hätte der Offensichtlichkeitsausspruch des Bundesamts auch nach aktueller Rechtslage nicht (inzident) überprüft werden können (vgl. Discher, a. a. O., § 10 Rn. 169), was im Übrigen das Verwaltungsgericht verkannt haben dürfte, wenn es davon spricht, dass das Bundesamt "zutreffend" festgestellt habe, dass die Kläger (im Asylverfahren) Mitwirkungspflichten verletzt hätten.

Die beschriebene Rechtsfolge ergibt sich nämlich schon bei Betrachtung des Normwortlauts, da in diesem Fall der behördliche Ausspruch zur offensichtlichen Unbegründetheit gegenstandslos geworden ist. Ob dabei das Gericht statt des Bundesamts befugt ist, den Bescheid für gegenstandslos zu erklären (vgl. dazu bei einem Verzicht gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG OVG M-V, Beschl. v. 12. März 2007 - 3 L 336/06 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks, nicht veröffentlicht), ist wegen der lediglich deklaratorischen Wirkung des Ausspruchs irrelevant.

Auch die systematische Gesetzesauslegung spricht für den Wegfall der Rechtswirkungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in Fällen wie dem vorliegenden. Die Vorschrift in § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zeigt, dass dem Gesetzgeber die Problematik, wie sich die Rücknahme eines Asylantrags auf ausländerrechtliche Titel auswirken soll, auch bei diesen neuen Regelungen bekannt gewesen ist. Die hier entscheidungserhebliche Vorschrift enthält aber keine ausdrückliche Einschränkung für den Fall, dass ein Asylbewerber seinen Asylantrag nach dessen (noch nicht unanfechtbar gewordener) Ablehnung als offensichtlich unbegründet zurücknimmt.

Einer solchen Auslegung steht auch nicht der Sinn und Zweck der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen. Das Gesetz sieht in den Fällen des § 30 Abs. 3 AsylVfG ein so erhöhtes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung, dass es keine Möglichkeit zur Legalisierung des Aufenthalts mehr geben soll, weil vermutet wird, dass das Asylverfahren insbesondere wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten missbräuchlich in Anspruch genommen worden ist (Discher, a. a. O., § 10 Rn. 134, 136; vgl. auch Wenger, a. a. O., § 10 Rn. 7). Dieser Gedanke bzw. diese Vermutung besteht aber dann nicht mehr fort, wenn ein Asylbewerber seinen Asylantrag erst nach dem (u. a.) auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützten Bescheid des Bundesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zurücknimmt. Andernfalls hätte der Ausländer keine Möglichkeit, sein - gesetzlich vermutetes - missbräuchliches Asylverhalten im Anschluss an die regelmäßig sehr zeitnah nach der Antragstellung erfolgende Entscheidung des Bundesamts - gegebenenfalls auch in einem sich zur Vermeidung der Bestandskraft anschließenden Klageverfahren - zu überdenken und zu revidieren. Insofern entsteht kein Wertungswiderspruch, da der Ausländer seine ursprüngliche Rechtsposition, die Anlass für die gesetzgeberische Sanktion in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gewesen ist, gerade wieder aufgibt. Außerdem ist nach Rücknahme eines noch nicht bestandskräftig abgelehnten Asylantrags offen geblieben, ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 AsylVfG zu Recht vom Bundesamt angenommen worden sind oder nicht.

Soweit dagegen eingewandt wird, der hinter dieser Rechtsnorm stehende Rechtsgedanke bestehe darin, dass ein Asylbewerber, dessen Antrag als offensichtlich unbegründet aus den Gründen des § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden ist, nicht allein wegen des Asylaufenthalts in solchen Fällen besser da stehen darf als aus dem Ausland neu zuwandernde Personen (Renner, a. a. O., § 10 Rn. 13), verfängt dies nicht. Ein solcher Rechtsgedanke träfe ebenfalls auf solche Ausländer zu, deren Asylantrag nur "einfach" oder aus den Gründen nach § 30 Abs. 4 und 5 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.

VI. Für welchen konkreten Zeitraum bis zu sechs Monaten den Klägern Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden (§ 26 Abs. 1 AufenthG), steht im Ermessen des Beklagten. Weder der Klageantrag noch die Begründung der Berufung enthält insoweit ein substantiiertes Begehren, jedoch erscheint dem Senat angesichts des Grunds für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine (deutlich) kürzer als ein halbes Jahr erfolgende Bemessung kaum angebracht.

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Im Hinblick auf die höchstrichterlich ungeklärten Fragen, ob entweder bereits die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG oder aber der Rechtsgedanke des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bei Rücknahme des nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnten Asylantrags Platz greift, ist die Revision nach § 132 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück