Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 23.08.2005
Aktenzeichen: 2 L 217/01
Rechtsgebiete: VwVfG, VwVfG M-V


Vorschriften:

VwVfG § 48 Abs. 1
VwVfG § 48 Abs. 2
VwVfG M-V § 48 Abs. 1
VwVfG M-V § 48 Abs. 2
Zum Begriff der unrichtigen Angaben in § 48 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 2 L 217/01

wegen teilweise Rücknahme einer Subvention

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 23. August 2005 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 30.08.2001 wird teilweise geändert.

Die Bescheide des Beklagten vom 28.01.1997 und 17.04.1997 in der geänderten Fassung vom 04.04.2001 werden aufgehoben, soweit mit ihnen eine Aufhebung und Rückforderung über einen Betrag von 22.273,57 DM hinaus verfügt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten der zweiten Instanz; die Kosten der ersten Instanz tragen der Beklagte zu 6/7 und die Klägerin zu 1/7.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht dieser zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 55.236,97 Euro (entspr. 108.034,13 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung bzw. Rückforderung einer ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin (im Folgenden: Klägerin) vom Beklagten bzw. dem damaligen Amt für Landwirtschaft Wismar bewilligten Agrarförderung für das Jahr 1994.

In dem der Bewilligung zugrunde liegenden Antrag waren u.a. bestimmte Flurstücke als Stilllegungsflächen angegeben. Diese Flächen hatte die Klägerin von der Treuhandanstalt Berlin (vertreten durch die Bodenverwertungs- und verwaltungs- GmbH - BWG -) gepachtet. Zur Zeit des Vertragsabschlusses waren die Flächen im Grundbuch noch als so genanntes Volkseigentum eingetragen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass einem anderen Landwirt, der zum Teil dieselben Flurstücke, die er aber über die Bundeswehrverwaltung angepachtet hatte, als Stilllegungsfläche angegeben hatte, ebenfalls eine Subvention bewilligt worden war, erließ der Beklagte die angefochtenen Bescheide. Der ursprüngliche Rückforderungsbetrag belief sich auf 147.193,94 DM. Im erstinstanzlichen Verfahren ermäßigte der Beklagte ihn auf 130.307,70 DM; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Bezüglich eines Rückforderungsbetrags von 22.273,57 DM hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren durch Urteil vom 30.08.2001 eingestellt, soweit der Rechtsstreit - wie dargestellt - unstreitig beendet worden ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat es der Klägerin zu 9/10 und dem Beklagten (wegen der Teilabhilfe) zu 1/10 auferlegt.

Dem Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat der Senat entsprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Über die Berufung entscheidet der Senat gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung ist erfolgreich. Das angefochtene Urteil ist, soweit die Klage abgewiesen worden ist, zu ändern, die angefochtenen Bescheide sind - soweit noch im Streit - aufzuheben. Sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Der Senat lässt offen, ob der Beklagte den die Subvention bewilligenden Bescheid bereits deshalb nicht nach § 48 Abs. 1, 2 VwVfG bzw. VwVfG M-V aufheben durfte, weil dieser nicht rechtswidrig ist. Folgt man der (allerdings nicht Stilllegungsflächen betreffenden) Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (vgl. Urteil v. 22.02.2001 - 1 L 181/00 -), wonach es schon für den Förderungsanspruch grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob auch ein Nutzungsrecht an den angemeldeten Flächen besteht, dürften gegen die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides schon aus diesem Grunde keine Bedenken bestehen. Allerdings hat der Senat für den Fall der Stilllegung ohne Pflegemaßnahmen, also ohne erkennbare Besitzausübung, auf die Nutzungsberechtigung desjenigen, der die Stilllegungsverpflichtung eingegangen ist, abgestellt (vgl. Urt. vom 15.06.2005 - 2 L 66/02 -). Von diesem Fall unterscheidet sich der vorliegende aber dadurch, dass hier ein (auch nach Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts) als wirksam anzusehender Pachtvertrag vorlag und die Klägerin die Flächen tatsächlich (schon seit Jahren) in Besitz gehabt und in der Stilllegungszeit auch die vorgesehenen Pflegemaßnahmen durchgeführt hat. Letzteres ist vom Beklagten auch in zweiter Instanz noch bestätigt worden (vgl. Schriftsatz vom 16.11.2001). Außerdem ist eine abschließende Klärung der Verfügungsberechtigung der Verpächterin im für die Klägerin ungünstigen Sinne erst erfolgt durch den Feststellungsbescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock vom 31.03.1995, wonach das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland (Bundeswehrverwaltung) zusteht. An dem Feststellungsverfahren waren lediglich die Bundesrepublik Deutschland und das Land Mecklenburg-Vorpommern beteiligt.

Auf der anderen Seite könnte die Bewertung der Bewilligung als rechtmäßig aber dazu führen, dass möglicherweise zwei Landwirte die Agrarförderung bezogen auf ein und dasselbe Flurstück würden beanspruchen können. Aber auch der Frage, ob dem bereits erwähnten anderen Landwirt die Förderung rechtmäßig zugesprochen worden ist, braucht im vorliegenden Verfahren nicht nachgegangen zu werden.

Jedenfalls sind die angefochtenen Bescheide deshalb rechtswidrig, weil in ihnen zu Unrecht angenommen worden ist, das Vertrauen der Klägerin in die Rechtmäßigkeit der Bewilligung sei nicht im Sinne von § 48 Abs. 2 VwVfG schutzwürdig.

Dass die Klägerin über die Fördermittel im Sinne von § 48 Abs. 2 VwVfG bzw. § 48 Abs. 2 VwVfG M-V disponiert hat, ist ihr vom Beklagten bereits im Bescheid vom 28.01.1997 ausdrücklich bestätigt worden. Hiervon ist ersichtlich auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Denn es hat nur darauf abgestellt, dass die Klägerin sich wegen objektiv unrichtiger Angaben nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Im Berufungsverfahren sind zur Frage der Vertrauensbetätigung ebenfalls keine abweichenden Meinungen geäußert worden.

Die Vertrauensbetätigung ist im vorliegenden Falle entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts schutzwürdig. § 48 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG steht nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. In diesem Sinne wesentlich sind solche Angaben, die den den zu erlassenden Verwaltungsakt tragenden Sachverhalt betreffen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 6. Aufl. § 48 Rn. 159). Soweit der Begünstigte eine Rechtsauffassung äußert, stellt sich dies dagegen jedenfalls grundsätzlich nicht als wesentlich im Sinne von § 48 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG dar. Die Regelung bezweckt nicht, die Sorgfaltspflichten der für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakt zuständigen Behörde im Hinblick auf die Prüfung der Rechtslage allgemein zu verringern. Allerdings können auch Rechtstatsachen wesentlich im Sinne von § 48 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG sein, also etwa die Mitteilung, bezogen auf eine bestimmte Fläche als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu sein oder einen Pachtvertrag abgeschlossen zu haben. Diese Betrachtungsweise führt auch nicht dazu, der Vorlage manipulierter oder fingierter Verträge den Weg zu ebnen. Wer dies unternimmt, hat Kenntnis vom Mangel der eigenen Rechtsposition, so dass der Vertrauensschutz schon nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 3 VwVfG entfallen würde. Um den Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG zu verneinen, braucht sogar vorsätzliches Handeln nicht einmal vorzuliegen, grobe Fahrlässigkeit würde schon genügen. Es würde aber einen Wertungswiderspruch zu § 48 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 VwVfG ergeben, bürdete man dem Begünstigten im Hinblick auf Äußerungen zur Rechtslage im Rahmen des § 48 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG quasi zusätzlich eine Garantenstellung auf, die ihn jedenfalls in schwierigen Fällen außerdem überfordern würde.

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Förderungsbescheid nicht durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt hat. Auf dem von der Agrarverwaltung herausgegebenen formularmäßigen Antrag bzw. den dazu gehörenden Anlagen hat sie bestimmte katastermäßig bezeichnete Flurstücke als Stilllegungsflächen angegeben. Außerdem ist der Pachtvertrag angezeigt worden. Was den für die Bewilligung erforderlichen Sachverhalt angeht, ist den Angaben der Klägerin zu entnehmen, dass sie die bezeichneten Flächen auf der Grundlage eines Pachtvertrages stillgelegt habe. Es erscheint schon zweifelhaft, ob in die Erklärungen der Klägerin überhaupt irgend eine Angabe zur Verfügungsberechtigung ihrer Verpächterin hineingelesen werden kann. Allenfalls kommt in Betracht, die Angaben so zu verstehen, dass die Klägerin die Verfügungsberechtigung ihrer Verpächterin, d.h. hier der Treuhandanstalt, als gegeben angesehen hat. Dass die Klägerin diese gegebenenfalls geäußerte Rechtsauffassung tatsächlich vertreten hat, ist nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Auch nachdem sich die Doppelverpachtung herausgestellt hatte, hat die BWG in Besprechungen im Jahre 1995 sogar selbst noch die Auffassung vertreten, sie sei verfügungsberechtigt gewesen (s. Bl. 125 ff. Beiakte A). Ob die von der Klägerin eventuell zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung zutreffend ist oder nicht, spielt dagegen für die Frage, ob unrichtige Angaben im Sinne von § 48 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG gemacht worden sind, keine Rolle.

Soweit der Beklagte der Klägerin vorhält, sie habe die Verfügungsberechtigung ihrer Verpächterin überprüfen müssen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach § 48 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz nur dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Davon kann jedoch keine Rede sein. Es gibt nicht einmal konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin überhaupt irgend einen Anlass gehabt haben könnte, an der Verfügungsberechtigung der Treuhandanstalt zu zweifeln. Dass sich solche Zweifel aufgedrängt hätten, ist jedenfalls nicht festzustellen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der bereits erwähnten damaligen Grundbucheintragung.

Die hier vertretene Auffassung führt auch nicht zu einer unvermeidbaren Doppelförderung. Wäre der Flächenabgleich - wie im bereits erwähnten Verfahren 2 L 66/02 - vor der Entscheidung über die Subventionsanträge erfolgt, hätte dieses förderungsrechtlich unerwünschte Ergebnis verhindert werden können.

Aus der Rechtswidrigkeit der Rücknahme des Bewilligungsbescheides folgt zugleich die Rechtswidrigkeit der Rückforderung (vgl. § 49a Abs. 1 VwVfG bzw. § 49a Abs. 1 VwVfG M-V).

Da die Berufung in vollem Umfang Erfolg hat, sind die Kosten der zweiten Instanz gemäß § 154 Abs. 1 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen. Die Klägerin hat - wie bereits vom Verwaltungsgericht festgestellt - die Kosten der ersten Instanz bezüglich des zurückgenommenen Teils der Klage zu tragen. Der Beklagte hat die erstinstanzlichen Kosten gemäß § 154 Abs. 1 VwGO, soweit er unterlegen ist, und - wie ebenfalls erstinstanzlich bereits entschieden - soweit er der Klage abgeholfen hat, zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 72 GKG, 13 Abs. 2 a.F. GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück