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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 14.10.2009
Aktenzeichen: 2 L 234/08
Rechtsgebiete: LVerf M-V, SchulG M-V


Vorschriften:

LVerf M-V Art. 15 Abs. 2 S. 1
LVerf M-V Art. 72 Abs. 1
LVerf M-V Art. 72 Abs. 3
SchulG M-V § 102 Abs. 1
SchulG M-V § 103 Abs. 1
SchulG M-V § 103 Abs. 2
SchulG M-V § 115 Abs. 2
Aus Art. 15 Abs. 2 S. 1 LVerf M-V folgt nicht, dass das Land für Schulen in seiner Trägerschaft keine Schulkostenbeiträge erheben darf.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

2 L 234/08

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Schulrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 14.10.2009 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 6. Kammer - vom 19.09.2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 68.380,96 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Durch Bescheid vom 30.11.2007 setzte der Beklagte den vom Kläger zu tragenden Kostenbeitrag für die Beschulung von Kindern aus seinem Gebiet an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte N. auf 68.380,96 Euro fest.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 19.09.2008 abgewiesen. In den Gründen heißt es u.a.: Rechtsgrundlage für den Schulkostenbeitrag sei § 115 Abs. 2 S. 4, 5 SchulG M-V. Gegen das Gesetz bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Form der Veranlagung durch Verwaltungsakt entsprechen dem Gesetz. Wegen der Höhe des Beitrags seien Rechtsfehler nicht erkennbar.

Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Der Beklagte stellt keinen Antrag, tritt aber der Berufung entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Berufung wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen.

Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist folgendes zu ergänzen:

Aus Art. 15 Abs. 2 Satz 1 LVerf M-V folgt nicht, dass das Land für Schulen in seiner Trägerschaft keine Schulkostenbeiträge erheben darf.

Die Vorschrift besagt lediglich, dass Land, Gemeinden und Kreise für ein ausreichendes und vielfältiges öffentliches Schulwesen "sorgen". Auf welche Weise die genannten Körperschaften sich in diese Aufgabe einzubringen haben, ist dagegen in der Norm nicht geregelt. So "sorgt" etwa das Land für das öffentliche Schulwesen auch dadurch, dass es die einschlägigen Gesetze und Verordnungen erlässt und Aufgaben der Schulaufsicht wahrnimmt. Insbesondere trifft die Norm keine Bestimmung darüber, dass die Schulträgerschaft etwa gleichrangig bei Land, Gemeinden und Kreisen liegen kann. Vielmehr ergibt sich aus dem in dem Art. 28 Abs. 2 GG verankerten Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden u.a. auch, dass ihnen grundsätzlich das Recht der Schulträgerschaft zusteht. Das Grandgesetz garantiert den Gemeinden das Selbstverwaltungsrecht aber nicht absolut, es schützt vielmehr lediglich den Kernbereich (vgl. BVerfG v. 24.06.1969 - 2 BvR 446/64 -, NJW 1969,1843). Dem hat der Landesgesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er die Wahrnehmung der Trägerschaft den Gemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises zugewiesen hat (vgl. § 102 Abs. 1 SchulG M-V), wobei die Gemeinden Schulträger für Grundschulen und Regionale Schulen sind (vgl. § 103 Abs. 1 Nr. 1 SchulG M-V). Demgegenüber stellt es sich als Ausnahme dar, dass das Land "Träger von Schulen besonderer Bedeutung und Aufgabenstellung" sein kann (vgl. § 103 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V) und dass "Förderschulen in öffentlicher Trägerschaft mit überregionalem Einzugsbereich" in die Trägerschaft des Landes zu überführen sind (vgl. § 132 Satz 1 SchulG M-V). Solche gesetzlichen Sonderregelungen der Schulträgerschaft verletzen das kommunale Selbstverwaltungsrecht nicht.

Auf die Frage, ob der Grundsatz, dass wer die Schulträgerschaft inne hat, auch für die Finanzierung einzustehen hat (Konnexitätsprinzip), im Verfassungsrecht verankert ist, kommt es im vorliegenden Verfahren letztlich nicht an. Da es sich hier - wie dargestellt - um einen Sonderfall der Trägerschaft handelt, wäre auch ein verfassungsrechtlich abgesichertes Konnexitätsprinzip nicht verletzt, wenn - wie hier - der Gesetzgeber ausnahmsweise eine abweichende Kostenregelung trifft. Eine derartige Ausnahme würde das Prinzip nicht in Frage stellen. Außerdem ist das Prinzip, was den vorliegenden Fall betrifft, insoweit gewahrt, als die gesetzliche Regelung dafür sorgt, dass die Kostenverantwortung dort verbleibt, wo sie gelegen hätte, wenn das Land die Schulträgerschaft nicht übernommen hätte.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass es nicht darauf ankommt, ob sich - wie der Kläger meint - im Wege eines Umkehrschlusses aus Art. 72 Abs. 1 bzw. 2 LVerf M-V der Grundsatz ableiten lässt, dass Aufgabenverantwortung und Finanzierungsverantwortung einhergehen müsse. Auch ein derartiger Grundsatz wäre durch eine Ausnahmeregelung nicht in Frage gestellt.

Außerdem ist der Umkehrschluss auch nicht zwingend. Aus Art. 72 Abs. 1 LVerF M-V mag sich ergeben, dass Gemeinden und Kreise für die von ihnen wahrgenommenen Selbstverwaltungsaufgaben auch die finanzielle Verantwortung tragen. Das bedeutet aber nicht, dass, wenn das Land ausnahmsweise derartige Aufgaben an sich zieht, dies zugleich mit einer finanziellen Freistellung verbunden sein muss.

Die Regelung des § 72 Abs. 3 LVerf M-V vermag die Rechtsposition des Klägers schon deshalb nicht zu stärken, weil es im vorliegenden Fall nicht darum geht, dass der Beklagte den Kläger zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet hätte. Vielmehr ist dem Kläger gerade durch das Land eine öffentliche Aufgabe, nämlich eine Schulträgerschaft, die zuvor von ihm wahrgenommen worden ist, abgenommen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen nach § 132 Abs. 2 VwGO, da es um landesrechtliche Fragen geht. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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