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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 09.10.2002
Aktenzeichen: 2 L 255/02
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 58 Abs. 2 Satz 1 | |
VwGO § 60 | |
VwGO § 124 a Abs. 4 | |
VwGO § 173 | |
ZPO § 85 Abs. 2 |
2. Zu den notwendigen Bestandteilen des Antrags auf Zulassung der Berufung gehört die Bezeichnung des angefochtenen Urteils; dies gilt auch, wenn der Zulassungsantrag im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO nachgeholt wird.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluß
Az.: 2 L 255/02
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Neufestsetzung und Teilrückforderung einer Zuwendung
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 09. Oktober 2002 in Greifswald durch
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 4. Kammer - vom 17. Juli 2002 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf € 9.612,29 festgesetzt.
Gründe:
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 17.07.2002 die Klage gegen den Bescheid des Beklagten, mit dem dieser eine der Klägerin bewilligte Zuwendung neu festgesetzt und die Klägerin um Rückzahlung der zuviel abgerufenen Fördermittel in Höhe von DM 18.800,--"gebeten" hat, abgewiesen. Die mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 13.08.2002 zugestellt worden. Er hat mit an das "Oberverwaltungsgericht Greifswald" adressierten Schriftsatz vom 11.09.2002 die Zulassung der Berufung beantragt. Der Schriftsatz ist beim Oberverwaltungsgericht erstmals per Telefax am Freitag, den 13.09.2002, um 15.54 Uhr eingegangen. Am Montag, den 16.09.2002, ist der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin telefonisch durch das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen worden, daß der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht zu stellen sei. Mit an das Verwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz vom 30.09.2002, dort am selben Tag per Telefax eingegangen, hat die Klägerin den Zulassungsantrag wiederholt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unzulässig, da er nicht fristgerecht gestellt worden ist.
Nach § 124 a Abs. 4 Satz 1, 2 VwGO ist der Antrag auf Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils (Satz 1) "bei dem Verwaltungsgericht zu stellen" (Satz 2). Dies ist nicht geschehen. Der an das Verwaltungsgericht gerichtete Antrag ist bei diesem erst nach Fristablauf eingegangen. Da das Urteil der Klägerin am 13.08.2002 zugestellt worden ist, endete die Antragsfrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am Freitag, den 13.08.2002 und ist der am 30.08.2002 beim Verwaltungsgericht eingegangene Zulassungsantrag daher verspätet gestellt worden. Innerhalb der Frist ist ein Antrag lediglich beim Oberverwaltungsgericht eingegangen, was zur Fristwahrung aber nicht genügt (Beschluß des Senats vom 14.11.2000 - 2 L 173/00 -; vgl. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage, § 124 a Rdn. 7 mwN.; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 124 a Rdn. 4 mwN.).
Ob das Oberverwaltungsgericht gehalten gewesen wäre, den bei ihm eingegangenen Antrag unverzüglich an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten (verneinend: Beschluß des 3. Senats vom 29.10.1998 - 3 M 118/98 -, NVwZ 1999, 201), bedarf hier keiner Prüfung, da der Antrag auch beim Oberverwaltungsgericht erst am letzten Tag der Frist und nach Dienstschluß um 15.00 Uhr eingegangen ist. Demnach war der am 16.09.2002 erfolgte Hinweis an den Prozeßbevollmächtigten unverzüglich und hätte eine Weiterleitung an diesem Tag auch die Frist nicht gewahrt.
Die Antragsfrist betrug vorliegend auch nicht wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Urteil gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr. Anders als die Klägerin meint, ist die Rechtsmittelbelehrung nicht irreführend. Vielmehr wird dort zutreffend und im Einklang mit der Gesetzeslage ausdrücklich darüber informiert, daß der Zulassungsantrag beim Verwaltungsgericht zu stellen ist und dieses Verwaltungsgericht genau bezeichnet. Dieser Hinweis ist deutlich in einem separaten Absatz von der Belehrung, daß die Berufung vom Oberverwaltungsgericht zugelassen wird, abgegrenzt. Bei dieser Sachlage konnten beim Empfänger bei dem gebotenen sorgfältigen Studium der Rechtsbehelfsbelehrung keine Zweifel darüber aufkommen, bei welchem Gericht der Zulassungsantrag zu stellen ist. Es war nicht erforderlich, wegen der Abweichung des Berufungswegs in zivilrechtlichen Instanzen in besonderer Weise hervorzuheben, daß der Antrag beim erstinstanzlichen Gericht zu stellen ist.
Wegen der Verspätung ist der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen. Voraussetzung dafür wäre, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, der das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zugerechnet wird, ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen wäre (§§ 60, 173 VwGO, 85 Abs. 2 ZPO). Ein Verschulden des Bevollmächtigten ist gegeben, wenn dieser die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts nicht angewandt hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rdn. 20). Umstände, die ein mangelndes Verschulden des Klägerbevollmächtigten ergeben, hat der Klägerbevollmächtigte nicht vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus seinem gesamten Sachvortrag das Gegenteil. Es entlastet ihn nicht, daß der Fehler des falschen Antragsadressaten nach seinen Angaben nicht ihm selbst unterlaufen ist, sondern einer Mitarbeiterin seiner Kanzlei. Zwar ist ein - allein zurechenbares - Verschulden des Prozeßbevollmächtigten zu verneinen, wenn die Versäumung nicht von ihm selbst, sondern von seinem Hilfspersonal, das von ihm hinreichend geschult, unterrichtet und überwacht worden ist, zu vertreten ist (Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rdn. 29 mwN.; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 60 Rdn. 11). Vorliegend liegt aber daneben ein eigenes Verschulden des Klägerbevollmächtigte vor. Nach seinem Vortrag hatte dieser eine Mitarbeiterin beauftragt, entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Urteils einen Schriftsatz vorzubereiten, um die Zulassung der Berufung zu beantragen und er dann diesen Schriftsatz unterzeichnet und per Telefax versandt. Es entspricht nicht der erforderlichen Sorgfalt, wenn der Rechtsanwalt weder eine Rechtsmittelschrift selbst fertigt noch eine von seinem Hilfspersonal entworfene Rechtsmittelschrift überprüft. Denn es handelt sich bei der Fertigung einer Rechtsmittelschrift nicht um einfache Bürotätigkeit, sondern um anwaltliche Tätigkeit, die dieser nicht zur selbständigen Bearbeitung an sein Hilfspersonal übertragen kann. Der Anwalt selbst hat die Einhaltung der prozeßrechtlichen Anforderungen durch die Rechtsmittelschrift zu gewährleisten. Wenn der Anwalt schon nicht selbst die Rechtsmittelschrift formuliert, ist er zumindest gehalten, die ihm zur Unterschrift vorgelegte Rechtsmittelschrift zu überprüfen. Dies hat er nach seinem Vortrag unterlassen. Enthält die Rechtsmittelschrift nach Unterschrift gleichwohl Fehler, so ist dies dann dem Anwalt als eigenes Verschulden zuzurechnen. Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt, daß sich die Kanzlei des Klägerbevollmächtigten nur ausnahmsweise mit Rechtsmitteln außerhalb des zivilrechtlichen Instanzenzugs beschäftigt. Angesichts des eigenen Verschuldens des Klägerbevollmächtigten kommt es auf das Verhalten seiner Büroangestellten und daraus resultierender Überwachungsfragen nicht mehr an.
Der Klägerin ist die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch deswegen zu versagen, weil sie nicht, wie in § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO gefordert, innerhalb der - hier gewahrten - Antragsfrist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat. Zu den notwendigen Bestandteilen des Antrags auf Zulassung der Berufung gehört auch die Bezeichnung des angefochtenen Urteils. Dieses Erfordernis ist gesetzlich zwingend vorgeschrieben (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO) und deshalb notwendiger Bestandteil auch der nachzuholenden Rechtshandlung im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO (vgl. zur Antragsbegründung: Beschluß des Senats vom 31.07.2000 - 2 L 98/00 -). Das angefochtene Urteil ist indessen - ebenso wie schon in der Antragsschrift vom 11.09.2002 - im Antrag vom 30.09.2002 nicht bezeichnet worden. Hierzu ist grundsätzlich die Angabe des Gerichts, das das Urteil erlassen hat, des Aktenzeichens, des Datums und der Parteien erforderlich (Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 a Rdn. 6). Die Klägerin hat in der Antragsschrift nur das Aktenzeichen und die Parteien bezeichnet. Dies ist vorliegend nicht ausreichend. Unvollständige Angaben schaden nur dann nicht, wenn nicht zweifelhaft sein kann, um welches Urteil es sich handelt, weil sich die notwendigen Angaben aus einer beigefügten Kopie oder Abschrift des angefochtenen Urteils ergeben (vgl. BVerfG, Beschluß vom 09.08.1991 - 1 BvR 630/91 -, NJW 1991, 3140). Die Antragsschrift der Klägerin enthält keine Anlagen, denen sich die fehlenden Angaben entnehmen lassen. Hinzu kommt noch, daß der Antrag nicht zweifelsfrei erkennen läßt, wer Berufungskläger und Berufungsbeklagter ist. Dies aber ist für einen zulässigen Zulassungsantrag erforderlich (Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 a Rdn. 6).
Soweit in dem Zulassungsantrag das Urteil nicht bezeichnet worden ist und der Antrag nicht zweifelsfrei erkennen läßt, wer Berufungskläger und Berufungsbeklagter ist, ergibt sich im übrigen auch bereits hieraus unabhängig von der Verfristung die Unzulässigkeit des Zulassungsantrags.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ende der Entscheidung
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