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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 29.10.2004
Aktenzeichen: 2 L 396/04
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3
Zu Zulassungsgründen nach § 78 Abs. 3 AsylVfG im Zusammenhang mit Zweifeln des Gerichts an der Glaubwürdigkeit der Angaben eines Asylbwerbers.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 2 L 396/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Asylrecht - Togo

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 29. Oktober 2004 in Greifswald durch beschlossen:

Tenor:

Die Anträge des Klägers auf Prozesskostenhilfe und auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 7. Kammer - vom 05.07.2004 werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Durch Urteil vom 05.07.2004 hat das Verwaltungsgericht die in erster Linie auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gerichtete Klage abgewiesen. In den Gründen heißt es u.a., das Gericht habe nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger Togo auf Grund politischer Verfolgung verlassen habe. Dabei hat es insbesondere seinen Vortrag, er habe sich per Telefon in einer Sendung des togoischen Fernsehens regimekritisch geäußert und habe deswegen festgenommen werden sollen, als unglaubwürdig angesehen.

Der Prozesskostenhilfeantrag ist gemäß §§ 166 VwGO, 114 ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Der Zulassungsantrag ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

Das angefochtene Urteil weicht nicht von den in der Begründung des Zulassungsantrags genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26.05.1994 - 2 BvR 1183/92 - (DVBl. 1994, 1403) und vom 27.07.1996 - 2 BvR 1416/94 - (AuAS 1996, 245) ab. Die Abweichung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG muss grundsätzlicher Art sein. Sie liegt nicht bereits dann vor, wenn das Gericht einen Grundsatz, der in einer divergenzfähigen Entscheidung aufgestellt worden ist, lediglich im Einzelfall unrichtig anwendet. Die Divergenzrüge soll einer Gefährdung der Rechtseinheit entgegenwirken.

Danach lässt sich hier eine Abweichung nicht feststellen. Zutreffend hat der Kläger allerdings herausgearbeitet, dass sich das Bundesverfassungsgericht in den angefochtenen Entscheidungen mit den Anforderungen an die fachgerichtliche Bewertung asylrelevanten Vorbringens als unglaubwürdig befasst hat. Davon ist aber das Verwaltungsgericht nicht abgewichen. Zwar mag es - verallgemeinerungsfähig - davon ausgegangen sein, dass Glaubwürdigkeitszweifel veranlasst seien, wenn der Asylbewerber bei den Anhörungen vor dem Bundesamt und dem Gericht "in der Erzählungsstruktur ganz ähnlich" vortrage (Seite 6 Urteilsabdruck). Damit hat sich das Verwaltungsgericht aber nicht in Widerspruch zu den oben genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts begeben. Auch bedarf es in diesem Zusammenhang keiner grundsätzlichen Klärung (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) in einem Berufungsverfahren. Denn der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist ohne weiteres zu folgen. Ein Gericht darf den Vortrag eines Asylbewerbers in Zweifel ziehen, wenn es Anhaltspunkte dafür hat, er habe seine Geschichte auswendig gelernt.

Der Kläger rügt auch zu Unrecht eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (vgl. §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. Beschluss des Senats vom 08.09.2004 - 2 L 315/04 -). Dass dies hier nicht geschehen wäre, ist der Begründung des Zulassungsantrags nicht zu entnehmen. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, das Verwaltungsgericht habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen (vgl. Beschluss des Senats vom 06.08.2002 - 2 L 83/02 -). Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe war in erster Instanz bereits mit der Begründung abgelehnt worden, der Kläger sei den vom Bundesamt geäußerten Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Angaben nicht maßgeblich entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung hat der Einzelrichter durch mehrere Rückfragen seine Skepsis durchblicken lassen (vgl. Seite 3 f. des Protokolls vom 05.07.2004) und dem Kläger gegen Ende der Anhörung folgenden (sehr deutlichen) Vorhalt gemacht:

Ich habe den Eindruck, dass Sie einfach Ihre Geschichte schlecht gelernt haben. Ich glaube Ihnen das nicht, was da geschehen ist. Einerseits erzählen Sie mir sehr genau das, was auch im Protokoll drin steht und andererseits erzählen Sie mir zwei Dinge, die relativ wichtig sind, ganz unterschiedlich, ohne dass Sie dafür eine plausible Erklärung haben. Ich glaube, dass Sie sich einfach vertan haben, dass sie da durcheinander gekommen sind mit dem Auswendiglernen der Geschichte, aber ich glaube nicht, dass Sie das wirklich erlebt haben.

Wenn der Kläger danach weitere Möglichkeiten gesehen hat, um den Sachverhalt noch aufzuklären, so hätte er alle Veranlassung gehabt, darauf - etwa durch Beweisanträge - hinzuwirken. Dies ist jedoch ausweislich des Protokolls nicht geschehen. Auch in der Begründung des Zulassungsantrags wird nicht konkret angegeben, wie das Gericht den Sachverhalt denn weiter hätte aufklären sollen (vgl. zu Nachforschungen im - potentiellen - Verfolgerstaat: Beschluss des Senats vom 16.08.2000 - 2 L 40/99 -). Im Übrigen gehört die Verletzung der Aufklärungspflicht nicht zu den Verfahrensfehlern, bei deren Vorliegen die Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG zuzulassen ist.

Schließlich ist ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn das Gericht für den Kläger ungünstige Schlussfolgerungen daraus gezogen hat, dass es in dem Teil seiner Angaben, die nicht - wie er es in der Begründung des Zulassungsantrags selbst formuliert - "beinahe deckungsgleich mit den im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt" sind, Widersprüche festgestellt hat. Insofern stellen sich weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung noch lässt sich eine Divergenz feststellen. Auf die vorstehenden Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen hingewiesen werden. Dies gilt auch für die Frage der Gehörsverletzung. Auch in diesem Punkt kann insbesondere auf den bereits wiedergegebenen Vorhalt verwiesen werden, nach dem der Kläger allen Anlass gehabt hätte, selbst die Initiative zu ergreifen, um die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Abweisung seiner Klage abzuwenden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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