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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: 2 L 63/06
Rechtsgebiete: GG, LBG M-V
Vorschriften:
GG Art. 33 Abs. 5 | |
LBG M-V § 87 Abs. 2 |
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Dienstrecht
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 30. Oktober 2008 in Greifswald
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 1. Kammer - vom 19.10.2005 wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.090,34 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten, gegenüber bestimmten Presseorganen klarzustellen, dass die in der Pressekonferenz des Innenministers vom 03.03.2000 über die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes getätigten kritischen Äußerungen im Zusammenhang mit der Anwerbung, Führung und Abschaltung des V-Mannes "X"f, soweit sie den Kläger betreffen, nicht aufrecht erhalten werden. Hintergrund der Pressekonferenz waren polizeiliche Ermittlungen über eine eventuelle Beteiligung des V-Mannes an Straftaten.
Durch Urteil vom 19.10.2005 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.
Der dagegen gerichtete Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie denn hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt sind, nicht vor.
Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigten Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist dagegen zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne Weiteres ausräumen lassen (vgl. Beschluss des Senats vom 21.12.2007 - 2 L 198/06 -, m.w.N.).
Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Berufung nicht wegen der vom Beklagten geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen ist.
Das Verwaltungsgericht hat den Schutzbereich der einfachgesetzlich aus § 87 Abs. 2 Satz 2 LBG M-V abgeleiteten und verfassungsrechtlich in den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht verkannt.
In der Begründung des angefochtenen Urteils nimmt das Verwaltungsgericht an, dass die Fürsorgepflicht es dem Dienstherrn verbietet, den Beamten durch Kritik an seiner Amtsführung ohne rechtfertigenden sachlichen Grund in einer Pressekonferenz bloßzustellen (vgl. Seite 14 ff. Urteilsabdruck). Diese Rechtsauffassung stimmt mit der (vom Verwaltungsgericht auch zitierten) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überein (vgl. Urt. v. 29.06.1995 - 2 C 10.93 -, E 99 Seite 56).
Die Richtigkeit dieses rechtlichen Ansatzes wird vom Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Er vertritt lediglich die Auffassung, dass die "Wiedergabe wahrer Sachverhalte bzw. sachlich gerechtfertigte Kritik an der Amtsführung" nicht gegen die Fürsorgepflicht verstoße und dass der Dienstherr auf konkrete Nachfrage von Journalisten "wahrheitsgemäß" berichten dürfe und nicht verpflichtet sei, "eine unzureichende Amtsführung des Beamten" zu decken oder die Mitteilung eines Namens zu verweigern. Aus diesen Ausführungen wird nicht deutlich, dass der Beklagte eine von der des Verwaltungsgerichts in wesentlicher Hinsicht abweichende (abstrakt-generelle) Rechtsauffassung vertritt. Hierauf kommt es aber letztlich auch nicht an. Denn das Verwaltungsgericht ist gerade nicht davon ausgegangen, dass die vom Innenminister anlässlich der Pressekonferenz in Bezug auf den Kläger erhobenen Tatsachenbehauptungen zutreffen (vgl. Seite 16 ff. Urteilsabdruck). Soweit der Beklagte nunmehr in Abrede stellt, dass es bei den Äußerungen des Innenministers anlässlich der Pressekonferenz überhaupt um Tatsachenbehauptungen gegangen ist, kann ihm nicht gefolgt werden. Zu diesem Punkt wird auf Blatt 15 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen, wo es u.a. heißt: "Nach Auffassung des Ministers seien im Bereich des Verfassungsschutzes bei der Anwerbung, Führung und Abschaltung des V-Mannes "X." und bei der Dokumentation bedeutsamer Ereignisse Fehler im Verantwortungsbereich des Klägers gemacht und Dienstvorschriften nicht eingehalten worden. Der Kläger habe bestimmte Informationen gehabt, die nicht dokumentiert worden seien." Dem im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Protokoll der Pressekonferenz ist zu entnehmen, dass es dabei u.a. um Kenntnisse über einen Fall von schwerer Körperverletzung gegangen ist. Soweit der Beklagte der Auffassung ist, die Argumentation des Verwaltungsgerichts sei nicht in dem Sinne zwingend, dass festzustellen sei, "dass der Kläger keine Fehler im Zusammenhang mit der Führung des V-Mannes begangen" habe, berücksichtigt er nicht genügend, dass es für das Verwaltungsgericht ersichtlich nicht darauf angekommen ist, die Fehlerfreiheit des Klägers positiv festzustellen. Vielmehr hat es das Verwaltungsgericht, um der Klage stattzugeben, als ausreichend erachtet, wenn sich der Sachverhalt in diesem Punkt nicht aufklären lässt (vgl. Seite 16 f. Urteilsabdruck). Dies gehe nach den Regeln der materiellen Beweislast zu Lasten des Beklagten (vgl. Seite 19 Urteilsabdruck). Auf die Frage, ob die Erklärung des Staatssekretärs vom 19.10.2002, dem Kläger werde keine Verletzung von Dienstpflichten vorgeworfen, oder ob der Umstand, dass kein Disziplinarverfahren gegen den Kläger eingeleitet worden ist, vom Verwaltungsgericht überbewertet worden ist, kommt es letztlich also ebenfalls nicht an. Entsprechendes gilt, soweit das Verwaltungsgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt hat, dass es der Beklagte abgelehnt hat, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Präsidenten des Hamburger Verfassungsschutzes oder die Prüfgruppe des Bundesamts für Verfassungsschutz einzuschalten.
Wieso der Beklagte in diesem Zusammenhang annimmt, das Verwaltungsgericht sei wegen der Sperrerklärung nach § 99 Abs. 2 VwGO von einer "Beweislastumkehr" zum Vorteil des Klägers ausgegangen, ist nicht nachvollziehbar. Dass der Beklagte die Beweislast trägt, hat das Verwaltungsgericht vielmehr aus dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz abgeleitet, dass "die Nichterweislichkeit eines Umstandes zu Lasten desjenigen, für den dieser günstig wäre, gehe, ist aber ersichtlich auch nicht davon ausgegangen, dass die Sperrerklärung, deren Rechtmäßigkeit gerichtlich festgestellt worden ist, zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Beklagten führe. Auch diese Rechtsauffassung steht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Einklang. Danach hat das Gericht der Hauptsache, wenn in einem Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO endgültig festgestellt wurde, dass die Verweigerung einer Aktenvorlage rechtmäßig ist, die ihm verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig auszuschöpfen. Dabei hat es einen durch die Sperrerklärung verursachten Beweisnotstand unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verteilung der materiellen Beweislast angemessen zu würdigen (vgl. Urteil vom 21.05.2008 - 6 C 13/07 -, DVBl. 2008, S. 1242). Dies ist so zu verstehen, dass es wenn sich - wie hier - der Sachverhalt letztlich nicht weiter aufklären lässt, bei der ursprünglichen Verteilung der Beweislast bleibt. Das Verwaltungsgericht hat sich - wie bereits ausgeführt - tatsächlich bemüht, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt sich jedoch nicht, dass insoweit weitere Möglichkeiten in Betracht gekommen wären.
Soweit der Beklagte die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung im Hinblick auf die über den Kläger in der Pressekonferenz abgegebenen Werturteile kritisiert, berücksichtigt er nicht genügend, dass es dem Verwaltungsgericht mit den auch in der Begründung des Zulassungsantrags zitierten Passagen darum ging, diese Werturteile selbst dann als "überzogen" zu erachten, "wenn dem Kläger tatsächlich Fehler in seiner Amtsführung zur Last gelegt werden könnten". Damit hat das Verwaltungsgericht zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Äußerungen des Innenministers ein zweites Argument angeführt. Ersichtlich ist es aber zunächst davon ausgegangen, dass die zur Begründung der Werturteile angeführten Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen müssen. Diese Rechtsauffassung stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls überein (vgl. Urt. v. 21.05.2008, a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat auch nicht ignoriert, dass der Innenminister gezielt nach der Person des Klägers gefragt worden ist; Es hat auch aufgezeigt, wie damit hätte umgegangen werden können, ohne dass Rechte des Klägers verletzt worden wären (vgl. Blatt 21 Urteilsabdruck). Dass damit nicht zugleich eventuelle berechtigte Interessen anderer im Verfassungsschutz Beschäftigter in angemessener Weise zu schützen gewesen wären, ist nicht ersichtlich.
Auch das in der Begründung des Zulassungsantrags auszugsweise zitierte Sachbuch vermag die Rechtsposition des Beklagten nicht durchgreifend zu verbessern. Zum einen wird nicht deutlich, dass die darin erwähnten "handwerklichen Fehler sowohl in der V-Mann-Führung als auch in der Aktenführung" dem Kläger zuzuordnen sind. Zum anderen erklärt der Beklagte nicht, wie der Verfasser zu seinen Erkenntnissen gelangt ist, ob er etwa in die Vorgänge, die dem Gericht verweigert worden sind, Einsicht gehabt hat.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Sache weist weder besondere Schwierigkeiten auf noch hat sie grundsätzliche Bedeutung.
Dass der Sachverhalt für das Verwaltungsgericht nicht weiter aufklärbar gewesen ist, rechtfertigt nicht die Annahme besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten, zumal nicht erkennbar ist, dass sich hieran in einem Berufungsverfahren etwas ändern könnte. Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass aus der Unaufklärbarkeit ein besonderer Argumentationsaufwand resultieren würde. Welche rechtlichen Folgen die mangelnde Verwertbarkeit geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen für die Frage der Beweislast hat, ist höchstrichterlich geklärt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann in diesem Zusammenhang auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Ende der Entscheidung
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